Fall Hefenhofen
Beim Fall Hefenhofen[1] handelt es sich mutmasslich «um den komplexesten und umfassendsten Tierschutzfall der Schweiz» (Neue Zürcher Zeitung).[2] Schauplatz des seit ungefähr 2003 andauernden Falls ist ein Landwirtschaftsbetrieb im Ortsteil Brüschwil in der thurgauischen Gemeinde Hefenhofen in der Nähe des Bodensees.
In diesem Betrieb wurden zwischen 2003 und 2017 wiederholt Tierschutzmängel festgestellt, darüber hinaus verstiess der dafür hauptverantwortliche Eigentümer dieses Hofs gegen weitere Gesetze, ohne dass entsprechende Straf- und Verwaltungsverfahren eine nachhaltige Besserung erwirken konnten. Obwohl Missstände über Jahre bekannt waren, konnte eine Räumung des Hofes erst 2017 durchgesetzt werden, just sechs Tage nachdem Fotos verwahrloster Pferde aus diesem Hof den Medien zugespielt wurden.
Die im Auftrag des Kantons Thurgau daraufhin eingesetzte Untersuchungskommission stellte 2018 Fehlentscheide und Versäumnisse seitens der Kantonsregierung und verschiedener kantonaler Behörden nach. Durch einen Massnahmenkatalog sollen derartige Fälle künftig verhindert werden.
Chronologie
Bis zur ersten Verurteilung im Rahmen des Tierschutzgesetzes 2003
Aktenkundig ist der Eigentümer des Hofes seit 1997.[3] Damals wie auch bei späteren Vorfällen bis 2003 ging es um Drohungen gegen Beamte, darunter auch eine Morddrohung.[4]
Hingegen datierte die erste Klage betreffend seiner Tierhaltung auf 2003, als die Staatsanwaltschaft dem Bauern illegales Schlachten unter mangelnder Hygiene vorwarf. Das Fleisch wurde in dem vom Verwandten geführtem Restaurant, das direkt neben dem Hof liegt, geliefert. Das hierfür gelagerte Fleisch war von «unzähligen Maden und sonstigem Ungeziefer». Aufgedeckt wurde das durch eine unangemeldete Kontrolle des Kantonstierarztes am 5. April 2002. Der Bauer wehrte sich derart gegen die Inspektion, dass der Kantonstierarzt leicht verletzt wurde.[4] Darüber hinaus betrieb er das in der Schweiz verbotene Schächten. Verurteilt wurde er am 10. November 2003 zu 2000 Franken Busse und einem Monat Gefängnis bedingt, wegen Tierschutzgesetzwiderhandlungen sowie wegen Drohungen gegen Behörden und Beamte: Der Kantonstierarzt wurde vom Bauern auch telefonisch bedroht und er bekam Morddrohungen.[2][4]
Vorfälle 2005
Der als streitbar bekannte Tierschützer Erwin Kessler vom Verein gegen Tierfabriken (VgT) bekam Hinweise auf eine mögliche verbotene Anbindehaltung von Pferden. Er besuchte am 13. Mai 2005 den Hof mit dem Ziel, das fotografisch festzuhalten.[3] Der Vater des Bauern ging gewalttätig gegen Kessler vor und drohte ihm, das Genick zu brechen. Die Anklage diesbezüglich wurde von der Thurgauer Justiz, wie vom Bundesgericht bestätigt, verschleppt, weswegen er erst vier Jahre später dafür verurteilt wurde: Einfache Körperverletzung, mehrfache Drohung und Sachbeschädigung,[2][3] darüber hinaus auch wegen Tierquälerei. Um ein unruhiges Pferd beschlagen zu können, wurde es vom Vater solange malträtiert, bis es starb. Bei der Befragung gab der Sohn an, das Pferd sei ein «Rüpel» gewesen, dem man «die Rübe wegschlagen» sollte.[2][5] Vier Wochen nach der Begegnung mit Erwin Kessler wurde der Hofbesitzer gegen einen Kontrolleur des Veterinäramtes gewalttätig, bei diesem wie auch bei weiteren Tätlichkeiten kam es zu Bussen.
