Hermann Lismann
Hermann Lismann (* 4. Mai 1878 in München; † April 1943 im KZ Majdanek) war ein deutscher Maler und Hochschullehrer.
Leben
Hermann Lismann wurde in München geboren als Sohn des Kunstverein-Mitglieds,[1] Handelsrichters, Kupferhütten- und Walzwerkbesitzers[2] Benjamin Lismann (1832–1906)[3] und seiner Frau Julia, geb. Ganz (1837–1920).
Hermann Lismann besuchte das Münchner Maximiliansgymnasium von der 1. Lateinklasse im Schuljahr 1888/89 bis zur 8. Klasse, zu deren Ende, 1896, er die Schule verließ.[4] An welcher Institution er das Abitur ablegte, ist nicht bekannt. Er studierte von 1898 bis 1903 in München und Lausanne Philosophie und Kunstgeschichte, Malerei privat bei Heinrich Knirr und ab April 1903 an der Münchener Akademie in der Malklasse von Franz Stuck.[5] 1903/04 lebte er in Rom, 1904 bis 1914 im Kreis deutscher, dem Fauvismus nahestehender Künstler des Café du Dôme in Paris, so mit Rudolf Levy und Wilhelm Uhde.[6] Mit Lodewijk Schelfhout malte Lismann 1911 in Südfrankreich.
1914 ging er nach Frankfurt am Main. Im Ersten Weltkrieg war Lismann vier Jahre lang Soldat und Mitarbeiter des Roten Kreuzes. Erst 1919 beschäftigte er sich wieder mit Malerei. 1921 beteiligte er sich an der Ausstellung Deutsche Kunst in Baden-Baden.[7] Lismann schrieb Aufsätze, Gedichte, Feuilletons, Theater- und Musikkritiken. Seit 1922 war er in der Erwachsenenbildung tätig. Für das Volksbildungsheim Frankfurt am Main leitete er Kurse und „Städelaufführungen“. Im Städel hatte er ein eigenes Atelier und eine eigene Malschule,[8] wo Mitte der 1920er Jahre der spätere Regisseur Hanuš Burger einer seiner Schüler war.[9] 1929 bis 1934 war er Lektor für Technik der Malerei und Philosophie der Kunst an der Universität Frankfurt.
1934 erhielt er als Jude Berufsverbot, durfte 1935 aber noch am Institut der Jüdischen Gemeinde lehren. In dieser Zeit hatte der Kulturbund Deutscher Juden ein „Studio für bildende Kunst“ eingerichtet, wo Lismann in einem Atelier Maler fortbildete.[10] 1937 wurden in der Nazi-Aktion „Entartete Kunst“ vierzehn Bilder Lismanns aus dem Städelschen Kunstinstitut und Städtische Galerie Frankfurt/Main, dem Landesmuseum Oldenburg und dem Museum der bildenden Künste Leipzig beschlagnahmt und vernichtet.[11]
1938 emigrierte Lismann über Paris nach Tours.[12] In Frankreich wurde er 1939 im Lager Gurs interniert, konnte jedoch 1940 nach Montauban fliehen. 1942 wurde er von Behörden des Vichy-Regimes verhaftet und am 4. März 1943 in das KZ Majdanek deportiert.[13] Hier starb er im April 1943.[14]
Anlässlich des 100. Geburtstag der Universität Frankfurt ist am 17. Okt. 2014 ein Stolperstein für ihn am Untermainkai 68–72 verlegt worden.
Malerei
Lismanns Malerei wurde durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört. 1959 und 1968 wurden in Frankfurt am Main Ausstellungen seiner erhaltenen Bilder durchgeführt.[15] In seinen Bildern setzte er sich mit den zeitgenössischen, insbesondere post-impressionistischen Strömungen der Malerei auseinander. Er schuf vor allem Bildnisse (u. a. Die Frau des Malers, 1908, Badende Knaben, um 1920[16]) und mediterrane Landschaften.
