Fahrradstraße
Eine Fahrradstraße ist eine für den Radverkehr vorgesehene Straße, genau betrachtet in der Regel deren Fahrbahn (nicht aber z. B. Gehwege). Sie soll die Attraktivität des Radverkehrs steigern und Vorteile gegenüber dem Kraftfahrzeugverkehr schaffen.
Dabei ist zu beachten, dass die Fahrradstraße nicht mit Radwegen verwechselt wird, da bezüglich der straßenverkehrsrechtlichen Regelung große Unterschiede bestehen. Die genauen Regelungen variieren von Staat zu Staat. Während ein Radweg durch Markierung (dann Radfahrstreifen) oder durch einen Bord, Grünstreifen, parkende Autos oder ähnliches von der Fahrbahn abgetrennt ist, bezieht sich die Fahrradstraße auf die (gesamte) Fahrbahn, die zur Verkehrsfläche vorrangig für den Radverkehr wird.[1] Nach einer 2016 veröffentlichten Untersuchung gab es in 110 befragten Kommunen in Deutschland 426 Fahrradstraßen.[2] Seitdem dürften etliche hinzugekommen sein.
Landesspezifische Regelungen
- Rue Laprugne, Vichy, Frankreich
Belgien
In Belgien gibt es seit 13. Februar 2012 den Begriff der Fahrradstraße (Fietsstraat/Rue cyclable) und seit 4. Dezember 2012 die zugehörigen Verkehrszeichen, die der Anfang einer Fahrradstraße markieren. In Fahrradstraßen dürfen die Radfahrer die ganze Breite der Fahrbahn nutzen, falls diese eine Einbahnstraße in ihrer Fahrrichtung ist, bzw. deren rechte Hälfte, falls die Fahrbahn in beide Richtungen freigegeben ist. Motorfahrzeuge dürfen Fahrradstraßen nutzen, dürfen Radfahrer aber nicht überholen. In Fahrradstraßen gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h.[3][4][5]
Deutschland
In Deutschland sind Fahrradstraßen dem Fahrradverkehr vorbehalten. Mit anderen Fahrzeugen dürfen sie nur dort benutzt werden, wo dies durch Zusatzzeichen angezeigt ist. Häufig wird so der Verkehr anderer Fahrzeuge nur für Anlieger oder nur in einer Fahrtrichtung zugelassen (Einbahnstraße). Die Höchstgeschwindigkeit beträgt für alle Fahrzeuge 30 km/h. Radfahrer haben auf Fahrradstraßen das Recht, jederzeit nebeneinander zu fahren – auf anderen Straßen gilt das nur, „wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird“ (§ 2 Abs. 4 S. 1 StVO). Kraftfahrer müssen gegebenenfalls ihre Geschwindigkeit verringern, um eine Behinderung oder Gefährdung von Radfahrern zu vermeiden.[6]
- Zeichen 244.1
Beginn der Fahrradstraße - Zeichen 244.2
Ende der Fahrradstraße - Mit Zusatz „KfZ-Verkehr frei“
Fahrradfahrende Kinder unter acht Jahren,[7] Fußgänger[8] und Inline-Skater[9] müssen – wie in anderen Straßen – den Gehweg oder Seitenstreifen benutzen, soweit vorhanden und benutzbar. Durch das Zusatzzeichen „Inline-Skaten und Rollschuhfahren frei“ kann Inlineskaten und Rollschuhfahren auf der Fahrbahn zugelassen werden.[10]
Rechtsgrundlage ist Nummer 23 zu Zeichen 244.1 in Anlage 2 der Straßenverkehrs-Ordnung.[6] In der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung heißt es zur Fahrradstraße: „I. Fahrradstraßen kommen dann in Betracht, wenn der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist oder dies alsbald zu erwarten ist. II. Anderer Fahrzeugverkehr als der Radverkehr darf nur ausnahmsweise durch die Anordnung entsprechender Zusatzzeichen zugelassen werden (z. B. Kraftfahrzeuge oder schnellere Elektroräder). Daher müssen vor der Anordnung die Bedürfnisse des Kraftfahrzeugverkehrs ausreichend berücksichtigt werden (alternative Verkehrsführung).“[11] Fahrradstraßen können gemäß der Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen in Erschließungsstraßen mit Belastungen bis etwa 400 Kfz/h eingesetzt werden.[12] Als wichtiger Baustein der Radverkehrsförderung ergänzt die Einrichtung einer Fahrradstraße oft die Öffnung von Einbahnstraßen in beide Richtungen für den Radverkehr. Es wird empfohlen, Anwohner bei der Einrichtung gezielt zu informieren, um die Anpassung zu erleichtern.[13]
