Heinrich Jasper
Heinrich Jasper (* 21. August 1875 in Dingelbe; † 19. Februar 1945 im KZ Bergen-Belsen) war ein deutscher sozialdemokratischer Politiker und mehrfach Ministerpräsident des Freistaates Braunschweig.[1]
Leben
Jasper stammte aus einem wohlhabenden Elternhaus, sein Vater war Pächter eines Landgutes. Zunächst besuchte er ein Gymnasium in Hildesheim, um dann ab 1890, nachdem die Familie nach Braunschweig gezogen war, bis zum Abitur das dortige Wilhelm-Gymnasium zu besuchen; anschließend studierte er Rechtswissenschaften in München, Leipzig und Berlin. Nach seiner Promotion im Jahre 1900 ging er 1901 als Referendar nach Braunschweig zurück und ließ sich anschließend als Rechtsanwalt in der Stadt nieder. 1902 trat er in die SPD ein, eine damals für einen Akademiker ungewöhnliche Entscheidung. Von 1903 bis 1928 war Jasper Vertreter seiner Partei in der Braunschweiger Stadtverordnetenversammlung. Von Juli 1915 bis November 1918 nahm er am Ersten Weltkrieg teil und kehrte bei Kriegsende im Range eines Vizefeldwebels nach Braunschweig zurück.
Politiker
Nach der Abdankung Ernst Augusts, des letzten Braunschweigischen Welfen-Herzogs, am 8. November 1918 und während der Wirren der Novemberrevolution in Braunschweig nahm Jasper den politischen Kampf gegen Josef „Sepp“ Oerter und die Braunschweiger Räterepublik auf, die er als „Diktatur einer undemokratischen Minderheit“ bezeichnete. Von Januar 1919 bis 1920 war er Mitglied der Nationalversammlung. Am 10. Februar 1919 wurde er einstimmig zum Präsidenten der Landesversammlung gewählt. Der Schwerpunkt seiner politischen Arbeit blieb weiterhin Braunschweig. Am 19. Februar 1919 wurde Jasper MSPD-Vorsitzender im Rat der Volksbeauftragten der Stadt. Nach Beendigung des Generalstreiks der Braunschweiger Arbeiter im April 1919 und der kurzzeitigen Besetzung der Stadt durch Freikorps-Truppen unter General Maercker war Jasper mehrere Jahre lang Landtagspräsident.
Ministerpräsident
Jasper blieb von 1919 bis 1933 Abgeordneter des Braunschweigischen Landtages. In den Jahren 1919/1920, 1922 bis 1924 und schließlich 1927 bis 1930 war Jasper, der sich zur unangefochtenen Führungspersönlichkeit der SPD entwickelt hatte, Ministerpräsident des Freistaates Braunschweig, fast immer war er dabei auch gleichzeitig Finanzminister des Landes. Von 1930 bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten in Braunschweig war Jasper SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag.
Verfolgung durch das NS-Regime
Bereits kurz nach der Machtergreifung am 30. Januar 1933 begann der neue braunschweigische Ministerpräsident, NSDAP-Mitglied Dietrich Klagges, seine politischen Gegner und damit auch seinen Vorvorgänger im Amte zu verfolgen. Die SS besetzte am 9. März 1933 das „Volksfreund-Haus“, das Eigentum der SPD war und in dem die gleichnamige Zeitung gedruckt wurde. Dabei wurde ein Angestellter erschossen und viele andere schwer misshandelt. Jasper schrieb daraufhin unverzüglich ein Telegramm an Reichspräsident Hindenburg, in dem er gegen diese Ausschreitungen protestierte.
Am 17. März 1933 versammelte sich der SPD-Vorstand Braunschweigs im Hotel „Monopol“, um die Lage zu diskutieren und das weitere Vorgehen zu besprechen. Auf dem Nachhauseweg wurde Jasper auf Veranlassung Klagges’ unter einem Vorwand verhaftet und in „Schutzhaft“ genommen; dazu wurde er in das von den Nationalsozialisten zweckentfremdete AOK-Gebäude gebracht, wo man ihn schwer misshandelte. Anschließend brachte man Jasper in das von der SS besetzte „Volksfreund-Haus“, wo er weiteren Misshandlungen ausgesetzt war.
In einem Brief berichtete Jasper, dass ihn der braunschweigische SS-Führer Friedrich Alpers in der Gefangenschaft aufgesucht habe, um ihm unter der Bedingung, dass Jasper auf sein Landtagsmandat sowie eine erneute Kandidatur verzichte, die Freilassung zu gewähren. Jasper lehnte dies jedoch ab. Am 19. April wurde er vorläufig entlassen. Doch schon am 26. Juni 1933 wurde er erneut verhaftet und in das KZ Dachau gebracht, aus dem er – obwohl sich sofort zahlreiche Persönlichkeiten für seine Freilassung einsetzten – erst 1939, unter bisher ungeklärten Umständen, wieder entlassen wurde. Jasper kehrte daraufhin nach Braunschweig zurück, stand nun jedoch unter ständiger Überwachung und musste sich täglich bei der Gestapo melden.
Von 1939 bis 1942 betrieb er historische Forschungen im Stadtarchiv Braunschweig, bis schließlich das fehlgeschlagene Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 einen erneuten Vorwand lieferte, Jasper am 22. August 1944 in der Aktion „Gitter“ zu verhaften.
