Geodätische Kompaktifizierung

Im mathematischen Gebiet d​er Differentialgeometrie i​st die geodätische Kompaktifizierung o​der geometrische Kompaktifizierung e​ine Kompaktifizierung hyperbolischer Räume o​der allgemein nichtpositiv gekrümmter Räume d​urch eine Sphäre i​m Unendlichen.

Diese Kompaktifizierung funktioniert a​uch für allgemeine Hadamard-Räume, allerdings m​uss der Rand i​m Unendlichen d​ann im Allgemeinen k​eine Sphäre sein. Aufgrund d​er Konstruktion d​er Randpunkte a​ls (im Unendlichen liegende) Endpunkte v​on Geodäten w​ird dieser Rand i​m Unendlichen a​uch als sichtbarer Rand bzw. (falls e​s sich u​m eine Sphäre handelt) a​ls sichtbare Sphäre (engl.: visibility sphere) bezeichnet.

Dieser Artikel behandelt d​en Rand i​m Unendlichen negativ gekrümmter, einfach zusammenhängender, Riemannscher Mannigfaltigkeiten. Die Definition lässt s​ich auch a​uf Gromov-hyperbolische Räume u​nd insbesondere a​uf hyperbolische Gruppen übertragen, s​iehe Gromov-hyperbolischer Raum#Gromov-Rand u​nd Hyperbolische Gruppe#Rand i​m Unendlichen.

Definition

Es sei eine einfach zusammenhängende Riemannsche Mannigfaltigkeit nichtpositiver Schnittkrümmung (oder allgemeiner ein Hadamard-Raum).

Wir definieren zwei geodätische Strahlen als äquivalent, wenn

gilt. Wir bezeichnen die Menge der Äquivalenzklassen mit , eine andere gebräuchliche Bezeichnung ist . Man sagt eine Geodäte ist zu einem Punkt asymptotisch, wenn zur Äquivalenzklasse gehört.

Für Mannigfaltigkeiten nichtpositiver Schnittkrümmung gibt es eine Bijektion zwischen der Einheitssphäre in (für ein beliebiges ) und , weshalb der geodätische Rand auch als "Sphäre im Unendlichen" oder "sichtbare Sphäre" (engl.: "visibility sphere") bezeichnet wird. Für beliebige Hadamard-Räume (die keine Mannigfaltigkeit sind) muss keine Sphäre sein.

Die geodätische Kompaktifizierung von ist die Vereinigung mit der im folgenden Abschnitt definierten Topologie.

Topologie

Die Topologie auf der Kompaktifizierung wird durch die folgenden Bedingungen definiert.

Eine Folge konvergiert genau dann gegen einen von einem geodätischen Strahl repräsentierten Punkt , wenn die Folge der Geodäten[1] von einem (fest gewählten) Basispunkt nach gegen eine Geodäte in der Äquivalenzklasse konvergiert.

Eine Umgebungsbasis von ist gegeben durch die Familie der abgebrochenen Kegel mit . Hierbei ist der "Kegel" die Menge derjenigen Punkte , für die der Winkel zwischen und der durch den Basispunkt und verlaufenden Geodäte kleiner als ist und der "abgebrochene Kegel"

.

Die v​on dieser Umgebungsbasis erzeugte Topologie w​ird als Kegel-Topologie bezeichnet.

Isometrien (und allgemeiner Quasi-Isometrien) von wirken stetig auf der Kompaktifizierung .

Tits-Metrik

Der Winkel-Abstand ist eine Metrik auf , die im Fall euklidischer Räume die Standardmetrik der Sphäre, im Fall negativ gekrümmter Räume aber eine diskrete Metrik (je zwei Punkte haben Abstand ) gibt. Die von dieser Metrik erzeugte Topologie stimmt (außer für den flachen ) nicht mit der Kegeltopologie überein.

Der Winkel-Abstand (engl.: angle metric) zweier von geodätischen Strahlen mit repräsentierten Punkte ist definiert als

.

(Falls keine Riemannsche Mannigfaltigkeit, sondern nur ein Hadamard-Raum ist, handelt es sich bei dem Winkel um den Winkel im jeweiligen Vergleichs-Dreieck.)

Insbesondere gilt genau dann, wenn es eine Geodäte gibt, die für zu bzw. asymptotisch ist.

Die Tits-Metrik ist die zum Winkel-Abstand assoziierte innere Metrik.

ist ein CAT(1)-Raum.[2]

Tits-Gebäude

Es sei ein symmetrischer Raum von nichtkompaktem Typ. Wir betrachten die Wirkung der Isometriegruppe auf . Der Stabilisator jeden Punktes ist eine parabolische Untergruppe von , umgekehrt kommt jede parabolische Untergruppe von als Stabilisator eines Punktes in vor.[3]

Für eine echte parabolische Untergruppe sei die Menge aller von festgelassenen Punkte in . Man kann zeigen, dass ein Simplex und dass das Innere dieses Simplexes die Menge der Punkte mit Stabilisator gleich ist. Die Zerlegung als Simplizialkomplex

gibt die Struktur eines sphärischen Tits-Gebäudes. Die Apartments des Tits-Gebäudes entsprechen den Rändern maximaler Flachs .

Literatur

  • Armand Borel, Lizhen Ji: Compactifications of symmetric and locally symmetric spaces. (= Mathematics: Theory & Applications). Birkhäuser, Boston, MA 2006, ISBN 0-8176-3247-6
  • Martin R. Bridson, André Haefliger: Metric spaces of non-positive curvature. (= Grundlehren der Mathematischen Wissenschaften. 319). Springer-Verlag, Berlin 1999. ISBN 3-540-64324-9
  • Bruce Kleiner, Bernhard Leeb: Rigidity of quasi-isometries for symmetric spaces and Euclidean buildings. In: Inst. Hautes Études Sci. Publ. Math. No. 86, 1997, S. 115–197 (1998).

Einzelnachweise

  1. Wir benutzen, dass sich in einem CAT(0)-Raum je zwei Punkte durch eine eindeutige Geodäte verbinden lassen.
  2. Bridson-Haefliger, op.cit, Theorem 9.20
  3. Borel-Ji, op.cit., Proposition I.2.6
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