Ernst Wolff (Autor)
Ernst Wolff (* 1950 in Tianjin/VR China) ist ein deutscher Autor. Schwerpunkt seiner oft in sogenannten Alternativmedien veröffentlichten Beiträge ist die Kritik an der internationalen Finanzwirtschaft.
Leben
Wolff wurde im chinesischen Tianjin geboren,[1] wuchs in Südostasien auf und ging in Deutschland zur Schule. Er war in unterschiedlichen Berufen tätig, unter anderem als Journalist, Dolmetscher und Drehbuchautor.
Wolff ist geschieden, Vater von zwei erwachsenen Kindern und lebte 2017 im Großraum Berlin. Bei der Bundestagswahl 2021 kandidierte er erfolglos als Direktkandidat für die Basisdemokratische Partei Deutschlands.
Publikationen und Videosendungen
Seine Bücher handeln von den wechselseitigen Beziehungen zwischen Politik und Wirtschaft, insbesondere von der Geld- und Finanzwirtschaft[2] und von dem Internationalen Währungsfonds (IWF).
Weltmacht IWF stand auf der Spiegel-Bestsellerliste für Bücher im Bereich Wirtschaft.[3] Finanztsunami stand auf Platz eins der Bestseller im Bereich Wirtschaft des Manager Magazins.[4]
Wolff publiziert Artikel in Onlinemagazinen wie telepolis und Rubikon sowie in Politblogs. Er produziert Videosendungen mit KenFM, etwa die Serie The Wolff of Wall Street, mit Klagemauer.tv (kla.tv), nuoviso und anderen Youtubekanälen. Er wird auch bei Sputnik News als Autor geführt. Er publizierte auch Artikel im Contra Magazin,[5] und auf goldseiten.de.[6]
Weltmacht IWF: Chronik eines Raubzuges (2014)
Rezension Der Politologe Henrik Scheller referiert das Ziel Wolffs aus dem Vorwort: Wolff wolle erklären, wie „eine Organisation, die rund um den Globus solch ungeheures menschliches Leid verursache, weiterhin ungestraft handeln und auch in Zukunft mit der Unterstützung der mächtigsten Kräfte unserer Zeit rechnen“ könne.
Die Kapitel zur historischen Entwicklung beurteilt Scheller als informativ, attestiert aber schon für diesen Teil einen „latent verschwörungstheoretische(n) Duktus“, insofern auf „unpersonalisierte Mächte, Geheimdienste und Strategen“ verwiesen werde. Das Vorgehen des IWF werde an einzelnen Fallbeispielen als „planvolles, intentionales und eigennutzorientiertes Handeln“ dargestellt. Er zitiert Wolff: „Ohne die systematische Vorbereitung durch den IWF wäre die humanitäre Katastrophe der neunziger Jahre auf dem Balkan nicht möglich gewesen“. In ähnlicher Weise beschreibe Wolff auch die Rolle des IWF bei der lateinamerikanischen Schuldenkrise, beim Zusammenbruch der Sowjetunion, in Südafrika, der Argentinien‑Krise sowie der seit 2008 schwelenden Krise in Europa.
Scheller stimmt zu, dass diese Krisen kontextualisiert und die Rolle der Regierungen analysiert werden müssten. Die Personalisierung der globalen Prozesse sei jedoch fragwürdig, wenn etwa Horst Köhler als Wegbereiter der größten „Bankenbereicherung“ bezeichnet wird, die jemals auf europäischem Boden stattgefunden habe. Wolffs „Anklageschrift“ bleibe außerdem konstruktive und realistische Reformansätze und Alternativszenarien schuldig.[7]
Hauptaussagen
Die Finanzindustrie bediente sich nach Wolffs Auffassung des Bretton-Woods-Systems, um ein auf den US-Dollar zugeschnittenes, ihn begünstigendes und alle anderen Währungen der Welt benachteiligendes System zu schaffen. Dessen Akzeptanz beruhe, so Wolff, auf einer Täuschung: Die Gründer nannten die Bank nicht Zentralbank, sondern “Federal Reserve System” („Bundesstaatliches Reservesystem“) und hätten es dem amerikanischen Volk als einen Regulierungsmechanismus zur Kontrolle der Banken verkauft.
