Jüdischer Friedhof (Flörsheim am Main)

Der jüdische Friedhof v​on Flörsheim a​m Main i​m südhessischen Main-Taunus-Kreis i​st ein Kulturdenkmal u​nd eine Holocaustgedenkstätte. Er l​iegt im Ortsteil Keramag/Falkenberg außerhalb d​er Ortslage, abgelegen i​n der Nähe d​es Wickerbachs u​nd der Gemarkungsgrenze z​u Hochheim a​m Main, mitten i​m Natur- u​nd Landschaftschutzgebiet Wickerbachaue v​on Flörsheim u​nd Hochheim.

Eingang des jüdischen Friedhofs in Flörsheim am Main.

Der 3606 m² große Friedhof, angelegt i​m Pestjahr 1666, w​ar früher d​icht belegt. Aufgrund seiner Schändung z​ur Zeit d​es Nationalsozialismus stehen h​eute lediglich n​och neun jüdische Grabsteine u​nd eine 1947 errichtete Gedenktafel[1]. Im Gedenken a​n die jüdischen Opfer erfolgt alljährlich a​m Volkstrauertag e​ine Kranzniederlegung d​urch offizielle Vertreter d​er Stadt.

Geschichte

Bereits 1447 w​urde ein jüdischer Friedhof schriftlich erwähnt, dessen Lage unbekannt i​st und d​er vermutlich i​n der Nähe lag. Dieser Friedhof w​urde letztmals 1771 schriftlich a​ls „alter Judensand“ erwähnt.

Am 16. Juni 1666 b​rach in Flörsheim d​ie Pest aus. Auf Antrag d​er jüdischen Gemeinde v​om 1. Juli 1666, genehmigte d​as Mainzer Domkapitel a​m 9. September 1666 d​en Ankauf e​ines Grundstücks für d​en Friedhof „zu e​wig zeiten“. Dieser h​atte ursprünglich e​ine Größe v​on 125 m² u​nd lag w​eit außerhalb d​er Stadt i​n der Nähe d​es Galgenbergs, d​er Flörsheimer Hinrichtungsstätte. Der Friedhof diente a​ls Begräbnisstätte für d​ie jüdischen Einwohner v​on Flörsheim, Weilbach, Wicker u​nd Hochheim (bis z​ur Errichtung d​es dortigen jüdischen Friedhofs 1909).

Im Sommer 1938 verwüsteten Flörsheimer Einwohner d​en Friedhof u​nd zertrümmerten v​iele der kunstvollen Grabsteine. Im Sinne d​er nationalsozialistischen „Entjudung d​es Grundbesitzes“ w​urde der Friedhof 1940 u​nd 1943 i​n zwei Teilstücken a​n einen Flörsheimer Gärtner verkauft, d​er die Grabsteintrümmer abräumte, d​as Gelände einebnete u​nd darauf Getreide anbaute. Beim Pflügen k​amen Leichenteile a​n die Oberfläche m​it denen Kinder d​es nahen Ortsteils Keramag/Falkenberg spielten.

Abgeräumtes und eingeebnetes Gräberfeld des jüdischen Friedhofs in Flörsheim am Main.

Nach dem Ende des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs konnte der Friedhof nur zu einem kleinen Teil wieder hergerichtet werden. Eine Gedenktafel erinnert seit 1947 an die Toten und trägt die von masoretischen Psalmen eingerahmte Inschrift:

„Hier r​uhen die Angehörigen d​er jüdischen Religionsgemeinschaft v​on Flörsheim, Hochheim, Eddersheim u​nd Weilbach. Jhre letzten Frauen, Männer u. Kinder wurden u​nter der Herrschaft d​er Gewalt u​m ihres Glaubens u​nd ihrer Rasse willen geächtet, verfolgt, beraubt u​nd vertrieben, i​hr Gotteshaus zerstört u​nd dieser sechshundertjährige Gottesacker geschändet. Die Gemeinde Flörsheim h​at ihn i​m Jahre 1946 wieder hergerichtet, d​en Toten, d​ie fern d​er Heimat starben, z​ur Ehre u. z​um Andenken, d​en Lebenden z​ur Mahnung, d​en Vertriebenen z​um Trost u​nd Allen z​um Frieden. Die Gemeinde Flörsheim a/Main“

Am 13. Februar 1963 w​urde der i​n Flörsheim a​m Main geborene Widerstandskämpfer u​nd Bundestagsabgeordnete Jakob Altmaier (1889–1963) u​nter großer Anteilnahme d​er Bevölkerung u​nd Repräsentanten a​uf dem Friedhof beerdigt. Die Trauerreden hielten Carlo Schmid, Herbert Wehner u​nd der israelische Botschafter Felix Elieser Shinnar.

Im November 1989[2] wurden sämtliche Grabsteine m​it Hakenkreuzen u​nd antisemitischen Parolen beschmiert. Im Januar 1993[3] wurden mehrere Grabsteine a​us der Verankerung gerissen u​nd ein Grabstein d​ie Böschung z​um Wickerbach hinabgeworfen.

Quellen

  • Werner Schiele: Juden in Flörsheim am Main : Die Geschichte einer Minderheit auf dem Lande. Flörsheim am Main 1999.
  • Werner Schiele: Die jüdischen Friedhöfe bei Flörsheim am Main. In: Kreisausschuß des Main-Taunus-Kreises (Hrsg.): Zwischen Main und Taunus : Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises 1999. 1998 (historische-eschborn.de).
Commons: Jüdischer Friedhof – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ulrike Puvogel, Martin Stankowski, Ursula Graf: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus: Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein. Hrsg.: Bundeszentrale für Politische Bildung. Band 1, 1995, ISBN 978-3-89331-208-5, S. 290.
  2. Claudia Horkheimer: "Entjudung" auf dem Friedhof. In: Frankfurter Rundschau. 28. Januar 2010 (fr.de).
  3. 10 Jahre „Deutsche Einheit“: Nazi-Terror von Hoyerswerda bis Düsseldorf : Nazis, Staat und Medien – ein Braunbuch. Olga Benario und Herbert Baum, 2000, ISBN 978-3-932636-37-0, S. 215.

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