Vorfälle von 2006 bis zur Haftstrafe 2013
2006 und 2007 wurden Medien auf den Hof in Hefenhofen aufmerksam. In der Folge vermehrten sich Hinweise über die Zustände am Hof, unter anderem zu lahmenden Kälbern oder tierschutzwidrigen Haltungen. Allfällige Besucher, seien es Tierschutzvertreter oder Behörden, wurden bis auf einige Ausnahmen unter Drohungen weggeschickt.[2]
2007 beantragte der Besitzer die Umnutzung eines Stalls von einer Mutterkuh- und Pferdehaltung zu einem ausschliesslich zur Pferdehaltung, was ihm zwar verwehrt wurde, er es dennoch eigenmächtig vollzog.[6] Tierschutzvorschriften zur Pferdehaltung wurden hierbei systematisch verletzt, 2008 wurde er in seiner Abwesenheit diesbezüglich vom Bezirksgericht Arbon zu einer Geldstrafe von 9000 Franken und einer Busse von 2000 Franken verurteilt. Des Weiteren stellte das Gericht fest, dass ihm Einsicht und Selbstreflexion fehlte. Der Halter zog das Urteil vergeblich weiter bis ans Bundesgericht (6B_711/2009[7]).[2] Darüber hinaus entzog die Armee 2008 dem Bauern den Auftrag, Freiberger-Pferde für sie zu züchten, da er in «vielen Bereichen» der Pferdehaltung die Tierschutzvorschriften verletzte.[8][2]
Im Herbst 2009 hätte eine Inspektion seitens des Kantonstierarztes durchgeführt werden sollen. Bei dieser griff der Bauer den Tierarzt körperlich an und drohte ihn mit einer Pistole, nach eigenen Angaben mit einer Plastikpistole. Hierzu wurde er 2010, rechtsgültig erst nach einem Bundesgerichtsentscheid (6B_592/2011[9]) am 5. Dezember 2011 zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von neun Monaten verurteilt,[2][4] die er Dezember 2012 antrat.
Die Tätlichkeiten gipfelten am 10. September 2010 anlässlich einer Nachkontrolle, als der Bauer mit einem Metallschaber mit Holzstiel in Richtung eines Kantonsmitarbeiters hielt und ihm «i schloh di abä, i bring di um» zurief. Begleitende Polizisten mussten die Dienstwaffe ziehen und Pfefferspray anwenden.[4]
Konflikte mit Gläubigern 2010
Einer seiner Gläubiger beschuldigte den Bauern, er habe den Fohlen des Gläubigers ins Schwemmkanal des Hofes runter geworfen. Bei einem anderen Gläubiger wurde die Fensterscheibe durch zwei Schüsse beschädigt. In der Folge fand eine Durchsuchung beim Bauern statt, bei dem mehrere Waffen samt Munition entdeckt wurden.[2] Der Bauer wurde in Untersuchungshaft und in der Folge für wenige Wochen in die psychiatrische Klinik Münsterlingen gebracht.[4] Ihm konnte diesbezüglich aber nichts angelastet werden. Das Bundesgericht, vor welches dieser Fall schliesslich gelangte, sprach dem Bauern eine Entschädigung von einigen Tausend Franken zu, statt der von ihm geforderten 247'999 Franken.[2]
Nach der Haftstrafe ab 2013
Von Dezember 2012 bis Mai 2013 sass der Bauer seine Gefängnisstrafe in Form einer Halbgefangenschaft ab.[4]
Zwischen 2013 und 2017 gab es keine Verurteilungen mehr, allerdings gab es nach wie vor Beanstandungen seitens des Veterinäramtes, insbesondere betreffend lahmender Pferde, nicht fachgerechten Tötens und Entsorgens der Kadaver, mangelnder Pflege und der Missachtung von Empfehlungen der Kontrolleure. Allfällig verfügte Massnahmen deswegen zog er jeweils bis ans Bundesgericht weiter.[2]
