Hannsheinz Porst
Hannsheinz Porst (* 8. November 1922 in Nürnberg; † 29. April 2010 in Artelshofen) war ein deutscher Unternehmer. Er war lange Jahre Eigentümer der Fotohandelskette Photo Porst. Er gründete Maul & Co (Akzidenzdruckerei), Exdata (Datenverarbeitung), DSV (Deutscher Supplement Verlag; rtv), PORST Wohnungsbau, Grapha und Atrex.
Der Unternehmer
Sein Vater Hanns Porst begründete 1919 einen Fotoladen, aus dem sich später ein Fotoversandhaus entwickelte. Nach mittlerer Reife und einer Werkzeugmacher-Lehre bei Kodak[1] stieg der junge Hannsheinz 1948 in den elterlichen Betrieb ein. Als einer der Ersten in der Bundesrepublik baute er mit seinen Photo-Porst-Läden eine Fachgeschäftskette auf.
Nach der Währungsreform trat er in das von seinem Vater aufgebaute und bereits 1936 als „Der Welt größtes Photohaus“ bekannte Unternehmen als gleichberechtigter Gesellschafter ein. Ende der 1950er Jahre war bereits abzusehen, dass ein auf Fotobedarf spezialisiertes Versandgeschäft keine Zukunft haben würde. Vater Porst übergab 1960 die Firma seinem Sohn, der folgerichtig damit begann, bundesweit eine Ladenkette aufzubauen, die bereits fünf Jahre später über 100 eigene und 600 im Franchise-System arbeitende Vertriebsstellen verfügte. Durch modernes Marketing und unkonventionelle Ideen gelang es, ein Viertel des deutschen Fotomarktes zu kontrollieren.
Daneben baute der Unternehmer auf der grünen Wiese vor Nürnberg eine Druckerei und 500 Werkswohnungen. Die Druckerei „Maul & Co“ für Tief-, Offset- und Buchdruck galt bereits wenige Jahre später als eine der bekanntesten in der Bundesrepublik Deutschland.
Prozesse
1964 wurde Porst verhaftet und der Steuerhinterziehung beschuldigt. Nach Bezahlung von 9,5 Millionen DM ausstehender Steuern und einer Buße von 2,5 Millionen DM kam es zu keiner Anklage.
Porst wurde zu dieser Zeit bereits vom Verfassungsschutz abgehört. Zu einer Anklage kam es jedoch erst später, als ihn ein zu den Amerikanern übergelaufener Sowjetagent belastete.[2]
Vier Jahre später wurde Porst wiederum verhaftet. Am 8. Juli 1969 verurteilte ihn der Dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofs wegen landesverräterischer Beziehungen zur DDR zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten. Porst, seit 1955 Mitglied der FDP und gleichzeitig heimlich der SED, hatte nach Überzeugung des Gerichts seit Mitte der 1950er Jahre Landesgeheimnisse und Informationen über die FDP an das Ministerium für Staatssicherheit der DDR weitergegeben. Er war mit dem ehemaligen Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung der DDR Markus Wolf befreundet. Dieser war der Leiter der Gruppe Porst, zu der auch Alfred Pilny (aus der DDR stammender Lektor bei Porst und zeitweiliger Nachhilfelehrer seiner Söhne) und Peter Neumann (Mitarbeiter in den Schweizer Firmen) gehörten. Porst bekannte sich als Marxist und bezeichnete seine Gespräche in Ost-Berlin als einen Beitrag zur besseren Verständigung zwischen den beiden deutschen Staaten. Er gab an, nie Geheimnisse verraten zu haben; er sei nie ein Spion oder Landesverräter gewesen.[1]
Vom DDR-Ministerium für Staatssicherheit wurde er als IM Fotograf geführt.[3]
Das Modell Porst
Nach Rückkehr aus der Justizvollzugsanstalt Landsberg verschenkte der Unternehmer seine Betriebe an seine Mitarbeiter und entwickelte mit ihnen das als PORST-MODELL bekannt gewordene, von Banken, Gewerkschaften und Unternehmern heftig bekämpfte System einer absoluten betrieblichen Selbstbestimmung, was er als Form „totaler Mitbestimmung“ sah. 1980 schied Porst aus dem aktiven Dienst der Unternehmen aus, die ohne ihn in den Folgejahren erhebliche Verluste erlitten und letztlich unter Aufgabe der totalen Selbstbestimmung von den Mitarbeitern verkauft wurden. Porst verkaufte hierzu seine Immobilien, die Porst Wohnungsbaugesellschaft. Da die 30 Millionen nicht reichten, um die aufgelaufenen Verluste der Mitarbeitergesellschaft auszugleichen, zwangen ihn die Banken, zusätzliches Kapital zu akquirieren. Eingestiegen ist dann die Interdiscount, Schweiz.
Hannsheinz Porst lebte zuletzt zusammen mit seiner Frau Luise zurückgezogen im ehemaligen Wochenendhaus seines Vaters in Artelshofen bei Vorra östlich von Nürnberg. Die von ihm etablierte Zucht von Galloway-Rindern wurde später aufgegeben. Am 29. April 2010 starb Porst in Artelshofen.
Porst war Ehrenbürger der Universität Erlangen-Nürnberg.[4] Von 1959 bis 1960 war er Mitglied des Beirats der Friedrich-Naumann-Stiftung.
Einer seiner drei Söhne, Jonas, ist Musikproduzent. In den 60er Jahren produzierte und managte er die lokal sehr erfolgreiche Beat-Gruppe „Jonah & The Whales“. 1968 produzierte er das erste und von ihm finanzierte Album der wegweisenden Deutschrock-Band Ihre Kinder. Das von ihm mit aufgebaute Tonstudio Hiltpoltstein gehörte zu den führenden Rock-/NDW-Studios in Deutschland. Dort nahmen Musikgruppen wie Nena und Extrabreit Platten auf.[5]
Veröffentlichungen
- Hannsheinz Porst: Gelebte Visionen. Die Geschichte eines Protagonisten. Books on Demand, Norderstedt 2003, ISBN 3-8311-4656-X.
Literatur
- Eva Maria Gajek, Das richtige Leben im kapitalistischen Falschen. Der Millionär und Marxist Hannsheinz Porst. In: Kroll, T./Severin-Barboutie, B., Wider den Kapitalismus. Antikapitalismen in der Moderne. Campus, 2021, S. 215–248.
Weblinks
- Literatur von und über Hannsheinz Porst im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Inga Pflug: Ein Leben wie ein Film. In: Manager Magazin, 8. November 2007
- Spione in der FDP
- Hannsheinz Porst Biografie bei WHO’S WHO
- Tagesschau: Hannsheinz Porst ist tot (Memento vom 3. Mai 2010 im Internet Archive)
- Medienwerkstatt Franken: Der Grenzgänger – Begegnung mit Hannsheinz Porst (Video, Laufzeit: 10:46 Minuten)
Einzelnachweise
- Hannsheinz Porst ist tot - Marxist und Millionär, sueddeutsche.de, 20. Mai 2010, abgerufen am 30. April 2013
- 26. März 1969: Der „Feind“ hört mit: heimlich, still und leise. nordbayern.de, Onlinedienst von Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung, 26. März 2019
- Foto-Unternehmer Hannsheinz Porst ist tot (Memento vom 30. Juni 2009 im Internet Archive) FR-online.de, 30. April 2010, abgerufen am 1. Mai 2010
- Verstorben (Memento vom 15. Dezember 2015 im Webarchiv archive.today)
- Produzent Jonas Porst und der Deutschrock