Guido Bellido
Guido Bellido Ugarte (* 7. August 1979 in Livitaca) ist ein peruanischer Ingenieur und Politiker. Für die Partei Perú Libre ist er seit 2021 Abgeordneter aus der Region Cusco im peruanischen Parlament. Vom 29. Juli 2021 bis zum 6. Oktober 2021 war er peruanischer Premierminister im Kabinett Castillo.
Leben
Bellido wurde in Livitaca in der Provinz Chumbivilcas im Süden der Region Cusco geboren.[1][2] In Cusco studierte er Ingenieurswesen der Elektronik an der Universidad Nacional San Antonio Abad.[3]
Vor 2018 war Bellido Mitglied der Partei Arriba Perú Adelante, trat aber 2017 der politisch linken, sozialistisch ausgerichteten Partei Perú Libre bei, wo er Generalsekretär des Regionalverbandes der Partei in Cusco wurde.[4]
Bei den Wahlen in Peru 2021 wurde Bellido als Kandidat in der Region Cusco für Peru Libre in den Kongress der Republik Peru gewählt. Am 29. Juli ernannte ihn der neu gewählte Präsident Pedro Castillo, ebenfalls von der Partei Perú Libre, in einer Zeremonie im Santuario Histórico de la Pampa de Ayacucho in der Region Junín zum Premierminister, wobei Bellido auf Spanisch und Quechua seinen Amtseid ablegte.[5][6][7] Auf Grund seiner dezidiert linken, am Marxismus orientierten Positionen als enger Vertrauter des Generalsekretärs von Perú Libre, Vladimir Cerrón, stieß er auf massiven Widerstand im Parlament, wo die linken Parteien keine Mehrheit haben. Er brachte unter anderem die Nationalisierung der Gasvorkommen von Camisea in der Provinz La Convención ins Gespräch. Am 6. Oktober 2021 trat er von seinem Amt zurück, nach eigener Aussage auf Bitte des Präsidenten Castillo hin. Dieser sprach von Maßnahmen zur Herstellung der „Regierungsfähigkeit“ (gobernabilidad).[8] Seit dem 6. Oktober 2021 ist Mirtha Vásquez seine Amtsnachfolgerin.[9]
Während die Fraktionen der Opposition den Rücktritt Bellidos begrüßten, kritisierte die von Waldemar Cerrón, dem Bruder des Generalsekretärs Vladimir Cerrón geleitete Fraktion von Perú Libre die Regierungsumbildung scharf mit den Worten, der Weggang Bellidos und des Arbeitsministers Iber Maraví seien „Verrat an allen Mehrheiten, die lange Jahre darauf gewartet haben, an die Macht zu kommen, um beachtet zu werden“. Die Fraktion unterstütze die neue Regierung nicht, werde aber auch keine Obstruktionspolitik betreiben.[10][11]
Ethnischer Quechua-Hintergrund
Bellido stammt aus einer Quechua-Familie und spricht Cusco-Quechua, das er auch in der Öffentlichkeit oft verwendet.[12][13] Er ist der erste Premierminister in der Geschichte Perus, dessen Muttersprache Quechua ist.[14]
Politisches Programm
Nach Aussage von Bellidos Weggefährten, Generalsekretär Vladimir Cerrón, hat die Partei Perú Libre eine marxistisch-leninistische Grundlage.[15] Bellido, der zuvor noch kein öffentliches Amt bekleidet hatte, kündigte nach seinem Amtsantritt an, für die Interessen aller Peruaner einzustehen und sich gegen die Korruption einzusetzen.[16] Nach seinen Worten soll der Staat sich an den Schlüsselindustrien beteiligen und von der Regierung neue öffentliche Unternehmen gegründet werden.[13] Zu Bellidos Projekten gehört auch die Erarbeitung einer neuen Verfassung Perus, welche die unter Alberto Fujimori erarbeitete, derzeit gültige ersetzen soll.[3]
In Bezug auf Forderungen wie die gleichgeschlechtliche Ehe ist Guido Bellido sehr zurückhaltend. In einem Interview mit El País weist er darauf hin, dass in traditionellen Gemeinden wie der, aus der er selbst stammt, die Familie sehr hoch geschätzt werde. Verónika Mendoza sei als Präsidentschaftskandidatin deswegen erfolglos geblieben, weil sie das Denken der Bevölkerung gewaltsam habe verändern wollen. Die Mehrheit der Peruaner müsse von einer Veränderung der Verfassung erst überzeugt werden.[17]
Politische Erfolge
