Daily Mail
Die Daily Mail und ihre Sonntagsausgabe The Mail on Sunday sind britische Boulevardzeitungen, die mit knapp einer Million verkauften Exemplaren (2020) die meistverkauften Zeitungen des Landes sind.[3] Die politische Ausrichtung beider Zeitungen gilt als konservativ. Die Mail gilt als Stimme der traditionell eingestellten unteren Mittelschicht des sogenannten „Middle England“.[4]
Daily Mail | |
---|---|
Beschreibung | Britische Tageszeitung |
Verlag | Daily Mail and General Trust |
Hauptsitz | London |
Erstausgabe | 4. Mai 1896[1] |
Erscheinungsweise | Täglich; spezielle Sonntagsausgabe |
Verkaufte Auflage | 1.454.073 Exemplare |
(Mai 2017[2]) | |
Reichweite | 3,295 Mio. Leser |
(Mai 2017[2]) | |
Chefredakteur | Geordie Greig |
Weblink | dailymail.co.uk |
Artikelarchiv | dailymail.co.uk/home/sitemaparchive |
ISSN (Print) | 0307-7578 |
Geschichte
Die Daily Mail wurde 1896 von Alfred Harmsworth gegründet und war das erste landesweit vertriebene Massenblatt im unteren Preissegment. Bereits um das Jahr 1900 herum verfügte sie über eine Auflage von mehr als einer Million Exemplare.[5] Sie setzte von Beginn an auf Stilmittel des Boulevard-Journalismus und bot eine weniger erschöpfende Berichterstattung als etwa das damalige Spitzenblatt The Times. Nach dem Tod des Zeitungsgründers Alfred Harmsworth übernahm 1922 dessen Bruder Harold Harmsworth die Geschäfte.[6]
Das politisch rechtsgerichtete Blatt veröffentlichte 1924 einen angeblichen Brief des sowjetischen Parteikaders Sinowjew an die britischen Kommunisten, der einen vermeintlichen Aufruf zum bewaffneten Umsturz enthielt. Dies erregte großes Aufsehen.[7] Bei den vier Tage später stattfindenden Parlamentswahlen erlitt die Liberal Party schwere Verluste, während die Konservativen einen Erdrutschsieg errangen und daraufhin die bisherige Labour-Regierung unter Ramsay MacDonald ablösten. Der von der Daily Mail veröffentlichte Brief wurde später als Fälschung entlarvt.[8]
Anfang der 1930er-Jahre unterstützte die Zeitung die von ihrem Besitzer Lord Rothermere mitgegründete United Empire Party.[9] Rothermere sympathisierte zu dieser Zeit auch mit Hitler und Mussolini und beeinflusste die redaktionelle Linie des Blattes in diesem Sinne.[10][11] Zeitweilig unterstützte die Daily Mail in ihren Kommentaren auch Oswald Mosleys British Union of Fascists (BUF), nahm von dieser Haltung aber nach gewalttätigen Ausschreitungen bei einer BUF-Kundgebung 1934 Abstand.[12] Die Sympathien der Zeitung für Nazideutschland hielten dagegen noch fast die gesamte Vorkriegszeit hindurch an[13] und Harold Harmsworth gratulierte Hitler 1939 in einem Brief sogar persönlich zur Besetzung der Tschechoslowakei.[14] Vor Beginn des Zweiten Weltkriegs unterstützte das Blatt die Appeasement-Politik Neville Chamberlains, später wandte es sich Winston Churchill zu.[5]
Am 31. Dezember 1940 publizierte die Daily Mail eine Stadtsilhouette Londons. Darauf war die Kuppel der St.-Pauls-Kathedrale zu erkennen, die trotz der verheerenden Schäden als Folge der seit vier Monaten andauernden täglichen Luftangriffe durch die deutsche Luftwaffe („The Blitz“) unversehrt geblieben war. Das Bild wurde zur Ikone für den Überlebenswillen und die Kampfmoral der britischen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg.
