Islamisierung Ost-Jerusalems unter jordanischer Besatzung
Die sogenannte Islamisierung Ost-Jerusalems unter jordanischer Besatzung bezeichnet die von manchen Kommentatoren als Islamisierung beschriebene Vereinnahmung Ostjerusalems während der neunzehnjährigen Besatzungszeit Jordaniens zwischen dem Palästinakrieg 1948 und dem Sechstagekrieg 1967.[1] Es war die Phase der Militärbesatzung und anschließenden Annexion der 1948 eroberten Gebiete des Westjordanlandes (in Israel offiziell Judäa und Samaria) durch Jordanien. Ein ähnliches Schicksal hätten römisch-katholische jordanische Christen und andere Nichtmuslime auch in Jordanien erfahren.
Beschreibung der Ereignisse
Die jordanische Armee hatte im Vergleich zu anderen arabischen Armeen im ersten israelisch-arabischen Krieg relativ erfolgreich agiert.[2] Das Jüdische Viertel der Jerusalemer Altstadt wurde am 18. Mai 1948[2] von ihr eingenommen, worauf sich die Kampfhandlungen auf Latrun[2] konzentrierten, das die israelische Armee befestigte, auch wenn es laut dem UN-Teilungsplan für Palästina (1947) dem arabischen Staat zugeteilt war. Dort erfolgte die Verteidigung der Straße zwischen Jerusalem und Tel Aviv. Israelische Einheiten begannen auf Anweisung David Ben-Gurions und gegen[2] den Rat seiner Generäle am 25.[2] und 30. Mai[2] und am 9. Juni[2] 1948 drei erfolglose Angriffe gegen die Arabische Legion. Ostjerusalem verblieb danach unter der Kontrolle Jordaniens.
König Abdallah ibn Husain I. erhoffte sich einen beträchtlichen Prestigegewinn durch die Aneignung der drittheiligsten Stätten des Islam. Dieses Prestige gab Transjordanien den nötigen Rückhalt zur Ausrufung seiner Eigenstaatlichkeit als Haschimitisches Königreich Jordanien im Januar 1949. Die Einsetzung Abdallahs wurde mit beabsichtigter symbolischer Wirkung in Jericho[3] vollzogen, das genau zwischen Jerusalem und Amman liegt. Dem nationalen Anspruch der Palästinenser stand Abdallah ablehnend gegenüber, im Vordergrund stand für ihn die „Arabische Einheit“,[3] Jordanien sah er als deren Präfiguration.[3] Jerusalem erlebte einen politischen Bedeutungsverlust, erst 1951[3] fanden Wahlen statt. Der gewählte Bürgermeister Aref al-Aref[3] wurde von Jordanien kurze Zeit später abgesetzt, während Raghib al-Naschaschibi,[3] Jerusalems Bürgermeister von 1920 bis 1934, das ehrenvolle aber politisch unbedeutende Amt des Hüters der beiden Harams (Jerusalem und Hebron) erhielt. Nachdem Abdallah im Juli 1951 durch einen palästinensischen Attentäter in Jerusalem ermordet worden war, wuchs die bereits vorhandene Abneigung der Jordanier gegen Jerusalem, das als potentiell gefährlich galt. Bauvorhaben für sämtliche Bewohner wurden deshalb verzögert oder ganz untersagt, das Bauland blieb ungenutzt, um das Wachstum Jerusalems zu verlangsamen.[3]
Mark Tessler, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Michigan, beschreibt in A History of the Israeli-Palestinian Conflict (1994), wie die jordanische Besetzung zu einer Diskriminierung und Verfolgung aller Nichtmuslime – Tscherkessen, Christen, Drusen und Juden – im Besatzungsgebiet und zu einer Arabisierung der öffentlichen Verwaltung geführt habe.[4] Ihm zufolge soll es eine „Christenverfolgung“ im jordanisch besetzten Gebiet gegeben haben. Die christliche Bevölkerung des jordanisch regierten Jerusalems sei infolge religiöser Beschränkungen und Verbote diskriminiert worden.