Eine Folge der Missstände war die Auferlegung eines Teil-Tierhalteverbots am 8. August 2013, einer Beschränkung auf 60 Pferde.[4] Am 6. Oktober 2014 wurde ein Total-Tierhalteverbot erlassen, das 2016 vom Bundesgericht wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs aufgehoben wurde.[4] Im Juli 2015 verordnete das Veterinäramt die Sicherstellung eines Fohlens, verhindert wurde dies, indem der Bauer es mit einem Bolzenschussgerät tötete – in Gegenwart der Polizei. Der Staatsanwaltschaft blieb daher nichts anderes übrig, als die Sicherstellung eines Beines dieses Fohlens zu verfügen, was der Bauer «mit einem grossen Lachen» verweigerte.[10]
Verschlechterung der Pferdehaltung ab 2015
Als 2015 die Ehe des Hofbesitzers auseinanderging, verschlechterte sich die Pferdehaltung massiv.[4] Die Behörden bekamen 2017 diesbezüglich vermehrt Hinweise. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen rapportierte im Februar 2017, dass der Bauer vermutlich nicht fähig ist, Tiere zu halten. Dies zeigten verschimmeltes Brot und Verschmutzung im Schweinestall, 140 Pferde statt der deklarierten 54. Dennoch verhandelte das thurgauische Departement für Inneres und Volkswirtschaft (DIV), das für das Veterinäramt zuständig ist, weiter mit dem Bauern und machte ihm Zugeständnisse, so durfte er fortan 80 Pferde halten.[4]
Ende Juni 2017 berichtete eine Hufpflegerin über «schockierende Zustände», am 14. Juli bekam das Veterinäramt von einer ehemaligen Mitarbeiterin des Hofes eine Fotodokumentation des Hofes. Eine Strafanzeige wegen Tierquälerei ging am 24. Juli ein.[4]
Räumung 2017 und Nachwirkungen
Am 2. August 2017 veröffentlichte die Boulevardzeitung Blick einzelne Bilder der Frau, die Strafanzeige einreichte: «In den letzten Monaten starben mindestens 13 Pferde, die er tagelang tot in der Herde liess.»[3][11] Am 8. August 2017 wurde der Hof im Auftrag des Regierungsrates mit einem grossen Polizeiaufgebot unter Unterstützung des Militärs geräumt. Die Regierung verneint dabei einen Zusammenhang zur Veröffentlichung im Blick,[12] dennoch wird auf Grund der schnellen Reaktion angenommen,[13] dass die Veröffentlichung der Bilder und deren Folgen (Berichterstattung anderer Medien, Belagerung des Hofes durch Tierschützer etc.) zur schnellen Räumung führten. Sichergestellt wurden 93 Pferde, rund 50 Kühe, 80 Schweine, Ziegen und Schafe sowie vier Lamas. Die Tiere wurden der Armee übergeben. Fünf Tiere mussten eingeschläfert werden, ein Drittel der Schweine mussten auf Grund Brüche oder Krankheiten notgeschlachtet, zwei Drittel der Kühe aus «wirtschaftlichen Gründen» geschlachtet werden.[2][14][15] Für den Bauern wurde eine fürsorgliche Unterbringung angeordnet.[16]
Am 17. August wurde beim Kompetenzzentrum Veterinärdienst und Armeetiere in Schönbühl die Versteigerung der Tiere durchgeführt.[17] Die Versteigerung nur neun Tage nach der Räumung empfanden Tierschutzorganisationen und einige Politiker als zu überhastet. Indem die Erwerber per Los ermittelt worden sind, konnte gemäss Jost Rüegg (Grüne) die «Qualität der neuen Plätze» nicht überprüft werden, darüber hinaus habe es vor Ort noch Weiterverkäufe gegeben. Das alles sei nicht im Ziel des Tierschutzes gewesen.[15]
Per November 2018 läuft durch die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung betreffend Widerhandlungen gegen das Tierschutzgesetz, die Ermittlungen diesbezüglich sind nach wie vor im Gange.[4]
Person
