Deutsches Buch- und Schriftmuseum
Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum (DBSM) in Leipzig ist das weltweit älteste Fachmuseum seiner Art und wurde 1884 als Deutsches Buchgewerbe-Museum gegründet. Geleitet wird es seit 2007 von Stephanie Jacobs.[1]
Bestand
Das Museum sammelt, bewahrt und erschließt wertvolle Zeugnisse der Buch-, Schrift- und Papierkultur. Die Bereitstellung einmaliger Studiensammlungen und der zugehörigen Fachliteratur für wissenschaftliche Zwecke, insbesondere für die Buch- und Papiergeschichtsforschung, ist ein wesentliches Anliegen der musealen Arbeit. Neben einer Dauerausstellung bringt das Museum wechselnde thematische Ausstellungen an die Öffentlichkeit.
Hauptinitiator war der Buchhändler Carl Berendt Lorck. Den Grundstock des Bestands bildet die 1886 auf Beschluss des Sächsischen Landtags aufgekaufte Sammlung des Verlegers Heinrich Klemm, die dem Deutschen Buchgewerbeverein zur Ausstellung in seinem Buchmuseum überlassen wurde.[2] Sie umfasst heute rund 67.000 Titel, darunter befinden sich rund 23.000 museale Drucke von der Inkunabelzeit bis zum 21. Jahrhundert. Das Museum verfügt über rund 150.000 Archivalien, die seit 1844 vom Buchhandelsarchiv des Leipziger Börsenvereins zusammengetragen wurden. Außerdem hat es mit 400.000 Exemplaren die weltweit größte erschlossene Sammlung von Wasserzeichen. Insgesamt sind etwa 1 Million Bestandseinheiten vorhanden.
Geschichte
Am 29. Oktober 1884 erfolgte die Gründung als Deutsches Buchgewerbe-Museum, es handelt sich damit um das älteste Buchmuseum der Welt. Es hatte seinen Sitz zunächst in der Buchhändlerbörse in der Ritterstraße, ab 1888 im Buchhändlerhaus in der Hospitalstraße und ab 1900 im Buchgewerbehaus in der Dolzstraße. 1914 übernahm das Museum bedeutende Ausstellungsstücke von der Bugra. 1939 zog das Museum in einen 1936 bis 1938 errichteten Erweiterungsbau des Deutschen Buchgewerbehauses am Gutenbergplatz und eröffnete am 22. Juni 1940 (Johannistag) in einer Feierstunde aus Anlass der Fünfhundert-Jahrfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst durch Johannes Gutenberg[3] eine neue Schausammlung.[4] Die Präsentation erstreckte sich auf 24 Räume.[5] Im Zweiten Weltkrieg wurde das Museum durch einen schweren Luftangriff in der Nacht zum 4. Dezember 1943 so sehr beschädigt, dass drei Viertel des Buchbestandes zerstört wurden. Einige der wertvollsten Stücke, darunter eine Gutenberg-Bibel, waren zuvor nach Schloss Rauenstein ins Erzgebirge ausgelagert worden. Dort wurden sie im September 1945 von der Roten Armee beschlagnahmt und nach Moskau gebracht, wo sie sich bis heute in der Russischen Staatsbibliothek befinden. Die 1901 bzw. 1911 erworbenen Buntpapiersammlungen von Ernst Seegers bzw. Franz Bartsch hatten den Luftangriff in Leipzig überstanden.[6]
Seit 1950 gehört das Museum als eine Abteilung zur damaligen Deutschen Bücherei Leipzig und ab 2006 zur Deutschen Nationalbibliothek. 1954 wurde die Sammlung der unter dem Direktor Heinrich Uhlendahl begründeten und von Julius Rodenberg geleiteten Abteilung für kostbare Drucke in das Museum integriert. Als die Deutsche Bücherei 1962 das Jubiläum ihres fünfzigjährigen Bestehens feierte, wurde seitens des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig jener Teil der ehemaligen Bibliothek übergeben, der die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs überstanden hatte.[7] Das Deutsche Papiermuseum, das 1897 als Privatinitiative von Karl Theodor Weiß gegründet worden war und von 1957 bis 1964 in Greiz als staatliche Einrichtung unter der Leitung von Wisso Weiß bestanden hatte, wurde 1964 als Sachgebiet in das Museum übernommen.
