Das Versprechen (2016)
Das Versprechen (internationaler Titel: The Promise) ist ein deutscher Dokumentarfilm von Marcus Vetter und Karin Steinberger. Der Film thematisiert den Fall von Derek und Nancy Haysom, die am 30. März 1985 in ihrem Haus in Boonsboro im US-Bundesstaat Virginia, brutal ermordet wurden. Im Mittelpunkt stehen die beiden Verurteilten Jens Söring und Elizabeth Haysom. Am Ende des umstrittenen Prozesses wurde Söring wegen Mordes zu zweimal lebenslänglich und Haysom wegen Anstiftung zum Mord zu zweimal 45 Jahren Haft verurteilt.
Film | |
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Originaltitel | Das Versprechen |
Produktionsland | Deutschland |
Originalsprache | Englisch, Deutsch |
Erscheinungsjahr | 2016 |
Länge | 133 Minuten |
Altersfreigabe | FSK 12 |
Stab | |
Regie | Marcus Vetter, Karin Steinberger |
Produktion | Louise Rosen, Ulf Meyer, Marcus Vetter |
Musik | Jens Huerkamp |
Kamera | Georg Zengerling |
Schnitt | Marcus Vetter |
Der Film hatte seine Premiere am 24. Juni 2016 beim Filmfest München in der Reihe Neues Deutsches Kino.[1] Der Film kam am 27. Oktober 2016 in die deutschen Kinos[2] und erschien im Mai 2017 auf DVD.
Inhalt
Jens – Sohn eines deutschen Diplomaten – und Elizabeth – Tochter des ermordeten Ehepaares – begegneten sich zum ersten Mal am 25. August 1984 bei einem Treffen für Hochbegabtenstipendiaten der Universität von Virginia. Nach ein paar Monaten werden sie ein Paar. Doch ihre Beziehung wird bald zu einer „Folie à deux“. Elizabeth erzählt ihm, dass sie seit Jahren von ihrer Mutter missbraucht wird und in einem Internat in der Schweiz brutal vergewaltigt wurde. Söring ist hingerissen von ihren Geschichten. Für ihn ist es die große Liebe. Für dieses Mädchen würde er alles tun. In ihren Liebesbriefen wird deutlich, wie sehr sich Elizabeth den Tod ihrer Eltern wünscht.
Am 30. März 1985 werden Elizabeths Eltern brutal ermordet in ihrem Haus in Lynchburg gefunden. Die kleine Stadt Lynchburg ist in Panik, von Voodoo ist die Rede und von einem Serienkiller. Für die Polizei gibt es kein Motiv, keine Verdächtigen, keine Anhaltspunkte.
Als die Ermittler bei ihren Untersuchungen dem Paar immer näher kommen, fliehen Söring und Haysom aus Amerika. Die Flucht wird zum Abenteuer: Asien, Europa. Am 30. April 1986 werden sie in England wegen Scheckbetrugs verhaftet. Haysom wird in die USA ausgeliefert. Söring kämpft vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen seine Auslieferung in die USA. Der Gerichtshof urteilt am 7. Juli 1989, dass die Androhung der Todesstrafe den Tatbestand der Folter oder der inhumanen oder entwürdigenden Behandlung erfüllt. Erst als die USA auf die Beantragung der Todesstrafe verzichteten, wurde Söring an die USA ausgeliefert.
„Ich bin unschuldig“, sagt er, als er am 4. September 1990 in Virginia zu zweimal lebenslänglich wegen zweifachen Mordes verurteilt wird. Haysom sitzt bereits seit zwei Jahren im Gefängnis, verurteilt zu 90 Jahren wegen Anstiftung zum Mord.
Hintergrund
Die Filmemacher benutzen umfangreiche originale Filmaufnahmen aus Pressearchiven und den beiden Gerichtsprozessen der Verurteilten, die als erste Gerichtsprozesse landesweit im amerikanischen Fernsehen übertragen worden sind. Diese Aufnahmen aus den Jahren 1985 bis 1990 werden im Film kombiniert mit neu gedrehten Szenen, u. a. Interviews mit Söring, Zeitzeugen und an dem Fall beteiligten Ermittlern, Anwälten, Staatsanwälten und Journalisten. Für den Film wurde außerdem umfangreiches Archivmaterial verwendet, wie zum Beispiel originale Tatortfotos und Beweismittel, Gerichtstranskripte, Zeitungsartikel sowie Liebesbriefe und Tagebücher von Söring und Haysom.
