Ingo Hasselbach
Ingo Hasselbach (* 14. Juli 1967 in Ost-Berlin) ist ein bekannter deutscher Aussteiger der Neonazi-Szene. Er ist Autor der Bücher Führer Ex (englisch, mit Tom Reiss) und Die Abrechnung – ein Neonazi steigt aus (deutsch) sowie Mitbegründer der Neonazi-Aussteiger-Organisation Exit Deutschland.
Leben
Hasselbach wuchs als Kind zweier Journalisten in Ost-Berlin auf. Seine Mutter war Redakteurin beim ADN, sein Vater Hans Canjé, Chef des Jugendradios, war überzeugter Antifaschist und Kommunist. Nach der Schule begann Hasselbach eine Maurerlehre. Jedoch folgte schon 1985 die erste Verurteilung wegen „Rowdytums“. Mit der Eheschließung 1987 änderte er seinen Namen von Ingo Pfannschmidt auf Ingo Hasselbach. Zwei Jahre später ließ er sich scheiden, behielt aber den Namen seiner ehemaligen Frau. Sein öffentlicher Ausruf „Die Mauer muss weg!“ bescherte ihm 1987 einen neunmonatigen Gefängnisaufenthalt. Dabei lernte er 1988 in der Strafanstalt Brandenburg (Havel) Heinz Barth und Henry Schmidt kennen,[1] schloss sich der Neonazi-Szene an und wurde dafür erneut belangt. Während ein erster Fluchtversuch über die Tschechoslowakei fehlschlug und eine wiederholte Inhaftierung (drei Monate) nach sich zog, gelang ihm am 6. November 1989, drei Tage vor dem Fall der Mauer, die Flucht in die Bundesrepublik Deutschland.
In der Zeit nach der Wende und friedlichen Revolution betätigte er sich führend in verschiedenen neo-nationalsozialistischen Organisationen wie der „Nationalen Alternative“ und der „Kameradschaft Sozialrevolutionäre Nationalisten“. Unter anderem war er der Kontaktmann in Ost-Berlin für die Neonaziführer Michael Kühnen und Christian Worch. 1993 beschloss er, unter anderem wegen der Morde an türkischen Asylbewerbern, sich aus der Neonazi-Szene zurückzuziehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon drei Jahre in Haftanstalten (u. a. wegen Volksverhetzung) verbracht.
Seinen offensiven Umgang mit dem Ausstieg und die Veröffentlichung des Buches Die Abrechnung quittierten seine ehemaligen Kameraden mit einem nur knapp gescheiterten Anschlag (Buchbombe) auf seine Mutter. Nachfolgend offenbarte Hasselbach sein ganzes Wissen über die Neonazi-Szene dem Bundeskriminalamt, obwohl er damit nicht nur andere, sondern auch sich selbst stark belastete. 1997 wurde er für einen von ihm zugegebenen Brandanschlag auf einen links-alternativen Jugendklub zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.
Immer öfter bereiste er nach 1995 die USA, wo er sich im Zuge des Bombenanschlags auf das Murrah Federal Building in Oklahoma City journalistisch betätigte und dabei auf die terroristischen Aktivitäten der Neonazi-Szene einging. Sein Artikel, der u. a. in der New York Times abgedruckt wurde,[2] sorgte für großes Aufsehen und ebnete ihm den Weg zur Veröffentlichung von Führer Ex, der englischen Version von Die Abrechnung.
Nachdem Hasselbach 1996 sein zweites Buch, Die Bedrohung – mein Leben nach dem Ausstieg, fertiggestellt hatte, lebte er einige Zeit in den USA und Großbritannien und setzte sich öffentlich für die Abschaffung der Todesstrafe ein, wobei seine Artikel stets Thema in den Medien waren. Seit dieser Zeit bis 2000 arbeitete er zusammen mit Winfried Bonengel am Drehbuch zum Film Führer Ex, der Ende 2002 in die Kinos kam.
Von 2000 bis 2017 arbeitet er beim Film im Bereich Szenenbild unter anderem mit Dominik Graf, Helmut Dietl, Urs Egger, Michael Klier, Roland Suso Richter, Friedemann Fromm und Bill Condon zusammen.
Seit März 2000 war er mit der Regisseurin Maria von Heland verheiratet und lebte nach der Geburt seiner Kinder aus Sicherheitsgründen im europäischen Ausland.[3] Die Ehe wurde geschieden. Seit 2017 tritt Hasselbach wieder in der Öffentlichkeit auf. Im Juli 2017 führte er eine Veranstaltung zum 25. Jahrestag der Krawalle von Rostock-Lichtenhagen durch.
Seit Februar 2018 ist er mit der deutschen Fotografin, Autorin und Filmproduzentin Nadja Klier verheiratet.
Filme
Bücher
- Ingo Hasselbach, Winfried Bonengel: Die Abrechnung. Ein Neonazi steigt aus. Aufbau Verlag, Berlin/Weimar 1994, ISBN 3-351-02413-4.
- Ingo Hasselbach: Die Bedrohung – mein Leben nach dem Ausstieg aus der rechten Terrorszene. Aufbau Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-351-02446-0.
- Burkhard Schröder: Ich war ein Neonazi – über Ingo Hasselbach. Ravensburger Verlag, 1994, ISBN 3-473-35139-3.
- Ingo Hasselbach: Fuehrer Ex. Random House, 1995.
- Ingo Hasselbach: Kapitel "Angst" in Freya Klier (HG): Und wo warst du? 30 Jahre Mauerfall, Herder Verlag, 2019, ISBN 978-3-451-81670-3.
Weblinks
- Ingo Hasselbach in der Internet Movie Database (englisch)
- Literatur von und über Ingo Hasselbach im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- „Der Fall Ingo H.“ auf freitag.de 6. Dezember 2002
- „Schweigen“ auf freitag.de 24. November 2000
- Ingo Hasselbach: Extremism: A Global Network. In: Baltimore Sun. 28. April 1995 (englisch).
- "Wie wird man in der DDR zum Neonazi?" – Ein Gespräch mit Aussteiger Ingo Hasselbach, Audiostream bei der Robert-Havemann-Gesellschaft, 26. August 2020.
- „Ex-Neonazi: Wie wir Deutschland stürzen wollten“ Doku auf YouTube von STRG_F
Einzelnachweise
- Birgit Wärnke, Julian Feldmann: Der Traum vom Umsturz. Neonazis und die Wende. In: Norddeutscher Rundfunk (NDR). Panorama - die Reporter, ARD, 1. September 2020, abgerufen am 4. September 2020.
- Extremism: A Global Network. In: New York Times. 26. April 1995, S. A25.
- https://www.deutschlandfunkkultur.de/neonazi-aussteiger-behoerden-waren-vor-rechtsterrorismus.990.de.html?dram:article_id=154265