Ipip-Fest
Das Ipip-Fest, auch Apip-Fest, (griechisch Epiphi-Fest; koptisch Epip-Fest; arabisch Abib-Fest) wurde als „Schönes Fest für die Ipet von ihrer Majestät“ in Verbindung mit der „Vereinigung des Auges von Re und des Auges von Horus am Tag der Reinigung“ bereits im Alten Reich als eines der Hauptfeste bei Neumond am ersten Tag im Monat Ipet-hemet[1] des Sothis-Kalenders eröffnet.[1] Hauptkultort des Ipip-Festes war Edfu.[2]
Ipip-Fest in Hieroglyphen | |
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Heb.f-nefer-en-Ipet-hemet-s ḥbf-nfr-n-Jpt-ḥmt.s[A 1] Schönes Fest für die Ipet von ihrer Majestät[A 1] | |
Heb.f-nefer-en-Ipet-hemet-s ḥbf-nfr-n-Jpt-ḥmt.s[A 2] Schönes Fest für die Ipet von ihrer Majestät[A 2] |
Hintergrund
Im Festkalender von Edfu ist im Mittleren Reich das Ipet-hemet-Fest unter Sesostris I. und Amenemhet II. sicher belegt.[3] Die Vorbereitung auf dieses Edfu-Fest und die dazugehörige Kultreise der Ipet begann jedoch schon im elften Monat Chenti-chet, der später auf den zehnten Monat als Payni verschoben wurde, während gleichzeitig der zwölfte Monat Ipet-hemet auf den elften Monat Ipip (Epiphi) wanderte.
Im Neuen Reich näherten sich zunächst die Beziehungen und Merkmale der beiden Göttinnen Hathor und Mut einander an. Im weiteren Verlauf verschmolz Mut mit Hathor unter dem neuen Titel „Mut-Hathor in Theben“ zu einer gemeinsamen Gottheit. Memphis, der frühere Kultort von Mut, wurde aufgegeben und nach Karnak verlegt.[4]
Der Kult des Amun-Re, seit der 11. Dynastie als Lokalgottheit Thebens verehrt, erfuhr nach der Zweiten Zwischenzeit aufgrund der Traditionen des Mittleren Reiches stärkere Beliebtheit. Bedingt durch die Verschmelzung von Hathor und Mut und deren Kultortverlegung entstand die neue Verbindung zwischen Amun-Re und „Mut-Hathor“, die nun Amaunet als dessen Gemahlin ablöste. Ihr Aufstieg in den neuen Stand als „Herrin des Himmels“ ließ sie daher selbst den Rang einer Sonnengottheit einnehmen. Mit Chons, den „Mut-Hathor“ für Amun-Re als Sohn gebar, bildete sich die neue Trias in Theben.
Als „Herrin des Himmels“ übernahm „Mut-Hathor“ automatisch die mythologische Funktion „Auge des Re“. Mit der Erhebung zum „Sonnenauge“ vereinte „Mut-Hathor“ auch die Eigenschaften der Löwengöttin Sachmet in sich und symbolisierte in Löwengestalt als „Auge des Re“ die Uräusschlange des Re. Die Göttin Mut führte schon in der 11. Dynastie die Beinamen „die Zauberreiche“ und „die Uräusschlange (Uret-hekau)“, die ebenfalls auf das Sonnenauge verwiesen.[5] In weiteren Abbildungen ist sie als Frau mit der Hieroglyphe für „Westen“ oder auch als Nilpferd dargestellt.
Im Neuen Reich ordnete Thutmosis III. die Feier für den neuen Hathor-Tempel in Edfu an, dessen Ausrichtung nun die Hathor-Statue in südliche Richtung zum Horus-Tempel blicken ließ.[3] Noch zur Ptolemäerzeit wurde an einem der Seitentore des Vorhofes mit dem Namen „Hathorportal“ folgende Inschrift angebracht: „Eingezogen ist die Göttin Hathor, die Herrin von Dendera, bei ihrem Kommen nach Edfu“.[3]
Festablauf
Aufbruch in Dendera
Unmittelbar nach dem Vollmond des elften Monats, am 16. Chenti-chet, folgten in Dendera Anfang April Vorbereitungen für die Reise nach Edfu und die Zeremonie vom „Erstschnitt des Emmers“ sowie der „ersten Früchte des Feldes“. Im Zuge der Feierlichkeiten folgten Dankesgaben, die mit dem „Hervorkommen der Statue von Hathor aus ihrem Tempel“ und anschließendem Transport zu ihren heiligen Barken für die Prozessionsreise verbunden wurden.[3]
Die „Hathor-Flotte“, begleitet vom Bürgermeister der Stadt und anderen Würdenträgern von Dendera sowie Mitgliedern des Priestertums, begann nun auf dem Nil die Fahrt nach Edfu. Unterwegs stoppte der Prozessionszug an Orten mit wichtigen Heiligtümern, um Gottheiten rituell zu begrüßen und andere Priester sowie Opfergaben aufzunehmen. Die Ufer des Nils säumte die stetig anwachsende, tanzende einheimische Bevölkerung, die im Gefolge der Flotte die Pilgerreise nach Edfu antrat.