Gestaltung
Bisher gibt es keine einheitliche Gestaltung und keine klaren Vorgaben, außer der durch die StVO vorgegebenen Beschilderung. Die geltenden Regeln, wie die Erlaubnis zum Nebeneinanderfahren, sind allerdings nur etwa der Hälfte der Verkehrsteilnehmer bekannt.[2] Entsprechend ist es wichtig, auch durch die Gestaltung die Funktion der Fahrradstraße selbsterklärend zu machen. In verschiedenen Städten werden Fahrradstraßen jeweils ohne oder mit unterschiedlichen Markierungen verdeutlicht. Zum Einsatz kommen weiße oder blaue Piktogramme mit Radfahrern oder Längsmarkierungen zur Fahrbahnbegrenzung. Ebenso gibt es bisher weit überwiegend die in Tempo-30-Zonen übliche Rechts-vor-links-Regelung, die den Radverkehr allerdings ausbremst.[1] Nur in wenigen Städten wie Bremen, Göttingen, Hamburg, Hannover oder Kassel ist an einzelnen Fahrradstraßen eine Bevorrechtigung gegenüber dem Fahrzeugverkehr aus Nebenstraßen beschildert oder durch Gestaltung (Seitenstraßen führen über Gehwege/abgesenkte Bordsteine auf die Fahrradstraße) eingeführt worden. Solche Standards sind üblicherweise in Radverkehrskatalogen der jeweiligen Kommunen geregelt und durch die Stadtparlamente bestätigt.[14]
Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) hat 2015 ein Forschungsprojekt u. a. zur Sicherheit von Fahrradstraßen abgeschlossen. Hinsichtlich des Unfallgeschehens wurde festgestellt: „Unfälle in Fahrradstraßen geschehen verhältnismäßig selten und sind im Vergleich mit dem gesamten innerörtlichen Unfallgeschehen im Radverkehr weniger schwer.“ Es werden ferner folgende Empfehlungen zur sicheren Gestaltung von Fahrradstraßen gegeben: Der KFZ-Verkehr sollte auf Anliegerverkehr beschränkt werden. „Durchgangsverkehre sind zu unterbinden. Ein- bzw. Durchfahrtsverbote müssen konsequent überwacht werden.“ Die Breite der Fahrgasse sollte mindestens 4 m Breite betragen, damit sich pro Fahrtrichtung jeweils zwei nebeneinander fahrende Radfahrer sicher begegnen können. Breiter als 5 m sollte die Fahrgasse wiederum nicht ausfallen, um zu hohen Geschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge vorzubeugen. Zu parkenden Autos sind zusätzlich zur Breite der Fahrgasse Sicherheitsabstände vorzusehen. Zu längs parkenden Kraftfahrzeugen sollte der Sicherheitsabstand mindestens 0,75 m betragen. Die Gestaltung von Fahrradstraßen sollte im gesamten Straßenzug möglichst einheitlich erfolgen. Hier wird empfohlen: „Damit die Fahrradstraße auch ihrer Bedeutung als Infrastrukturelement mit Vorrang für Radfahrer gerecht wird, sollte die Fahrradstraße an den Knotenpunkten möglichst Vorfahrt erhalten.“ Auch stellt die UDV fest, dass entsprechende Aufklärungsarbeit zum Verkehrszeichen Fahrradstraße notwendig ist.[15]
- Brandenburg: „Ländliche Fahrradstraße“ außerhalb der Bebauung in Bredereiche auf dem Radfernweg Berlin–Kopenhagen