1937 als "entartet" beschlagnahmte und vernichtete Werke
Tafelbilder
- Frauenbildnis (Öl auf Leinwand, 59 × 64,2 cm, 1923)
- San Gimignano (Öl auf Leinwand, 70 × 85 cm, 1923)
- Liebespaar im Garten (Öl auf Leinwand, 111,5 × 98 cm)
Holzschnitte
- Hiob
- Ecce Homo
- Verlobung
Aquarelle
- Haus mit Pflanze
- Parenzo
- Badende Frauen
- Mädchen im Wald
- Frauen bei der Ernte
Zeichnungen
- Häuser am Berg
- Bäume und Häuser
- Haus mit Palme
Werk in öffentlichen Sammlungen (Auswahl)
Cambridge, MA, USA, Harvard Art Museum / Busch-Reisinger Museum
- Crouching Nude, Zeichnung 1915
Frankfurt am Main, Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie
- Liebespaar im Garten, Ölgemälde
- Bildnis Frau Prof. V., 1921 Ölgemälde
- Straße in Villeneuve, Tuschezeichnung 1911
- Villeneuve-les-Avignon, Tuschezeichnung 1911
- Perugia, 1923, Aquarell / Gouache
- Pitigliano, 1924, Aquarell / Gouache
- San Marino, 1924, Aquarell / Gouache
- Soriano, 1924, Aquarell / Gouache
- Junges Mädchen, 1926, Ölgemälde
- St. Guilhem-le-Désert, 1928, Aquarell / Gouache
- Stilleben in Weiß, 1929, Ölgemälde
Frankfurt am Main, Historisches Museum
- Bildnis der Frau des Künstlers, Ölgemälde; sign. >H.Lismann. 08.<
- Knabenhaftes Mädchenbildnis Grete Appelt, 1926, Olgemälde auf Sperrholzplatte, 70,8 × 48,5 cm
- Bildnis eines Knaben, 1926, Ölgemälde
- Mädchen mit Zopf, 1928
- Stilleben mit Gipsen und Pflanzen, 1929, Öl auf Holz, 58,5 × 90 cm
Kassel, Staatliche Kunstsammlungen
- Gelbes Haus in Montauban, 1942
München, Städtische Galerie
- In Bad Tölz, 1911, Tuschezeichnung
München, Staatliche Graphische Sammlung
- Weiblicher Halbakt, 1902, Kreide, Tempera und Bleistift
- Sitzendes Mädchen, 1908, Tuschezeichnung, laviert
- Sitzendes Mädchen, 1908, Tuschezeichnung, laviert
- Paris, Blick über Häuser, 1908, Tuschezeichnung, laviert
- San Gimignano, 1923, Tuschezeichnung, laviert, über Bleistift
Saarbrücken, Saarlandmuseum; Stiftung Saarländischer Kunstbesitz
- Tänzerinnen im Tabarin, 1905, Gouache
- Zwei Kellner, 1905, Gouache
- Pariser Vorort, 1911
- Cività castellana, 1924, Gouache
Wuppertal, von der Heydt-Museum
- Apfelernte, 1909
- Apfelernte, 1910
- Badende am Fluss, 1910
- Badende Mädchen, 1910
- Damenbildnis, 1909
Salzburg, Museum Kunst der Verlorenen Generation
- Die Familie des Künstlers (Öl auf Leinwand, 80,5 × 64 cm, 1922)[17]
Schriften
- Die Schule des Malers. In: Kunst für Alle. Band 20, S. 202, Verlag F. Bruckmann, München 1905.
- Wege zur Kunst. Betrachtungen eines Malers. München u. a. 1920 (digitalisierte Ausgabe)
- Gustave Flaubert: Die Versuchung des Heiligen Antonius. Übersetzt von Hermann Lismann. Mit 14 Original-Holzschnitten von Hermann Lismann. F. Schmidt, München, Berlin und Leipzig 1921
- Die Elemente der bildenden Darstellung und Grenzen der Künste (im Nachlass)
Schüler
- Hans Scheil
Literatur
- Joseph Walk (Hrsg.): Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918–1945. Hrsg. vom Leo Baeck Institute, Jerusalem. Saur, München 1988, ISBN 3-598-10477-4.
- Lismann, Hermann. In: Große Bayerische Biographische Enzyklopädie. K. G. Saur Verlag, München, Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2005, S. 1193.
- Johannes Weisbecker (Hrsg.): Hermann Lismann 1878–1943. Gedächtnisausstellung zum 80. Geburtstag. Frankfurt am Main 1959. (Ausstellungskatalog)
- Christina Uslular-Thiele (Hrsg.): Hermann Lismann 1878–1943. Ein Frankfurter Maler. Frankfurt am Main 1979. (Ausstellungskatalog, Tagungsband)
- Annette Gautherie-Kampka: Hermann Lismann. Deutsche Maler des Café du Dôme. In: Weltkunst. 66 (1996) 19, S. 2248 f.
