Hessy Levinsons Taft
Hessy Levinsons Taft (* 17. Mai 1934 in Berlin als Hessy Levinsons)[1] ist eine Chemikerin und emeritierte Chemieprofessorin. Sie lebt in den USA. Durch ein Kinderfoto von ihr aus dem Jahre 1934 wurde sie 2014 einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
Leben
Tafts jüdische Eltern Jacob Levinsons (geb. am 7. Juli 1903 in Ventspils, gest. im Januar 1989 in New York)[2] und Pauline Levinsons, geb. Levine (geb. am 20. November 1902 in Daugavpils, gest. am 14. August 1997 in New York)[2] kamen 1928 aus Lettland nach Berlin, weil sie dort nach ihrem Studium der klassischen Musik für ein halbes Jahr Engagements als Sänger erhalten hatten. Hessy Levinsons wurde dort geboren.[3]
1938 wurde ihr Vater Jacob Levinsons von der Gestapo inhaftiert, aber nach kurzer Zeit wieder frei gelassen. Im selben Jahr ging die Familie nach Lettland zurück, ließ sich anschließend in Paris nieder und floh 1941 über Nizza nach Lissabon, von wo aus sie 1942 nach Kuba reisen konnte. In Kuba besuchten Hessy und ihre Schwester Noemi eine britische Schule. Im Jahr 1949 wanderte die Familie in die Vereinigten Staaten aus.[4][5]
In New York absolvierte Hessy Levinsons die Julia Richman High School und schloss 1955 ihr Studium der Chemie am Barnard College ab.[6][7] Danach war sie Doktorandin an der Columbia University. Dort lernte sie ihren Ehemann, den Mathematiker Earl Taft, kennen. Nach der Heirat im Jahr 1957[2] zogen die Eheleute nach New Jersey, und ihr Mann lehrte an der Rutgers University. Sie selbst unterrichtete ihre Kinder zuhause. Um weiter wissenschaftlich zu arbeiten, nahm sie eine Stelle beim Educational Testing Service in Princeton an. Dort war sie für die Prüfungen verantwortlich.[6] Im Jahr 2000 zog die Familie zurück nach New York. Dort wurde Taft Chemieprofessorin an der St. John’s University.[8] Sie befasste sich mit der nachhaltigen Wassernutzung. 2016 ging sie in den Ruhestand.[7]
Im Jahr 2014 überreichte Hessy Levinsons Taft ein Exemplar der Titelseite der deutschen Familienzeitschrift Sonne ins Haus aus dem Jahr 1935 der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem mit einem Foto von ihr als Säugling.[9] Wie sie berichtete, habe der Berliner Fotograf Hans Ballin, der selbst jüdischer Abstammung war, das Bild 1934 aufgenommen und es ohne Zustimmung ihrer Eltern beim Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter Joseph Goebbels eingereicht. Es erschien auf der Titelseite von Sonne ins Haus, die von Kurt Herrmann, einem überzeugten Nationalsozialisten und Freund von Hermann Göring,[10] herausgegeben wurde.[11] Aus Angst, die Nazis könnten herausfinden, dass ihre Familie jüdisch war, habe die Mutter den Fotografen über diesen Umstand informiert. Der Fotograf soll darauf entgegnet haben, dass er das Foto des Kindes bewusst ausgewählt habe, um die Nazis lächerlich zu machen.[8][4] Das Bild wurde zudem zur Illustration einer Postkarte genutzt.[12]
Literatur
- Daša Drndić: Sonnenschein (Roman). Hoffmann und Campe, Hamburg 2015, ISBN 978-3-455-40516-3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – kroatisch: Sonnenschein. Übersetzt von Brigitte Döbert, Blanka Stipetić).
- kroatisch: Sonnenschein: dokumentarni roman. Fraktura, Zaprešić, 2007, ISBN 978-953-266-013-5.
- Gertrude Schneider (Hrsg.): Muted Voices. Jewish Survivors of Latvia Rememger. Philosophical Library, New York 1987, ISBN 0-8022-2536-5, S. 112–118 (englisch).
Weblinks
- Jasmin Lörchner: Ein Bild und seine Geschichte: Wie die Nazis eine kleine Jüdin als „schönstes arisches Kind“ präsentierten. In: Spiegel Online. 11. Januar 2021 .
Einzelnachweise
- Linda G. Kuzmack: Oral history interview with Hessy Levinsons Taft. United States Holocaust Memorial Museum, 15. Februar 1990, archiviert vom Original am 31. August 2015; abgerufen am 31. August 2015 (englisch).
- Personenstandsdaten eingesehen auf ancestry.com am 21. September 2019
- Terrence McCoy: The ‘perfect Aryan’ child used in Nazi propaganda was actually Jewish. In: The Washington Post. 7. Juli 2014, abgerufen am 31. August 2015 (englisch).
- Die perfekte Arierin war Jüdin. In: Israelnetz.com. 29. August 2019, abgerufen am 22. September 2019.
- Refugees: Hessy Levinsons Taft. In: ushmm.org. Abgerufen am 20. September 2019 (englisch, auch als mp4-Video; 10,6 MB; 2:02 Minuten).
- Lauren K. Wolf: Hessy Taft. In: c&en. 8. September 2014, abgerufen am 22. September 2019 (englisch).
- Spiro D. Alexandratos, Naty Barak, Diana Bauer, F. Todd Davidson, Brian R. Gibney: Sustaining Water Resources: Environmental and Economic Impact. In: ACS Sustainable Chemistry & Engineering. Band 7, Nr. 3, 4. Februar 2019, S. 2879–2888, doi:10.1021/acssuschemeng.8b05859.
- Justin Huggler: Nazi ‘perfect Aryan’ poster child was Jewish. In: The Telegraph. 1. Juli 2014, archiviert vom Original am 31. August 2015; abgerufen am 11. Januar 2021 (englisch).
- Jewish Girl was “Poster Baby” in Nazi Propaganda. In: Blog Archive Yad Vashem. 2. Juli 2014, abgerufen am 11. Januar 2021 (englisch).
- Hanspeter Lussy: Herrmann, Kurt. In: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online. 31. Dezember 2011, abgerufen am 22. September 2019.
- Henryk M. Broder: Diamanten für den Reichsmarschall. In: Der Spiegel. Nr. 8, 1997 (online – 17. Februar 1997).
- A birthday card featuring the picture of Hessy Levinsons, winner of the most beautiful Aryan baby contest, Photograph Number: 66659A. In: ushmm.org. Abgerufen am 11. Januar 2021 (englisch, biografische Angaben bis 1949).