Im Jahr 1971 sollte das Blatt mit dem Hauptkonkurrenten, dem Daily Express, der damals mehr als eine doppelt so hohe Auflage wie die Daily Mail aufwies, zusammengeschlossen werden. Doch der damalige Eigentümer Vere Harmsworth ließ ein entsprechendes Ansinnen des Aufsichtsrats ins Leere laufen und entwickelte das Medium zu einer anspruchsvollen Boulevardzeitung mit Fokus auf jüngere, durchschnittlich gebildete Leser. Ebenfalls 1971 gelang der Daily Mail die Verpflichtung des renommierten Journalisten David English, der den Stil des Blattes in den folgenden Jahrzehnten maßgeblich prägte und zu dessen Erfolg beitrug. Im Jahr 1991 gelang es dem Blatt in der Folge erstmals eine höhere Auflage als der Konkurrent Daily Express zu erzielen.[5]
Nach zwei Jahrzehnten als Chefredakteur wurde David English 1992 Vorstandsvorsitzender der Unternehmensgruppe Associated Newspapers, die auch die Daily Mail herausgibt.[15] Sein Nachfolger wurde Paul Dacre, der diesen Posten bis heute innehat.
Seit 2004 wird der Verlag der Zeitung, der Daily Mail and General Trust, als eines der wichtigsten Papiere der Londoner Börse im FTSE gelistet.
Die Daily Mail ist in der Vergangenheit häufig Ziel von Verleumdungsklagen geworden.[16][17][18][19][20]
Übersee- und Kontinentalausgaben
Die ersten beiden Auslandsausgaben wurden 1904 und 1905 gegründet. Erstere mit dem Titel "Overseas Daily Mail" für die ganze Welt und letztere mit dem Titel "Continental Daily Mail" für Europa und Nordafrika. Später gab es auch eigene Ausgaben für Schottland, Irland und Indien. Für die Kontinentalausgabe unterhielt man Büros in Berlin, München und Paris. Für die Sonntagsausgaben, die 1907 im Deutschen Reich 20 Pfennige kosteten, wurden aufwendige lokale Feuilleton- bzw. Kunstbeilagen mit exklusiven Artikeln deutscher Autoren in englischer Übersetzung produziert. So wurde zum Beispiel am 22. September 1907 ein ganzseitiger Artikel der Kunstkritikerin Anna Spier, Ehefrau des sozialdemokratischen Politikers Samuel Spier, über das Münchner Lenbachhaus veröffentlicht.[21]
Kontroversen
Die Berichterstattung der Daily Mail hat in der Vergangenheit zahlreiche Kontroversen ausgelöst und wurde auch im Ausland kritisch thematisiert. Die Süddeutsche Zeitung schrieb etwa, dass die politischen Kolumnisten der Zeitung „einen solch blühenden Wahnsinn“ schreiben würden, dass „man nie sicher sein“ könne, „ob sie das wirklich ernst“ meinten.[22] 2010 löste Daily-Mail-Kolumnist Richard Littlejohn mit einer Kolumne über eine transsexuelle Grundschullehrerin heftige öffentliche Reaktionen aus.[23][24] Vor den Büros der Zeitung kam es mehrfach zu Demonstrationen.[25][26][27]
2013 kam es wegen eines Artikels, in dem die Zeitung Ralph Miliband, den verstorbenen Vater von Labour-Parteichef Ed Miliband, verunglimpfte, zu heftigen Reaktionen.[28][29] In der Folge rügten zahlreiche Politiker und Kommentatoren das Blatt für seinen Umgangston gegenüber politischen Gegnern. Auch konservative Politiker wie John Moore, Michael Heseltine und Premierminister David Cameron kritisierten die Zeitung wegen des Artikels.[30][31][32]
Die Kampagne Stop Funding Hate ruft internationale Unternehmen dazu auf, Werbepartnerschaften mit der Daily Mail zu beenden. Lego stellte im November 2016 eine Werbepartnerschaft mit der Daily Mail öffentlichkeitswirksam ein. Die Kampagne kritisiert die Zeitung, denn sie würde Hass säen und eine gesellschaftliche Spaltung fördern.[33]
Im Februar 2017 beschloss die Community der englischsprachigen Wikipedia nach ca. zweijähriger Debatte, dass die Daily Mail als Quelle generell unglaubwürdig sei und daher nicht als Beleg genutzt werden solle. Begründet wurde dieser Ausschluss der Daily Mail damit, dass sie große Mängel bei Überprüfen von Fakten habe, sensationsgierig sei und auch bisweilen Sachverhalte oder Behauptungen schlichtweg erfinde. In Medien wurde dieser Ausschluss als außergewöhnlicher Schritt bezeichnet.[34] Als Beispiele genannt wurden u. a. die Berichterstattung zum Fall Amanda Knox, erfundene Interviews mit den Fußballern Paul Pogba und Andrea Pirlo sowie Falschbehauptungen zur Beziehung von George Clooney und Amal Alamuddin. Zudem wird der Daily Mail vorgeworfen, Falschbehauptungen bezüglich der globalen Erwärmung zu verbreiten.[35][36][37][38]
Format
Die Daily Mail kam 75 Jahre lang im Broadsheet-Format heraus. Seit dem 3. Mai 1971 erscheint sie im handlicheren Boulevardzeitungsformat (Tabloid-Format, 302 × 392 mm).