Wolff versucht die Frage zu beantworten, warum die Finanzmärkte zum Maß aller Dinge geworden zu sein scheinen. Nach zwei Weltkriegen hätten vor allem die durch die Kriegskreditvergabe zur Weltmacht aufgestiegenen Finanzinstitute der New Yorker Wall Street die globale Führung übernommen. Auf der Konferenz von Bretton Woods 1944 sei von der Politik ein Währungssystem ins Leben gerufen worden, „das ganz und gar auf die Bedürfnisse der Wall Street zugeschnitten war und die gesamte Welt der Herrschaft des US-Dollars unterwarf.“
Wolff ist der Auffassung, dass selbst bei dem „Beinahe-Crash des globalen Finanzsystems“ 2008 keine wirksame Maßnahme getroffen worden sei, um Auswüchse und Fehlentwicklungen zu beenden. Wolff meint, die Politik habe eine eigentümliche Logik, der zufolge die Finanzmärkte wie das Wetter dem Willen der Menschen entzogen seien. Dies hält Wolff für eine bewusste Verschleierung der Realität, die hauptsächlich durch die Medien geleistet werde.
Wolff sieht vier mögliche Konsequenzen in der Situation der Krise, die den Kollaps hinauszögern oder aufhalten: eine IWF-Währung, Helikoptergeld, Diktatur oder Krieg. Die Finanzelite habe Mythen verbreitet, die ihr helfen sollen, die Krise zu überstehen: die Reset-Theorie, die Annahme, Asien, besonders China könnten ein Gegengewicht zu Weltbank und IWF bilden, der Glaube an demokratische Reformen und die Propagierung von Lösungen auf nationaler Ebene. Keine dieser Theorien bietet nach Wolffs Meinung einen Ausweg aus der Krise.
Rezeption und Kritik
Wolffs Schriften, Vorträge und Videos werden hauptsächlich in alternativen Medien rezipiert.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, warnte vor der Ausbreitung antisemitischer Verschwörungstheorien in der Corona-Krise. Nach seiner Erwähnung des Youtube-Influencers Mazdak folgt ein Abschnitt zu Ernst Wolff, der von einem „finanzfaschistischen Coup“ sprach, „hinter dem“ die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stecke:[8] „Im Grunde ist das nichts anderes als ein finanzfaschistischer Coup und zwar international orchestriert – offensichtlich“.[9]
Wolff ist der Auffassung, die WHO werde zu mehr als 85 Prozent von der Pharmaindustrie und privaten Stiftungen finanziert. Die größte dieser Stiftungen sei die Bill & Melinda Gates Foundation.[8]
Über Wolffs Beiträge beim einschlägigen Internetportal KenFM und im Infosperber schrieb der Schweizer Wirtschaftsjournalist Philipp Löpfe, dass er darin eine krude Mischung aus Antikapitalismus und Österreichischer Schule vertrete. Die Kreditschöpfung der Zentralbanken sei für Wolff lediglich ein Komplott zur Verarmung des redlichen Mittelstandes. Die Corona-Krise solle nur vertuschen, dass in Wahrheit das Finanzkapital gerade dabei wäre, das vor dem Ruin stehende Finanzsystem zu seinen Gunsten umzubiegen. Wolffs Thesen wären viel gefährlicher als die plumpen Verschwörungstheorien der Rechtsextremen, da er durch Versatzstücke aus seriösen Wirtschaftstheorien Glaubwürdigkeit vorspiegele und zugleich die echten Gefahren der COVID-19-Pandemie bagatellisiere.[10]
Die Politikwissenschaftlerin Kira Ayyadi von Belltower.News (Amadeu Antonio Stiftung) kritisiert, Wolff sei „selbst ernannte(r)“ Ökonom, er sei unseriös, da er auch bei „Rubikon“ publiziere und Videosendungen unter anderem mit „faktenfernen und Verschwörungen zugeneigten Kanälen“ wie KenFM, NuoViso sowie Kla.TV produziere. Endgültig habe Wolff seine Glaubwürdigkeit jedoch mit seinem Auftritt bei Ivo Saseks „Anti-Zensur-Koalition“ (AZK) 2019 verloren.