Eine Expertenkommission unter der Leitung von Bernhard Fabian legte 1994 eine Denkschrift vor, die sich mit der Weiterentwicklung des Museums als Ausstellung und Arbeitsstätte für die Buchforschung befasste.[8] 2007 war der Baubeginn für einen auf einem Entwurf der Stuttgarter Architektin Gabriele Glöckler basierenden Erweiterungsbau, der im Mai 2011 eröffnet wurde.[9] Die neue Dauerausstellung „Zeichen Bücher Netze: Von der Keilschrift zum Binärcode“ wurde am 13. März 2012 eröffnet.[10][11] Unter dem gleichen Titel wurde am 18. Mai 2014 die erste virtuelle Ausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums veröffentlicht. Sie ist zweisprachig, frei zugänglich und bietet in elf Themenmodulen – darunter Handschriftenkultur, Buchdruck, Zensur und Lesewelten – vielfältige Einblicke in die Geschichte der Medien.[12]
- Direktoren
- 1889–1898: Konrad Burger
- 1898–1903: Rudolf Kautzsch
- 1903–1904: Eduard Toennies
- 1905–1908: Erich Willrich
- 1909–1913: Johannes Schinnerer
- 1913–1929: Albert Schramm
- 1929–1954: Hans H. Bockwitz
- 1955–1985: Fritz Funke
Auszeichnungen
- 1970 wurde das Museum mit dem Gutenberg-Preis der Stadt Leipzig ausgezeichnet.
- 2012 Antiquaria-Preis für die Dauerausstellung „Zeichen – Bücher – Netze. Von der Keilschrift zum Binärcode“
Literatur
- Hans H. Bockwitz: Das Deutsche Museum für Buch und Schrift. 1884-1934. In: Archiv für Buchgewerbe und Gebrauchsgraphik 71 (1934), Nr. 10, S. 623–664.
- Fritz Funke: Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Bücherei in Leipzig. In: Gutenberg-Jahrbuch 59 (1984), S. 194–210.
- Lothar Poethe unter Mitarbeit von Hannelore Schneiderheinze: Chronik des Deutschen Buch- und Schriftmuseums. In: Stephanie Jacobs (Hg.): Zeichen – Bücher – Wissensnetze. 125 Jahre Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek. Wallstein, Göttingen 2009, S. 377–390.
- Stephanie Jacobs: In neuem Gewand … Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek wird 125 Jahre alt und erhält in Leipzig ein neues Domizil. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 56 (2009), S. 373–379.
Siehe auch
- Die Datenbank der Buchhändlerischen Geschäftsrundschreiben des DBSM mit Daten aus Geschäftsrundschreiben rund um den Buchhandel ab der Mitte des 18. Jahrhunderts[13]
Weblinks
- Deutsches Buch- und Schriftmuseum
- Zeichen - Bücher - Netze, virtuelle Ausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums
Einzelnachweise
- Dr. Stephanie Jacobs neue Leiterin des Deutschen Buch- und Schriftmuseums. In: Buchmarkt. 26. März 2007, abgerufen am 12. Februar 2022.
- Hans H. Bockwitz: Heinrich Klemm und sein „Bibliographisches Museum“. Zu seinem 50.Todestage am 28. November 1936. In: Archiv für Buchgewerbe und Gebrauchsgraphik 73 (1936), S. 493–495.
- Feierstunde des Deutschen Buchgewerbevereins und Eröffnung des Deutschen Buchmuseums. In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, Jg. 108, Nr. 145, 25. Juni 1940, S. 234.
- Lothar Poethe unter Mitarbeit von Hannelore Schneiderheinze: Chronik des Deutschen Buch- und Schriftmuseums. In: Stephanie Jacobs (Hg.): Zeichen – Bücher – Wissensnetze. 125 Jahre Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek. Wallstein, Göttingen 2009, S. 382.
- Hans H. Bockwitz: Rundgang durch die Schausammlung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums, Gründungsbesitz des Deutschen Buchgewerbevereins seit 1884. 2. Ausgabe. Verlagsabteilung des Deutschen Buchgewerbevereins, Leipzig 1943.
- Frieder Schmidt: Buntpapier in den Sammlungen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums. In: Dialog mit Bibliotheken. H. 1, 2012, S. 50–55 bzw. Online-Fassung.
- Schätze der ehemaligen Bibliothek des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. Neujahrsgabe. Bearb. von Fritz Funke u. a. Mit einem Geleitwort von Heinrich Becker. Deutsche Bücherei, Leipzig 1961.
- Die Deutsche Bibliothek: Entwicklung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Bücherei Leipzig. Denkschrift. Erarb. von einer Expertenkomm. unter der Leitung von Bernhard Fabian. Leipzig, Frankfurt am Main, Berlin 1994. ISBN 3-922051-65-0
- Aschauer, Bernd (Hg.): Umschlag, Hülle, Inhalt. Erweiterung Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig. Hatje Cantz, Ostfildern 2011. ISBN 978-3-7757-2763-1
- Deutsche Nationalbibliothek: Deutsches Buch- und Schriftmuseum (Memento vom 6. Juni 2017 im Internet Archive), abgerufen am 2. August 2014
- Stephanie Jacobs (Hg.): Zeichen – Bücher – Netze. Von der Keilschrift zum Binärcode. Wallstein, Göttingen 2016. ISBN 978-3-8353-1824-3
- Deutsche Nationalbibliothek (Memento vom 11. Februar 2017 im Internet Archive), abgerufen am 20. Mai 2014
- Kristina Barth, Hannelore Effelsberg: Buchhändlerische Geschäftsrundschreiben - Einführung (Memento vom 16. Dezember 2013 im Internet Archive) vom 9. März 2004