Sponsoring
Seit 1906 stiftete die Zeitung eine Reihe von Luftfahrtpreisen, um die Entwicklung der Luftfahrt zu fördern. Bekannte Daily-Mail-Preise, die der Daily-Mail-Gründer Lord Northcliffe direkt initiiert hatte[39], waren:
- Der „Cross Channel Prize“ (£ 1.000) vom 5. Oktober 1908, der am 25. Juli 1909 von Louis Blériot gewonnen wurde.[40]
- Der „All British Prize“ (£ 1.000), der am 30. Oktober 1909 von John Moore-Brabazon gewonnen wurde.[41]
- Der „London to Manchester Prize“ (£ 10.000), der am 27. April 1910 von Louis Paulhan gewonnen wurde.[42]
- Der „Atlantic Prize“ (£ 10.000) vom 5. April 1913 für eine Atlantiküberquerung (erneuert am 21. November 1918[43]), der am 15. Juni 1919 von Alcock und Brown gewonnen wurde.[40]
Die Zeitung war in den Jahren 1936 bis 1940 Hauptsponsor des Snookerturniers Daily Mail Gold Cup. Das Turnier hatte damals das gleiche Ansehen wie die Snookerweltmeisterschaft.
Weblinks
- Offizielle Website der Daily Mail (englisch)
- Lauren Collins: Mail Supremacy: The Newspaper that Rules Britain (Memento vom 28. März 2012 auf WebCite). Artikel in The New Yorker vom 2. April 2012.
- zeit.de 7. November 2016: Europarat rügt britische Presse (Nach der Entscheidung des High Court, dass vor dem Beginn der Brexit-Verhandlungen ein Parlamentsvotum eingeholt werden muss, hatte die Daily Mail mit der Schlagzeile Enemies of the people und Fotos der drei Richter aufgemacht)
Einzelnachweise
- Eintrag bei der Deutschen Nationalbibliothek
- newsworks.org.uk
- Daily Mail eclipses the Sun to become UK's top-selling paper The Guardian, 20. Juni 2020, abgerufen am 25. Februar 2021
- The Voice of ‘Middle England’? The Daily Mail and Public Life Daily Mail Historical Archive 1896-2004. Cengage Learning, 2013, abgerufen am 25. Februar 2021
- Daily Mail & General Trust plc. Bundeszentrale für politische Bildung, 1. Juli 2011, abgerufen am 5. Juni 2019.
- Eintrag Harold Sidney Harmsworth, 1st Viscount Rothermere in der Encyclopædia Britannica
- Nicholson Baker: Human Smoke: The Beginnings of World War II, the End of Civilization. Simon & Schuster, 2008, S. 12–13.
- James Thomas: Popular Newspapers, the Labour Party and British Politics. Routledge, 2005, S. 75
- Dennis Griffiths: Fleet Street: Five hundred years of the press. British Library, 2006, S. 249
- Richard Griffiths: Fellow Travellers of the Right: British Enthusiasts for Nazi Germany, 1933–1939. Constable, 1980, S. 163–168
- S.J. Taylor: The Great Outsiders: Northcliffe, Rothermere and the Daily Mail. Weidenfeld & Nicolson, 1996
- Cyprian P. Blamires (Hrsg.): World Fascism: A Historical Encyclopedia, Volume 1. ABC-CLIO, 2006, S. 288, 435
- Richard Griffiths: Fellow Travellers of the Right: British Enthusiasts for Nazi Germany, 1933–1939. Constable, 1980, S. 168
- Neil Tweedie und Peter Day: When Rothermere urged Hitler to invade Romania. In: The Daily Telegraph, 1. März 2005
- 1971: Britain's oldest tabloid closes. In: BBC News, On this day: 11 May
- Streit mit "Daily Mail": Kate Winslet kassiert 28.000 Euro Entschädigung. In: Spiegel Online, 3. November 2009
- Jacqueline Maley: Elton John gets £100,000 for Daily Mail libel. In: The Guardian, 25. Mai 2006
- Hugh Grant accepts libel damages . In: BBC News, 27. April 2007
- Matt Born: Diana Rigg wins libel case against Daily Mail. In: The Daily Telegraph, 21. Oktober 2003
- Oliver Luft: Daily Mail pays out after alleging former Catholic PR man was hypocrite. In: The Guardian, 29. Januar 2009
- A. Spier: „Lenbach's House.“ – Munich Art Supplement to the Sunday Issue of the Daily Mail, Continental Edition, 22. September 1907, Seiten 1 und 4. (Alle technischen Angaben zur Kontinentalausgabe von der Titelseite dieser Ausgabe.)
