Hope Bridges Adams Lehmann
Hope Bridges Adams Lehmann (* 17. Dezember 1855 in Halliford bei London; † 10. Oktober 1916 in München) war eine britische Ärztin. 1880 war sie die erste Frau, die in Deutschland ein Medizinstudium mit dem Staatsexamen abschloss, und wurde die erste praktische Ärztin und Gynäkologin Münchens.
Leben
Sie war die jüngste Tochter des englischen Publizisten und Eisenbahnkonstrukteurs William Bridges Adams und seiner (dritten) Frau Ellen. Sie besuchte das Bedford College, eines der ersten Colleges für Frauen, und schloss dieses ab. Nach dem Tod des Vaters wanderte sie nach Kontinentaleuropa aus. Zum Wintersemester 1876/77 schrieb sie sich als Gasthörerin an der Universität Leipzig ein, da ein Frauenstudium im Deutschen Reich zum damaligen Zeitpunkt anders nicht möglich war. Während der Vorlesungen trug sie Männerkleidung und einen Kurzhaarschnitt, um weniger aufzufallen. 1880 schloss sie in Leipzig als erste Frau in Deutschland ihr Medizinstudium mit einem Staatsexamen ab. Der Abschluss in Leipzig wurde jedoch offiziell nicht anerkannt. Daraufhin wurde sie in Bern promoviert, und 1881 wurde ihr in Dublin die britische Approbation erteilt. 1882 heiratete sie Otto Walther, mit dem sie bis 1886 eine Praxis in Frankfurt am Main führte. Das Ehepaar hatte zwei Kinder.
1891, nach einer Tuberkuloseerkrankung Hopes, eröffnete das Ehepaar ein modernes Lungensanatorium in Nordrach im Schwarzwald, das sie bis 1893 gemeinsam führten. 1895 wurde die Ehe geschieden.
1896 heiratete sie Carl Lehmann[1] und arbeitete in dessen Praxis in der Gabelsbergerstraße 20a (heute 46) im Münchner Stadtteil Maxvorstadt. Erst 1904 erhielt sie nachträglich durch Bundesratsbeschluss die Approbation und die Berechtigung zur Führung des Doktortitels.[2]
Bridges Adams Lehmann engagierte sich als Friedensaktivistin und trat für die Gleichberechtigung der Frauen ein. Sie pflegte dabei Kontakte unter anderem zu Lenin und August Bebel sowie zur Münchner Frauenbewegung um Anita Augspurg und Lida Heymann und hatte ein enges freundschaftliches Verhältnis zu Clara Zetkin, deren Söhne zeitweilig bei ihr lebten.[2]
Ihre wichtigste Schrift war das 1896 veröffentlichte Werk Das Frauenbuch. Ein ärztlicher Ratgeber für die Frau in der Familie und bei Frauenkrankheiten. In zwei Bänden trifft sie grundlegende, zu ihrer Zeit wegweisende Aussagen über die Gesundheitsfürsorge für Frauen und vermittelt medizinisches Grundwissen an Frauen, um deren allgemeinen Gesundheitszustand zu verbessern. Ihre Veröffentlichungen enthielten Ratschläge für eine gesündere Lebensführung mit Themen wie Bewegung an der frischen Luft, Hygiene, sexuelle Aufklärung und Verhütungsmethoden. Sie sprach sich auch gegen das Tragen von Korsetts aus, indem sie die medizinischen Folgen darstellte.[2]
Bridges Adams Lehmann entwickelte Konzepte zum gleichberechtigten Zusammenleben von Mann und Frau und richtete sich auch selbst danach; so lebten ihr Sohn Heinz und ihre Tochter Mara aus der ersten Ehe in der Schulzeit bei der Mutter und deren neuem Mann in München, die Ferien verbrachten sie beim Vater.
Ihr Mann verstarb im April 1915 an einer Blutvergiftung, die er sich bei seinem Fronteinsatz als Feldarzt in Valenciennes zugezogen hatte; Bridges Adams Lehmann behandelte ihn noch selber im Feldlazarett. Sie selbst starb ein Jahr später in München.
Ehrung
Die Adams-Lehmann-Straße liegt im Stadtbezirk 4 Schwabing-West und verläuft von der Schwere-Reiter-Straße etwa 200 Meter nach Norden, biegt dann im rechten Winkel nach Westen ab und endet nach weiteren 200 Metern. Laut Beschluss vom 9. Dezember 2004 (Straßenneubenennung 2004) ist sie nach der Ärztin und Reformerin Hope Bridges Adams-Lehmann benannt.[3][4]
Werke
- Hämoglobinausscheidung in der Niere. Inauguraldissertation (Diss. med.), Bern 1880; Leipzig 1880.
