Ficken
Das Verb ficken wird heute unter anderem als vulgärer Ausdruck für die Ausübung des Geschlechtsverkehrs gebraucht. Es hatte ursprünglich eine weitergehende Bedeutung und wird gelegentlich noch in anderen Zusammenhängen verwendet.
Etymologie
Belege für ficken in der Bedeutung „koitieren“ setzen erst im 16. Jahrhundert ein. Für den Vergleich in Frage kommen zunächst eine Reihe von Verben ficken, facken, fucken, fickfacken mit der Bedeutung „schnell hin- und herbewegen“, „reiben“, „jucken“.[1] Das englische fuck mit u-Vokal ist in der Bedeutung „koitieren“ seit dem 15. Jahrhundert belegt. Der Wandel zu i wäre über eine Entrundung eines umgelauteten ü in fücken lautgesetzlich erklärbar. Auch im Altitalienischen des 16. Jahrhunderts ist ficar bereits in der Bedeutung „koitieren“ belegt.[2]
Die Intensiv-Gemination durch -ck- lässt außerdem vermuten, dass es noch einen einfachen, nichtgeminierten Stamm *fug hierzu gab, an den zum Beispiel vögeln anschließbar wäre. Indogermanisch ginge dem ein Stamm *peuk-/peug- „stechen“ voraus (vgl. lat. pungere). Ebenso anschließbar wäre lat. figere „anheften, annageln, kreuzigen, durchbohren“, bzw. dessen gr. Pendant θιγγάω thiggaō „berühren, umarmen, eheliche Gemeinschaft haben“ aus dem idg. Stamm *peik- „scharf, spitz“.[3]
Die Bedeutung „stechen“ zeigt sich auch in der Schmiedekunst; nach dem Herstellen eines Schwertes, das zunächst vollkommen durch Schlacke, Zunderreste und Asche verschmutzt war, wurde ein mit schleifendem Material (wie Schmirgelpulver) gefüllter Sandsack an der Decke hochgezogen und das Schwert hineingestoßen. Aus dieser Hin-und-her-Bewegung des Schwertes, also „ein Schwert fegen/ficken/feilen“, entstand die Berufsbezeichnung und infolgedessen der Nachname Schwertfeger. (Das Wort feilen geht zurück auf germ. **finh-lō, d. h. idg. *pei-n-k- (vgl. ai. piṃśati „aushauen, schmücken“), eine präsentische n-Erweiterung zu peik- „spitz“, s. o.)
Auf eine Hin- und Herbewegung beziehen sich auch der Begriff Fickmühle (Zwickmühle) und der im pfälzischen Raum vorkommende Familienname Fickeisen (eigentlich für Bügeleisen).
Ebenso anzuschließen ist möglicherweise das in Dialekten und Familiennamen noch verbreitete Wort Ficke für „(Jacken/Hosen-)Tasche“ (vgl. auch niederdeutsch Fick, „Tasche“,[4] niederpreuß. Fupp(e), bzw. frz. poche, engl. pocket). Fickenspieler wird in manchen Gegenden als Bezeichnung für einen Taschendieb gebraucht.
Vergleiche zum Bedeutungsfeld „Tasche“ auch das altgriechische Wort θήκη (théékee) „Behälter, Aufbewahrungsort, Kasten, Kiste“, dessen Bedeutung sich im neutestamentlichen Griechischen zunächst zu „Schwertscheide“ und im spätantiken Griechischen schließlich zu „Tasche“ wandelt.[5] (Der Lautwandel von griechischem Theta nach f ist auch in anderen Sprachen belegt, z. B. Theodor, russ. Fjodor.)
Eine andere semantische Weiterentwicklung ist die Bedeutungsverschiebung hin zu „necken, aufziehen“ in der Lautgestalt foppen, fuchsen, vielleicht auch poppen. (Vgl. hierzu auch die umgekehrte Entwicklung beim ndl. neuken „ficken“, das an das deutsche necken anzuschließen ist, vgl.a. frz. niquer „bescheißen, ficken“.) Eine ähnliche semantische Entwicklung findet sich auch in einigen romanischen Sprachen, z. B. altit. follare „lieben, begehren“[6] und span. follar „ficken“ aus einem Verb, das ursprünglich „für dumm verkaufen“ bedeutet.
Eine weitere Bedeutung von ficken ist „mit Ruten schlagen“. Noch 1906 existierte in einigen deutschen Wörterbüchern der Beispielsatz ein Kind ficken in der nicht-sexuellen Bedeutung „ein Kind schlagen, mit Ruten züchtigen“.[7]
Vorkommen
Wie zahlreiche Metaphern für den Geschlechtsverkehr wird ficken heute als zwar vulgäres, aber nicht unbedingt negativ besetztes Wort im persönlichen Umgang verwendet.
Darüber hinaus wird das Wort auch verwendet, wenn eine besondere Intensität betont werden soll:
- „von jemandem gefickt werden“ kann bedeuten:
- „von jemandem betrogen werden“
- „von jemandem einen bösen Streich gespielt bekommen oder übers Ohr gehauen zu werden“ (‚verarscht‘ werden)
- „von jemandem erwischt werden“
- „von jemandem verprügelt werden“
- „von jemandem bestraft werden“
- „von jemandem besiegt werden“ („Ich habe dich gefickt“ – „Ich habe dich besiegt“)
- Im Militär: „von einem Ausbilder durch besonders anstrengende körperliche Betätigung geschunden werden“
- und entsprechende Bedeutungen für die aktive Version „jemanden ficken“ oder „gefickt werden“.
