Hôtel du Nord (Film)
Hôtel du Nord ist ein französisches Filmdrama, das 1938 nach der gleichnamigen Romanvorlage von Eugène Dabit unter der Regie von Marcel Carné entstand. Der Film wird der Strömung des Poetischen Realismus zugerechnet, einer frühen Form des Film noir, die auch als Pre Noir[1] bezeichnet wird.
Film | |
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Titel | Hôtel du Nord |
Originaltitel | Hôtel du Nord |
Produktionsland | Frankreich |
Originalsprache | Französisch |
Erscheinungsjahr | 1938 |
Länge | 95 Minuten |
Stab | |
Regie | Marcel Carné |
Drehbuch | Jean Aurenche, Henri Jeanson |
Produktion | Jean Lévy-Strauss |
Musik | Maurice Jaubert |
Kamera | Louis Née, Armand Thirard |
Schnitt | Marthe Gotte |
Besetzung | |
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Handlung
Das Ehepaar Lecouvreur besitzt seit einigen Jahren ein kleines, etwas heruntergekommenes Hotel am Canal Saint-Martin im Nordosten von Paris. Ein paar zwielichtige Gestalten wohnen im Hotel – so etwa der miesepetrige Zuhälter Monsieur Edmond und seine Geliebte, die Prostituierte Madame Raymonde, die sich gerne miteinander zanken. Aber auch Arbeiter gehen im Hotel ein und aus oder wohnen hier, beispielsweise der homosexuelle Adrien und das junge Ehepaar Trimaux, wobei Madame Trimaux ihren Ehemann, der sich als Blutspender verdingt, mit dessen bestem Freund Kenel betrügt. Das gutherzige Ehepaar Lecouvreur ist der Mittelpunkt, an dem sich die Lebenswege aller mit dem Hotel verbundenen Menschen kreuzen.
Während die Erstkommunion des Adoptivsohnes der Lecouvreurs gefeiert wird, mietet sich ein junges Paar ein: der Arbeitslose Pierre und die Waisin Renée. Die beiden haben seit einem Jahr vergebens versucht, ein festes Einkommen zu erlangen, um dann endlich heiraten zu können. Nun wollen sie sich aus Verzweiflung gemeinsam das Leben nehmen. Pierre redet auf seine Freundin ein und schießt auf sie mit einer Pistole, bringt es dann aber nicht fertig, diese auch gegen sich zu richten. Monsieur Edmond, der als einziger nicht zur Erstkommunion eingeladen war, ist als Erster am Tatort. Er drängt den jungen Mann zur Flucht und steckt die Pistole selbst ein.
Renée ist allerdings nur schwer verletzt worden und überlebt im Krankenhaus. Pierre stellt sich am nächsten Morgen und wird wegen versuchten Mordes verhaftet. Zwar berichtet Renée der Polizei von dem Suizidpakt, doch Pierre bleibt inhaftiert. Als die genesene Renée in das Hôtel du Nord zurückkehrt, um ihre Sachen zu holen, bieten die Lecouvreurs ihr eine Stellung als Dienstmädchen mit Unterkunft an. Die schöne Renée erweist sich bei den Gästen als beliebt, wenn sie auch alle Zuneigungsversuche der Kundschaft abwimmelt, und selbst der stets zynische Edmond verliebt sich in sie.
Edmond wollte eigentlich Paris verlassen, da zwei aus dem Gefängnis entlassene Verbrecher ihn suchen, die er einst der Polizei ans Messer geliefert hatte. Doch seine Gedanken an Renée halten ihn davon ab. Er gesteht ihr seine Liebe und seine kriminelle Vergangenheit. Da sie keine Hoffnung mehr für ihre Beziehung mit dem immer noch inhaftierten Pierre sieht, stimmt sie dem Vorschlag von Edmond zu, gemeinsam nach Port Said auszureisen und Frankreich hinter sich zu lassen. Doch auf dem Schiff merkt sie, dass sie Edmond nicht richtig lieben kann, und kehrt zum Hotel zurück. Wenig später wird bekannt, dass die Anklage gegen Pierre fallen gelassen und er freikommen soll.