In den ersten Tagen seiner Amtszeit trat Bellido in Funktion des Vorsitzenden einer Regierungsdelegation als Vermittler in Chumbivilcas (Region Cusco) auf, wo es einen langjährigen Konflikt zwischen indigenen Quechua-Gemeinden und dem chinesischen Kupfer-Konzern Las Bambas um den Kupferbergbau gibt. Die dortigen Gemeinden befanden sich in einem unbefristeten Ausstand. Bellido gelang es jedoch, die Seiten zu einem Dialog an einem Runden Tisch zu bewegen. Hierbei wird hervorgehoben, dass Bellido vom Spanischen zum Cusco-Quechua wechselte und so auf eine Gesprächebene kam, die vorherigen Premierministern verschlossen war. Gleichzeitig konnte er dem Ruf in der rechts orientierten Presse entgegentreten, dass er auf Konfrontation ausgerichtet sei.[18][19]
Kritik und Kontroversen
Bellidos Ernennung zum Premierminister stieß bei den politischen Gegnern von Perú Libre – so aus den Fraktionen von Acción Popular und Partido Morado – auf scharfe Ablehnung. Letztere bezeichnete ihn als jemanden, der „nicht an die Demokratie, die Menschenrechte und den Kampf gegen Korruption und Terrorismus glaubt“.[20][3] Am 27. August 2021 sprach das peruanische Parlament dem Kabinett Bellido in der für Regierungskabinette vorgesehenen Vertrauensabstimmung nach langer Debatte dennoch mit 73 gegen 50 Stimmen (keine Enthaltungen) das Vertrauen aus. Die Gegenstimmen kamen geschlossen aus den Fraktionen von Fuerza Popular, Renovación Popular und Avanza País.[21][22]
Ermittlungen wegen Rechtfertigung des Terrorismus
Im Mai 2021 nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Bellido auf wegen Verdachts der Rechtfertigung des Terrorismus. Vorgeworfen wurde ihm, Sendero Luminoso nicht als Terrororganisation bezeichnet zu haben. In einem Interview hatte Bellido über die Zeit des Bewaffneten Konflikts in Peru geäußert: „Das Land befand sich in einer Katastrophe. Es gab Peruaner, die irrtümlicherweise einen Weg einschlugen. Sind es Peruaner oder nicht? Deswegen haben sie ihre Rechte. Was hast du gegen die Senderisten?“[23] Ebenso wurde ihm vorgeworfen, 2017 die Senderistin Edith Lagos geehrt zu haben, die in einem Gefecht mit der Nationalpolizei Perus am 3. September 1982 starb.[24]
Vorwürfe der Feindseligkeit gegen Homosexuelle
Bellido wurde vor und nach seinem Amtsantritt die Ablehnung von LGBT-Rechten vorgeworfen, unter anderem durch Verwendung eines homophoben Zitates von Fidel Castro aus dem Jahre 1963. Die Vorwürfe beziehen sich auf frauenfeindliche und homophobe Äußerungen, die er einige Jahre zuvor auf Twitter getätigt haben soll.[25][26][27][28]
Am 31. Juli 2021 äußerte er sich gegen jede Art von Terrorismus und äußerte den Willen, „gemeinsam den Rassismus, Klassismus, Machismus und Homophobie zu überwinden, die noch tief in der Gesellschaft verankert sind“. Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass er als Quechua und Bauernsohn am eigenen Leibe die Diskriminierung erlebt habe, für deren Überwindung er nun arbeiten werde.[25][29][30][31]
Vorwurf der Geldwäsche
Am 10. August 2021 nahm die Staatsanwaltschaft gegen die Partei Perú Libre und 19 ihrer Mitglieder, darunter Guido Bellido, Ermittlungen wegen des Verdachts der Geldwäsche auf.[32]
Verwendung des Quechua durch Bellido
Aus der politischen Rechten gab es Kritik an Bellido, da er in der Debatte im Kongress vor der Vertrauensabstimmung zur Einleitung seiner Rede und Begrüßung auch Quechua sprach. Der Abgeordnete von Renovación Popular, Jorge Montoya, griff deshalb Bellido an unter dem Verweis, Perus Amtssprache sei Spanisch.[33] Auch die Parlamentspräsidentin, María del Carmen Alva von Acción Popular, forderte Bellido auf, Spanisch und nicht Quechua zu sprechen. Bellido entgegnete in seiner Muttersprache unter Verweis auf die Verfassung, man dürfe im Parlament Quechua ebenso wie Spanisch sprechen.