Friedhofskapelle Nenningen
Die Friedhofskapelle Nenningen, in älterer Literatur auch Muttergotteskapelle,[1] ist eine ehemalige Feldkapelle in Nenningen.
Beschreibung
Die einschiffige Kapelle besitzt eine halbrunde Apsis. Das Portal und die Fenster weisen flache Bogen auf. Das Schiff ist 7,75 Meter lang und 6,1 Meter breit, der Chor 3,6 Meter lang und breit. Die Raumhöhe beträgt 4,5 Meter, die äußere Höhe bis zum Dach 5 Meter, bis zum Dachfirst 10 Meter und bis zur Kreuzspitze auf dem Dachreiter 14 Meter.[2]
Seit dem 8. Dezember 1774 beherbergt die Kapelle die Nenninger Pietà von Franz Ignaz Günther.[3]
Geschichte
Der Vorgängerbau der Friedhofskapelle Nenningen war eine kleine gotische Wegkapelle. Sie wurde mehrfach in Rechnungen erwähnt, erstmals 1582, dann wieder 1592 und 1715. Möglicherweise beherbergte sie eine 60 Zentimeter hohe Pietà, die später in die Pfarrkirche St. Martinus überführt wurde.[2]
1774 wurde die Wegkapelle durch die spätere Friedhofskapelle ersetzt. Vermutlich entschloss man sich zu diesem Bau aus Dankbarkeit, nachdem die Hungerkatastrophe der Jahre bis 1772, die wohl durch einen Vulkanausbruch auf Island ausgelöst worden war, überstanden war.[4]
Geplant wurde die neue Kapelle unter dem Pfarrer Sebastian Kibler durch den Gmünder Stadtbaumeister Johann Michael Keller, errichtet durch die Maurermeister Melchior Waibel und Konrad Geiger aus Nenningen. Max Emanuel von Rechberg und Rothenlöwen stiftete als Patronatsherr die Baumaterialien, die Bezahlung der Handwerker erfolgte durch die Heiligenpflege und die Pfarrangehörigen wurden zu Hand- und Spanndiensten herangezogen.
Dekan Schroz aus Donzdorf weihte am 12. Juni 1774 die Kapelle zu Ehren der heiligsten Dreifaltigkeit, der schmerzhaften Gottesmutter, des heiligen Florian und des heiligen Wendelin. Weihbischof Wilhelm Josef Leopold von Baden sorgte am 4. August desselben Jahres für die Konsekration von Kapelle und Altar.
Bereits im Jahr der Weihe wurde die Nenninger Pietà, ein Hauptwerk des Bildhauers Franz Ignaz Günther, geschaffen und in der Kapelle aufgestellt. Die Nenninger Pietà ist das einzige Kunstwerk Günthers, das nach Württemberg gelangte. Sie gilt als sein reifstes und letztes Werk. Max Emanuel von Rechberg und Rothenlöwen wohnte als Oberhofmeister des Königs häufig im Rechberg-Palais in München und damit in der Nachbarschaft Günthers, der neben Johann Baptist Straub, seinem Lehrer, als der angesehenste Bildhauer in München galt. Günther erhielt für die Pietà, die der Oberhofmeister bei ihm für die Nenninger Kapelle bestellte, 125 Gulden. Er starb im Jahr nach der Fertigstellung dieses Werkes.[2]
Die aus Lindenholz gefertigte[5] Pietà langte am 8. Dezember 1774 in Nenningen an und wurde am ersten Fastensonntag 1775 kirchlich geweiht. Danach wurde vor diesem Kunstwerk die erste heilige Messe gefeiert. Von diesem Zeitpunkt an sollte allsamstäglich die Messe vor dem Kunstwerk zelebriert werden.
Am 14. November 1775 wurde eine 39,5 Kilo schwere Glocke geliefert, die 52 Gulden und 40 Kreuzer gekostet hatte.
Zur Zeit der Aufklärung wurde ein Erlass vom Konstanzer Bistumsverweser Ignaz von Wessenberg herausgegeben, in dem die Schließung und der Abriss der Kapelle angeordnet wurde. Die Pietà sollte in die Pfarrkirche überführt werden. Diesem Erlass vom 31. Oktober 1811, den wahrscheinlich der örtliche Pfarrer Joseph Alois Rink initiiert hatte, wurde aber nicht Folge geleistet. Die Kapelle ging in das Eigentum der bürgerlichen Gemeinde über und wurde erst 1892 der Kirchengemeinde rückübereignet.