- Hannover: Fahrradstraße mit roter Einfärbung in Kreuzungsbereichen
- Karlsruhe: Ein Stück der Erbprinzenstraße ist in Höhe des Staatlichen Museums für Naturkunde als „reine Fahrradstraße“ ausgeschildert
- Mannheim: Zur besseren Verdeutlichung des Vorrangs als Fahrradstraße wurden die Einmündungsbereiche der Karl-Ladenburg-Straße rot markiert
Unterschiede zu Tempo-30-Zonen
In den vielen durch Beschilderung auch für anderen Verkehr zugelassenen Fahrradstraßen verbleiben aus rechtlicher Sicht nur geringe Unterschiede zwischen Tempo-30-Zonen und Fahrradstraßen. Im Wesentlichen bleibt nur die Betonung, dass der Radverkehr weder gefährdet noch behindert werden darf, der Kraftfahrzeugverkehr die Geschwindigkeit bei Bedarf weiter verringern muss und dass das Nebeneinanderfahren mit Fahrrädern explizit erlaubt ist. Neben der Schaffung von Fahrradzonen wird deshalb auch die Übertragung von Regeln der Fahrradstraßen auf sämtliche Tempo-30-Zonen diskutiert.[16] Die Herausstellung der Fahrradfreundlichkeit würde dann über die Gestaltung (z. B. Fahrbahnmarkierungen, wenige parkende Kraftfahrzeuge) erfolgen.[1] Mit der Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) im Jahr 2020 soll der Straßenverkehr [ein wenig] sicherer, klimafreundlicher und gerechter werden, mit Einführung eines Verkehrszeichens Fahrradzone (Zeichen 244.3) sollten auch die Voraussetzungen für die Einrichtung erleichtert werden, Elektrokleinstfahrzeuge werden in Fahrradstraßen[17] und auch in Fahrradzonen zugelassen.[18]
Verbreitung seit 2014
Im Sommer 2014 gab es in Deutschland mehr als 140 Fahrradstraßen, davon befanden sich damals drei in Kassel,[19] 12 in Hannover,[20] 16 in Münster,[21] 17 in Berlin,[22] 18 in Kiel,[23] 30 in Essen[24] und 58 in München.[25] München gibt an, damit die meisten Fahrradstraßen in Deutschland zu haben, wobei teilweise nur kurze Abschnitte als Fahrradstraße ausgewiesen sind. Insgesamt haben die Münchner Fahrradstraßen eine Länge von 20,6 km[26], was bundesweiter Spitzenwert ist.
2018 ist die Anzahl von Fahrradstraßen in München auf 63 gestiegen.[27] Die Kieler Fahrradstraßen haben eine Länge von 10 km. Demnach ist dort eine durchschnittliche Fahrradstraße 550 m lang.[23] In Hessen ist die 2018 freigegebene Radroute zwischen Bahnhof Dreieich-Buchschlag und Sprendlingen auf der Liebknechtstraße mit drei Kilometern Länge hessenweit die längste, teilweise mit Vorfahrt auf der Fahrradstraße.[28] In Bonn wurde seit 2011 ein Konzept entwickelt und mit dessen Umsetzung begonnen, das 50 Kilometer Fahrradstraßen in der Bundesstadt vorsieht. Davon umgesetzt sind bisher ca. 30 km in 50 einzelnen Straßen (Stand: August 2019).[29] In Hannover gab es im Jahr 2017 23 Fahrradstraßen.[30] In Bremen wurde im April 2019 in der Parkallee zwischen Hohenlohestraße und Am Stern eine Fahrradstraße mit rotem Belag eingerichtet.[31] Rote Asphaltbeläge sind in der Stadt Münster bei neuen Fahrradstraßen künftig der Regelfall. In Lörrach wurde im Oktober 2021 eine Fahrradstraße eingeführt, ebenfalls mit rotem Belag bei Kreuzungen.[32]
- Zeichen 244.3
Beginn einer Fahrradzone - Zeichen 244.4
Ende einer Fahrradzone
Rechtsprechung
Da die Gestaltung einer Fahrradstraße (mit Ausnahme der Beschilderung) in der Straßenverkehrs-Ordnung nicht näher definiert ist, beschäftigen sich zunehmend Gerichte mit diesem Aspekt.