Edmonds ehemalige Geliebte Madame Raymonde ist inzwischen mit dem von seiner Frau verlassenen Trimaux zusammengekommen. Sie verspürt keine Loyalität gegenüber Edmond mehr und verrät einem der Gangster, dass Edmond immer noch im Hotel lebe. Als am Nationalfeiertag ein Fest vor dem Hotel stattfindet, kehrt Edmond sehnsüchtig zu dem Hotel zurück. Er und Renée haben eine freundschaftlich Aussprache, an deren Ende sie ihn warnt, dass die Gangster auf ihn warten. Edmond lässt sich bewusst von dem wartenden Gangster umbringen, mit der Waffe, die einst Pierre auf Renée gerichtet hatte. Der Schuss verhallt in den lauten Geräuschen der feiernden Menschen. Renée und der soeben aus dem Gefängnis entlassene Pierre sind wieder vereint.
Hintergrund
Eugène Dabit, der 1931 die Romanvorlage zu diesem Film verfasste, erzählt hier fast autobiographisch die Geschichte seiner Eltern.
Seine Welturaufführung erlebte Hôtel du Nord am 19. Dezember 1938 in Paris. 1948 kam er in die deutschen Kinos und am 28. September 1964 war er erstmals im deutschen Fernsehen zu sehen.
Der von der empörten Arletty (als Reaktion auf Edmonds Feststellung, er brauche eine andere Atmosphäre, und seine Atmosphäre sei Arletty) im Film gesprochene Satz "Atmosphère ! Atmosphère ! Est-ce que j'ai une gueule d'atmosphère?" (in der deutschen Synchronfassung: "Atmosphäre? Atmosphäre? Sehe ich etwa aus wie 'ne Atmosphäre?") wurde zu einem der berühmtesten Filmzitate des Landes und gilt heute als geflügeltes Wort in der französischen Sprache.[2]
Drehort
Der originale Schauplatz des Romans lag am Canal Saint-Martin in Höhe der Passerelle de la Grange-aux-Belles. Da jener ein wichtiger Warenumschlagplatz war, ging Carné in die Filmstudios von Billancourt, wo Alexandre Trauner das ganze Viertel nachbaute.[3]
In den 1980er-Jahren war das Hôtel du Nord vom Abriss bedroht, wurde jedoch durch eine Anwohnerinitiative gerettet. Die Berühmtheit durch den Roman und der Verfilmung, die in Frankreich Kultstatus hat, wurde das Gebäude ab 1993 unter Denkmalschutz gestellt und wird seit diesem Zeitpunkt wieder als Hotel betrieben.[4]
Rezensionen
„Der Film ist melodramatischer und weniger originell als die ‚großen‘ Filme Carnés aus den dreißiger Jahren. Zwar gibt es wieder meisterhafte Szenen in der Schilderung des Alltagslebens im Hotel, die Randfiguren sind mit wenigen Strichen plastisch geschildert; die eigentliche Handlung ist jedoch von sentimentalen Gefühlen überwuchert.“
„Dieser Film von Marcel Carné ist sentimentaler als ‚Hafen im Nebel‘, doch die großartigen Charakterzeichnungen, die hervorragenden Schauspieler und Echtheit des Milieus machen ‚Hôtel du Nord‘ zu einem der bedeutenden Filme des ‚poetischen Realismus‘ im französischen Film der dreißiger Jahre.“
„„Hôtel du Nord“ erzählt von mehreren Leuten im titelgebenden Hotel in einem Arbeiterviertel in Paris. Das Ergebnis ist ein Mikrokosmos höchst unterschiedlicher Menschen am Rande der Gesellschaft, die oft vergeblich nach dem Glück suchen und teilweise selbst am Tod noch scheitern.“
Literatur
- Eugène Dabit: Hôtel du Nord. Denoel, Paris 2004, ISBN 2-07-038245-1.
- Eugène Dabit: Hôtel du Nord. Dtv, München 2001, ISBN 3-423-12885-2.
Weblinks
- Hôtel du Nord in der Internet Movie Database (englisch)
Einzelnachweise
- Pre Noir. Hôtel du Nord Der Film Noir, abgerufen am 30. August 2021
- Atmosphère ! Atmosphère ! Est-ce que j'ai une gueule d'atmosphère? In: Planetebook. 21. April 2020, abgerufen am 15. Juli 2021 (fr-FR).
- Tilman Krause: Bleibe in der Stadt des Noch, in: Die Literarische Welt, 11. April 2015, S. 8.
- Eugène Dabit: „Hôtel du Nord“ Roman über die Arbeiter von Paris Deutschlandfunk, abgerufen am 30. August 2021
- Reclams Filmführer. 2. Aufl. 1973, ISBN 3-15-010205-7
- Hôtel du Nord. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 2. März 2017.
- Hôtel du Nord Film Rezensionen, abgerufen am 30. August 2021