Fingerhut (Nähwerkzeug)
Der Fingerhut ist ein mechanischer Schutz gegen unbeabsichtigtes Verletzen der Finger beim Nähen. Aus alten Darstellungen geht hervor, dass diese kleinen Hüte häufig am Daumen getragen wurden.[1]
Geschichte
Erstmals sind Fingerhüte – aus Knochen oder Elfenbein – in der Jungsteinzeit in der Nähe von Moskau belegt. Auch bei den Etruskern war der Fingerhut bereits um 500 v. Chr. gebräuchlich. In das Gebiet des heutigen Deutschlands kamen die Fingerhüte durch die Römer.
Im 15. Jahrhundert begann die massenweise Herstellung aus einer Vorform von Messing durch die Gelbgießer. Hochburgen der Fingerhutherstellung waren zu der Zeit Köln und Nürnberg. Im 17. Jahrhundert erfolgte die Herstellung auch in Fingerhutmühlen.[2] Auch in den Niederlanden wurden beizeiten metallene Fingerhüte hergestellt: beispielsweise fertigte der Goldschmied Nikolas van Benschoten im Oktober 1684 einen Fingerschutz aus Edelmetall, den er als Geburtstagsgeschenk an Madame von Reusselaar sandte. Dem Geschenk war ein Begleitschreiben beigefügt, in dem er die Empfängerin bat, „diese neue Bekleidung zum Schutze ihrer fleißigen Finger als Beweis seiner Huld“ anzunehmen. Zwölf Jahre später brachte Johann Lotting den Fingerhut nach England und produzierte ihn bald in größerer Stückzahl. – Schließlich gab es auch in China Fingerhüte, die aus Perlmutt bestanden. Ein wertvolles Exemplar ist (war) ein Fingerhut der Königin von Siam, der aus Gold bestand und mit Diamenten besetzt war.[1]
Fingerhüte wurden in den verschiedenen Zeitepochen aus unterschiedlichen Materialien wie Metall, Glas oder Porzellan hergestellt. – Sie sind inzwischen Sammelobjekte, da sie meist außen kunstvoll verziert worden sind. Eine der berühmtesten Sammlungen stammt aus dem Nachlass der Gebrüder Gabler in Schorndorf. 1982 wurde in Creglingen ein Fingerhutmuseum eröffnet. Hier sind Fingerhüte aller Art und andere Nähutensilien der Fingerhüterzunft zu sehen.
Die Form des Fingerhutes gab der gleichnamigen Pflanzengattung Digitalis (von lateinisch digitus „Finger“) den Namen.
Formen, Größen, Trageweise
Meist sind Fingerhüte mit kleinen Grübchen versehen, die der Nähnadel einen rutschsicheren Halt geben. Sie werden in verschiedenen Größen hergestellt, die sich nach der Dicke der Finger der Arbeitshand richten. Fingerhüte können sowohl die Form eines Bechers haben (siehe Abbildung) als auch die Form einer beidseitig offenen Röhre, dann heißen sie Ring oder Nähring. Getragen werden sie im Allgemeinen auf dem Mittelfinger der Arbeitshand. Im Gegensatz zum Fingerhut, der beim Arbeiten ein Loslassen der Nadel und ein Nachdrücken mit dem Mittelfinger erfordert, wobei es notwendig ist, danach erneut die Nadel zu greifen, erlaubt der Nähring eine durchgehende Bewegung, denn die Nadel wird mit Daumen und Zeigefinger geführt, während gleichzeitig mit dem Mittelfinger auf das Öhr Druck ausgeübt wird, wodurch die Nadel durch den Stoff gleitet. Gegenüber dem Fingerhut erlaubt der Nähring eine dreifach schnellere Stichfolge.
Sonstige Verwendung von Fingerhüten
In der Musik des Skiffle werden Fingerhüte (meist auf allen Fingern getragen) verwendet, um Schlaginstrumente zu bedienen. Besonders das Waschbrett lässt sich mit Fingerhüten durch Schlagen und Reiben sehr effektvoll bedienen.
Bei Saiteninstrumenten kann durch die Verwendung von Fingerhüten die durch eine bestimmte Anzahl von möglichen Tönen auf dem Griffbrett verursachte Begrenzung der Töne erweitert werden. Ein Vertreter dieser Technik ist beispielsweise der Leadgitarrist der Band Guns N’ Roses Ron „Bumblefoot“ Thal.
Die Hersteller der Finger-Schutz-Kappen
Die Hersteller von Fingerhüten wurden Fingerhüter oder Fingerhutmacher genannt. Sie produzierten handwerklich die Fingerschützer aus Messing- oder Eisenblechstreifen mithilfe stählerner Stanzen und Punzen.
Im Jahr 1373 wurde die Zunft der Fingerhutmacher in Nürnberg erstmals erwähnt. Und um 1500 zeigte ein Druckwerk erste Meisterstücke im Fingerhuthandwerk in Nürnberg.[3] Seit 1537 waren sie dort einer Berufsordnung unterworfen und Fingerhüter galt damit als geschützter Beruf. Er hatte sich aus dem Handwerk der Messingbrenner entwickelt, die aus Kupfer und Zinkerz Messing-Bleche erzeugten. In Nürnberg gelang erstmals die Herstellung von dehnbarem Messing, eine Voraussetzung für das arbeitssparende Tiefziehen. Bis 1530 musste jeder Fingerhut einzeln gegossen werden. Die Nürnberger Fingerhüte gehörten zu den weltweit gehandelten Exportartikeln und wurden millionenfach produziert.
Jost Ammann veröffentlichte gegen 1568 ein Gedicht von Hans Sachs, in dem die Herstellung der Fingerhüte poetisch dargestellt wurde:[3]
Aus Messing mach ich Fingerhüt,
Gar mancherly art, eng und weit.
Blechweiß, werden im Feuwer glüt.
Für Schuster und Schneider bereit,
Denn in das Eisen glenck getriebn.
Für Seidensticker und Näterin,
Darnach Löchlein darein gehiebn.
Deß Handwerks ich ein Meister bin.
Literatur
- Helmut Greif: Die Nürnberger Fingerhüter. Zur Entwicklung einer mittelalterlichen Zunft und der Genealogie ihrer Familien. Trier 1989. ISBN 978-392203112-3
Weblinks
- Fingerhutmuseum
- Freunde des Fingerhuts e. V.
- Schloss Biendorf#Privatmuseum „Van de Merwe“ mit ca. 75.000 Ausstellungsstücken
Einzelnachweise
- Zur Geschichte des Fingerhutes (linke Spalte, ganz unten), Berliner Volkszeitung, 2. August 1905.
- Adalbert Ruschel: Der Handwerkerfriedhof Sankt Rochus zu Nürnberg: Was Epitaphien erzählen können. 2015, ISBN 978-3-7357-0786-4, S. 174.
- Geschichte des Fingerhutes auf fingerhutmuseum.de, abgerufen am 25. Juni 2016.