Daniela Dahn
Daniela Dahn, geb. Daniela Gerstner, auch Daniela Zimmer, (* 9. Oktober 1949 in Berlin) ist eine deutsche Journalistin, Schriftstellerin und Publizistin.
Leben
Daniela Dahn ist eine Tochter des Journalisten Karl-Heinz Gerstner und der Bühnenbildnerin (DEFA) und Modejournalistin Sibylle Boden-Gerstner, Gründerin der DDR-Modezeitschrift Sibylle. Ihre jüngere Schwester war Sonja Gerstner. Im Alter von neun Jahren übernahm sie unter ihrem Geburtsnamen Daniela Gerstner die Hauptrolle im DEFA-Kinderfilm Ein ungewöhnlicher Tag.
Daniela Dahn studierte bis 1973 an der Sektion Journalistik in Leipzig und war danach als Fernsehjournalistin beim Jugendfernsehen und dem Wirtschaftsmagazin Prisma tätig. 1981 kündigte sie, „um nicht die Selbstachtung zu verlieren“.[1] Seit 1982 arbeitet sie als freie Autorin.
Dahn war 1989 eine der Mitbegründerinnen der DDR-Oppositionsgruppe Demokratischer Aufbruch. Später zog sie sich nach dessen Annäherung an die CDU daraus zurück.
Sie war Mitglied der Untersuchungskommission zu den Polizeiübergriffen vom 7. und 8. Oktober 1989 in Berlin.[1]
Dahn unternahm mehrere Vortragsreisen in die USA und hielt Vorlesungen an verschiedenen Universitäten.[2]
Die PDS stellte Dahn 1998 als einen ihrer zwei Kandidaten für das Amt des Verfassungsrichters in Brandenburg auf; im Dezember verfehlte sie im Brandenburger Landtag aber die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit.[3] Ursprünglich war in der SPD die Kandidatur Dahns begrüßt worden, jedoch kamen unter anderem aus der damaligen SPD-Fraktion bald zahlreiche Vorwürfe. So wurden etwa gefälschte Zitate gegen Dahn verwendet und ihr der Vorwurf gemacht, die Waldheimer Prozesse verharmlost zu haben. Regierungschef Manfred Stolpe (SPD) sprach sich hingegen für Dahn aus.[4]
Daniela Dahn veröffentlicht in der zweiwöchentlich erscheinenden Zeitschrift Ossietzky (benannt nach Carl von Ossietzky),[5] deren Mitherausgeberin sie ist.
Mitgliedschaften und Funktionen
Sie ist Mitglied der Schriftstellervereinigung PEN und gehört dem Beirat der Humanistischen Union an. Daneben war Dahn Mitherausgeberin der Wochenzeitung Freitag und Unterstützerin der überwachungskritischen Datenschutzdemonstration Freiheit statt Angst.[6] Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Willy-Brandt-Kreises und Mitglied der internationalen Untersuchungskommission „Grundrechte und Globalisierung“. Ihr Ehemann Joochen Laabs[7] war 1999 bis 2001 Vizepräsident des P.E.N.-Zentrums Deutschland.
Sie ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats IALANA und Mitglied in der Christa-Wolf-Gesellschaft.
Sie gehörte zum Unterstützerkreis der Sammlungsbewegung Aufstehen[8][9] und wurde danach Mitglied der Gruppe „Neubeginn“.
Preise und Ehrungen
Daniela Dahn ist Trägerin unter anderem des Goethe-Preises, des Fontane-Preises, des Kurt-Tucholsky-Preises für literarische Publizistik 1999 (Laudatio von Egon Bahr, der für den erkrankten Günter Gaus einsprang), der Louise-Schroeder-Medaille der Stadt Berlin 2002 (Laudatio Egon Bahrs nach Rückzug von Rita Süssmuth) und des Ludwig-Börne-Preises 2004 (Preisrichter und Laudator Jorge Semprún).
In der Begründung der Jury zur Vergabe des Kurt-Tucholsky-Preises wird hervorgehoben, dass Daniela Dahn in der deutsch-deutschen Öffentlichkeit umstrittene Positionen vertrete; "sie greift pointiert, Überspitzungen nicht scheuend, Tabu-Themen auf und wehrt sich gegen tradierte Klischees. Unbeeinflusst durch öffentlichen Druck klagt sie als linke Demokratin die Normen des Rechtsstaates ein und stellt Geschichtslegenden infrage; sie untersucht die Verwerfungen des Einigungsprozesses, versteht sich als Anwältin der Beleidigten und Preisgegebenen und bietet, im Sinne Tucholskys, der Ideologie sogenannter “Sieger” Paroli."[10]
Im Vorfeld der Vergabe der Luise-Schröder-Medaille durch einen Ausschuss des Berliner Senats kam es zu Streit um die Preiswürdigkeit Dahns. Sabine Kebir machte vor allem die Berliner CDU dafür verantwortlich, dass es zu einem Medienspektakel kam, insofern "besonders ein von der Konrad-Adenauer-Stiftung, FAZ und Springer-Presse gestützter Autorenkreis um Ines Geipel und Lutz Rathenow, Sarah Kirsch und Hertha Müller" Dahn vorwerfe, den Sozialismus insgesamt und die DDR im Besonderen nostalgisch zu verklären.[11]
Jorge Semprún nannte Dahn in seiner Rede zur Verleihung des Börnepreises eine "Repräsentantin der deutschen Modernität" in der Tradition Börnes. Er rede dabei, so Semprún, von der "Tradition des kritischen Denkens, der demokratischen Vernunft." Wie Börne sei Dahn von der Sorge um Deutschland geprägt: "Es ist die Sorge um Deutschland, und dahinter verbirgt sich die Sehnsucht, dass dies Land in dem Sinn zur Welt gehören möge, als es an der Universalität der demokratischen Werte teilhat."[12]
Privates
Dahns Tochter ist die Regisseurin Laura Laabs.