So entschied das Verwaltungsgericht Hannover auf die Klage eines Anwohners einer Fahrradstraße mit Urteil vom 13. August 2021,[33] dass die erforderliche Mindestfahrbahnbreite einer Fahrradstraße entlang einseitigen Längsparkständen inklusive Sicherheitstrennstreifen 4,75 m beträgt. Diese Breite basiert auf den in den RASt 06 definierten lichten Breiten und setzt sich zusammen aus der Breite zwei nebeneinander fahrender Radfahrer in Fahrtrichtung (2,00 m) sowie der Breite ebenfalls zwei nebeneinander fahrender Radfahrer in die Gegenrichtung (2,00 m) zuzüglich eines Sicherheitstrennstreifens zwischen Radfahrern und parkenden Fahrzeugen in Längsaufstellung (0,75 m).[12] Dieser Argumentation folgend beträgt die Mindestfahrbahnbreite einer Fahrradstraße mit beidseitigen Längsparkständen einschließlich Sicherheitstrennstreifen 5,50 m; ohne Straßenrandparken beträgt sie 4,00 m. Damit entsprechen die Fahrradstraßenbreiten genau denen des Leitfadens für die Umsetzung von Fahrradstraßen in Berlin.[34]
Darüber hinaus stellte das Verwaltungsgericht Hannover in seinem Urteil grundsätzlich klar:
„Voraussetzung für die Sachgerechtigkeit und Zweckmäßigkeit der Anordnung einer Fahrradstraße ist, dass die durch sie eingeräumten Sonderrechte für Radfahrer, insbesondere die Erlaubnis, nebeneinander zu fahren, auch tatsächlich genutzt werden können.“
Niederlande
In den Niederlanden gibt es keine gesetzliche Regelung von Fahrradstraßen. Sie werden daher im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten durch die Kommunen in unterschiedlichen Formen angelegt, im Allgemeinen als breitere Radwege, die typischerweise mit rotem Asphalt versehen und in der Weise beschildert sind, dass sie mit bestimmten Einschränkungen auch dem Verkehr von Kraftfahrzeugen offenstehen, dieser aber dem Radverkehr untergeordnet ist.[35] In verschiedenen Städten, so in Amsterdam und Utrecht, wird das nicht amtliche Verkehrszeichen fietsstraat – auto te gast („Fahrradstraße – Auto zu Gast“) eingesetzt.
Österreich
Fahrradstraßen in Österreich sind dem Radverkehr vorbehalten. Andere Fahrzeuge dürfen Fahrradstraßen im Allgemeinen nur queren oder zur Zu- oder Abfahrt befahren; diese Einschränkung gilt nicht für Fahrzeuge, die auch Fußgängerzonen befahren dürfen. Auf Fahrradstraßen gilt ein Tempolimit von 30 km/h. Auf Fahrradstraßen ist das Nebeneinanderfahren von Radfahrern erlaubt.[36]
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Fahrradstraßen wurden durch die am 31. März 2013 in Kraft getretene 25. StVO-Novelle[37] geschaffen. Bereits 2011 gab es Bestrebungen, Fahrradstraßen in Wien einzuführen.[38] Die dafür notwendigen Gesetzesänderungen (23. StVO-Novelle 2011) scheiterten jedoch trotz Befürwortung vom Städtebund am Widerstand der ÖVP.[39][40] Die Kuchelauer Hafenstraße in Wien ist seit April 2013 Österreichs erste Fahrradstraße. Sie ist als Teil des touristischen Donauradwegs eine wesentliche Radroute für Pendler sowie für den Freizeitverkehr aus dem benachbarten Niederösterreich.[41] Mit der Hofjagdstraße wurde 2015 eine zweite Fahrradstraße in Wien eingerichtet, weitere sind geplant.[42]
Schweden
2012 beschloss die Hauptstadt Stockholm ein Budget, um unter anderem Fahrradstraßen zu errichten. Der Bericht über das Pilotprojekt in Schweizer Städten erwähnte im Jänner 2018 Schweden als Beispiel für eine im Herbst 2016 ausgeführte Fahrradstraße.