Beim Bauern handelt es sich um einen 1968 geborenen Familienvater aus Scherzingen. Der verheiratete und seit 2015 getrennt lebende Bauer zeugte gemäss der Neuen Zürcher Zeitung acht Buben. Er übernahm 1995 den Landwirtschaftsbetrieb in Hefenhofen von seinem 2017 verstorbenen Vater.[3][18] Als Biobauer verzichtete er bei der Übernahme auf Hochleistungskühe und produzierte Schlachtvieh im Rahmen der subventionsberechtigten Tierwohlprogramme RAUS (regelmässiger Auslauf im Freien) und BTS (besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme).[6]
Per 2005 besass er weder steuerbares Einkommen noch Vermögen, darüber hinaus gibt es keine zuverlässige Daten über seine finanzielle Situation, da er spätere Steuererklärungen nicht ausfüllte. Dokumentiert ist eine Eigentümerschaft «eines Hofs in Polen».[19] Die Gerichtsverfahren kosteten dem Bauern rund 100'000 Franken, dazu kommen Anwaltshonorare. Er hatte Gläubiger.[2] Angesichts seiner finanziellen Situation stellte er Anträge auf unentgeltliche Rechtspflege, die ihm im Rahmen der Verwaltungsverfahren teils zugebilligt worden sind, insgesamt in der Höhe von rund 40'000 Franken. Dazu kamen zwischen 2008 und 2013 Bundessubventionen von rund 73'500 Franken pro Jahr für Flächenbeiträge und für Öko-Direktzahlungen sowie Tierhalter- und Tierwohlbeiträge.[19]
In den Medien wie auch in kantonalen Veröffentlichungen wird er uneinheitlich bezeichnet, mal mit seinen Initialen «U. K.», mit dem Vornamen «Ulrich K.», anderseits nennen die Medien beispielsweise der NZZ-Gruppe (CH media) ihn heute teils mit vollem Namen.[2][14] In den Medien oft verwendete Übernamen sind beispielsweise «Tierquäler von Hefenhofen», «Pferdequäler von Hefenhofen» oder «Pferdequäler Ulrich K.».
Beim Hof in Brüschwil bei Hefenhofen handelte es sich um einen Landwirtschaftsbetrieb, in dem Pferdezucht und Viehwirtschaft betrieben wurden. Nach der Räumung stationierten per 2018 Fahrende dort.[20]
Aufarbeitung des Falls
Der Neuen Zürcher Zeitung lagen 50 Gerichtsurteile in dieser Sache vor, davon alleine 15 Bundesgerichtsurteile. Aus diesen Unterlagen ging gemäss der Zeitung hervor, dass der Bauer wegen systematischer Tierquälerei und weiteren Delikten verurteilt worden war. Er tue das, so Richter, «wissentlich und willentlich», er zeige gar keine Tierliebe. Seine Haltung gegenüber Menschen sei nicht besser gewesen.[2] Allfällige Urteile zog er in der Regel bis vors Bundesgericht weiter und widersetzte sich ihnen nötigenfalls unter Gewaltandrohung.[2] Die Behörden waren mit dem Bauern überfordert, was dazu führte, dass der Hof quasi rechtsfreier Raum war.[10]
Rolle der Thurgauer Behörden
Die Neue Zürcher Zeitung statuiert ein Versagen der Thurgauer Behörden.[14]
Strafrichter verurteilten den Bauern mehrfach wegen Verstössen, unter anderem gegen das Tierschutzgesetz. Sie betonten, dass die Zustände auf dem Hof untragbar wären. Erlasse und Durchsetzungen von Tierhalteverboten hingegen liegen nicht in der Kompetenz des Strafgerichts, das liegt im Bereich der Verwaltungsjustiz. Dazu betraut ist das Veterinäramt und der dort angesiedeltem Kantonstierarzt innerhalb des Departements für Inneres und Volkswirtschaft (DIV), als zweite Instanz der Regierungsrat. Auch wenn tätliche Angriffe und Morddrohungen die Behörden einschüchterten, zeigte der Kantonstierarzt, obwohl selbst tätlich angegriffen, wiederholt Milde, da der Bauer acht Buben zu ernähren habe und somit ein Tierhalteverbot seine Existenz bedroht hätte. Auf der Gegenseite wurde das Veterinäramt von Erwin Kessler (VgT) unter Druck gesetzt.[14]