Werke
- Prenzlauer Berg-Tour. Mitteldeutscher Verlag Halle/Leipzig 1987, ISBN 978-3-354-00139-8. Neuausg. Rowohlt Verlag, Berlin 2001. ISBN 978-3-87134-430-5
- Wir bleiben hier oder Wem gehört der Osten. Politisches Sachbuch, Reinbek 1994, ISBN 978-3-499-13423-4
- Westwärts und nicht vergessen. Vom Unbehagen in der Einheit. Essay. Berlin 1996, ISBN 3-499-60341-1
- Vertreibung ins Paradies. Unzeitgemäße Texte zur Zeit. Essays. Reinbek 1998, ISBN 3-499-22379-1
- In guter Verfassung. Wieviel Kritik braucht die Demokratie? Essay und Dokumentation, Reinbek 1999, ISBN 3-499-22709-6
- Wenn und Aber. Anstiftungen zum Widerspruch. Essays. Reinbek 2002, ISBN 3-499-61458-8
- Demokratischer Abbruch, Von Trümmern und Tabus. Essays, Reinbek 2005, ISBN 3-499-61973-3
- Wehe dem Sieger! Ohne Osten kein Westen. Rowohlt, Hamburg 2009, ISBN 978-3-498-01329-5
- Wir sind der Staat! Rowohlt, Hamburg 2013, ISBN 978-3-498-01333-2
- Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute. Die Einheit – eine Abrechnung. Rowohlt, Hamburg 2019, ISBN 978-3-499-00104-8
- mit Rainer Mausfeld: Tamtam und Tabu. Die Einheit: Drei Jahrzehnte ohne Bewährung. Westend, Frankfurt am Main 2020.
- Denken, was eigentlich nicht geht. Daniela Dahn über den Film Zeitschleifen nach dreißig Jahren. In: Leuchtkraft – Journal der DEFA-Stiftung, Onlineveröffentlichung 2020, abrufbar als PDF (S. 93–98) von DEFA-Stiftung, zuletzt abgerufen am 28. Dezember 2020.
Literatur
- Bernd-Rainer Barth: Dahn, Daniela. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
Auszeichnungen
- 1988: Theodor-Fontane-Preis des Bezirkes Potsdam für den Film Liane
- 1999: Kurt-Tucholsky-Preis[13]
- 2002: Louise-Schroeder-Medaille[14]
- 2004: Ludwig-Börne-Preis 2004
Weblinks
- Literatur von und über Daniela Dahn im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Offizielle Webpräsenz von Daniela Dahn
- Interview mit Daniela Dahn im Deutschlandradio Kultur, Juni 2009
- Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Daniela Dahn bei perlentaucher.de
- Daniela Dahn in der Internet Movie Database (englisch)
Einzelnachweise
- Daniela Dahn auf Chronik der Wende im RBB.
- Biografie auf danieladahn.de.
- Michael Mara: Bisky: Nach Wahlschlappe Dahns Beziehung zu SPD auf Tiefpunkt. In: Der Tagesspiegel, 17. Dezember 1998.
- PDS zieht Dahn zunächst zurück. In: Berliner Zeitung, 12. November 1998.
- Polizeigewalt außer Kontrolle (Memento vom 21. August 2014 im Internet Archive), erschienen 11/2011, auf sopos.org
Die unbewältigte Sprache von Joachim Gauck (Memento vom 21. August 2014 im Internet Archive), erschienen 17/2014, auf sopos.org - Demonstration Freiheit statt Angst, Unterstützerliste.
- Brigitte Biermann: Einmischung aus Prinzip. In: Die Zeit, Nr. 23/1997, S. 6.
- aufstehen Die Sammlungsbewegung: Unterstützerinnen
- Daniela Dahn: Primat der Politik zurückerobern: Sammlungsbewegung »Aufstehen« soll Möglichkeiten zur Selbstermächtigung eröffnen, Neues Deutschland, 17. August 2018
- Kurt Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 1999 – Daniela Dahn. Abgerufen am 22. Oktober 2020 (deutsch).
- Louise-Schroeder-Medaille – Daniela Dahn. Abgerufen am 22. Oktober 2020 (deutsch).
- LAUDATIO VON JORGE SEMPRUN ANLÄSSLICH DER VERLEIHUNG DES LUDWIG-BÖRNE-PREISES AN DANIELA DAHN AM 6.6.2004 IN DER FRANKFURTER PAULSKIRCHE – SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 7.6.2004
- Preisträger bei Wayback Machine
- Louise-Schroeder-Medaille für Daniela Dahn, 20. Februar 2002.