- August Bebel: Woman in the Past, Present, and Future. Translated by H. B. Adams Walther. Modern Press, London 1885. (=International Library of Social Science 1)
- August Bebel: Woman in the Past, Present, and Future. Translated by H. B. Adams Walther. J. W. Lovell Co., New York 1886.
- Mann und Weib. In: Die Neue Zeit 12 (1893–1894). S. 388–394.
- Das Weib in seiner Geschlechtsindividualität. In: Die Neue Zeit 15 (1896–1897). S. 741–750.
- Das Frauenbuch. Ein ärztlicher Ratgeber für die Frau in der Familie und bei Frauenkrankheiten. Bd. 1: Körperbau und Gesundheitspflege, Bd. 2: Krankenpflege. Süddeutsches Verlags-Institut, Stuttgart 1896; Auszug daraus: Eheglück! Die Hygiene des Geschlechtslebens (Geschlechtsverkehr – Unfruchtbarkeit – Verhütung der Empfängnis – Prostitution – Geschlechtskrankheiten; PDF; 2,6 MB) von einer praktischen Aerztin. Schwarz, Berlin o. J. [1899].
- Zur Psychologie der Frau. In: Die Neue Zeit 15 (1896–1897). S. 591–596.
- Die Frau vor der Wissenschaft. In: Die Neue Zeit 16 (1897–1898). S. 251–253.
- Der Säugling und seine Ernährung. In: Die Neue Zeit 16 (1897–1898). S. 781–789.
- Die Vorbereitung der Frau zur Lebensarbeit. (PDF; 2,0 MB) Vortrag gehalten in der „Union für Frauenbestrebungen zu Zürich“. Schröter, Zürich/Leipzig 1899; niederl. Übersetzung: De voorbereiding der Vrouw tot haar levenstaak. Amsterdam o. J.
- Die sogenannte Naturheilkunde. In: Die Neue Zeit 17 (1898–1899). S. 115–117.
- Der Vegetarismus. In: Die Neue Zeit 17 (1898–1899). S. 364–368.
- Die Gesundheit im Haus. Eine ärztliche Anleitung. Süddeutsches Verlags-Institut, Stuttgart 1899.
- Das Weib und der Stier. In: Die Neue Zeit 19 (1900–1901). S. 4–14.
- Neue Geschlechtsbahnen. In: Socialistische Monatshefte 5 = 7 (1901). S. 863–867.
- Eine moderne Frau vor hundert Jahren. In: Die Neue Zeit 21 (1902–1903). S. 622–627.
- Die Arbeit der Frau. In: Sozialistische Monatshefte 9 = 11 (1905), H. 12. S. 1031–1037.
- Sexuelle Pädagogik. In: Sozialistische Monatshefte 11 = 13 (1907). S. 749–760.
- Das wilde Heer. In: Sozialistische Monatshefte 12 = 14 (1908). S. 1166–1172.
- Mutterschutz. In: Sozialistische Monatshefte 15 = 17 (1911). S. 1241–1245.
- Beruf und Ehe. In: Sozialistische Monatshefte 16 = 18 (1912). S. 1204–1208.
Literatur
- Marita Krauss: Die Lebensentwürfe und Reformvorschläge der Ärztin Hope Bridges Adams Lehmann (1855–1916). In: Elisabeth Dickmann, Eva Schöck-Quinteros (Hrsg.): Barrieren und Karrieren. Die Anfänge des Frauenstudiums in Deutschland. Dokumentationsband der Konferenz „100 Jahre Frauen in der Wissenschaft“ im Februar 1997 an der Universität Bremen. Trafo Verlag Weist, Berlin 2000. S. 143–157.
- Marita Krauss: Die Frau der Zukunft. Dr. Hope Bridges Adams Lehmann (1855–1916), Ärztin und Reformerin. Buchendorfer Verlag, München 2002.
- Marita Krauss: „Die neue Zeit mit ihren neuen Forderungen verlangt auch ein neues Geschlecht“. Die Ärztin Dr. Hope Bridges Adams Lehmann und ihre Forderungen an die Frau des 20. Jahrhunderts. In: Frank Stahnisch/Florian Steger (Hrsg.): Medizin, Geschichte und Geschlecht. Körperhistorische Rekonstruktionen von Identitäten und Differenzen. Steiner, Stuttgart 2005. ISBN 3-515-08564-5. S. 119–135.
- Marita Krauss: Hope. Dr. Hope Bridges Adams Lehmann – Ärztin und Visionärin. Die Biografie. Volk Verlag, München 2009. ISBN 978-3-937200-69-9.