Das Arboner Bezirksgericht forderte 2008 das Veterinäramt explizit auf, ein Tierhalteverbot zu erlassen, da eine Fortführung der Haltung für die Tiere fatal wäre. Das Amt verzichtete darauf, stattdessen wurde eine Verfügung auferlegt mit Bereichen, die verbessert werden müssen. Diese Verfügung wiederum focht der Bauer bis zum Bundesgericht an, weswegen die juristischen Voraussetzungen dafür erst 2011 gegeben waren. Umgesetzt wurde das aber nicht: Im Gegensatz zu allen früheren und späteren Kontrollen wurde bei einer Nachkontrolle seitens des Veterinäramtes plötzlich keine Mängel mehr festgestellt. Das genügte, dass der Bauer wie bis anhin Tiere halten durfte. Das Protokoll dieser Nachkontrolle blieb unauffindbar.[14]
Auf Grund solcher Widersprüche, mal stehe es «stehe betreffend Tierhaltung alles zum Besten», obwohl dazu entsprechende Berichte fehlen, und mal es wiederum heisst, der Bauer käme den Anforderungen an den Tierschutz nicht nach, blieb es Gerichten teils nichts anderes übrig, im Zweifelsfalle für den Angeklagten zu urteilen. Daher mussten auch bis anhin vorenthaltene Subventionsbeiträge von über 100'000 Franken nachgezahlt werden.[19]
2013, nachdem der Bauer seine Haftstrafe absass, wurde wieder eine Kontrolle durchgeführt. Trotz festgestellter Mängel wurde ihm eine weitere Chance gegeben, bis im Oktober 2014 ein totales Tierhalteverbot erlassen wurde, das bis Ende 2014 umgesetzt hätte sein müssen. Allerdings wehrte sich der Bauer bis vors Bundesgericht dagegen. Er bekam im Juli 2016 Recht, ursächlich dafür war ein «grober Verfahrensfehler» seitens der Thurgauer Behörden: Dem Bauern wurde die Akteneinsicht verwehrt. Die Folge war, dass das Tierhalteverbot nichtig war.[14] Auf Grund nicht gerechter Tierhaltung waren ihm Beiträge von 40'000 Franken für Tierhalter- und Tierwohlbeiträge vorenthalten worden, die ihm auf Grund dieses Urteils nachgezahlt werden mussten.[19]
Im Rahmen des Falls Hefenhofen wurde April 2014[6] eine vom Regierungsrat eigens gebildete Arbeitsgruppe gegründet, das nach 20 Monaten und elf Sitzungen ohne Ergebnis auflöste. Als Walter Schönholzer 2016 als Departementsvorsteher des DIV Kaspar Schläpfer ablöste, wurde eine Mediation versucht, die ebenfalls scheiterte.[4] Die Bilderveröffentlichung im Blick gab, so die Neuer Zürcher Zeitung, die Signalwirkung zur sechs Tage später erfolgten endgültigen Räumung unter Polizeiaufgebot;[14] im Rahmen einer Antwort einer Interpellation verneinte die Thurgauer Regierung im November 2018 diesen Zusammenhang.[12]
Untersuchungskommission und -bericht 2017–2018
In der Folge der Räumung wurde im Auftrag der Thurgauer Regierung eine Untersuchungskommission eingesetzt, die der ehemalige Zuger Regierungsrat Hanspeter Uster leitete. Dessen Bericht wurde am 31. Oktober 2018 vorgestellt.[14]
Dem Bericht nach waren die Behörden unsicher im Umgang mit dem Bauern von Hefenhofen, auf Grund wiederholt ausgesprochener Morddrohungen und Tätlichkeiten auch aus Sorge um die Sicherheit der Mitarbeiter. Darüber hinaus funktionierte die Kommunikation zwischen den Behörden nicht. Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörden führten auch dazu, dass das Tierwohl nicht mehr gewährleistet werden konnte. Deren Unsicherheiten wiederum bestärkte den Bauern in seinem Handeln: «Alle hatten Angst vor [ihm]. Dieser kann sich alles erlauben, und es passiert nie etwas».[10] Ein Mitgrund dafür dass es so gekommen ist, sei die Einschätzung, dass ausserhalb seines Hofes keine Gefahr von ihm ausgehe.[4] Dennoch konnte er Kantonsbehörden soweit drohen, dass beispielsweise auf Grund eines Alarms das Verwaltungsgebäude des für ihn zuständigen DIV geschlossen werden musste, wie im April 2013 geschehen.[4]