Schweiz
In der Schweiz kommt der Begriff Velostrasse (schweizerisch für Fahrradstrasse) mit Stand Februar 2019 nicht in der Verkehrsregelnverordnung (VRV) vor. Mit einem von August 2016 bis Oktober 2017 anberaumten Pilotprojekt wurden vom Bundesamt für Strassen (astra) in fünf teilnehmenden Städte erstmals acht Velostrassen getestet.[43]
- Mülhauserstrasse, Basel
- St. Alban-Rheinweg, Basel[44]
- Beundenfeldstrasse–Militärstrasse, Bern
- Erlachstrasse–Freiestrasse, Bern
- Taubenhausstrasse–Bruchstrasse, Luzern
- Lindenstrasse, St. Gallen
- Affolternstrasse–Zelglistrasse, Zürich
- Scheuchzerstrasse, Zürich
Alle teilnehmenden Städte wollen die Velostrassen nach Abschluss des Pilotprojekts einführen und mehr Straßen so ausweisen, jedoch steht der Bund mit Stand Februar 2019 noch auf der Bremse.[45][46] Die 5 Städte berufen sich auch auf den Bundesbeschluss Velo, den die Stimmbürger im September 2018 angenommen haben und wollen Radverkehr weiter fördern. Die 8 errichteten Velostrassen dürfen bis auf eine definitive Entscheidung zur Einführung von Velostrassen vorläufig in Betrieb bleiben. (Stand Februar 2019)[47] In Zürich bestand die Pilotanlage Velostrasse nur von Dezember 2016 bis Ende September 2017.[48]
Ab Anfang 2021 können in Tempo-30-Zonen regulär Fahrradstrassen eingerichtet werden. Fahrzeuge auf Fahrradstrassen haben gegenüber einmündenden Strassen Vortritt, d. h. der bisher geltende Rechtsvortritt in Tempo-30-Zonen gilt zu und auf den Fahrradstrassen nicht. Entsprechend ist auf den einmündenden Strassen «Stop» oder «Kein Vortritt» signalisiert. Velopiktogramme auf der Fahrbahn sind optional. Tempo 30 gilt ohnehin.[49]
Probleme
Fahrradstraßen sollen unter anderem zu einer Reduzierung des Kfz-Verkehrs und somit zu einer Verkehrsberuhigung beitragen. Insbesondere innerstädtische Fahrradstraßen werden allerdings in der Regel mit einer Ausnahmeregelung für Anlieger für den motorisierten Verkehr frei gegeben. Das Berliner Mobilitätsgesetz gibt beispielsweise in § 43 (2) vor, dass Fahrradstraßen so gestaltet werden sollen, „dass motorisierter Individualverkehr, außer Ziel- und Quellverkehr, im jeweiligen Straßenabschnitt unterbleibt“.[50] Das Durchfahrtsverbot für Nicht-Anlieger und die Rechte von Radfahrern, wie beispielsweise das Nebeneinanderfahren, sind Kraftfahrzeugführern jedoch nicht immer bekannt oder werden ignoriert. Teilweise werden Fahrradstraßen von diesen als Schleichweg genutzt, um stärker frequentierte Hauptverkehrsstraßen zu umfahren.[51] Laut Zählungen einer Anwohnendeninitiative im Jahr 2017 in einer Fahrradstraße in Berlin, wurde diese zu 97 Prozent rechtswidrig von Kraftfahrzeugführern als Durchgangsstraße missbraucht.[52] Dies führt zu Konflikten zwischen dem Radverkehr und dem Kraftverkehr.[53] Städte versuchen teilweise dem mit Aufklärungskampagnen entgegenzuwirken[54] oder den Kfz-Verkehr mit einer Ausweisung der jeweiligen Straße als Einbahnstraße oder dem Einsatz von modalen Filtern zu reduzieren. Fahrradverbände betrachten eine grundsätzliche Sperrung von Fahrradstraßen für den Kfz-Verkehr oder zumindest versenkbare Poller als mögliche sinnvolle Lösung.[55]