[22][34] Ebenso verwies er darauf, das seine Mutter kein Spanisch gesprochen habe und dass er das Quechua zu Ehren all der Peruaner verwende, die gestorben seien, ohne je ein im Kongress gesprochenes Wort verstanden zu haben.[18][19] Sigrid Bazán, Abgeordnete von Juntos por el Perú, begrüßte die Verwendung des Quechua durch Bellido als „äußerst wertvoll“ und als beispielhaft dafür, den indigenen Völkern in der Gesellschaft Geltung zu verschaffen.[35] Der ehemalige leitende Beamte des Kongresses, José Cevasco, kritisierte wiederum, dass Bellidos Worte auf Quechua nicht ins Sitzungsprotokoll übernommen wurden.[36]
Die Parlamentarier, die durch die Worte auf Quechua auf einmal nichts mehr verstanden, fühlten sich offenbar ihrer Macht beraubt. Der politische Analyst Luis Esteban González Manrique schreibt in einem Artikel zu den Vorfällen im Kongress um das von der rechten Opposition abgelehnte Quechua: „Damit, dass er [im Kongress] Quechua spricht, signalisiert Bellido, dass diejenigen, die immer die Macht hatten, sie nun nicht mehr haben.“[18]
Zitate
„Wir haben 500 Jahre gelitten, wir schritten langsam durch die Gebirge und verschneiten Gipfel, um zum Kongress zu gelangen, auf dass von hier unser Wort gehört werde.“
„Die faktischen Kräfte sind dazu übergegangen, die Regierung systematisch zu behindern. Diese faktischen Mächte der Finanzgesellschaften und Unternehmen haben die Justizorgane unter ihrer Kontrolle, geschützt im Euphemismus der Ökonomie der Mächte, unterziehen sich keinen Wahlen und wollen unser Land regieren als Organisation, die jeden politischen Gegner kriminalisiert.“
Einzelnachweise
- Guido Bellido Ugarte. Voto informado, abgerufen am 14. August 2021.
- Historial Partidario – Guido Bellido Ugarte. Infogob, Observatorio para la gobernabilidad, abgerufen am 14. August 2021.
- Fernanda Paúl: Quién es Guido Bellido, el controvertido nuevo primer ministro de Perú investigado por "apología del terrorismo". BBC News Mundo, 30. Juli 2021.
- Guido Bellido y Guillermo Bermejo no pueden integrar comisiones de Defensa o Inteligencia del Congreso por casos de terrorismo y apología. El Comercio, 3. Juni 2021.
- Juan Valzania: Guido Bellido juramenta en quechua: ¿Qué dijo el nuevo premier en Ayacucho? Líbero, 29. Juli 2021.
- Guido Bellido Ugarte, el presidente del Consejo de Ministros que tiene una investigación por presunta apología al terrorismo. RPP, 29. Juli 2021.
- Guido Bellido asumirá la Presidencia del Consejo de Ministros. Gestión, 29. Juli 2021.
- Perú: 3 claves para entender la sorpresiva renuncia de Guido Bellido a la presidencia del Consejo de Ministros. BBC News Mundo, 6. Oktober 2021. Fuerzas fácticas [...] han ido entorpeciendo al gobierno sistemáticamente. [...] Estos poderes fácticos, financieros y empresariales tienen capturados los órganos de justicia que, amparados en el eufemismo de la economía de poderes, no se someten a las elecciones y quieren gobernar nuestro país como una organización que criminaliza a todo opositor político.
- Perus Regierung zurückgetreten. In: Spiegel. 6. Oktober 2021, abgerufen am 7. Oktober 2021.
- Perú Libre: bancada señala que Gabinete de Mirtha Vásquez “es una traición a todas las mayorías”. Waldemar Cerrón, vocero de la bancada oficialista, se pronunció luego de participar en una reunión con el presidente Pedro Castillo. Los congresistas de Perú Libre cuestionaron al nuevo gabinete de Mirtha Vásquez. (Memento vom 7. Oktober 2021 im Internet Archive). El Comercio, 6. Oktober 2021.
- Bancada de Perú Libre asegura que no obstruirá al Gobierno a pesar del Gabinete de Mirtha Vásquez. La bancada oficialista reiteró que no respalda al equipo ministerial que juró ayer tras la renuncia de Guido Bellido. (Memento vom 8. Oktober 2021 im Internet Archive). El Comercio, 7. Oktober 2021.