Der Kantonsregierung warf die Kommission vor, dass sie ihre Möglichkeiten nicht effektiv eingesetzt habe, andernfalls hätte zumindest ein teilweises Tierhalteverbot bereits 2007 bis 2009 durchgesetzt werden können.[10]
Der Bericht kommt zu der Überzeugung, dass das DIV schon vorher hätte erkennen müssen, dass in diesem Fall eine Zusammenarbeit mit dem Bauern in Form von Mediationen oder ähnlichen Massnahmen nicht erfolgreich sein würde, vielmehr hätte «rasch und zielgerichtet» gehandelt werden müssen. Die mediale Eskalation 2017, beginnend mit der Fotoreportage des Blicks und der Auflösung des Hofes, wurde fast als Erlösung wahrgenommen.[4]
Der Regierungspräsidentin Thurgaus, Cornelia Komposch, nach habe der Schlussbericht die Thurgauer Regierung «betroffen bis erschüttert» zurückgelassen. Die Regierung akzeptierte den Untersuchungsbericht, stellte aber auf den Standpunkt, dass Fehlentscheide und Versäumnisse nicht an einem Amt oder einer Person anzulasten wären, daher ziehe der Fall Hefenhofen keine personellen Konsequenzen nach.[10]
An der Pressekonferenz empfahl der Leiter der Kommission, Hanspeter Uster, eine Optimierung des Tierschutzes im Kantons Thurgau. Insbesondere soll neben verbesserter juristischer Unterstützung des Veterinäramtes eine Tierschutzkommission gegründet werden. Gewünscht wird überdies ein Tierschutzdachverband mit Beschwerderecht. Die Regierung signalisierte Bereitschaft, mehrere Vorschläge diesbezüglich aufzunehmen und beschloss ihrerseits bereits acht Massnahmen, die in ihrer Kompetenz lagen. Unter anderem soll bei Bedrohungen künftig immer die Kantonspolizei beigezogen werden und Polizisten sind im Bereich des Tierschutzes zu sensibilisieren.[10]
Tierschutz
Heinz Lienhard, der Präsident des Schweizer Tierschutz (STS) ist der Meinung, die Probleme können nicht durch eine Umstrukturierung der Verwaltung gelöst werden, viel mehr bestehe das Problem darin, dass der Kanton Thurgau den Tierschutz finanziell nicht unterstützt: Parlament und Regierungen sind nicht bereit, etwas zu machen, was kostet. Als Folge dessen seien in der Vergangenheit keine «unverhältnismässigen», weil kostspielige, Massnahmen erwogen worden. Er selbst wusste im Vorfeld von der Tragweite dieses Fall nichts.[21]
Erwin Kessler (VgT) erachtete die angekündigten Verbesserungen in Folge des Untersuchungsberichtes als «grosses Blabla», insbesondere weil die aus seiner Sicht dafür verantwortlichen Personen, der Kantonstierarzt – der während aller Jahre derselbe war – und der Regierungsrat Walter Schönholzer weiterhin amten dürfen.[10]
Politiker