Wolff, der eine undefinierte „demokratische Geldordnung“ anstrebe, charakterisiere die derzeitige Situation als ein „bewusstes Herbeiführen eines Crashs“. Er äußere in einem Video: „Wir sind in der Endphase dieses Geldsystems und wir erleben die absolute Plünderungs-Orgie durch die Großinvestoren im Moment.“ Die ganze „Corona-Hysterie“ (Falschinformationen zur COVID-19-Pandemie) diene einer Enteignung vieler. Das Ziel sei eine Währungsreform.
Kira Ayyadi sieht hinter der Darstellung Wolffs in einem Video bei „Eingeschenkt.TV“ „antisemitische Codes“. Diese würden vom Publikum verstanden und decodiert, wie aus den Zuschauerkommentaren bei YouTube ersichtlich sei.[11][12][13] Diese Begründung vertreten auch Morten Freidel in der FAZ[14] und Armin Pfahl-Traughber in einem Artikel von HaGalil über die soziologischen Konstanten von Protestbewegungen. Pfahl-Traughber: „Die behaupteten Akteure dahinter nennt er nicht, werden darunter aber als „Juden“ in den Kommentaren identifiziert. Auch ohne genaue Benennung erkennt man die nahegelegten Schuldigen, da die Anspielungen von Gesinnungsgleichen wahrgenommen werden.“ Typisch sei für diese Protestform das Verschweigen des Bezugs auf Juden. Pfahl-Traughber ordnet die Äußerungen Wolffs den „antisemitische(n) Corona-Protestformen“ zu, die er als Renaissance mittelalterlicher Verschwörungsideologien interpretiert. Seiner Auffassung nach sind diese eine soziologische Konstante in Krisenzeiten.[15]
Die taz titelt zum „Wissenskongress“ von AfD-Funktionären am 28. Februar 2016 im Parktheater Iserlohn: „Für alle Verschwörungsfans was dabei.“ Ernst Wolff als vierter Referent nach Daniele Ganser, Michael Vogt und Eva Herman passe gut in das Konzept der einfachen Wahrheiten des Wissenskongresses: Die Welt würde, so glaube Wolff, "komplett von der Finanzindustrie beherrscht".[16]
Ingrid Brodnig ordnete Wolff in den Kreis der Verbreiter von Falschnachrichten ein, insofern er Spekulationen über eine Umstellung des Wirtschaftssystems vertrete: Es ginge, so Wolffs Behauptung, Regierungen oder nebulösen Finanzakteuren darum, „das Wirtschaftssystem stillzulegen und Bürger womöglich sogar von einem Teil ihres Geldes zu enteignen.“ Bei Wolffs Videoproduktionen handele es sich vielfach um „unbelegte Meinungen und Spekulationen, die aber enorme Aufmerksamkeit auf sich ziehen.“[17]
Publikationen
- Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs. Tectum Wissenschaftsverlag, Marburg 2014, ISBN 978-3-8288-3329-6.
- Pillaging the World – the history and politics of the IMF. Tectum Wissenschaftsverlag, Marburg 2014, ISBN 978-3-8288-3438-5.
- Finanz-Tsunami – Wie das globale Finanzsystem uns alle bedroht. Berlin 2017, ISBN 978-3-00-057533-4.
- Die internationale Finanzordnung als kriminelles Konstrukt des Tiefen Staats. In: Jens Wernicke, Ulrich Mies (Hrsg.): Fassadendemokratie und tiefer Staat. Auf dem Weg in ein autoritäres Zeitalter. Promedia, Wien 2017, ISBN 978-3-85371-425-6.
