Friedhof Baumschulenweg
Der weitläufige städtische Friedhof Baumschulenweg in Berlin gliedert sich heute in zwei große Teile, den alten mit Krematorium, Kiefholzstraße 211, und den neuen an der Kiefholzstraße 222. Er grenzt nördlich an das Waldgebiet Königsheide.
Friedhofseingang | |
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Eingang zum Friedhof Baumschulenweg, Berlin | |
Basisdaten | |
Name: | Städtischer Friedhof Baumschulenweg |
Adresse: | Kiefholzstraße 211/216 und 222 in 12437 Berlin |
Bezirk: | Treptow-Köpenick |
Größe: | 32,2 Hektar |
Alter Friedhofsteil
Geschichte
Ursprünglich war der alte Friedhof zwischen der Kiefholzstraße, Südostallee und dem Britzer Verbindungskanal 1911, nach einem Entwurf von Erich Bientz und Mathias Bardenheuer, von der Forstfinanzbehörde angelegt worden. Jahrzehnte zuvor war das Gelände teilweise für Rieselzwecke genutzt worden. Das Areal musste also den notwendigen hygienischen Anforderungen entsprechend aufbereitet und neu gestaltet werden.
Neben Bientz und Bardenheuer war Gartendirektor Harrich mit den Entwürfen betraut. Die Anlage erreichte die Größe von fünf Hektar und wurde später mehrfach erweitert, so dass sie sich schließlich auf 16,5 Hektar ausdehnte. Zentraler Blickfang war der neoklassizistische Zentralbau mit Kuppel und das am 20. Juni 1913 eingeweihte Krematorium, das zweite neben dem in Wedding. Das Gelände bot Platz für 10.000 Gräber. Der Trend zur Feuerbestattung begründet den ausgedehnten Urnenhain.
Am 12. Mai 1936 wurde hier die frühere SPD-Reichstagsabgeordnete Clara Schuch beigesetzt. Dass zur Trauerfeier 5.000 Menschen erschienen, um ihr das letzte Geleit zu geben, wurde als stumme Demonstration gegen die nationalsozialistischen Machthaber angesehen.
In der Zeit von Juni 1940 bis August 1941 fand die Einäscherung von insgesamt 2.300 ermordeten Häftlingen aus den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau sowie Opfern der sogenannten Aktion T4 im Krematorium Baumschulenweg statt. Aus den Konzentrationslagern sind die Toten in Güterwaggons zum Krematorium transportiert worden. Ein Gedenkstein in dem um 1956 errichteten Ehrenhain (Abteilung G1, links vom Krematorium) erinnert an 1195 Opfer des Nationalsozialismus. Den Stein schuf der Bildhauer Fritz Cremer. Auf der Rückseite befinden sich Verse von Walter Dehmel. Vor dem Eingang zum Alten Friedhof befindet sich die Skulptur einer Trauernden, die ebenfalls von Fritz Cremer stammt. Die 1947 gestaltete Trauernde ist die Nachbildung einer von drei Sandsteinfiguren, die ursprünglich zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus auf dem Wiener Zentralfriedhof geschaffen wurde.
Im alten Friedhofsteil befinden sich drei Ehrengräber des Landes Berlin:
- Franz Künstler (1888–1942), Politiker (SPD)
- Georg Pniower (1896–1960), Landschaftsarchitekt
- Alfred Grotjahn (1869–1931), Mediziner und Begründer der Sozialhygiene in Deutschland
Soldatengräber beider Weltkriege befinden sich in verschiedenen Abteilungen der Anlage. Während der Kriegshandlungen 1945 nahm der Zentralbau mit seinen Funktionseinrichtungen beträchtlichen Schaden, konnte aber dennoch bereits ab 10. Juni 1945 den Bestattungsbetrieb wieder aufnehmen. In den Jahren 1950–1952 veränderte sich die Form des Krematoriums, ein Rechteckbau mit Flachdach ersetzte das alte Gebäude. Danach gab es kaum noch bauliche Erneuerungen.
Südlich des Krematoriums befindet sich ein Urnenhain aus dem Jahr 1913 mit etwa 550 Grabmalen auf drei Ebenen (fast 190 Schmuckurnen in Formen des Historismus, Jugendstils und Art déco, rund 260 Grabsteine auf Sockeln sowie fast 100 Kissensteine aus verschiedenen Gesteinsarten). Zentrales Element ist ein runder Brunnen. Die Anlage wurde von Bezirksgartendirektor Ernst Harrich entworfen. Sie ist eines der letzten Zeugnisse einer künstlerisch geprägten Grabmalkultur in Berlin. Seit Mitte der 1980er Jahre wurde hier nicht mehr beigesetzt, die Anlage war lange verwahrlost und überwuchert. Von Oktober 2019 bis Juli 2021 wurde sie restauriert, die Kosten in Höhe von ca. 490.000 Euro trugen das Bezirksamt Treptow-Köpenick und das Landesdenkmalamt Berlin.[1]
Krematorium Baumschulenweg
Wegen Baumängeln und veralteten technischen Ausrüstungen musste das Krematorium Mitte 1994 stillgelegt werden. Mit der Grundsteinlegung eines Neubaus am 6. August 1996 und der Betriebsaufnahme des Krematoriums am 3. Mai 1999 begann ein neuer Abschnitt. Nach Plänen von Axel Schultes und Charlotte Frank errichtete die Baufirma Bilfinger Berger das neue Krematorium, die Baukosten betrugen damals 60 Millionen DM.