Mehr als drei Jahre lang recherchierten die Filmemacher und fanden neue Beweise, die nie vor Gericht erwähnt oder als unzulässig erklärt wurden. DNA-Tests haben mittlerweile ergeben, dass keine der am Tatort gefundenen Spuren Söring zuzurechnen sind. Elfmal wurde sein Antrag auf Entlassung auf Bewährung mittlerweile abgelehnt. Seine Haftüberstellung nach Deutschland wurde 2010 von einem demokratischen Gouverneur an seinem letzten Tag im Amt bestätigt, aber von seinem republikanischen Nachfolger an seinem ersten Arbeitstag gestoppt. Am 25. November 2019 wurden Sörings Freilassung und Überstellung nach Deutschland angekündigt.[3] Einen Tag später wurde er aus der regulären Haft entlassen und in der Stadt Farmville in Abschiebehaft genommen. Zugleich wurde ein Wiedereinreiseverbot in die USA verhängt. Eine umfassende Begnadigung Sörings ist abgelehnt worden. Am 17. Dezember 2019 kam Söring auf dem Frankfurter Flughafen an.
Der Film hinterfragt alte und neue Beweismittel, wie zum Beispiel die bis heute nicht identifizierten Fingerabdrücke vom Tatort, ein verschwundenes FBI-Profil und Zeugen, die nie vor Gericht geladen worden sind. Der Film thematisiert auch den sexuellen Missbrauch Haysoms durch ihre Mutter, der vom Richter als nicht relevant eingestuft wurde und vor Gericht nicht thematisiert wurde, sowie die Befangenheit des Richters, der mit der Familie der ermordeten Nancy Haysom befreundet war und in einem Interview vor Prozessbeginn bereits sagte, wen er für den Schuldigen halte. Der Film begleitet außerdem einen Privatdetektiv, der sich auf die Suche nach der Wahrheit macht, er befragt Verdächtige und Zeugen, die nie vor Gericht aussagen mussten.
Personen
- Jens Söring, verurteilt zu zweimal lebenslänglich für den Mord an Derek und Nancy Haysom
- Chuck Reid, ehemaliger Ermittler des Bedford County Sheriff’s Department
- Ricky Gardner, Ermittler im Haysom-Fall des Bedford County Sheriff’s Department
- Susanne Peniche und John Peniche, jetzige Bewohner des Hauses der Haysom-Familie
- Rich Zorn, ehemaliger Stellvertretender Generalstaatsanwalt und Freund der Sörings
- Gail Marshall, ehemalige Stellvertretende Staatsanwältin von Virginia und Anwältin von Jens Söring
- Tom Elliott, katholischer Diakon und Gefängnisseelsorger
- Dave Watson, Privatdetektiv
- Gail Ball, Anwältin von Jens Söring
- Steve Rosenfield, ehemaliger Anwalt von Elizabeth Haysom und heutiger Anwalt von Jens Söring
- Judge William Sweeney, Richter, der die Haysom-Prozesse führte
- Mada Sweeney, Ehefrau des Richters
- Tony Buchanan, ein Zeuge, der nie offiziell verhört wurde
- Ed Sulzbach, pensionierter FBI-Profiler
- Carlos Santos, Journalist der Richmond Times-Dispatch, der den Fall von Anfang an verfolgt hat
In mehreren Sequenzen werden die Liebesbriefe des Paares von Imogen Poots (Elizabeth Haysom) und Daniel Brühl (Jens Söring) vorgelesen.
Produktion
Der Film wurde produziert von der Filmperspektive GmbH mit Sitz in Stuttgart. Koproduktionspartner sind der Südwestrundfunk, der Bayerische Rundfunk, ARTE und Danmarks Radio in Zusammenarbeit mit der BBC, Sveriges Television und VPRO. Der Film wurde gefördert von der MFG Filmförderung und dem Deutschen Filmförderfonds.
