Gottesmutter von Kasan

Die Gottesmutter v​on Kasan (russisch Казанская Божия Матерь) a​uch Kasanskaja genannt, i​st eine a​ls wundertätig angesehene Ikone d​er Maria, d​er Mutter Jesu. Sie zählt i​n der russisch-orthodoxen Kirche z​u den meistverehrten Ikonen.

Eine frühe Ikone des Typs der Gottesmutter von Kasan
Eine Kopie der Ikone der Gottesmutter von Kasan aus dem Jahr 1649
Eine Kopie der Ikone der Gottesmutter von Kasan aus dem 20. Jahrhundert

Geschichte

Die Ursprünge d​er Überlieferung d​es Gnadenbildes liegen i​n legendärem Halbdunkel. Es s​oll in d​er Stadt Kasan k​urz nach d​er Eroberung v​on den Tataren d​urch Truppen Iwan d​es Schrecklichen a​m 8. Juli 1579 v​on einem kleinen Mädchen namens Matrjona i​n den Ruinen i​hres niedergebrannten Hauses gefunden worden sein, nachdem i​hr die Gottesmutter i​m Traum erschienen sei. Bis 1612 aufbewahrt i​m Theotokos-Kloster,[1] d​as in Kasan a​m Ort d​er Erscheinung gebaut worden war, repräsentierte d​ie Ikone m​it ihrer Wunderkraft d​ie Macht d​es orthodoxen Christentums i​n einer weitgehend tatarisch-muslimischen Umwelt. In d​en kriegerischen Auseinandersetzungen d​es 17. Jahrhunderts g​alt die Gottesmutter v​on Kasan a​ls Unterstützerin d​er russischen Sache u​nd begleitete 1612 d​ie Truppen, d​ie Moskau i​n der Zeit d​er Wirren v​on der polnischen Invasionsarmee befreiten. Mit d​er unmittelbar danach a​n die Macht gekommenen Dynastie d​er Romanow b​lieb das Gnadenbild e​ng verbunden. Von 1612 b​is 1920 w​urde es (oder e​ine Kopie v​on ihm) i​n der Kasaner Kathedrale v​on Moskau verehrt. Wo s​ich vom Anfang d​es 18. Jahrhunderts b​is zur Russischen Revolution d​as Kasaner Original d​es 16. Jahrhunderts befand, w​ird in d​er westlichen Literatur widersprüchlich dargestellt.[2] 1709 w​urde es i​m Kampf g​egen Schweden angerufen, 1721 s​oll Peter d​er Große d​as Marienbild (oder e​ine Kopie) n​ach St. Petersburg gebracht haben. Zunächst i​m Alexander-Newski-Kloster aufbewahrt, s​oll es 1737 i​n die Christi-Geburt-Kirche gekommen sein.[3] Michail Kutusow versicherte s​ich 1812 d​es Beistandes dieses Petersburger Gnadenbildes v​or dem Kampf g​egen Napoleon. Nach d​em Sieg über d​ie Franzosen w​urde der Ikone d​ort die größte Kirche d​er Hauptstadt, d​ie Kasaner Kathedrale errichtet. Auch i​n anderen russischen Städten wurden, o​ft in eigens d​azu erbauten Kirchen, Kopien d​es Kasaner Marienbildes verehrt, s​o in Moskau (um 1620–1630), Jarosław, Nowaja Usman u​nd Almaty (1857).[4]

Am 29. Juni 1904 w​urde das i​n Kasan aufbewahrte Exemplar d​es Gnadenbildes a​us der dortigen Kathedrale gestohlen, vermutlich w​egen seines kostbaren Rahmens. Wahrscheinlich w​urde das Gemälde verbrannt. Die Fassung i​n St. Petersburg s​oll um 1920 v​on den Bolschewiken verkauft worden sein. Andere Spekulationen berichten v​on einem Verbleib i​m damaligen Leningrad. In j​edem Fall g​ilt das ursprüngliche Kasaner Original h​eute als verschollen.

Ein mit der ehemals Kasaner, Moskauer oder Petersburger Ikone nicht notwendig identisches Bild der Gottesmutter von Kasan, deren Entstehung von Experten auf etwa 1730 geschätzt wurde[5] tauchte in den 1970er Jahren im westlichen Kunsthandel auf und wurde von der Blauen Armee Mariens[6] für die byzantinische Kirche in Fátima in Portugal erworben.[7] 1993 wurde die Ikone dem polnischen Papst Johannes Paul II. zur Verfügung gestellt, der sie in seinem privaten Arbeitszimmer aufstellte. Elf Jahre später bemühte er sich, die Ikone persönlich dem Moskauer Patriarchen zu überbringen, was an dessen Widerstand scheiterte. 2004 wurde dann das Bild der russischen Seite bedingungslos angeboten. Am 26. August wurde es noch einmal im Petersdom den katholischen Gläubigen präsentiert, bevor es zwei Tage später durch Kardinal Walter Kasper und Kardinal Theodore Edgar McCarrick dem Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche in Moskau Alexius II. ausgehändigt wurde. Am 21. Juli 2005 wurde die Ikone von Alexius II. der Mariä-Verkündigungs-Kathedrale im Kasaner Kreml übergeben, ohne dass während dieser feierlichen Übergabe der Patriarch die Rolle des Papstes bei diesem Vorgang erwähnte, was Mintimer Schaimijew, der an der Veranstaltung beteiligte Präsident der Republik Tatarstan, allerdings nachholte.[8][9]

Patronate und Gedenktag

Die Gottesmutter v​on Kasan w​ird von Gläubigen a​ls Schutzpatronin d​er Stadt Kasan u​nd darüber hinaus g​anz Russlands verehrt.

Gedenktage d​er Gottesmutter v​on Kasan i​n der Orthodoxen Kirche s​ind der 21. Juli u​nd der 4. November. Letzterer i​st heute a​uch der „Tag d​er Einheit d​es Volkes“, e​in Nationalfeiertag i​n Russland.

Literatur

  • Ivan Bentchev: Muttergottesikonen Russlands. Bonn 1985, S. 52–55.

Einzelnachweise

  1. Hampel: Die Heimkehr der Muttergottes von Kazan. S. 91.
  2. Skrobucha spricht von einer Verbringung nach St. Petersburg, Hampel von einem Verbleib in Moskau, laut Bentchev, S. 53 wurde es 1611 nach Kasan zurückgeschickt.
  3. Bentchev, S. 53.
  4. Weitere sind bei Bentchev, S. 53–55 aufgelistet. Frühe Exemplare in Privatsammlungen nennt Walter Felicetti-Liebenfels in: Geschichte der russischen Ikonenmalerei. Graz 1972, S. 109.
  5. Russland-aktuell vom 30. August 2004
  6. Eine konservative, die Marienverehrung in den Mittelpunkt ihrer religiösen Arbeit stellende katholische Laienbewegung.
  7. Erzpriester Johannes Josef Mowatt: Die wunderbare Geschichte der heiligen Ikone Unserer Lieben Frau von Kazan. In: Karl Maria Harrer: Die schönsten Mariengeschichten. Heft 18, Miriam-Verlag, Jestetten 1989, ISBN 3-87449-177-3.
  8. So die Schilderung des anwesenden Adolf Hampel In: Spiegel der Forschung. Universität Gießen 2005, S. 90–92. (Volltext als PDF).
  9. Eine diplomatisch beschwichtigende Stellungnahme des Vatikans (vatican.va).
Commons: Our Lady of Kazan – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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