- Marco Avilés: Guido Bellido es el premier y debería comportarse con más altura. Ideele Radio, 10. August 2021.
- Marco Aquino and Marcelo Rochabrun: Peru's new govt eyes natural gas, hydroelectric sectors for public companies. Reuters, 8. August 2021.
- Franklin Briceño: Frío encuentro entre mandatario y líder de Congreso en Perú. AP News, 13. August 2021.
- Vladimir Roy Cerrón Rojas: Diferencias entre Perú Libre, Nuevo Perú y Frente Amplio. Perú Libre (offizielle Website), 18. Februar 2021.
- Politikneuling wird Regierungschef in Peru. Der Spiegel, 30. Juli 2021.
- Guido Bellido, im Interview mit: Juan Diego Quesada: “Hay que persuadir a la mayoría de los peruanos para reformar la Constitución”. El País, 6. August 2021.
- Luis Esteban González Manrique: Perú: ¿renacimiento quechua? La reivindicación de Pedro Castillo del mundo andino como centro de gravedad de la identidad nacional está dando nuevas alas al quechua, la lengua de casi cuatro millones de peruanos, históricamente reprimida. Política Exterior, 22. September 2021. Al hablar en quechua, Bellido lanza el mensaje de que quienes siempre tuvieron el poder ya no lo tienen.
- Adrián Lerner, Matteo Stiglich: In Peru, the Knives Are Already Out for Pedro Castillo. Jacobin, 4. September 2021.
- Pedro Castillo: el nuevo gobierno de Perú arranca con polémica tras el nombramiento de Guido Bellido como primer ministro. BBC News Mundo, 31. Juli 2021.
- Pleno del Congreso otorgó el voto de confianza al Gabinete Bellido: así se realizó la sesión en el Legislativo. RPP, 27. August 2021.
- Quincy Stemmler: Linksregierung in Peru besteht erste Feuerprobe. Amerika 21, 29. August 2021.
- Claudia Ortiz: Guido Bellido: Este es el video por el que el nuevo premier es investigado por presunta apología al terrorismo. RPP, 29. Juli 2021. Originalzitat im Interview: El país estaba en un desastre, hubo peruanos que equivocadamente tomaron un camino, ¿son peruanos o no? Por eso tienen sus derechos. ¿Qué tienes contra los senderistas?
- Yasmin Rosas: ¿Quién fue Edith Lagos, la subversiva a la que Guido Bellido homenajeó? El Comercio, 30. Juli 2021.
- Prime Minister takes office under opposition siege in Peru. Prensa Latina, 3. August 2021.
- Los agresivos mensajes de Guido Bellido en contra de la comunidad LGTBQ. Peru21, 29. Juli 2021.
- El perfil homofóbico, misógino y radical de Guido Bellido. Caretas, 30. Juli 2021.
- Guido Bellido y el largo historial de expresiones homofóbicas y machistas. La República, 31. Juli 2021.
- Guido Bellido: ratifico mi compromiso con la democracia y la gobernabilidad. El Peruano, 31. Juli 2021. Zitat: Como quechua, hijo de campesinos, he vivido en carne propia la discriminación y trabajaré para erradicarla en todas sus formas. Juntos superaremos el racismo, el clasismo, el machismo y la homofobia que aún están profundamente arraigados en la sociedad.
- Quincy Stemmler: Neue Linksregierung in Peru: Zusammensetzung des Kabinetts löst Kritik aus. Amerika 21, 3. August 2021.
- Guido Bellido: “He vivido en carne propia la discriminación”. Cuscopost, 31. Juli 2021.
- Perú Libre, Vladimir Cerrón, Guido Bellido y otros, investigados por lavado de activos. La República, 11. August 2021.
- Jorge Montoya: “El idioma oficial del Perú es el castellano”. RPP, 27. August 2021.
- Junge Peruaner sprechen wieder gerne Quechua. Blickpunkt Lateinamerika (Adveniat), 2. September 2021.
- Sigrid Bazán sobre Guido Bellido: “Nos parece valiosísimo que haya hablado en quechua”. Es una muestra de reivindicación de los pueblos indígenas en nuestra sociedad, consideró la parlamentaria de Juntos por el Perú. Exitosa, 26. August 2021.
- Cevasco: “Me llamó mucho la atención que en el discurso escrito de Bellido no esté el saludo en quechua”. RPP, 27. August 2021.
- Franklin Briceño: Con casi todo en contra, el quechua sigue vigente en Perú. Associated Press, 15. September 2021 (alternativ Spiegelseite von Chicago Tribune).