Der Kostenaufwand für die Untersuchung lag bei 818'000 Franken. Seitens der Kantonsräte begrüsste Jost Rüegg (Grüne) zwar den Untersuchungsrecht, kritisiert wird von ihm allerdings wie auch von anderen Kantonsräten (so Ueli Fisch, GLP oder Hermann Lei, SVP) die Kosten des Untersuchungsberichtes, das habe man für die dargelegten Erkenntnisse billiger haben können. Das sei «zu viel Geld, um zu merken, dass es einen zusätzlichen Juristen und eine Fachgruppe für Tierschutzfälle braucht», so Hermann Lei, der nebenbei den Kantonstierarzt verteidigte: Er habe womöglich zu wenig Unterstützung gehabt. Pascal Schmid (SVP) kritisierte Fehlleistungen, insbesondere wurden Fristen verpasst, Verfahrensfehler begangen und untaugliche Verfügungen erlassen, mit der Folge, dass das totale Tierhalteverbot nicht eher durchgesetzt werden konnte.[12][22]
Medien
Christian Kamm, Redaktionsleitungsmitglied der Thurgauer Zeitung, bemängelte, dass die Untersuchung sich einzig auf Verfahren, Abläufe und so weiter konzentriert und weniger auf personelle Fehlleistungen. Ihm nach hätte alt Regierungsrat Schläpfer, der seine ganze Amtszeit mit diesem Fall zu tun hatte, mehr erreichen können: Es fehle an entschlossener Führung. Auch wenn dem Kantonstierarzt nicht eine alleinige Verantwortung zugeschrieben werden kann, hätte er dennoch zurücktreten sollen: Er könne nicht länger «bar jeder Autorität noch sein Amt sinnvoll» führen. Durch das Versäumen zeige die Regierung, «wieder aufs alte Geleise zu geraten: Lieber niemandem zu nahe treten und keine Konsequenzen ziehen».[23] Eine ungesunde Nähe zwischen Behörden und Bürgern habe das Ganze erst ermöglicht – was symptomatisch für viele kleinere und mittelgrosse Kantone ist, man kenne sich, man schone sich, man helfe sich gegenseitig aus der Patsche –, so Samuel Schmid, Chefredaktor des St. Galler Tagblatts: Die Probleme seien nicht die Gesetze, sondern deren Vollzug.[24]
Politische Folgen
Als Folge beschloss der Bundesrat, dass ab 2020 statt bisher 10 Prozent neu 40 Prozent aller Kontrollen unangemeldet erfolgen müssen, der Schwerpunkt liegt dabei bei Betrieben mit Mängeln.
Weblinks
- Untersuchungskommission zum Vollzug der Tierschutzgesetzgebung im Kanton Thurgau:
- Administrativuntersuchung zum Vollzug der Tierschutzgesetzgebung im Fall des Tierhalters U.K. Teil 1 des Schlussberichts an den Regierungsrat des Kantons Thurgau vom 23. Oktober 2018 (PDF, 129 Seiten)
- Chronologie im Fall des Tierhalters U.K.: Aktenmässig belegte Verfahren und Ereignisse. Teil 2 des Schlussberichts an den Regierungsrat des Kantons Thurgau vom 23. Oktober 2018 (PDF, 101 Seiten)
- Kurzfassung des Schlussberichts an den Regierungsrat des Kantons Thurgau vom 23. Oktober 2018 (PDF, 22 Seiten)
- Medienkonferenz · Schlussbericht (PDF, 40 Folien)
- Staatskanzlei Thurgau: Pressemitteilung zum Abschluss des Untersuchungsberichtes, 31. Oktober 2018
Einzelnachweise
- So die übliche in den Medien verwendete Bezeichnung, falls es um den Fall an sich geht. Die dafür beauftragte Untersuchungskommission titelt es als «Fall des Tierhalters U.K.»
- Jörg Krummenacher/NZZ: «Hosenscheisser», Drohungen mit der Pistole und Schächtungen: Die Akte zum Pferdequäler aus Hefenhofen, Teil 1. In: St. Galler Tagblatt. (tagblatt.ch [abgerufen am 29. November 2018] (Zuerst erschienen im NZZ)).
- Christof Krapf: Chronik zum Fall Hefenhofen: 20 Jahre lang Ringen mit Behörden und Justiz. In: St. Galler Tagblatt. (tagblatt.ch [abgerufen am 3. Dezember 2018]).
- Thomas Wunderlin: «Du verdammte Dreckchaib, i bring di um»: Wie der Pferdezüchter von Hefenhofen zum Ämterschreck wurde. In: St. Galler Tagblatt. (tagblatt.ch [abgerufen am 29. November 2018]).
- SDA: Thurgauer Tierhalter verurteilt. In: St. Galler Tagblatt. 26. November 2009 (vgt.ch [PDF]).
