Deutsche Energiewirtschaft
Die deutsche Energiewirtschaft hat Parallelen zur Energiewirtschaft in anderen europäischen Ländern.
Im 21. Jahrhundert wird in vielen Industrienationen eine Energiewende zur Nutzung nachhaltiger Energiequellen vollzogen. Deutschland hatte dabei ungefähr von 2004 bis etwa 2012 eine Vorreiterrolle inne, vor allem bei der Nutzung der Sonnenenergie mit der Photovoltaik. Seitdem hinkt Deutschland hinterher und erreichte 2018 im vom Weltwirtschaftsforum und von McKinsey ermittelten internationalen Energiewende-Index nur noch Mittelmaß.[1] Zum aktuellen Stand der umweltfreundlichen Energiegewinnung siehe den Artikel Erneuerbare Energien in Deutschland, zur Entwicklungsgeschichte und der politischen Diskussion siehe den Artikel Energiewende in Deutschland.
Geschichte
In Deutschland bildete sich eine staatlich kontrollierte Struktur regionaler Monopole mit definierten und staatlich garantierten Demarkationslinien auf nationaler Ebene einerseits und auf der Ebene der kommunalen Energieversorgungsunternehmen (EVU, Stadtwerke) andererseits heraus. Hierbei spielte das von den Nationalsozialisten zur Vorbereitung auf die Kriegswirtschaft 1935 auf den Weg gebrachte Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) eine zentrale Rolle. Den Kommunen obliegt die Sicherstellung der Energieversorgung im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge, die mit dem Grundgesetz in der Bundesrepublik Verfassungsrang erhielt.
Während in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) die Ebene der kommunalen Versorgungsstrukturen an die zentralistische Planung der landesweiten Energieversorgung angepasst wurde, behielt die Bundesrepublik die horizontal zweigeteilte Struktur und im Wesentlichen auch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) von 1935 bei. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland wurde in den neu entstandenen Bundesländern die kommunale Versorgungsstruktur restituiert.
In den 1970er und 1980er Jahren kam es in Deutschland zu erbitterten Auseinandersetzungen um die Nutzung der Kernenergie. In der Anti-AKW-Bewegung hatten die Grünen eine ihrer stärksten Wurzeln. Die rot-grüne Bundesregierung (1998–2005) unter Kanzler Gerhard Schröder vereinbarte im Rahmen von Energiekonsens-Gesprächen mit den deutschen Betreibern von Kernkraftwerken einen Atomausstieg.
Mit der Novelle des EnWG im Jahr 1998 wurde der Weg der schrittweisen Liberalisierung der Energiewirtschaft begonnen. Sie wurde durch eine entsprechende Richtlinie der Europäischen Union von 1996 notwendig. Am 13. Juli 2005 ist eine weitere Novelle (Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechtes) in Kraft getreten.
Im Jahr 2005 konnte Deutschland in der Gesamtbilanz zwischen Stromexport und -import einen Exportüberschuss von 8,5 Mrd. kWh verzeichnen. 2007 betrug der Überschuss 19,1 Mrd. kWh und 2009 14,3 Mrd. kWh.[2] 2012 betrug der Exportüberschuss 23 Mrd. kWh.[3]
2007 beschloss die Bundesnetzagentur die Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität. Damit werden alle Prozesse zwischen den beteiligten Marktakteuren (Verteilnetzbetreiber, alter und neuer Lieferant), die mit dem Lieferantenwechsel eines Stromkunden einhergehen und die zur ordnungsgemäßen Abwicklung der Belieferung des Kunden notwendig sind, reguliert. Grund für die Regulierung war eine bis dahin unzureichende Anwendung, der von den beteiligten Marktakteuren selbsttätig entwickelten Prozesse zur Umsetzung der Vorgaben aus dem EnWG, da diesen die Rechtsverbindlichkeit fehlte. Diese wurde durch die behördliche Regulierung hergestellt.