Das Land Berlin muss 30 Jahre lang an den Leasinggeber, die Firma VR Leasing aus Eschborn, zahlen, ehe das Krematorium in sein Eigentum übergeht. Das Krematorium, das pro Jahr 13.000 Einäscherungen vornehmen kann, erfüllt damit die ihm gemäß der Bestattungsordnung auferlegte Aufgabe. Äußerlich der ägyptischen Architektur nachempfunden, ist das neue Krematorium großzügig gestaltet und mit modernster Technik ausgestattet. Zu ebener Erde befindet sich die Kondolenzhalle mit 29 frei angeordneten, aquamarinfarbenen Betonsäulen und einem Brunnen in der Mitte, über dem ein Ei als Symbol des Lebens schwebt. Die Säulenhalle weist eine besondere Akustik auf, die einen langen Nachhall von acht Sekunden ermöglicht.
Seit 2001 nutzt das Musikensemble „ars gregoriana“ Berlin die Halle für Konzerte. Dabei übt das Zusammenspiel von Architektur und zumeist sakraler Musik einen besonderen Reiz auf die Zuhörer aus. Die Kondolenzhalle diente 2005 als Kulisse für den US-amerikanischen Science-Fiction-Film Æon Flux. Drei verschieden große Hallen bieten Raum für 50 bis 250 Trauergäste. Auf dem Gelände des alten Friedhofsteils wachsen etwa 2800 Bäume, daher ist er nach deutscher Waldnorm als Waldfriedhof eingestuft.
Neuer Friedhofsteil
Ergänzend zum alten Friedhofsteil wurde aufgrund des zunehmenden Bedarfs an Begräbnisstätten im Süden Berlins in den 1930er-Jahren eine neue Friedhofsanlage geplant. Als geeignetes Grundstück erwies sich das dem alten Friedhof an der Kiefholzstraße gegenüberliegende Gelände, das mehrere Jahrzehnte als landwirtschaftliche und gärtnerische Anbaufläche genutzt wurde und auf der sich ein Turnplatz befunden hatte.
Der neue Friedhofsteil, von 1936 bis Sommer 1939 vom Stadtgartendirektor Josef Pertl angelegt und gestaltet, war als Musteranlage geplant und sollte ein Beispiel für moderne Friedhofsgestaltung werden. Er umfasste die Fläche von 17,5 Hektar. Eine Steinmauer, hinter der sich ein breiter Grünstreifen befand, trennte ihn von der Straße. Rund herum friedeten einheimische Sträucher und Gehölze den gesamten Komplex ein. Breite, rechtwinklig angelegte Wege führten durch Gräberfelder zu einem größeren Platz für Gedenkfeiern und militärische Beerdigungszeremonien. Etwa 30.000 vorbereitete Grabstätten sollten einheitlich aussehen, um die Gleichheit des Menschen im Tode zu versinnbildlichen.
Den Haupteingang flankieren noch heute zwei gleichartig gehaltene Torhäuschen, die man anfangs als Feierhalle nutzte. Seit 1981 erinnert auf dem Gelände des neuen Friedhofsteils eine vom Bildhauer Gerhard Thieme aus Lausitzer Granit geschaffene Stele mit Bronzefiguren an die antifaschistischen Widerstandskämpfer wie Erich Lodemann und Paul von Essen und Kämpfer für den Aufbau des Sozialismus, die hier begraben liegen. Sie wurde 1981 errichtet und stellt vier den Sieg der Arbeiterklasse symbolisierende Figuren dar. Eine weitere leicht variierte Version dieser Stele befindet sich auf dem Friedhof Adlershof. Ebenso ruhen in dieser Erde viele im Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten. Gedenksteine für Kriegsopfer aus Italien und Polen in der Abteilung E9 tragen deren Namen oder die Aufschrift „Unbekannter Soldat“.
Während der deutschen Teilung nutzte das Ministerium für Staatssicherheit das Krematorium Baumschulenweg, um Todesopfer an der Berliner Mauer unauffällig einäschern zu lassen. Dabei traten die Ministeriumsangehörigen meist als Volkspolizisten auf und verschleierten sowohl ihre eigene Identität als auch die der Toten.[2] Im August 2016 wurde eine Gedenktafel für die Opfer enthüllt.[3] Hier fand auch das letzte Todesopfer an der Berliner Mauer im Bezirk Treptow, Chris Gueffroy, seine letzte Ruhestätte.
Siehe auch
Literatur
- Judith Uhlig: Treptow – Geschichte der Berliner Verwaltungsbezirke, Band 22, Stapp-Verlag, 1995, Seite 73, ISBN 3-87776-070-8
Weblinks
Einzelnachweise
- Einladung zur Übergabe eines restaurierten Urnengrabfeldes an die Öffentlichkeit. In: Pressemitteilung des Bezirksamts Treptow-Köpenick. 11. August 2021, abgerufen am 12. August 2021.
- Hans-Hermann Hertle: Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961–1989. Ch. Links, Berlin 2009, S. 22.
- Erst erschossen, dann heimlich eingeäschert. In: Der Tagesspiegel. 10. August 2016.