Deutscher Kurzwellensender Atlantik
Der Deutsche Kurzwellensender Atlantik (auch Atlantiksender genannt) war ein im Zweiten Weltkrieg existierender Tarnsender des britischen Kriegsministeriums in deutscher Sprache. Er wurde vom 5. Februar 1943 bis Mai 1945 betrieben. Der Sender war der erste großflächige Versuch, die Kampfmoral der deutschen Bevölkerung, vor allem der Marinesoldaten durch ein weiträumig sendendes Rundfunkprogramm zu untergraben. Seine wichtigste Zielgruppe waren die Besatzungen der deutschen U-Boote, die im Nordatlantik britische und amerikanische Geleitzüge angriffen.
Der Sender wurde, wie auch der Soldatensender Calais von Sefton Delmer geleitet. Beide Programme wurden von der Sendeanlage Aspedistra in der Nähe vom Crowborough (South East England) abgestrahlt.
Geschichte
Hintergrund der Entstehung des Senders war die Sorge des englischen Premierministers Winston Churchill vor einer Blockade Englands durch deutsche U-Boote. Die Political Warfare Executive beauftragte daraufhin den Journalisten Sefton Delmer, der mit dem Aufbau des Soldatensender Calais auf Mittelwelle bereits Erfahrungen in „Schwarzer Propaganda“ sammelte, einen zweiten Tarnsender aufzubauen, dessen Name sich an den von den Nationalsozialisten betriebenen deutschen Auslandspropagandasender anlehnen sollte: den Deutschen Kurzwellensender. Die für damalige Standards hoch ausgestatteten Studios befanden sich, wie die des Soldatensenders Calais, im mittelenglischen Milton Bryan.
Der über die Kurzwellen im 30-, 38- und 49-Meter-Band ausgestrahlten Sendungen begannen mit der Kennung:
- „Deutscher Kurzwellensender Atlantik. In allen unseren Sendungen bringen wir Meldungen von der Front, Nachrichten aus der Heimat und aus aller Welt und zwischendurch immer neueste Tanzmusik. Wir fangen an.“
Der Sender nutzte erstmals die Technik des „Wellenreitens“, um fremde Programme über die eigenen Frequenzen wiederzugeben. So übernahm er Sendungen des Reichsrundfunks und weckte damit den Anschein noch größerer Echtheit. Die Stationsmeldung zwischen fünf und acht Uhr morgens konnte deshalb lauten:
- „Deutscher Kurzwellensender Atlantik, angeschlossen der Soldatensender Mittelmeer.“
Das Programm lief täglich von 17.30 Uhr (bzw. 18.30 Uhr) bis 8 Uhr früh.[1]
Die New York Times beschrieb unmittelbar nach Kriegsende die Funktion des Atlantiksenders als täuschend echt.
- „Flüchtlinge aus Deutschland […] sprachen alle möglichen städtischen und ländlichen Dialekte fließend und waren Meister der Umgangssprache. Der Partnersender auf Mittelwelle hieß Soldatensender Calais. Es gab noch mindestens zwei solcher Stationen, aber Atlantik wurde der berühmteste. Atlantik berichtete Zivilisten und Soldaten über militärische Rückschläge und Probleme in der Nazi-Hierarchie.“[2]
Der Erfolg des Senders ist ungewiss. Ein Aufruf vom 29. April 1945, also unmittelbar vor der Kapitulation, an die deutschen U-Boote, Schluss zu machen und sich zu ergeben, blieb erfolglos.[3]
Einzelnachweise
- Timo Wittner: „Soldatensender Calais“ und „Nachrichten für die Truppe“ als vorgetäuschte Wehrmachtsorgane. GRIN, München 2008, ISBN 978-3-640-17826-1, S. 5 ff.
- New York Times, 12. Mai 1945, aus dem Amerikanischen übersetzt
- Deutsches Rundfunkarchiv