Christliche Schulen in Ostjerusalem mussten demzufolge an muslimischen Feier- und Ruhetagen statt an Sonntagen schließen. Christliche Feiertage wurden nicht mehr offiziell anerkannt auch nicht die Einhaltung des Sonntags als Ruhetag. Das Neue Jerusalemer Tor, 1889 eingerichtet um einen leichteren Zugang vom christlichen Viertel der Altstadt zu neuen christlichen Wohnvierteln vor der Mauer zu ermöglichen, wurde 1948 von der jordanischen Besatzung vermauert. Sie vermauerte ebenso alle anderen westlichen Zugänge zur Altstadt, darunter das Jaffator und das Zionstor. Von 1948 bis 1967 waren alle diese Durchgänge zugemauert.[5]
“It is worthy of note that between 1948 and 1967 the Christian population of Jordanian-ruled Jerusalem dwindled rapidly, partly as a result of the systematic bans and restrictions imposed upon it on religious grounds.[6]”
„Bemerkenswert ist, dass zwischen 1948 und 1967 die christliche Bevölkerung des jordanisch regierten Jerusalems schnell verschwand, u. a. wegen der systematischen Verbote und Beschränkungen, die aus religiösen Gründen auferlegt wurden.“
Ira Sharkansky schreibt, christliche Kirchen seien daran gehindert worden, Krankenhäuser und andere soziale Einrichtungen in Jerusalem zu gründen.[7] Jordanien erließ 1955 Gesetze, um christliche Schulen unter staatliche Aufsicht zu stellen.[5] Die Autorin Kimberly Katz gibt an, dass in Schulen arabischer Christen nur in der arabischen Muttersprache unterrichtet werden durfte, Lehrbücher wurden von Jordanien vorgegeben.[5]
Diese Gesetze, die sich auf christliche Bildungseinrichtungen auswirkten, wurden von der politischen Autorin und Verschwörungstheoretikerin Gisèle Littman (Pseudonym: Bat Yeʾor)[8] und dem damaligen Bürgermeister von Jerusalem Teddy Kollek[9] als Beleg dafür angeführt, dass Jordanien das christliche Viertel der Altstadt von Jerusalem habe islamisieren wollen. Die Zeitung The Jerusalem Post äußerte sich zu diesen Ereignissen und beschrieb diese Maßnahmen als:
“a process of Islamization of the Christian Quarter in the Old City.[10]”
„ein Prozess der Islamisierung des Christlichen Viertels der Jerusalemer Altstadt“
Juden wurde der Zugang zur Westmauer verboten, der Ölberg verwüstet und 38.000 jüdische Gräber wurden zerstört. Raphael Israeli, Professor für Geschichte des Mittleren Ostens, des Islam und Chinas an der Hebräischen Universität Jerusalem, bezeichnete diese Maßnahmen als „Arabisierung“.[11]
“when the Arabs dominated East Jerusalem, not only did they effect a full Arabization of the city, but they did that to the detriment of Jewish sites, such as the Temple Mount, the Mount of Olives, and the Jewish Quarter.[11]”
„Als die Araber Ostjerusalem beherrschten, erreichten sie nicht nur eine vollständige Arabisierung der Stadt, sondern sie taten dies auch zu Lasten jüdischer Stätten wie dem Tempelberg, dem Ölberg und dem Jüdischen Viertel.“
Nach der Vertreibung der jüdischen Bewohner der Altstadt im Krieg von 1948 durch die Arabische Legion erlaubte Jordanien arabisch-muslimischen Flüchtlingen, sich im verlassenen Jüdischen Viertel Jerusalems niederzulassen. Später nahmen arabische Bewohner aus Hebron ihren Platz ein. In den 1960er Jahren, als das Viertel weiter verfallen war, plante Jordanien, das Viertel in einen öffentlichen Park umzuwandeln, so schreibt Raphael Israeli.[12]
“The destruction by the Jordanians of the Jewish Quarter and its many synagogues, including the beautiful ancient synagogue of the Old City known as Khurvat Rabbi Yehuda Hehasid, went a long way to de-Judaize much of the millennia-old Jewish holdings on Jerusalem.[12]”
„Die Zerstörung des Jüdischen Viertels durch die Jordanier und seiner vielen Synagogen … führte zu einem langen Weg der Vernichtung jahrtausendealter, jüdischer Geschichte Jerusalems.“
Der jordanische Kommandeur der Operation Major Abdullah at-Tall sagte 1948: „Zum ersten mal seit 1000 Jahren verbleibt kein einziger Jude im Jüdischen Viertel. Kein einziges Gebäude verbleibt intakt. Das macht eine Rückkehr der Juden unmöglich.“[13]
Einzelnachweise
- Ghada Hashem Talhami: The Middle East in turmoil. Nova Publishers, New York 2002, S. 169 online.
- David Elkaïm: Histoire des guerres d’Israël – De 1948 à nos jours. In: Collection texto. 2. Auflage. Éditions Tallandier, Paris 2019, ISBN 979-1-02103961-2, S. 41 f.
- Vincent Lemire, avec Katell Berthelot, Julien Loiseau et Yann Potin: Jérusalem, histoire d’une ville-monde des origines à nos jours (Kapitel: Jérusalem en Jordanie : le retour en province (1948–1967)). In: Collection Champs histoire. Éditions Flammarion, Paris 2016, ISBN 978-2-08-138988-5, S. 390–394.
- Mark A. Tessler: A History of the Israeli-Palestinian Conflict, S. 329, Indiana University Press, Bloomington (Indiana) 1994: Jordan's illegal occupation and Annexation of the West Bank.
- Kimberly Katz: Jordanian Jerusalem; Holy Places and National Spaces, University Press of Florida, Gainesville 2005, S. 97 ff.
- Yael Guiladi: One Jerusalem, 1967–1977. Keter Books, New York 1977, S. 89 online
- Ira Sharkansky: Governing Jerusalem: Again on the world's agenda. Wayne State University Press, Detroit 1996, S. 76 online Zugriff am 3. Juni 2011.
- Bat Yeʾor: Islam and Dhimmitude: where civilizations collide. Fairleigh Dickinson University Press, Madison (New Jersey) 2002, S. 235 online.
- Annelies Moors: Discourse and Palestine: power, text and context. Het Spinhuis (Amsterdam) 1995, S. 57 online Zugriff am 25. Mai 2011.
- The Churches Anti-Christian Crusade. In: The Jerusalem Post (der Link führt zu ProQuest), 4. Oktober 1992 online Zugriff am 16. Mai 2017.
- Raphael Israeli: Poison: modern manifestations of a blood libel. Lexington Books, New York 2002, S. 219 online.
- Raphael Israeli: Jerusalem divided: the armistice regime, 1947–1967. Psychology Press, New York 2002. S. 24 (online).
- Georg M. Hafner: Antisemitische Allianz. In: Jüdische Allgemeine 28. Oktober 2016 online.