Ankunft in Edfu
Zunächst brachte man die Hathor-Statue in ihren eigenen Tempel, ehe der Prozessionszug sich in Richtung des Horus-Tempels in Bewegung setzte.[2] Nach einer kurzen Verweildauer übergab Hathor in der ersten Vereinigung mit Horus das Auge des Re im Allerheiligsten, um später in ihren Tempel zurückzukehren. Nach 14 Tagen war der Hauptfestakt mit Erreichen des Vollmondes beendet. Nach weiteren 14 Tagen erreichten die Barken der Hathor um den 28. Ipet-hemet wieder Dendera, wo ihre Ankunft nach der Vereinigung des Auges von Amun-Re und Horus als rituelle Verschmelzung gefeiert wurde.[2]
Frühere Annahmen, dass es sich bei dem Ipip-Fest um eine heilige Hochzeit zwischen Amun-Re und Hathor handelte, können zwischenzeitlich nicht mehr bestätigt werden.[2]
Siehe auch
Literatur
- Maurice Alliot: Le culte d’Horus à Edfou au temps des Ptolémées (= Institut Français d’Archéologie Orientale du Caire. Bibliothèque d’Étude. Band 20, 1–2, ISSN 0259-3823). 2 Bände. Institut Français d’Archéologie Orientale, Kairo 1949–1954 (Rezension: Hermann Kees in: Oriens. Band 8, Nr. 2, ISSN 0078-6527, S. 344–346).
- Johannes Dümichen: Zur Geographie des Alten Ägypten. Lose Blätter aus dem Nachlass. Hinrich, Leipzig 1894 (Unveränderter Neudruck. Sändig, Walluf 1973, ISBN 3-500-26340-2), Digitalisat der Originalausgabe.
- Thomas G. H. James: Pharaos Volk. Leben im alten Ägypten (= dtv Band 11454). Ungekürzte Ausgabe. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1991, ISBN 3-423-11454-1.
- Rolf Krauss: Sothis- und Monddaten. Studien zur astronomischen und technischen Chronologie Altägyptens (= Hildesheimer ägyptologische Beiträge. Band 20). Gerstenberg, Hildesheim 1985, ISBN 3-8067-8086-X.
- Christian Leitz u. a.: Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Band 1: 3 bis y (= Orientalia Lovaniensia analecta. Band 110). Peeters, Leuven u. a. 2002, ISBN 90-429-1146-8.
- Charles F. Nims: An Oracle Dated in „The Repeating of Births“. In: Journal of Near Eastern Studies. Band 7, Nr. 3, 1948, S. 157–162.
- Richard A. Parker: The calendars of ancient Egypt (= Studies in ancient Oriental Civilization. Band 26, ISSN 0081-7554). University of Chicago Press, Chicago IL 1950.
- Donald B. Redford (Hrsg.): The ancient gods speak. A guide to Egyptian religion. Oxford University Press, Oxford u. a. 2002, ISBN 0-19-515401-0.
- Serge Sauneron: The priests of ancient Egypt. Cornell University Press, Ithaca NY u. a. 2000, ISBN 0-8014-3685-0.
- Siegfried Schott: Altägyptische Festdaten (= Akademie der Wissenschaften und der Literatur (Main). Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse. 1950, Band 10, ISSN 0002-2977). Verlag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz 1950.
- Byron E. Shafer: Temples of ancient. Tauris, London u. a. 1998, ISBN 1-86064-329-9.
- Barbara Watterson: The house of Horus at Edfu. Ritual in an ancient Egyptian Temple. Tempus, Stroud 1998, ISBN 0-7524-1405-4.
- Richard H. Wilkinson: Die Welt der Tempel im alten Ägypten. Deutsche Übersetzung von Erwin Fink und Dirk Oetzmann. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, ISBN 3-534-18652-4 (Originalausgabe: The complete Temples of ancient Egypt. Thames & Hudson, London 2000, ISBN 0-500-05100-3).
Anmerkungen
- Schreibung zur Zeit des Neuen Reiches, vgl. dazu Leitz: Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Band 1: 3 bis y. Leuven u. a. 2002, S. 219.
- Schreibung zur Zeit der 21. bis zur 24. Dynastie, vgl. dazu Christian Leitz: Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Band 1: 3 bis y. Leuven u. a. 2002, S. 219.
Einzelnachweise
- Rolf Krauss: Der Kalender des Papyrus Ebers. In: Sothis- und Monddaten. Hildesheim 1985, S. 104, sowie: Das Epiphi-Fest. S. 151–154.
- Maurice Alliot: Le culte d’Horus à Edfou au temps des Ptolémées. Kairo 1949–1954 (Rezension: Hermann Kees in: Oriens. Band 8, Nr. 2, ISSN 0078-6527, S. 344–346).
- J. Dümichen: Zur Geographie des Alten Ägypten. Walluf 1973, Blätter 68–72.
- James Henry Breasted: Ancient records of Egypt. Band 2: The eighteenth dynasty. Reprinted edition. Histories & Mysteries of Man, London 1988, ISBN 1-85417-026-0, § 622.
- James Henry Breasted. Ancient records of Egypt. Band 1: The First to the Seventeenth Dynasties. Reprinted edition. Histories & Mysteries of Man, London 1988, ISBN 1-85417-025-2, § 441.