Georges-Henri Pingusson
Georges-Henri Pingusson (* 26. Juli 1894 in Clermont-Ferrand; † 22. Oktober 1978 in Paris) war ein französischer Ingenieur, Architekt und Stadtplaner.
Leben
Der Sohn eines Industriellen studierte zunächst Ingenieurwissenschaften (École spéciale d'Électricité, Diplom Juli 1914)[1] und von 1919 bis 1925 Architektur bei Gustave Umbdenstock und Paul Tournon an der École des Beaux-Arts in Paris. 1930 wurde er Mitglied in der Union des Artistes Modernes. Von 1949 bis 1957 war er deren Präsident.
Grundzüge seines Schaffens
Zusammen mit seinem Studienkollegen Paul Furiet plante er das Wärmekraftwerk Arrighi in Vitry-sur-Seine (1926), das Ternissien-Wohngebäude in Boulogne-Billancourt (1927) sowie verschiedene Villen in Cannes und Biarritz. So baut er die Villa Isola Serena (1927) und die von der Idee Frank Lloyd Wrights beeinflusste Villa Romée (1928). Bekannt wurde er durch die kühne Modernität des Théâtre des Menus-Plaisiers, der heutigen Comédie de Paris, mit Merkmalen des Postkubismus und Dadaismus. Sein Meisterwerk schuf er mit dem Hotel Latitude 43 in Saint-Tropez im Stil des Mouvement Moderne zu dessen prominentesten Vertretern er zählt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er durch den Kommandanten der französischen Militärregierung an der Saar, Gilbert Grandval, in das Team der französischen Urbanisten der Section urbanisme et Reconstruction berufen, das von Marcel Roux und André Sive geleitet wurde. Man betraute ihn mit dem Wiederaufbau und der Neuordnung der stark zerstörten saarländischen Landeshauptstadt Saarbrücken. Nach dem Scheitern seines Wiederaufbauplans für Saarbrücken, den er 1947 vorgelegt hatte, wurde er im Jahre 1949 Beauftragter für den Wiederaufbau in Lothringen und war dort u. a. mit Städtebauplanungen in Metz, Sarreguemines und Briey-en-Forêt befasst. Von 1950 bis 1955 leitete er den Wiederaufbau der stark zerstörten Gemeinde Waldwisse an der Grenze zum Saarland. Von 1950 bis 1955 errichtete er in Zusammenarbeit mit Hans Bert Baur und Bernhard Schultheis die Französische Botschaft in Saarbrücken. Die von ihm in Lothringen geschaffenen Sakralbauwerke sind die Église de la Nativité de la Vierge in Fleury (1955–1963), die Église Saint-Martin-Évêque in Corny-sur-Moselle (1960) und die Église Saint-Antoine in Boust (1955–1963). Auf der Île de la Cité in Paris realisierte er das Mahnmal für die Märtyrer der Deportation (1961–1962). Außerdem wurde er mit dem Wiederaufbau des mittelalterlichen Dorfes Grillon im Département Vaucluse (1974–1978) beauftragt.
Bauwerke
- 1925 Pferderennbahn Hippodrome de la Canche in Le Touquet-Paris-Plage mit Paul Furiet
- 1926–1927 Arbeiterhäuser für die Société française des explosifs in Cugny
- 1926–1927 Theater am Kolosseum Kino in Nîmes
- 1926–1928 Bourboulon Villa in der Nachbarschaft zu Costebelle Hyères (Var)
- 1927–1928 Villa Isola Serena in Cannes
- 1928 Villa Romée in Cannes
- 1929–1931 Theater, Comedy Paris, 42 rue Fontaine, 9. Arrondissement Paris
- 1932 Hotel Latitude 43 in Saint-Tropez
- 1952–1955 Französische Botschaft in Saarbrücken (bis 2014 Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes)[2]
- 1953–1960: Feuerwehrhaus Metz
- 1954–1964: Gedenkstätte für die Märtyrer der Deportation auf der Ile de la Cité, Paris
- 1960 Église Saint-Martin-Évêque in Corny-sur-Moselle
- 1955–1963 Église de la Nativité de la Vierge in Fleury
- 1955–1963 Église Saint-Maximin in Boust
- 1960 Kindergarten und Grundschule Briey
- 1968–1974 Technisches Gymnasium bei Sarreguemines
Literatur
- Anne Katrin Wadle: Die ,Ambassade de France‘ an der Saar von Georges-Henry Pingusson. Magisterarbeit, Universität des Saarlandes, Saarbrücken 1995.
- Jean-Philippe Donzé George-Henri Pingusson dans l’est de la France et en Sarre : architecture, création, modernité, mémoire sous la dir. de Joseph Abram, École d'architecture de Nancy, 1995.
- Jean-Philippe Donzé Georges-Henri Pingusson, architecte. L’Œuvre lorraine. Itinéraire du patrimoine 147, Éd. Serpenoise, Metz 1997.
- Simon Texier, Georges-Henri Pingusson, architecte, 1894–1978. L’architecture comme « transcendance poétique du concret », ou l’impossible doctrine. Diss.-Phil. Université de Paris-IV Sorbonne, 1998.
- Simon Texier, Georges-Henri Pingusson, architecte, 1894–1978. Éd. Verdier, Paris 2006.
- Anne Katrin Haufe-Wadle: Repräsentation zwischen Funktionalismus und Poesie. Zur Architektur der ehemaligen „Ambassade de France“ von Georges-Henri Pingusson. In: SaarGeschichten, 2006 Heft 2.
- Marlen Dittmann, Dietmar Kolling: Georges-Henri Pingusson und der Bau der Französischen Botschaft in Saarbrücken. Deutscher Werkbund Saarland und Institut für aktuelle Kunst (Hrsg.), Verlag St. Johann, Saarbrücken 2011.
- Simon Texier: Georges-Henri Pingusson. Éditions du Patrimoine, Paris 2011.
- Kristine Marschall: Ehemalige Französische Botschaft, Saarbrücken (Saarland). Ministerium für Bildung und Kultur, Landesdenkmalamt Saarland (Hrsg.) Saarbrücken 2013.
- Eva Mendgen: Ex-Ambassade: Die Botschaft Frankreichs an der Saar, in: Saarbrücker Hefte Nr. 110/111, Saarbrücken 2014, S. 90–96.
- Die ehemalige Französische Botschaft in Saarbrücken von Georges-Henri Pingusson. Ein Monument deutsch-französischer Baukultur im Saarland. Deutscher Werkbund Saarland und Institut für aktuelle Kunst (Hrsg.), Verlag St. Johann, Saarbrücken 2014.
Einzelnachweise
- Texier 2011, S. 34.
- Um einen Moses von außen bittend in FAZ vom 28. Oktober 2014, Seite 9