Das Verwaltungsgericht Hannover stellt 2019 und 2021 nach einer Anwohnerklage gegen die Landeshauptstadt Hannover fest, dass die Einrichtung von Fahrradstraßen auch mit tatsächlichen Verbesserungen für den Radverkehr einhergehen muss.[56][57] Die dortige Anordnung einer Fahrradstraße mit enger Fahrgasse bei gleichzeitiger Zulassung gegenläufigen Kraftfahrzeugverkehrs beseitigt keine Gefahrenlage, sondern verschärft sie.[58]
In Berlin tendieren Navigationsysteme der Anbieter TomTom und Google Maps dazu, Autoverkehr durch Fahrradstraßen zu leiten.[59]
Siehe auch
- Liste der Fahrradstraßen in Hamburg
- Veloroute
- Busspuren – wenn für Radfahrer geöffnet, bieten sie ähnlichen Fahrkomfort wie Fahrradstraßen
Weblinks
- ADFC-Position zur Novellierung der StVO 2009 (PDF; 1,5 MB) Thema Fahrradstraßen, S. 6
Einzelnachweise
- Thilo Becker: Die Gestaltung des Erfolgsmodells Fahrradstraße – Weiterentwicklung für Tempo-30-Zonen. In: Straßenverkehrstechnik – Mai 2019, Seiten 332–340, abgerufen am 1. Dezember 2019
- Norbert Schläger u. a.: Sicherheitsbewertung von Fahrradstraßen und der Öffnung von Einbahnstraßen. Forschungsbericht Nr. 41. Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V., Berlin 2016.
- Laure Lemmens: Fietsstraat krijgt officieel verkeersbord. In: wegcode.be. Wolters Kluwer Belgium N.V., 27. Dezember 2012, abgerufen am 4. Januar 2018.
- Article 22novies. Circulation dans les rues cyclables. In: Arrêté royal portant règlement général sur la police de la circulation routière et de l’usage de la voie publique. Abgerufen am 4. Januar 2018.
- Artikel 22novies. Verkeer in fietsstraten. In: Koninklijk besluit houdende algemeen reglement op de politie van het wegverkeer en van het gebruik van de openbare weg. Abgerufen am 4. Januar 2018.
- Anlage 2 der Straßenverkehrs-Ordnung, Nummer 23 zu Zeichen 244.1
- Anlage 2 der Straßenverkehrs-Ordnung, Nummer 23 zu Zeichen 244.1, Erläuterung 2. dvr.de (Memento vom 29. Juni 2017 im Internet Archive) in Verbindung mit § 2 Absatz 5 Straßenverkehrs-Ordnung
- Anlage 2 der Straßenverkehrs-Ordnung, Nummer 23 zu Zeichen 244.1, Erläuterung 2. dvr.de (Memento vom 29. Juni 2017 im Internet Archive) in Verbindung mit § 25 Straßenverkehrs-Ordnung, insbesondere dessen Absatz 1 Sätze 1-2
- Anlage 2 der Straßenverkehrs-Ordnung, Nummer 23 zu Zeichen 244.1, Erläuterung 2. dvr.de (Memento vom 29. Juni 2017 im Internet Archive) in Verbindung mit § 24 Absatz 1 und § 25 Straßenverkehrs-Ordnung, insbesondere § 25 Absatz 1 Sätze 1-2
- § 31 Absatz 2 Straßenverkehrs-Ordnung
- Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung, zu Zeichen 244.1 und 244.2
- 4 RASt 06 (FGSV) Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, Ausgabe 2006. Abgerufen am 19. September 2021.