Der in der Zwischenzeit durch Inhaftierungen, Misshandlungen und permanente Verfolgung physisch wie psychisch angeschlagene 69-jährige Jasper wurde zunächst in das berüchtigte Arbeitserziehungslager Hallendorf, das „Lager 21“, bei Salzgitter-Watenstedt gebracht und im September in das KZ Sachsenhausen überstellt. Nachdem dieses in der Endphase des Krieges aufgelöst worden war, war Jasper ab Februar 1945 im KZ Bergen-Belsen, wo er am 19. Februar 1945 an Flecktyphus gestorben sein soll. Er wurde in einem Massengrab beerdigt.
Würdigung
„Diesem verdienten, völlig uneigennützigen und persönlich unanfechtbaren Minister hat das Land Braunschweig und haben mit ihm die Gemeinden viel Dank abzustatten.“
Zu Ehren Heinrich Jaspers wurde die Braunschweiger „Kaiser-Wilhelm-Straße“ im Östlichen Ringgebiet am 26. März 1946 in „Jasperallee“ umbenannt. Am 23. Dezember 1951 wurde eine von Bildhauer Jakob Hofmann geschaffene Stein-Büste des Politikers enthüllt. Sie befand sich zunächst auf der Ostseite des Gebäudes der Bezirksregierung Braunschweig (Bohlweg), seit 1998 steht sie auf der Westseite (Ruhfäutchenplatz). Ein weiteres Denkmal befindet sich in Seesen am Harz.
Die kleine Waldsiedlung Eggeröder Brunnen bei Elbingerode (Harz) wurde 1946 in Jasperode umbenannt. Dieser Name wird seit 1990 nicht mehr offiziell verwendet, ist aber noch der Name einer der Straßen in dieser Siedlung. In Bad Harzburg, Blankenburg (Harz), Braunlage, Helmstedt, Vorsfelde, Walkenried und weiteren Orten sind Straßen nach ihm benannt.
Am 8. März 1958 wurde das „Heinrich-Jasper-Haus“ als „Haus der offenen Tür“ der Sozialistischen Jugend – Die Falken in der Braunschweiger Schuntersiedlung am Tostmannplatz eröffnet.
In den 1990er Jahren erhielt die Realschule in Holzminden die Bezeichnung Dr.-Heinrich-Jasper-Schule. Seit 1992 erinnert in Berlin in der Nähe des Reichstags eine der 96 Gedenktafeln für von den Nationalsozialisten ermordete Reichstagsabgeordnete an Jasper.
Am 29. Juni 2015 wurde zum Gedenken an Heinrich Jasper ein Stolperstein vor dem Wilhelm-Gymnasium verlegt.[3]
Siehe auch
Literatur
- Reinhard Bein: Im deutschen Land marschieren wir. Freistaat Braunschweig 1930–1945. Döring-Druck, Braunschweig 1984.
- Georg Eckert: Jasper, Heinrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 361 (Digitalisat).
- Gustav Füllner: Das Ende der Spartakisten-Herrschaft in Braunschweig. Einsatz der Regierungstruppen unter General Maerker vor 50 Jahren. In: Braunschweigisches Jahrbuch Nr. 50. Braunschweig 1969.
- Martin Grubert, Horst-Rüdiger Jarck: Anwalt der Demokratie Heinrich Jasper (1875–1945): Ein politisches Leben in Braunschweig. Joh. Heinr. Meyer, Braunschweig 2009, ISBN 978-3-926701-78-7 (Rezension)
- Beatrix Herlemann, Helga Schatz: Biographisches Lexikon niedersächsischer Parlamentarier 1919–1945 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Band 222). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2004, ISBN 3-7752-6022-6, S. 173–174.
- Horst-Rüdiger Jarck, Gerhard Schildt (Hrsg.): Die Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region. 2. Auflage. Appelhans Verlag, Braunschweig 2001, ISBN 3-930292-28-9.
- Helmut Kramer (Hrsg.): Braunschweig unterm Hakenkreuz. Braunschweig 1981.
- Norman-Mathias Pingel: Jasper, Heinrich. In: Luitgard Camerer, Manfred Garzmann, Wolf-Dieter Schuegraf (Hrsg.): Braunschweiger Stadtlexikon. Joh. Heinr. Meyer Verlag, Braunschweig 1992, ISBN 3-926701-14-5.
- Ernst-August Roloff: Bürgertum und Nationalsozialismus 1930–1933. Braunschweigs Weg ins Dritte Reich. Hannover 1961.
- Bernd Rother: Jasper, Heinrich. In: Horst-Rüdiger Jarck, Günter Scheel (Hrsg.): Braunschweigisches Biographisches Lexikon – 19. und 20. Jahrhundert. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1996, ISBN 3-7752-5838-8, S. 300.
- Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung, 1933–1945. Eine biographische Dokumentation. 3., erheblich erweiterte und überarbeitete Auflage. Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-5183-1.
Weblinks
- Heinrich Jasper in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
- Heinrich Jasper – Anwalt der Demokratie 1875–1945 auf heinrich-jasper.de
- Biografie von Heinrich Jasper. In: Wilhelm H. Schröder: Sozialdemokratische Parlamentarier in den deutschen Reichs- und Landtagen 1876–1933 (BIOSOP)
- Biografie von Heinrich Jasper. In: Heinrich Best und Wilhelm H. Schröder: Datenbank der Abgeordneten in der Nationalversammlung und den deutschen Reichstagen 1919–1933 (Biorab–Weimar)
Einzelnachweise
- Der Freistaat Braunschweig – Die Landesregierungen 1918–1933 auf gonschior.de, abgerufen am 28. August 2013.
- Zitiert nach Füllner: Das Ende der Spartakisten-Herrschaft in Braunschweig. 1969, S. 215.
- regionalbraunschweig.de Stolperstein für Dr. Heinrich Jasper