- Artikel Adams-Lehmann, Hope Bridges. In: Volkmar Sigusch/Günter Grau (Hrsg.): Personenlexikon der Sexualforschung. Campus, Frankfurt am Main u. a. 2009. ISBN 978-3-593-39049-9. S. 23 f.
- Christine Kirschstein: Fortgesetzte Verbrechen wider das Leben. Ursachen und Hintergründe des 1914 nach § 219 RSTGB eingeleiteten Untersuchungsverfahren gegen die Münchener Ärztin Dr. Hope Bridges Adams-Lehmann. Haag + Herchen Frankfurt am Main 1992. ISBN 3-89228-871-2.
Verfilmung
Das Leben von Bridges Adams Lehmann wurde 2008 unter der Regie von Martin Enlen mit Heike Makatsch in der Hauptrolle als Fernseh-Zweiteiler unter dem Titel Dr. Hope – Eine Frau gibt nicht auf für das ZDF verfilmt.[5] Der Film wurde am 3. Juli 2009 auf dem Münchner Filmfest uraufgeführt.[6] Die Fernseh-Erstausstrahlung erfolgte im Sender Arte am 19. März 2010.[7] Die Drehbuchautoren Torsten Dewi und Katrin Tempel veröffentlichten 2009 einen „biographischen Roman“ als Buch zum Film.[8]
Weblinks
- Literatur von und über Hope Bridges Adams Lehmann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Hope Bridges Adams Lehmann. In: FemBio. Frauen-Biographieforschung (mit Literaturangaben und Zitaten).
- Ortrun Riha: Hope Bridges Adams Lehmann. Zum 150. Geburtstag am 16. Dezember 2005. In: Volker Schulte (Red.): Jubiläen 2005. Personen, Ereignisse. 25 Kalenderblätter zu Jubiläen von Personen und Ereignissen der Universität Leipzig. Universität Leipzig, Pressestelle, Leipzig 2005. ISBN 3-934178-43-X. S. 103–106 (PDF-Datei; 1,02 MB).
- SZ-Artikel über Prof. Dr. Marita Krauss und die Urheberrechtsproblematik der ZDF-Fernsehsendung „Dr. Hope – Eine Frau gibt nicht auf“ mit Heike Makatsch. Auf: philhist.uni-augsburg.de, 24. September 2009. Abgerufen am 7. Dezember 2009.[9]
- Video bei ARD-Alpha, 16 Min. (Online bis 11. Mai 2022) Geschichten Großer Geister: Not macht erfinderisch Max Josef von Pettenkofer (1818-1901/Chirurg und Begründer der modernen Hygiene), Dr. Hope Bridges Adams-Lehmann (1855-1916/erste praktizierende Ärztin in München) und Johann Nepomuk von Nußbaum (1829-1890/Chirung) diskutieren auf dem einer Bühne im alten Südlichen Friedhof.
Einzelnachweise
- W. U. Eckart u. a. (Hrsg.): Ärzte Lexikon. 3. Auflage. Springer Verlag, Heidelberg, 2006, ISBN 3-540-29584-4.
- Marita Krauss: „Die neue Zeit mit ihren neuen Forderungen verlangt auch ein neues Geschlecht“. Die Ärztin Dr. Hope Bridges Adams Lehmann und ihre Forderungen an die Frau des 20. Jahrhunderts. In: Frank Stahnisch/Florian Steger (Hrsg.): Medizin, Geschichte und Geschlecht. Körperhistorische Rekonstruktionen von Identitäten und Differenzen. Steiner, Stuttgart 2005. ISBN 3-515-08564-5. S. 120.
- Adams-Lehmann-Straße, im Münchner Wiki.
- Straßenneubenennung 2004, Landeshauptstadt München, Kommunalreferat (muenchen.de).
- Katja Sebald: Allein unter Männern. Spiegel.de Eines Tages vom 18. März 2010.
- Siehe dazu die Webseite des Filmfests München zu Teil 1 (Memento vom 25. Januar 2010 im Internet Archive) und Teil 2 (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. ! Abgerufen am 7. Dezember 2009.
- Arte 7 Tage: Dr. Hope – Eine Frau gibt nicht auf. (Memento vom 22. März 2010 im Internet Archive)
- Torsten Dewi/Katrin Tempel: Dr. Hope. Eine Frau gibt nicht auf. Deutschlands erste Ärztin. Piper, München/Zürich 2009. ISBN 978-3-492-25488-5.
- Oliver Hochkeppel: Von Lenin zu Unsinn. Wem gehört die mediale Wahrheit über die erste Münchner Ärztin Hope Bridges Adams Lehmann? In: Süddeutsche Zeitung. 18. September 2009. S. 41.