- Christian Zaschke: Das Web zum Ausrollen. In: Süddeutsche Zeitung, 22. Mai 2013
- Jonathan Brown: Transgender primary school teacher who 'took own life' had sought protection from media hounding before her death. In: The Independent, 23. März 2013
- John Plunkett: Daily Mail column on student protester prompts 500 complaints to PCC. In: The Guardian, 14. Dezember 2010
- Matthew Taylor: Protesters outside Daily Mail offices condemn ‚campaign of hatred‘ . In: The Guardian, 6. Oktober 2013
- Lucy Meadows vigil: Petition to sack Richard Littlejohn. In: BBC News, 26. März 2013
- Roy Greenslade: Welfare cuts demonstrators to hold rally outside the Daily Mail. In: The Guardian, 14. April 2011
- Christian Zaschke: Tod und Teufel. In: Süddeutsche Zeitung, 5. Oktober 2013
- Geschmacklose «Daily Mail». In: Neue Zürcher Zeitung, 2. Oktober 2013
- Nicholas Watt: Thatcher ally accuses Daily Mail of 'telling lies' about Ralph Miliband. In: The Guardian, 2. Oktober 2013
- Rhiannon Williams: David Cameron and Nick Clegg pledge support to Ed Miliband over newspaper row. In: The Daily Telegraph, 1. Oktober 2013
- Nicholas Watt: Ed Miliband was right to challenge Daily Mail, says David Cameron. In: The Guardian, 8. Oktober 2013
- Die Zeit, Lego hilft Kampagne gegen Hass durch Nichtstun, 13. November 2016
- Wikipedia bans Daily Mail as 'unreliable' source. In: The Guardian, 8. Februar 2017. Abgerufen am 10. Februar 2017.
- Daily Mail Banned As ‘Reliable Source’ On Wikipedia In Unprecedented Move. In: Huffington Post, 9. Februar 2017. Abgerufen am 10. Februar 2017.
- Leading climate scientist challenges Mail on Sunday's use of his research . In: The Guardian, 11. Januar 2010. Abgerufen am 10. Februar 2017.
- Mail on Sunday launches the first salvo in the latest war against climate scientists. In: The Guardian, 5. Februar 2017. Abgerufen am 10. Februar 2017.
- News Report on Global Temperatures Is Wrong, Scientists Say. In: The New York Times, 2. Dezember 2016. Abgerufen am 10. Februar 2017.
- THE "DAILY MAIL" ROUND BRITAIN RACE. In: The Royal Aero Club of the United Kingdom - official notices to members. 6. September 1913, S. 984 (Flight Global Archive).
- THE NEW DAILY MAIL PRIZES. In: The Royal Aero Club of the United Kingdom - official notices to members. 5. April 1913, S. 393 (Flight Global Archive).
- LONDON TO MANCHESTER. £10,000 MORE FOR PRIZES. In: Proprietors of FLIGHT (Hrsg.): Flight. Band 45. Flight, London 1909, S. 702–703.
- LONDON TO MANCHESTER. £10,000 MORE FOR PRIZES. In: Proprietors of FLIGHT (Hrsg.): Flight. Band 71. Flight, London 1910, S. 349–350.
- THE DAILY MAIL ATLANTIC PRIZE. In: The Royal Aero Club of the United Kingdom - official notices to members. 21. November 1918, S. 1316 (Flight Global Archive).