Doschd
Doschd. Optimistic Channel (russisch Дождь, eigene Schreibweise: До///дь, „Regen“, internationale Bezeichnung TV Rain) ist ein unabhängiger russischer Fernsehkanal. Internationale Aufmerksamkeit erreichte der Sender durch seine umfangreiche Berichterstattung über die Proteste nach den russischen Parlamentswahlen 2011.[1][2][3] Der Sender gehört der Medienunternehmerin und Journalistin Natalja Sindejewa. Seit 2014 konnte der Sender nur noch über Internet empfangen werden und hatte 80 Prozent des Publikums eingebüßt. Am 1. März 2022 wurde der Sender wegen der nicht der offiziellen Propaganda entsprechenden Berichterstattung von den Behörden gesperrt.
Doschd | |
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![]() Senderlogo | |
Fernsehsender (Privatrechtlich) | |
Programmtyp | Spartenprogramm (Nachrichten/Information/Dokumentation) |
Empfang | Kabel, Satellit, Livestream |
Bildauflösung | 576i (SDTV) 1080i (HDTV) |
Sendestart | 27. April 2010 |
Sprache | Russisch |
Sitz | Moskau, ![]() |
Eigentümer | Doschd Media Holding |
Liste von Fernsehsendern | |
Website |

Geschichte

Doschd wurde von Natalja Sindejewa gegründet, die auch Inhaberin des Radiosenders Serebrjany doschd (russisch Серебряный дождь) ist. Der Fernsehsender nahm seinen Sendebetrieb am 27. April 2010 auf, zunächst nur im Internet. Programm und Darbietung sind in hohem Maße auf ein Internet-affines Publikum abgestimmt, mit vielen interaktiven Elementen und einer weitgehenden Nutzung der Möglichkeiten, die durch die Verbindung von Netz und Fernsehen entstehen.
Später war der Sender auch in einigen Regionen Zentralrusslands über Satellit oder Kabel zu empfangen. Seine wichtigste Zielgruppe sind jedoch Internet-Nutzer, die dem traditionellen staatlichen Fernsehen wenig Interesse entgegenbringen.
Als der Sender zunächst als einziger Fernsehkanal über die Proteste nach der Duma-Wahl 2011 berichtete, nahm die Zuschauerzahl sprunghaft zu. Wegen seiner unabhängigen Berichterstattung über die russische Innenpolitik, in der – anders als bei den großen russischen Fernsehsendern – auch regierungskritische Stimmen zu Wort kommen, wird Doschd bisweilen als „Oppositionssender“ bezeichnet.[4]
Im Januar 2014 löste der Sender mit einer einzelnen Sendung, zu deren Konzept Umfragen gehörten, Empörung aus, als er zum 70. Jahrestag der Aufhebung der Leningrader Blockade eine Umfrage startete, ob die Stadt „zum Schutze Tausender von Menschenleben“ nicht auch der angreifenden Wehrmacht (in Russland stets „Faschisten“ genannt) hätte überlassen werden können.[5] Satelliten- und Kabelfernsehenanbieter stoppten die Verbreitung des Kanals, wobei es auch laut Lenta Hinweise auf eine politische Kampagne gab zur „Beseitigung unerwünschter liberaler Medien“. Seit Februar 2014 ist Doschd nicht mehr großflächig in Russland empfangbar und der Sender verlor auf einen Schlag 80 Prozent der Zuschauer.[6] Chefredakteur Michail Sygar machte politischen Druck aus Moskau hierfür verantwortlich. Der Menschenrechtsrat des Präsidenten verlangte die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Netzbetreiber, welche damit die Funktion von Zensoren ausübten.[7] Doschd kann seither nur noch über das Internet und über einige regionale Anbieter in Russland empfangen werden.[8][9] Die Finanzierung erfolgt über Abonnements der Leser; dies bedeutet eine weitere Hürde für die Gewinnung von Zuschauern, welche Gratis-Staatsmedien gewohnt sind.[10]
Am 25. November 2014 zeichnete das Komitee zum Schutz von Journalisten den Chefredakteur von Doschd, Michail Sygar, mit einem Preis für Pressefreiheit aus.[11]
Am 17. Dezember 2014 nahm Xenija Anatoljewna Sobtschak für den bedrängten Sender an der Pressekonferenz von Wladimir Putin teil und konnte – entgegen dem üblichen Ablauf – zwei Fragen stellen, deren zweite die Hetze gegen Oppositionelle zum Thema hatte.[12][13] Der russische Präsident verneinte jeglichen offiziellen Einfluss: „Keine offizielle Person, niemand aus den Staatsorganen nimmt an Hetzjagden teil.“[14] Präsident Putin persönlich hatte Mitte März in seiner Siegesrede anlässlich der Krimkrise vor möglichen Feinden im Inneren gewarnt, die von außen gesteuert seien.[15]
Am 14. September 2017 wurde Sindejewa mit dem M100 Media Award ausgezeichnet.[16]
Im Juli 2019 präsentierte Darja Polygajewa ihre Sendung mit einer Flasche georgischen Weins auf dem Tisch, während in der Duma der Boykott desselben verhandelt wurde.[17]
Im Laufe des 1. März 2022 wurde der Zugang zum Sender auf Forderung der russischen Generalstaatsanwaltschaft gesperrt.[18] Der Sender hatte trotz Verbots Putins weiter über den Russischen Überfall auf die Ukraine 2022 berichtet.