2009 folgte die nächste Regulierung des Strommarktes durch die Bundesnetzagentur. Die am 10. Juni 2009 beschlossenen Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom, kurz MaBiS, regulieren die Bilanzierung der in einem Monat im Stromnetz verteilten Energiemengen und die Abrechnung der Bilanzkreise. Auch hier war ein wesentlicher Grund, dass die im Markt entwickelten Regelungen aufgrund der fehlenden Rechtsverbindlichkeit nur unzureichend Anwendung fanden. Folge waren z. T. erhebliche Nachteile und vor allem finanzielle Risiken besonders für die Energielieferanten. Die MaBiS trat vollumfänglich am 1. Juni 2010 in Kraft. Für eine Beschreibung der Energieversorgungsprozesse im Rahmen der neuregulierten Energiewirtschaft siehe den Artikel Energiemarkt.
Im Zuge der Energiewende seit 2000 hat die wirtschaftliche Bedeutung erneuerbarer Energien stark zugenommen, die inzwischen einen erheblichen Wirtschaftsfaktor für die deutsche Industrie darstellen.[4] Außerdem wird sich das Stromnetz durch den Netzausbau verändern.
Bis heute (2014) fördert Deutschland mehr Braunkohle als jedes andere Land.[5]
Stromerzeugung
Strom wurde 2020 in Deutschland noch mit einem Anteil von 23,7 % mit Kohle erzeugt (36 % im Jahr 2018). Der Anteil erneuerbarer Energien steigt seit 2003 stetig an[6], hauptsächlich von dem Ausbau der Windkraft getragen; er lag 2020 bei 44,9 % und damit deutlich über dem von Kohle.
Energieträger | 2020[7] | 2019[7] | 2018[8] | 2017[9] | 2016[10] | 2015[11] | 2014[12] | 2013[13] | 2012[14] | 2011[15] |
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Erneuerbare Energien | 44,9 | 40,1 | 35 | 33 | 29 | 30 | 26 | 24 | 22 | 20 |
davon Windkraft | 23,7 | 20,9 | 18 | 16 | 12 | 14 | 9 | 9 | 7 | 8 |
davon Photovoltaik | 9,0 | 7,7 | 7 | 6 | 6 | 6 | 6 | 5 | 5 | 3 |
davon Biomasse | 7,8 | 7,4 | 7 | 7 | 7 | 7 | 7 | 7 | 6 | 5 |
davon Wasserkraft | 3,3 | 3,3 | 3 | 3 | 3 | 3 | 3 | 3 | 3 | 3 |
davon Hausmüll | 1,0 | 1,0 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Braunkohle | 16,2 | 18,9 | 23 | 23 | 23 | 24 | 25 | 26 | 26 | 25 |
Steinkohle | 7,5 | 9,5 | 13 | 14 | 17 | 18 | 18 | 19 | 19 | 19 |
Erdgas | 16,1 | 15,0 | 13 | 13 | 12 | 9 | 10 | 11 | 11 | 14 |
Kernenergie | 11,3 | 12,4 | 12 | 12 | 13 | 14 | 16 | 15 | 16 | 18 |
Sonstige | 4,0 | 3,9 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 6 | 5 |
Brutto Gesamterzeugung in TWh | 567,4 | 603,8 | 649 | 654 | 648 | 652 | 614 | 631 | 618 | 615 |
Verbände
In Deutschland gibt es zahlreiche Energiewirtschafts-Verbände, nachfolgend eine Auswahl:
- Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)
- Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches (DVGW)
- Bundesverband Neuer Energieanbieter (bne)
- Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland (MEW)
- Verband kommunaler Unternehmen (VKU)
- Europäischer Verband der unabhängigen Strom- und Gasverteilerunternehmen (GEODE)
- Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK)
- Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE)
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft entstand im Jahr 2007 aus dem Zusammenschluss der Verbände Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW), Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), Verband der Netzbetreiber (VDN) und dem Verband der Verbundunternehmen und Regionalen Energieversorger in Deutschland (VRE).