- Siegfried Weiß: Berufswunsch Kunst. Maler, Grafiker, Bildhauer. Ehemalige Schüler des Münchner Maximiliansgymnasiums der Jahre 1849 bis 1918. Allitera Verlag, München 2012. ISBN 978-3-86906-475-8, S. 514–521 (Abb.)
- Siegfried Weiß: Der Handelsmann und Vorsteher der jüdischen Gemeinde zu Büdingen Heinemann Lismann und seine Nachkommen. In: Büdinger Geschichtsverein (Hrsg.): Büdinger Geschichtsblätter, Band XXIV, bearbeitet und herausgegeben von der Geschichtswerkstatt Büdingen Joachim Cott, 2016, S. 133–175 (Abb.)
Weblinks
- Auktionsresultate zu Hermann Lismann auf artnet.com
- BUNDESARCHIV - Zentrale Datenbank Nachlässe In: nachlassdatenbank.de. Abgerufen am 30. August 2016 (Informationen über den Nachlass Hermann Lismanns im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt).
- Matrikelbuch Akademie München
Einzelnachweise
- Bericht über den Bestand und das Wirken des Münchener Kunstvereins während des Jahres 1867. Gotteswinter & Mößl, München 1868, S. 20 (online)
- Bayerischer Kurier (München), Nr. 181 vom 4. Juli 1864, S. 1296 (online)
- Benjamin Lismann stammte aus Büdingen im Großherzogtum Hessen. – Vgl. Allgemeine Zeitung des Judenthums (Leipzig), Nr. 26 vom 25. Juni 1861, Band 20, S. 368 (online)
- Jahresbericht über das K. Maximilians-Gymnasium in München für das Schuljahr 1888/89 bis 1895/96
- Hermann Lismann (Matrikelnummer 2563) im Matrikelbuch der Akademie.
- Reggy Havekes-van Creij, Sabine Fehlemann: Von Waldmüller bis Warhol. Gemälde des 19. Und 20. Jahrhunderts im Von der Heydt-Museum Wuppertal. Stiftung Museum Schloss Moyland, 1998, S. 96.
- Deutsche Kunst. Ausstellung, Baden-Baden, 1921., Katalog, abgerufen im Portal bad-bad.de am 26. Januar 2014.
- Institut für Stadtgeschichte, Karmeliterkloster, Frankfurt am Main: Beständeübersicht der Abteilung „Sammlungen“: 3.6.17 Nachlässe, Adels- und Familienarchive „Li–Lz“: Lismann, Hermann (Signatur: S 1/81) (Memento des Originals vom 3. Februar 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen im Portal stadtgeschichte-ffm.de am 26. Januar 2014.
- Hanuš Burger: Der Frühling war es wert. Erinnerungen. C. Bertelsmann Verlag, München 1977, S. 33.
- Galia Bar Or: Mordechai Gumpel (Memento des Originals vom 1. Februar 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Webseite im Portal museumeinharod.org.il (Museum of Art Ein Harod), abgerufen am 26. Januar 2014.
- Datenbank zum Beschlagnahmeinventar der Aktion "Entartete Kunst", Forschungsstelle "Entartete Kunst", FU Berlin
- Alfred Werner: Lismann, Hermann. Webseite (nach Angaben der Encyclopaedia Judaica) im Portal jewishvirtuallibrary.org, 2008, abgerufen am 26. Januar 2014.
- The Holocaust Chronicle
- Martin Papenbrock: Entartete Kunst, Exilkunst, Widerstandskunst in westdeutschen Ausstellungen nach 1945. Eine kommentierte Bibliographie. (Schriften der Guernica-Gesellschaft, Band 3). Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 1996, ISBN 3-932124-09-X, S. 491.
- Die vom Frankfurter Kunstverein 1959 durchgeführte Ausstellung zeigte 132 seiner Werke. - Vgl. Alfred Werner (jewishvirtuallibrary.org).
- Academic Nudes of the 19th Century, Webseite vom 17. Dezember 2012 im Portal academicnudes19thcentury.blogspot.de, abgerufen am 26. Januar 2014.
- Lismann, Hermann. In: Museum Kunst der Verlorenen Generation. Abgerufen am 17. Februar 2022 (österreichisches Deutsch).