Aufführungen und Preise
Die Premiere des Films fand am 5. November 2016 auf dem Virginia Film Festival statt.[4] Im März 2017 wurde der Film auf dem 22. Filmfest Türkei/Deutschland in Nürnberg mit dem Öngören Preis für Demokratie und Menschenrechte ausgezeichnet.[5] Außerdem erhielt er im Mai 2017 eine Nominierung für den Deutschen Dokumentarfilmpreis.[6] In Großbritannien wurde der Film im März 2017 als Teil der BBC-Dokumentarreihe Storyville ausgestrahlt.[7]
Kritik
Der US-Jurist Andrew Hammel warf in einer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienenen detaillierten Analyse des Films den Autoren vor, wichtige Fakten, die ihrer Unschuldsthese widersprechen, ausgelassen zu haben. Der Film sei ein Werk des „Haltungsjournalismus“, der alle der Ausgangsthese zuwiderlaufenden Fakten ausblende, „um das ideologisch bestimmte Muster nicht zu konterkarieren“.[8]
In der Zeit wird dargelegt, dass der Eindruck der einseitigen Berichterstattung wohl daher rührt, dass Elizabeth Haysom trotz Bemühungen der Filmemacher um ein Interview nicht zur Darstellung ihrer Version der Ereignisse bereit gewesen war.[9]
Der Spiegel empfindet die Darstellung Sörings für nicht sonderlich freundlich, hält aber die neuen Hinweise auf seine Unschuld für überzeugend und verweist auf die politischen Umstände in Virginia, die einer Entlassung im Wege stehen.[10]
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung heißt es: „Der Film lässt mehr als nur den Verdacht aufkommen, dass der Falsche verurteilt wurde. Marcus Vetter und Karin Steinberger (...) fördern Ermittlungs- und Verfahrensfehler zutage. So wurden am Tatort Fingerabdrücke gefunden, die bis heute nicht identifiziert sind, Spuren von Söring fand man nicht, nur ein Sockenabdruck wurde ihm zugeordnet. Das von einem FBI-Profiler erstellte Täterprofil, das eine den Opfern nahestehende Frau als Täterin vermutete, verschwand im Archiv, genauso wie Nacktfotos von Elizabeth Haysom, die von den Ermittlern im Haus der Haysoms gefunden wurden. Der Richter war mit den Opfern privat befreundet. Verdächtige und Zeugen, die Söring hätten entlasten können, wurden nie vorgeladen. Immer deutlicher tritt heraus, dass der Fremde, der während der Verhandlung fast überheblich wirkte, keinen fairen Prozess bekam. Dieser Film hallt lange nach.“[11]
Weblinks
- Offizielle Website zum Film (englisch, deutsch und spanisch)
- Das Versprechen in der Internet Movie Database (englisch)
- Das Versprechen bei filmportal.de
Literatur
- David Steinitz: Dokumentation: Zweimal lebenslänglich. In: Süddeutsche Zeitung. ISSN 0174-4917 (online).
Einzelnachweise
- Das Versprechen. In: filmfest-muenchen.de. Filmfest München, abgerufen am 21. August 2016.
- Release Info. Internet Movie Database, abgerufen am 21. August 2016.
- Freilassung von Jens Söring in den USA: „Fall war Spielball zwischen Demokraten und Republikanern“ auf dlf.de, 28. November 2019.
- The Promise. Virginia Film Festival, abgerufen am 26. Oktober 2016.
- — (Memento vom 28. Juli 2017 im Internet Archive)
- SWR / KORREKTUR: Deutscher Dokumentarfilmpreis: Zwölf Produktionen nominiert. finanznachrichten.de, 5. Mai 2017, abgerufen am 27. November 2019.
- bbc.co.uk
- Eine paradoxe Mischung aus Zynismus und Blauäugigkeit, faz.net, 26. November 2019.
- Kaspar Heinrich: Opfer einer Jugendliebe. In: Die Zeit. 25. Oktober 2016, abgerufen am 11. Mai 2020.
- Marc Pitzke: "Man kann mich doch nicht einfach so wegschmeißen". In: Der Spiegel. 26. Oktober 2016, abgerufen am 11. Mai 2020.
- Katharina Koser: Von den Folgen einer wahnhaften Liebe. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 15. August 2018, abgerufen am 11. Mai 2020.