Ferdinand Neigebaur
Johann Daniel Ferdinand Neigebaur (* 24. Juni 1783 in Dittmannsdorf; † 22. März 1866 in Breslau) war ein deutscher Schriftsteller und Jurist. Von ihm stammen zahlreiche Bücher insbesondere zur Länderkunde, Reisebeschreibungen und zu tagesaktuellen Themen.
Teilweise veröffentlichte er anonym, insbesondere polemische und politische Schriften, und unter Pseudonymen (u. a. Carl Follenberg, Johann D. Mannsdorf, Daniel, Daniel Dittmann).[1]
Leben
Neigebaur war der Sohn des Pfarrers Johann Daniel Neugebauer, besuchte das Gymnasium in Schweidnitz und studierte Theologie und anschließend Jura an der Universität Königsberg. Danach begann er seine juristische Laufbahn (im preußischen Staatsdienst ab 1807), wurde 1810 Referendar in Schweidnitz und 1812 Assessor in Marienwerder.
1813 trat er als Offizier dem Lützowschen Freikorps in den Befreiungskriegen gegen Napoleon bei und geriet in Kriegsgefangenschaft, die er im Limousin verbrachte. Dort widmete er sich dem Erlernen des Französischen, erwarb das Baccalaureats-Examen in Limoges und sammelte Informationen für sein 1817 erschienenes Buch über die Provinz. Nach seinen 1816 veröffentlichten Erinnerungen an seine Kriegsgefangenschaft versuchte er auch einen Massenausbruch zu organisieren und entging nur knapp dem Kriegsgericht. 1814 veröffentlichte er eine Denkschrift zur Rückführung deutscher Kriegsgefangener aus Frankreich und erhielt eine Anstellung im preußischen Dienst im Generalgouvernement in Aachen und danach als Unterpräfekt von Neufchâteau.
Nach der Niederlage Napoleons wurde er 1815 Präfekt im preußischen Teil von Luxemburg und hatte verschiedene Positionen als Richter in den nun zu Preußen gehörenden Rheinprovinzen (Oberlandesgerichtsrat in Kleve 1816, Hamm 1820, Münster 1822). In Münster gehörte er zum literarischen Kreis von Bernhardine von Wintgen, dem auch Annette von Droste-Hülshoff angehörte. Er veröffentlichte Schriften zur Statistik der neuen Provinzen und der Justizreform in den Rheinprovinzen. 1823 wurde er in Königsberg zum Dr. jur. promoviert.
Ab 1826 war er wieder in Breslau. 1832 wurde er Landgerichtsdirektor in Fraustadt und Geheimer Justizrat, 1835 Direktor des Kriminalsenats in Bromberg und er war Kommissar der Kommission zur Regulierung der Grenze von Polen und Preußen. 1842 wollte er eigentlich in den Ruhestand treten, wurde dann aber noch einmal für zweieinhalb Jahre unbesoldeter Generalkonsul Preußens in den Donaufürstentümern in Jassy. Daneben war er bis zu seinem Tod sehr aktiv als Schriftsteller und war die letzten zwanzig Jahre seines Lebens überwiegend auf Reisen.
Unter anderem war er für die neue italienische Republik publizistisch aktiv, schrieb viele Reisebücher und Satiren auf preußische Junker, besonders den Fürsten Hermann von Pückler-Muskau und dessen Memoiren (Ansichten aus der Kavaliersperspektive, Memoiren eines Verstorbenen, Tuttolasso’s Wanderungen), sowie kirchenkritische Schriften.
1850 wurde er Mitglied der Leopoldina.[2] Er war Mitglied vieler wissenschaftlicher Gesellschaften (in Rom, Kopenhagen, Westfalen, Siebenbürgen, Sizilien, Athen, Erfurt, Königsberg u. a.) und erhielt 1835 den preußischen Roten Adlerorden 4. Klasse[3] und den russischen St. Stanislaus Orden.