- Manche Autofahrer ignorieren die Regel einfach, Süddeutsche Zeitung, Interview mit dem Radverkehrsbeauftragten in München Florian Paul, 12. Juli 2018
- Stadt Kassel: Radverkehrskonzept Stadt Kassel 2030. Hrsg.: Stadt Kassel. Kassel 2019 (kassel.de [PDF]).
- Unfallforschung der Versicherer: Ergebnisartikel über Forschungsprojekt zur Sicherheit in Fahrradstraße und Einbahnstraßen. In: Verkehrssicherheit von Fahrradstraßen und geöffneten Einbahnstraßen. Unfallforschung der Versicherer (UDV), 9. September 2016, abgerufen am 28. Juni 2020.
- [Deutsches Institut für Urbanistik: Ausschussdrucksache 19(15)268-A Stellungnahme zur 50. Sitzung – Öffentl. Anhörung am 25. September 2019 Deutscher Bundestag, Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, abgerufen am 1. Dezember 2019]
- Anlage 2 StVO 2013 – Einzelnorm. Abgerufen am 1. Mai 2020.
- Wir machen den Straßenverkehr noch sicherer, klimafreundlicher und gerechter, BMVI am 14. 2. zur Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung mit Verkehrszeichen Fahrradzone, abgerufen am 6. März 2020
- (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
- Susanna Bauch: Neue Radroute parallel zur Lister Meile. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung. 24. Juli 2014 (haz.de).
- Stadt Münster. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 15. Februar 2016; abgerufen am 14. Februar 2016.
- Christoph Rauch: Fahrradstraßen statt Autobahn! BLN.FM, 1. Februar 2014, abgerufen am 7. Juli 2015.
- Fahrradstraßen in Kiel. In: kiel.de. Landeshauptstadt Kiel, abgerufen am 7. Juli 2015.
- Fünf Jahre fahrradfreundliche StVO-Novelle. In: Rad im Pott. Abgerufen am 9. September 2015.
- Fahrradstraßen. Straßen mit Vorrang für den Radverkehr. In: muenchen.de. Landeshauptstadt München, Kreisverwaltungsreferat, 2014, abgerufen am 7. Juli 2015.
- Landeshauptstadt München, Redaktion: Fahrradstraßen. Abgerufen am 24. Januar 2018.
- Süddeutsche Zeitung, 6. September 2018
- Fahrradstraße: Weniger Autos, mehr Sicherheit, op-online.de, 29. Januar 2019.
- Fahrradstraßen in Bonn, eingefügt am 3. Nov. 2019
- Fahrradstraßen in Hannover (Memento vom 4. November 2020 im Internet Archive) Landeshauptstadt Hannover, Fachbereich Tiefbau, PDF, 3,4 MB
- Nina Willborn: Roter Teppich für Radler : Parkallee offiziell als Fahrradstraße markiert weser-kurier.de, 16. April 2019, abgerufen am 28. Mai 2020.
- Kristoff Meller: Schnell und sicher in den Süden. In: Verlagshaus Jaumann. Verlagshaus Jaumann, 22. Oktober 2021, abgerufen am 24. Oktober 2021.
- Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal - Dokument: VG Hannover 7. Kammer | 7 A 5667/19 | Urteil | Langtext vorhanden. Abgerufen am 21. Januar 2022.
- Leitfadens für die Umsetzung von Fahrradstraßen in Berlin, abgerufen am 21. Januar 2021
- Fietsstraat. In: Veilig Verkeer. Abgerufen am 4. Januar 2018.
- § 67 der Straßenverkehrsordnung 1960, in Kraft getreten am 31. März 2013. Bundeskanzleramt Österreich; abgerufen am 8. April 2014.