Die Filmemacherin Wera Kritschewskaja porträtierte den Sender und dessen Produzentin in dem Dokumentarfilm F@ck this Job – Abenteuer im russischen Journalismus. Der Film wurde am 28. Februar 2022 im Ersten ausgestrahlt.[19]
Am 3. März 2022 gab Doschd live bekannt, dass der Sender seine Arbeit vorübergehend einstellt. Vor laufender Kamera trat die gesamte Belegschaft zurück und spielte zum Abschluss den Schwanensee.[20] Später berichtete der Chefredakteur Tichon Dsjadko, dass er und weitere Redaktionsmitglieder Russland aus Sicherheitsgründen verlassen hatten.[21]
Programm
Das Programm des Senders besteht zu etwa zwei Dritteln aus Live-Sendungen, wobei politische Berichterstattung und Diskussionen weiten Raum einnehmen. Dazu kommen Konzerte, Lesungen, experimentelle Programme, Dokumentarfilme und Videokunst.
Auszeichnungen
- 2014: Gerd Bucerius-Förderpreis Freie Presse Osteuropas[22]
Einzelnachweise
- BBC: Analysis: Russian TV grapples with protests. 10. Dezember 2011.
- Frankfurter Rundschau: Russland: Die Revolution der Hipster. 7. Dezember 2011.
- Zapp (Magazin): Wahlprotest: Internet-TV kritisiert Regierung (Memento vom 9. Januar 2012 im Internet Archive). 14. Dezember 2011.
- Google-Suche „Oppositionssender Doschd“
- Никаких этических переживаний. «Дождь» объяснил свой конфликт с кабельщиками политикой, Lenta.Ru, 30. Januar 2014
- Putins Propaganda, ARTE, 8. September 2015, Minute 37
- Die Staatsanwaltschaft fand keinen Extremismus bei Doschd, lenta.ru, 31. Januar 2014
- Putin-kritischer TV-Sender Doschd sieht sich bedroht. In: Spiegel Online. 4. Februar 2014, abgerufen am 7. Dezember 2014.
- Doschd, einem der letzten unabhängigen TV-Kanäle Russlands, droht das Aus. In: tagesspiegel.de. Abgerufen am 7. Dezember 2014.
- Drowning in a sea of paranoia and propaganda (Memento vom 4. Januar 2016 im Internet Archive)
- Laudatio
- Russland: Hetze gegen Opposition, info.arte.tv, 26. September 2014
- Putins treue Denunzianten, Die Zeit, 11. September 2014
- Die Schöne und der Präsident, FAZ, 18. Dezember 2014
- Oppositionelle fürchten Putins Daumenschrauben, Deutschlandfunk, 10. April 2014
- Gegen den Apparat in FAZ vom 15. September 2017, Seite 15
- Ведущая „Дождя“ вышла в эфир с бутылкой грузинского вина. Кто еще выражал протест в прямом эфире?, BBC, 11. Juli 2019 (russisch)
- TV Rain Inc: Генпрокуратура потребовала заблокировать доступ к Дождю и «Эху Москвы». 1. März 2022, abgerufen am 1. März 2022.
- F@ck this job - Reportage & Dokumentation - ARD | Das Erste. Abgerufen am 1. März 2022.
- TV Rain Inc: Телеканал Дождь временно приостанавливает свою работу. 3. März 2022, abgerufen am 3. März 2022.
- Chefredakteur von unabhängigem TV-Sender flieht aus Russland. Abgerufen am 4. März 2022 (deutsch).
- Ольга Мищенко: Журналисты из России, Украины, Беларуси награждены немецкой премией (ru) Deutsche Welle. 12. Juni 2014. Abgerufen am 7. April 2021.