Cyanotypie
Die Cyanotypie, auch als Eisenblaudruck bekannt, ist ein altes fotografisches Edeldruckverfahren mit blauen Farbtönen.
Geschichte
Im Jahr 1842 entwickelte der englische Naturwissenschaftler und Astronom John Herschel dieses Verfahren. Die Cyanotypie war das dritte Verfahren nach der Daguerreotypie und Kalotypie zur Herstellung von stabilen fotografischen Bildern. Es ist ein Verfahren, das auf Eisen und nicht auf Silber beruht, welches sonst bei der herkömmlichen Herstellung von Fotoabzügen (und den beiden erwähnten Verfahren) verwendet wird.
Anna Atkins, eine britische Naturwissenschaftlerin, machte diese fotografische Technik durch ihre Bücher bekannt, in denen sie Farne und andere Pflanzen mit Cyanotypien dokumentierte. Sie gilt durch diese frühe Anwendung als erste Fotografin.
Zur Vervielfältigung von Plänen, also das Anfertigen von Blaupausen, war die Cyanotypie seit 1870 weit verbreitet. Die Vervielfältigung wurde selbst hergestellt, auch die Sensibilisierung des Papiers, bevor 1876 in Paris lichtempfindliche Papiere in den Handel kamen (Marion Cie.). Die Belichtung erfolgt mit Sonnenlicht. Um 1895 wurden elektrische Belichtungsapparate eingeführt. Erst in den 1920er-Jahren standen Vollautomaten zur Verfügung, die einen kompletten Arbeitsgang (Belichten, Fixieren, Trocknen) ausführten. Von der trocken arbeitenden Diazotypie (Ozalid®-Kopie) wurde die Cyanotypie dann als Methode der Zeichnungskopie vor dem Zweiten Weltkrieg abgelöst.
Auch aktuelle Künstler und Künstlerinnen verwenden die Cyanotypie für ihre Werke, wie zum Beispiel Barbara Kasten[1], Kirsten Heuschen[2] und Beate Frommelt.
Verfahren
Saugfähiges Papier, Leinwand, Nessel oder Baumwollstoff wird mit einer Lösung von grünem Ammoniumeisen(III)-citrat (20 Gramm auf 100 ml destilliertes Wasser) und Kaliumhexacyanidoferrat(III) (8 Gramm auf 100 ml destilliertes Wasser) fotosensibilisiert und danach getrocknet. Bereits die gemischten Lösungen sind lichtempfindlich.
Die Belichtung erfolgt unter einem Schatten werfenden Gegenstand als Fotogramm (Gegenstand, Pflanze etc.) oder mit einem Kontakt-Negativ durch UV- oder Sonnenlicht. Zur Belichtung geeignet sind auch Baustrahler, Gesichtsbräuner, Solarien oder Tageslichtprojektoren. Ausschlag gebend ist ein hoher UV-Anteil der Lichtquelle. An einem sonnigen Tag beträgt die Belichtungszeit mit Tageslicht etwa fünf bis 30 Minuten – je nach Tages- und Jahreszeit. Bei einer Projektion per Tageslichtprojektor sind Belichtungszeiten von 10–15 Stunden nötig. In den belichteten Partien wird dabei die Eisenverbindung zweiwertig und wasserunlöslich – es bildet sich der Farbstoff Berliner Blau, Fe4[Fe(CN)6]3:
An den belichteten Teilen bildet sich wasserunlösliches Berliner Blau, die unbelichteten Teile bleiben wasserlöslich und können unter fließendem Wasser ausgewaschen werden und die Cyanotypie erhält durch Oxidation der verbleibenden Stoffe die typische blaue Farbe.
Der Kontrast kann durch Baden in 0,3%iger Wasserstoffperoxidlösung oder 1%iger Kaliumdichromatlösung gesteigert werden. Die Farbe lässt sich durch Baden zum Beispiel in Tannin, Oolong-Tee oder Pyrogallol verändern (tonen).
Neben der Verwendung als Reproduktionstechnik für fotografische Vorlagen können – wie es Anna Atkins praktizierte – Gegenstände auf die beschichtete Oberfläche gelegt und auf diese Weise Fotogramme erzeugt werden. Wird die Cyanotypielösung unregelmäßig aufgetragen oder gespritzt, entstehen Chemigramme.
Varianten
Beim ursprünglichen Verfahren von Herschel bestand die lichtempfindliche Papierschicht aus Kaliumhexacyanidoferrat(II) (gelbes Blutlaugensalz) und Ammoniumeisen(III)-citrat. Später wurde Kaliumhexacyanidoferrat(III) (rotes Blutlaugensalz) verwendet.
Vom britischen Chemiker Mike Ware stammt eine modernere Variante der Cyanotypie. Er verwendet dazu Kaliumhexacyanidoferrat(III) und das lichtempfindlichere Ammoniumtrioxalatoferrat(III) anstatt des Ammoniumeisen(III)-citrats. Die beschriebene Mischung enthält jedoch kleine Mengen des krebserregenden Ammoniumdichromats.[3] Das Ammoniumdichromat wird jedoch lediglich hinzugefügt, um die Haltbarkeit der angesetzten Cyanotypielösung von einigen Wochen auf mehrere Jahre zu erhöhen. Wird keine mehrjährige Haltbarkeit der Lösung benötigt, kann das Ammoniumdichromat ohne weiteres weggelassen werden.
Gelegentlich verwechselt wird die Cyanotypie mit der Diazotypie, die in Architekturbüros verwendet wurde.
Siehe auch
- Edeldruckverfahren Übersichtsartikel zu den alternativen fotografischen Verfahren
- Heliografie (1826)
- Kalotypie (auch Talbotypie; um 1835)
- Ambrotypie (um 1850)
- Ferrotypie (auch eindeutschend Blechfotografie; um 1850)
- Kollodium-Nassplatte (um 1850)
- Pannotypie (um 1860)
- Wothlytypie (1864)
- Blaupause
Literatur
- John F. W. Herschel: On the Action of the Rays of the Solar Spectrum on Vegetable Colours, and on Some New Photographic Processes. In: Philosophical Transactions of the Royal Society of London, Vol. 132 (1842), S. 181–214.
- Tony Worobiec, Ray Spence: Workshop Monochrom und weitere Kunst-Printing-Techniken. Augustus-Verlag, München 2000, ISBN 3-8043-5140-9.
- Wolfgang Autenrieth: Neue und alte Techniken der Radierung und Edeldruckverfahren. Vom Hexenmehl und Drachenblut zur Fotopolymerschicht. Tipps, Tricks, Anleitungen und Rezepte aus fünf Jahrhunderten – Ein alchemistisches Werkstattbuch 7. Aufl., Krauchenwies 2010, ISBN 978-3-9821765-0-5 ((→ Auszüge Online))