- BGBl. I Nr. 39/2013
- Herkömmliche Straßen könnten bald Fahrradstraßen weichen. derStandard.at
- Radstraßen: ÖVP kippt rot-grünes Prestigeprojekt. Die Presse, 29. März 2011
- Der Radverkehr nimmt langsam Schwung auf. Die Presse, 14. Mai 2011
- Wien hat erste Fahrradstraße Österreichs, Kuchelauer Hafenstraße nach Inkrafttreten der StVO Novelle erste Strecke. Stadt Wien, 3. April 2013
- Zweite Fahrradstraße Wiens in Hietzing eröffnet. abgerufen am 15. August 2015
- Stefan Manser et al.: Pilotversuch Velostrassen : Auswertung Pilotversuch : Bundesamt für Strassen (ASTRA). Metron Bern AG, 4. Januar 2018. Begleitet durch Bundesamt für Strassen (ASTRA) und Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu). Downloadbar auf:Pilotversuch Velostrassen mobilitaet.bs.ch, Kanton Basel-Stadt Mobilitätsplanung, Verkehrsinfrastruktur, abgerufen am 28. Mai 2020. – «Bereits seit den 1980er Jahren werden in den Niederlanden Velostrassen (Fietsstraten) angeordnet. Heute bestehen landesweit über 1'000 Velostrassen. 1997 wurden Velostrassen in Deutschland, 2012 in Belgien und 2013 in Österreich eingeführt.» (S. 13) … (über NL, D, A, B:) zeigt, dass zwar die Zielsetzungen und das Grundkonzept Velostrasse überall ähnlich sind, die konkreten Regelungen der Rechte und Pflichten und der Anforderungen für eine Anordnung sich jedoch stark unterscheiden. … Beispiele auch in Schweden und den USA (S. 15) … Schlussfolgerungen und Ausblick (S. 65–68)
- Martin Regenass: «Ich fahre jetzt wie eine Wilde» bazonline.ch, Dezember 2016, abgerufen am 28. Mai 2020.
- Fabian Baumann: Astra sagt Jein zu Velostrassen velojournal.ch, 29. Januar 2019, abgerufen am 28. Mai 2020.
- Sabine Dahinden: Pilotprojekt mit Velostrassen – Freie Fahrt für Velos. In: srf.ch. 5. Februar 2019, abgerufen am 6. Februar 2019.
- Pilotstädte fordern Einführung von Velostrassen – doch das Astra steht auf der Bremse watson.ch, 5. Februar 2019, abgerufen am 28. Mai 2020.
- Städte sprechen sich für die Einführung von Velostrassen aus : Bund schlägt weitere Diskussionen mit Fachgremien und -verbänden vor stadt-zuerich.ch, Stadt Zürich, Sicherheitsdepartement. 5. Februar 2019, abgerufen am 28. Mai 2020.
- Neue Verkehrsregeln ab 1. Januar 2021. Abgerufen am 31. Dezember 2020.
- Fahrrad-Filter für Nebenstraßen | ADFC radzeit. Abgerufen am 28. Juni 2020 (deutsch).
- Gudrun Mallwitz: So leiden Berliner Kieze unter dem Verkehr in Nebenstraßen. 20. Oktober 2018, abgerufen am 28. Juni 2020 (deutsch).
- Demo „Echte Fahrradstraße“ statt 97 Prozent illegaler Durchgangsverkehr in der Prinzregentenstraße. Abgerufen am 28. Juni 2020.
- Berliner Zeitung: Kampfzone Fahrradstraße. Abgerufen am 28. Juni 2020 (deutsch).
- "Was ist eine Fahrradstraße?" Abgerufen am 28. Juni 2020.
- Fahrradstraße Harvestehuder Weg: ADFC fordert: Poller statt Autos. 11. März 2016, abgerufen am 28. Juni 2020 (deutsch).
- Nach Gerichtsurteil: Hannovers Fahrradstraßen auf dem Prüfstand. Abgerufen am 17. August 2021.
- Verwaltungsgericht: „Wo Fahrradstraße draufsteht, muss auch Fahrradstraße drin sein“. Abgerufen am 17. August 2021.
- Anwohnerklage gegen Fahrradstraße erfolgreich | Verwaltungsgericht Hannover. Abgerufen am 17. August 2021.
- In Berlin verleiten Google Maps und TomTom Autofahrer·innen zu Gesetzesverstößen. 24. Februar 2021, abgerufen am 2. März 2021 (deutsch).