Schriften (Auswahl)
- Briefe eines preußischen Offiziers während seiner Kriegsgefangenschaft in Frankreich, 2 Bände, Köln 1816, 1818
- Schilderung der Provinz Limousin und deren Bewohner. Aus dem Tagebuch eines preußischen Offiziers in französischer Kriegsgefangenschaft, Berlin 1817
- Statistik der Preußischen Rhein-Provinzen in den drei Perioden ihrer Verwaltung 1817
- Darstellung der Provisorischen Verwaltungen am Rhein vom Jahr 1813 bis 1819 ..., Köln 1821. Digitalisat
- Der alte Nettelbeck, Bielefeld 1824
- Handbuch für Reisende in Italien. F. A. Brockhaus, Leipzig 1826 Digitalisat; 2. sehr verbesserte Aufl. 1833 Digitalisat; 3. Auflage Brockhaus 1840
- Handbuch für Reisende in England, Hamm: Brockhaus 1829
- Acten-Stücke über die unter dem Namen des Männer-Bundes und des Jünglings-Bundes bekannten demagogischen Umtriebe, Leipzig 1831 (als Mannsdorf und in einer Ausgabe von Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1833 als Hrsg. Carl Follenberg Digitalisat)
- Geschichte der geheimen Verbindungen in Polen, Leipzig: Barth 1831
- Schill’s Zug nach Stralsund und sein Ende. Tagebuch eines seiner Vertrauten. Gottfr. Basse, Quedlinburg und Leipzig 1831. Digitalisat
- Petronella die polnische Einsiedlerin auf dem Anna-Berge in Ober-Schlesien: historische Erzählung aus der Zeit der letzten Unruhen in Polen, Leipzig 1831
- Frankreich, 1832
- Geschichte der geheimen Verbindungen der neueren Zeit, Leipzig: Barth, 11 Hefte, 1831–1834
- Ansichten aus der Kavalierperspektive im Jahre 1835. Aus den Papieren eines Verstorbenen. Adolf Frohberger, Leipzig 1836. Digitalisat (anonym)
- Memoiren eines Verstorbenen. 2 Bände. C. H. F. Hartmann, Leipzig 1835.
- Katechismus der Münsterländer. Auszug aus den Memoiren eines Verstorbenen, Arnsberg 1835 (anonym), Nachdruck Leer 1977
- Der Cavalier auf Reisen im Jahre 1837, Leipzig: Brockhaus 1838
- Tuttolasso’s Wanderungen, 1839
- Handbuch für Reisende in der Schweiz, 1839
- Handbuch für Reisende in Deutschland, Leipzig 1843
- London, ein Handbuch für Reisende, Weber, Leipzig 1843 Digitalisat
- Der gute Preuße; ein lehrreiches Lesebuch für die Volksschule, 2. Aufl. 1841, 11. Aufl. Bielefeld 1846
- Handbuch für Reisende in Frankreich. 2. verb. Aufl. Friedr. Volckmar, Leipzig 1843. Digitalisat
- Preußen durch seine Aristokratie Deutschlands größter Feind, 1850
- Nur nicht nach Norden! Bemerkungen auf meinen Reisen in den Jahren 1839 und 1840. Aus den Memoiren des Grafen von S., Leipzig: Brockhaus 1840
- Die aristokratischen Umtriebe zur Verständigung über die historisch begründete Gliederung der Gesellschaft. Leipzig: Tauchnitz 1843
- Der Papst und sein Reich, oder die weltliche und geistliche Macht des heiligen Stuhles, 2 Teile in einem Band, Leipzig 1847, 2. Aufl. 1848
- Das Glaubensbekenntnis der italienischen evangelischen Kirche, Magdeburg 1855
- Eleonore d’Olbreuse, die Stammutter der Königshäuser von England. Ermittlungen zur Geschichte ihrer Heirath mit dem Herzoge von Braunschweig-Celle und der damaligen Zeit, in besonderer Beziehung auf Ebenbürtigkeitsheirathen. Eduard Leibrock, Braunschweig 1859. Digitalisat
- Beschreibung der Moldau und Walachei, Breslau 1848, 1854
- Deutschland und die italienische Frage: eine Stimme aus Italien (als Giuseppe Sandrani), Breslau 1859
- Die Südslawen und ihre Länder, Leipzig 1851
- Die Donaufürstentümer, Breslau 1854 bis 1856
- Dacien 1852
- Russland nach Demidow in Vergleichung mit anderen Monarchien Europa’s, Leipzig, Otto Spamer, 1852 (nach Anatoli Nikolajewitsch Demidow)
- Sicilien, dessen politische Entwickelung und jetzigen Zustände. Verlagsbureau (Arnold Ruge), Leipzig 1848. Digitalisat
- Die Insel Sardinien. Geschichtliche Entwickelung der gegenwärtigen Zustände derselben in ihrer Verbindung mit Italien. Hrsg. von Johannes Minckwitz. Verlag der Dyk’schen Buchhandlung, Leipzig 1853. Digitalisat
- Geschichte der kaiserlichen Leopoldino-Carolinischen deutschen Akademie der Naturforscher während des zweiten Jahrhunderts ihres Bestehens, Friedrich Frommann, Jena 1860 Digitalisat
- Denkwürdigkeiten des Domherrn Graf v. W. Vom Beginn der ersten französischen Revolution bis zur neuesten Zeit, 1864 (Memoiren)
Literatur
- Friedrich Ratzel: Neigebaur, Johann Daniel Ferdinand. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 23, Duncker & Humblot, Leipzig 1886, S. 404 f.
- Uwe Meier: Neigebaur, Johann Daniel Ferdinand. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 47 f. (Digitalisat).
Weblinks
Einzelnachweise
- Neigebaur, Johann Daniel Ferdinand (1783-1866) , Kalliope
- Mitgliedseintrag von Johann Daniel Ferdinand Neigebaur bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 30. April 2016.
- Repertorium der gesammten deutschen Literatur, Band 5, S.10