- US-Kriege und Stellvertreterkriege seit 1945: Jetzt rückt Iran ins Fadenkreuz. In: Ulrich Mies (Hrsg.): Der Tiefe Staat schlägt zu: Wie die westliche Welt Krisen erzeugt und Kriege vorbereitet. Promedia, 2019, ISBN 978-3-85371-449-2, S. 263 ff.
- Wolff of Wall Street : Ernst Wolff erklärt das globale Finanzsystem. Promedia Verlag, Wien 2020, ISBN 978-3-85371-474-4.
Weblinks
- Literatur von und über Ernst Wolff im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Ernst Wolff in der bibliografischen Datenbank WorldCat
- Ernst Wolff in der Internet Movie Database (englisch)
Einzelnachweise
- Wahl zum 20. Deutschen Bundestag am 26. September 2021, hg. vom Bundeswahlleiter, Wiesbaden 2021, S. 77.
- Huffington Post: So riskant ist unser Banksystem wirklich vom 26. Oktober 2015, aufgerufen am 28. Januar 2018.
- Weltmacht IWF -. (Nicht mehr online verfügbar.) buchreport.de, archiviert vom Original; abgerufen am 3. Februar 2018 (deutsch).
- buchreport. Abgerufen am 25. Mai 2020 (deutsch).
- https://www.psiram.com/de/index.php/Contra_Magazin
- GoldSeiten People: Ernst Wolff | Profil des Autors. Abgerufen am 25. Mai 2020.
- Henrik Scheller, Rezension zu: Ernst Wolff: Weltmacht IWF. Marburg 2014, in: Portal für Politikwissenschaft. (online, veröffentlicht am 9. April 2015)
- Felix Klein warnt vor judenfeindlichen Verschwörungstheorien, Jüdische Allgemeine, 26. März 2020. Abgerufen am 19. April 2020.
- YouTube: Wenn ein selbsterklärter „Ökonom“ mit Antisemitismus Corona erklären will. In: Belltower.News. Abgerufen am 17. Mai 2020 (deutsch).
- Philipp Löpfe: Corona-Ökonomie pervers: Von Schmarotzern und Heuschrecken. In: Watson. 6. April 2020, abgerufen am 30. November 2021.
- Wenn ein selbsterklärter Ökonom mit Antisemitismus Corona erklären will, Belltower.news, 25. März 2020. Abgerufen am 19. April 2020.
- Corona: der Zusammenbruch ds Systems. https://eingeschenkt.tv/ernst-wolff-corona-und-der-herbeigefuehrte-crash-coronavirus/
- Ernst Wolff: #Corona und der herbeigeführte Crash. #Coronavirus. Abgerufen am 27. Mai 2020 (deutsch).
- Morten Freidel: Corona-Verschwörungstheorien: Der Wahn aus dem Netz. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 17. Mai 2020] Ebenso argumentiert hier im FAZ-Artikel Morten Freidel: „Die meisten Videos von Gedeon haben nicht viele Zuschauer. Dieses haben sich allerdings Hunderttausende angesehen. Wie auch eines, in dem der Autor Ernst Wolff vor einem „finanzfaschistischen Coup“ warnt. Der diene den Interessen einer kleinen Clique. Wolff sagt nicht, wem genau. Die Zuschauer schreiben es aber unter das Video: den Juden.“).
- von TLV-01: Antisemitische Corona-Protestformen als Renaissance mittelalterlicher Verschwörungsideologien. In: haGalil. 23. Mai 2020, abgerufen am 25. Mai 2020 (deutsch).
- „Wissenskongress“ von AfD-Funktionären. Abgerufen am 18. Mai 2020.
- Salzburger Nachrichten: Coronavirus - Faktenchecks zu aktuellen Fake News. Abgerufen am 25. Mai 2020.