1811 trat Pfarrer Josef Eiser sein Amt an. Statt die Kapelle abreißen zu lassen, sorgte er für die Erneuerung ihrer Decke und des Dachreiters. 1855 wurde die Pietà durch den Gmünder Maler Klein farbig gefasst. Diese Veränderung wurde erst 1951 wieder rückgängig gemacht. Xaver Kolb aus Ehingen bemalte 1868 die Wände und Decken der Kapelle mit Szenen aus dem Marienleben; außerdem erhielt die Kapelle damals farbige Fenster und einen Bodenbelag aus Böhmenkircher Platten, dazu neues Gestühl. Der Dachreiter wurde mit grünlasierten Ziegeln gedeckt. 1870 wurde ein Harmonium angeschafft.
Die Jahrhundertfeier der Kapelle wurde 1874 mit einem Triduum gefeiert. Damals wurde ein angrenzendes Stück Land erworben, auf dem der neue Friedhof Nenningens entstand. Ab dieser Zeit diente die Kapelle als Friedhofskapelle.
Durch einen Blitzeinschlag wurde der Dachreiter am 21. Juli 1921 schwer beschädigt. Da zu dieser Zeit keine Ziegel mit grüner Lasur beschafft werden konnten, deckte man ihn nun mit Blech. Außerdem wurde die Kapelle mit einem Blitzableiter versehen. 1925 wurde der stark abgeneigte Altar erneuert.[1]
Als 1951 die Pietà für längere Zeit aus der Kapelle entfernt wurde, um auf Ausstellungen gezeigt und restauriert zu werden, wurde die Kapelle umgebaut. Die Empore wurde entfernt, ebenso die farbigen Fenster aus dem 19. Jahrhundert, die durch helle Butzenscheiben ersetzt wurden. Auch die Wand- und Deckenmalereien mussten weichen und wurden durch zwei Deckenfresken von August Braun ersetzt. Ein Rundfenster, das 1813 in den Chor gebrochen worden war, wurde zugemauert und das hohe Chorgitter entfernt.
1969/70 erfolgte eine Restaurierung der Kapelle, die wegen Nässeschäden notwendig geworden war. Dabei wurden die Fundamente auf der West- und Südseite erneuert. Die Kapelle wurde an Strom- und Wasserversorgung angeschlossen und erhielt eine Heizung. Der Bodenbelag und das Gestühl wurden erneuert, ebenso der Verputz innen und außen. Die Deckenfresken aus der Mitte des Jahrhunderts und der Deckenstuck wurden entfernt, desgleichen der Altar. Die Pietà wurde auf eine Muschelkalkstele gesetzt. Das Dach wurde neu gedeckt und ein größerer Dachreiter wurde aufgesetzt. Dort wurde eine 230 Kilo schwere Glocke aus dem Jahr 1425 aufgehängt. Die Fenster- und Türumfassungen aus Donzdorfer Sandstein wurden scharriert. Insgesamt kostete diese Renovierung 136.000 DM.[2]
Von 2003 bis 2005 wurde die Kapelle erneut saniert und erhielt wiederum einen neuen Fußboden, neue Bänke, neue Fenster und eine neue elektrische Anlage. Als einziges Sakralgebäude unter 61 vorgeschlagenen und 15 ausgezeichneten Objekten erhielt sie 2008 eine Auszeichnung im Wettbewerb „Beispielhaftes Bauen.“[6]
Literatur
- Pfarramt St. Martinus Lauterstein-Nenningen (Hg.), Friedhofkapelle Lauterstein-Nenningen und Pieta von Franz Ignaz Günther (1725–1775), Lauterstein-Nenningen 1981.
Weblinks
Einzelnachweise
- Isidor Fischer: Heimatbuch für Weißenstein und Umgebung. 1. Teil: Heimatgeschichte. Verlag der Rems-Zeitung, Schwäbisch Gmünd 1927, S. 191.
- Pfarramt St. Martinus Lauterstein-Nenningen (Hg.), Friedhofkapelle Lauterstein-Nenningen und Pieta von Franz Ignaz Günther (1725–1775), Lauterstein-Nenningen 1981.
- Die Nenninger Pieta 1774 auf www.denkmalpflege-bw.de (zuletzt abgerufen am 26. Juni 2019).
- Friedhofskapelle Nenningen auf www.pieta-nenningen.de (zuletzt abgerufen am 26. Juni 2019).
- Aufbau der Pieta auf www.pieta-nenningen.de (zuletzt abgerufen am 26. Juni 2019).
- Renovierung auf www.pieta-nenningen.de (zuletzt abgerufen am 26. Juni 2019).