- Thomas Wunderlin: Das laute Lachen des Pferdezüchters: Die Versäumnisse der Behörden im Fall Hefenhofen. In: Aargauer Zeitung. (aargauerzeitung.ch [abgerufen am 4. Dezember 2018]).
- 6B_711/2008 vom 2. April 2009. Bundesgericht, abgerufen am 4. Dezember 2018.
- Pascal Ritter: Die Schweizer Armee kaufte beim Pferde-Quäler Ulrich K. ein. In: Aargauer Zeitung. (aargauerzeitung.ch [abgerufen am 3. Dezember 2018]).
- 6B_592/2011 vom 5. Dezember 2011. Bundesgericht, abgerufen am 4. Dezember 2018.
- Jörg Krummenacher: Der Tierquäler verhöhnte die Behörden. In: Neue Zürcher Zeitung. 31. Oktober 2018, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 29. November 2018]).
- Marco Latzer: Erschreckende Fotos vom Tierquälerhof Hefenhofen TG. In: Blick. 2. August 2017 (archive.org [abgerufen am 4. Dezember 2018] Originalmeldung, von archive.org; Hinweis: Fotos sind verstörend).
- Silvan Meile: Die Thurgauer Politik stellt die Schuldfrage im Fall Hefenhofen. In: St. Galler Tagblatt. (tagblatt.ch [abgerufen am 3. Dezember 2018]).
- Jörg Krummenacher: Hefenhofen, Jan Ullrich und die Intransparenz. In: Neue Zürcher Zeitung. 12. September 2017, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 4. Dezember 2018]).
- Jörg Krummenacher/Neue Zürcher Zeitung: Akte Hefenhofen – Teil 2: Wie ein verurteilter Tierquäler jahrelang walten konnte. In: St. Galler Tagblatt. (tagblatt.ch [abgerufen am 29. November 2018] (Zuerst erschienen im NZZ)).
- Silvan Meile: Tierschutz: Ein Grossteil der Tiere aus Hefenhofen bereits geschlachtet. In: St. Galler Tagblatt. (tagblatt.ch [abgerufen am 3. Dezember 2018]).
- 300 gequälte Tiere abtransportiert – Besitzer darf vorerst nicht auf Hof zurück. In: Aargauer Zeitung. (aargauerzeitung.ch [abgerufen am 4. Dezember 2018] (SDA-Meldung)).
- Pascal Ritter: Das erste Rössli vom Quälhof ist für 1200 Franken verkauft – jetzt spricht die Käuferin. In: Aargauer Zeitung. (aargauerzeitung.ch [abgerufen am 3. Dezember 2018]).
- Traueranzeige. In: St. Galler Tagblatt. 3. Mai 2017 (Entsprechende Traueranzeige zum Vater).
- Jörg Krummenacher/Neue Zürcher Zeitung: Akte Hefenhofen – Teil 3: Der Kampf ums Geld. In: St. Galler Tagblatt. (tagblatt.ch [abgerufen am 29. November 2018] (Zuerst erschienen im NZZ)).
- Manuel Nagel: Unternehmer in Hefenhofen hat schon wieder ein «Gschiss» mit Fahrenden. In: St. Galler Tagblatt. (tagblatt.ch [abgerufen am 4. Dezember 2018]).
- Sebastian Keller: Hefenhofen – der Präsident des Schweizer Tierschutzes übt Kritik am Kanton: «Im Thurgau darf Tierschutz nichts kosten». In: St. Galler Tagblatt. (tagblatt.ch [abgerufen am 4. Dezember 2018]).
- Thomas Wunderlin, Sebastian Keller: Hefenhofen: Thurgauer Politiker kommentieren den Schlussbericht. In: St. Galler Tagblatt. (tagblatt.ch [abgerufen am 3. Dezember 2018]).
- Christian Kamm: Fall Hefenhofen: Dass der Kantonstierarzt im Amt bleibt, ist ein Fehler. In: Thurgauer Zeitung. (tagblatt.ch [abgerufen am 3. Dezember 2018]).
- Stefan Schmid: Leitartikel: Hefenhofen ist überall. In: St. Galler Tagblatt. (tagblatt.ch [abgerufen am 3. Dezember 2018]).