- Der Ausruf „Fick dich [doch] ins Knie!“ bedeutet sinngemäß: „Mach doch, was du willst“ oder auch „Mach’s dir doch selbst“ (vgl. Masturbation).
Der Gebrauch bzw. die Akzeptanz sowie andererseits die Tabuisierung des Wortes sind sehr unterschiedlich und hängen von der Kultur bzw. Subkultur und der zeitlichen und geographischen Einordnung ab. So schrieb 2014 eine Jura-Studentin unter ihre Klausur-Aufgabe:
„Ich möchte mich hiermit bei Ihnen [dafür] bedanken, dass Sie mich so sehr in den Arsch gefickt haben.“[8]
Womit sie wohl ihren Unmut über die ihrer Meinung nach unfaire Aufgabenstellung zum Ausdruck bringen wollte.[8] Der Professor interpretierte dies als Beleidigung und erstattete Strafanzeige.[8]
Die Verwendung der englischen Übersetzung fuck ist im anglo-amerikanischen Sprachraum in der Umgangssprache allerdings deutlich weiter verbreitet als ficken im deutschen Sprachraum; andererseits wird dort das Wort in fast allen Medien stark tabuisiert.[9] Die Verwendung von fuck als Fluchwort kann man im Deutschen am ehesten mit der Verwendung des Fluches „Scheiße“ vergleichen.
Der englische Begriff fuck als Fluchwort findet in der deutschen Sprache zunehmend Verwendung. Ähnlich dazu wird der im Englischen als Adjektiv verwendete Begriff fucking in zunehmendem Maße in der übersetzten Form verfickt in der deutschen Umgangssprache gebraucht Etwa Get out of my fucking car! = Steig aus meinem verfickten Auto!
Das Wort fuck aus dem Englischen kann auch „verdammt“ oder „verflucht“ bedeuten, zum Beispiel: „What the Fuck!“ – „Was zum Teufel!“ oder „I don’t give a fuck!“ – „Das ist mir scheißegal!“.
Damit hat das englische Wort fuck andere Bedeutungen als „ficken“. Es wird oft für Flüche aller Art eingesetzt, so zum Beispiel bei dem allseits gebräuchlichen „Fuck off!“ – „Verpiss dich!“
Das Adjektiv fickrich oder fickerich wird im Rheinischen für „nervös“, „aufgeregt“ verwendet.[10]
Weiteres Vorkommen
Ferner ist Ficken einer von vielen Namen für das Kartenspiel Stiche-Raten.
Der Likör Ficken wirbt mit dem gewollt provozierend gewählten Namen. Nach Entscheidung des Bundespatentgerichtes vom 3. August 2011 hat der Schnapshersteller EFAG Trade Mark Company Ficken als Wortmarke angemeldet.[11][12]
Literatur
- Ernst Bornemann: Sex im Volksmund – Die sexuelle Umgangssprache des deutschen Volkes. Wörterbuch. Lizenzausgabe. Pawlak, Herrsching 1984, ISBN 3-88199-145-X. (weitere Ausgaben, meist mit dem Untertitel Der obszöne Wortschatz der Deutschen)
Weblinks
- Ficken in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Band 3. Leipzig: S. Hirzel 1862.
Einzelnachweise
- Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23. Auflage, 1999, S. 264
- vgl. z. B. das Lied Matona mia cara von Orlando di Lasso
- Wilhelm Gemoll, Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch, München, 1991
- Teuchert, Hermann; Wossidlo, Richard: Mecklenburgisches Wörterbuch. 2. Band. Brotäter bis Fuusttappen, Neumünster 1996 (Unveränderter, verkleinerter Nachdruck der Erstauflage, Neumünster 1957), Sp. 883, vgl. auch den Eintrag in Grimms Deutsches Wörterbuch, dort wird jedoch eine Verbindung mit „ficken“ angezweifelt.
- Wilhelm Gemoll, Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch, München, 1991
- z. B. im Text des Liedes Matona mia cara von Orlando di Lasso.
- Wolfgang Müller: Seid reinlich bei Tage und säuisch bei Nacht (Goethe) oder: Betrachtungen über die schönste Sache der Welt im Spiegel der deutschen Sprache – einst und jetzt. In: Rudolf Hoberg (Hrsg.): Sprache – Erotik – Sexualität. Erich Schmidt Verlag GmbH, 2001, ISBN 3-503-04990-8, S. 20
- MAZ-online: Professor zeigt Studentin wegen Belästigung an – Abgerufen am 8. März 2014
- Siehe auch Monty Pythons Definition für die englische Sprache – humoristisch gemeint gibt der Beitrag jedoch einen guten Überblick über die Verwendung des Begriffs in allen angelsächsischen Variationen
- Peter Honnen: Kappes, Knies und Klüngel. Regionalwörterbuch des Rheinlands. Greven, Köln 2003, S. 68.
- „Kein Verstoß gegen die guten Sitten“: Das F-Wort ist jetzt eine Marke bei wuv.de, abgerufen am 13. September 2011
- Beschluss in der Beschwerdesache betreffend die Markenanmeldung 30 2009 018 699.5 (PDF; 46 kB) bei juris.bundespatentgericht.de, abgerufen am 13. September 2011