Literatur
- Wilm Tegethoff: Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, ETV seit 1982 (Erstauflage), zusammen mit Ulrich Büdenbender, Heinz Klinger
- Wilm Tegethoff: Probleme der räumlichen Energieversorgung, Vincentz Hannover 1986, ISBN 3-87870-765-7.
- Thomas Schöne: Vertragshandbuch Stromwirtschaft. Praxisgerechte Gestaltung und rechtssichere Anwendung, Vwew Energieverlag 2007, ISBN 978-3-8022-0865-2.
- Held, Theobald: Kommunale Wirtschaft im 21. Jahrhundert, Vwew Energieverlag 2007, ISBN 3-8022-0780-7.
- Bontrup, Heinz-J. / Marquardt, Ralf-M.: Kritisches Handbuch der deutschen Elektrizitätswirtschaft. Branchenentwicklung – Unternehmensstrategien – Arbeitsbeziehungen, edition sigma, Berlin 2010, ISBN 978-3-8360-8712-4.
Weblinks
- Energie und Sicherheit; Energiewirtschaftliche Informationen einer Projektgruppe der Universität Marburg
- Energieflussbilder für die Bundesrepublik Deutschland
- Thomas Klodt, Bernd Runde; NORD/LB Volkswirtschaft: Energiepolitische Alternativen vor dem Hintergrund steigender Rohstoffpreise. November 2006
- Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte: Stand und Perspektiven, in: BMWI Monatsbericht 12 2006
- Agentur für Erneuerbare Energien: Erneuerbare Energien - Ein Gewinn für den Standort Deutschland. Berlin 2014
- - Homepage der Bundesnetzagentur
- - Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) von 2005
- Fraunhofer IEE: Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik, Geschäftsbereich Energiewirtschaft, abgerufen am 20. April 2019
Einzelnachweise
- Nadja Podbregar: Energiewende: Deutschland hinkt hinterher. In: natur.de / wissenschaft.de. Konradin Medien GmbH, 16. März 2018, abgerufen am 9. Mai 2021 (deutsch).
- Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft (Memento des Originals vom 19. März 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 15. März 2011
- www.ag-energiebilanzen.de 'Bruttostromerzeugung in Deutschland ab 1990–2015 nach Energieträgern', abgerufen am 29. Mai 2016
- Agentur für Erneuerbare Energien: Erneuerbare Energien - Ein Gewinn für den Standort Deutschland. Berlin 2014
- Janosch Delcker, Martin Sümening, Christoph Seidler: Riskante Billig-Energie. spiegel.de, 24. Juni 2014, abgerufen am 1. Oktober 2014
- Jährlicher Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in Deutschland. In: energy-charts.info Energy Charts. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg, abgerufen am 9. Mai 2021.
- Bruttostromerzeugung in Deutschland. In: www.destatis.de. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, abgerufen am 9. Mai 2021.
- Statistisches Bundesamt Destatis (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch. 2019, ISBN 978-3-8246-1086-0, S. 715.
- Statistisches Bundesamt Destatis (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch. 2018, ISBN 978-3-8246-1074-7, S. 711.
- Statistisches Bundesamt Destatis (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch. 2017, ISBN 978-3-8246-1057-0, S. 707.
- Statistisches Bundesamt, Wiesbaden (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch. 2016, ISBN 978-3-8246-1049-5, S. 696.
- Statistisches Bundesamt, Wiesbaden (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch. 2015, ISBN 978-3-8246-1037-2, S. 693.
- Statistisches Bundesamt, Wiesbaden (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch. 2014, ISBN 978-3-8246-1029-7, S. 693.
- Statistisches Bundesamt, Wiesbaden (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch. 2013, ISBN 978-3-8246-1007-5, S. 689.
- Statistisches Bundesamt, Wiesbaden (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch. 2012, ISBN 978-3-8246-0990-1, S. 687.