Covenants
Beim Anglizismus Covenants (lateinisch conventio, „Vertrag, Vereinbarung“) handelt es sich im deutschen Sprachgebrauch um bestimmte Klauseln oder (Neben-)Abreden in Kreditverträgen und Anleihebedingungen.
Allgemeines
Es handelt sich um vertraglich bindende Zusicherungen des Kreditnehmers oder Anleiheschuldners während der Laufzeit eines Kredites oder einer Anleihe.
Das Wort leitet sich von dem französischen Begriff covenant (altfranz. für „Vertrag“, lat. aus convenire „treffen, zusammenkommen“) ab und wird für alle erdenklichen vertraglichen Nebenpflichten des Kreditnehmers oder Anleiheschuldners verwendet. Diese Vertragspraxis (siehe Syndizierung, Konsortialkredit) wurde – soweit sie in Einklang mit dem deutschen Recht steht – in deutsche Kreditverträge und Anleihebedingungen übernommen. Es handelt sich um Nebenbestimmungen, die spezifische Verhaltenspflichten betreffen und diese vertraglich festlegen.
Systematisierung
Die Vielzahl der Zusicherungen lässt sich systematisieren in Finanzkennzahlen (dies sind die Financial Covenants im engeren Sinne), Non-Financial Covenants und Corporate (Financial) Covenants. Covenants können auch als Kreditereignis definiert werden.
Finanzkennzahlen
Zu den Finanzkennzahlen gehören alle betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, die sich aus den Jahresabschlüssen der kreditnehmenden Unternehmen entwickeln lassen wie beispielsweise die Bilanzrelationsklauseln. Finanzkennzahlen können aber auch an die Gewinn- und Verlustrechnung des Kreditnehmers anknüpfen oder sonstige finanzwirtschaftlichen Kennzahlen zum Inhalt haben. Da es sich um veränderliche Größen handelt, werden Mindestzahlen (etwa bei der Eigenkapitalquote) oder Schwankungsbreiten mit der konkreten Angabe von Unter- und Obergrenze (headroom) vorgegeben. Typische Finanzkennzahlen dieser Art sind:
- Eigenkapitalquote
- Verschuldungsgrad
- Gesamtkapitalrentabilität
- minimaler Cash-Flow
- Anlagendeckungsgrad
- Zinslastquote
- Schuldendienstdeckungsgrad
Zu den Finanzkennzahlen gehören auch Zinsänderungsklauseln, die die Veränderung des Kreditzinses von der Veränderung der Bonität eines Kreditnehmers abhängig machen (so genannte margin-grids oder margin-ratchets). Verschlechtert sich die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers etwa ratingbedingt, so erhöht sich automatisch die Marge und umgekehrt.
Non-Financial Covenants
Unter Non-Financial Covenants werden verschiedene Klauseln wie die Pari-passu-Klausel, Negativerklärung, Cross-Default-Klausel und die Collective Action Clause verstanden, weil mit ihrer Hilfe der Gläubiger im Falle einer Unternehmenskrise des Schuldners Veränderungen des formellen Kreditrisikos verhindern will. Sie sollen spätere Sicherheitenbestellungen an andere Gläubiger verbieten, sofern der Kreditgeber nicht gleichgestellt wird:
- Die Pari-passu-Klausel sichert den Gläubigern absolute Gleichrangigkeit ihrer Forderungen zu, worin sich die Unternehmenspolitik verwirklicht, keiner Art von Ansprüchen eine implizite Vorrangstellung zuzuerkennen. Dadurch werden die Gläubiger späterer Kredite und Anleihen nicht benachteiligt und nehmen die gleiche Rangstellung ein.
- Dieser Grundsatz der formellen Gleichrangigkeit wird durch die Negativerklärung („negative pledge“) auf die dingliche Ebene ausgeweitet, indem die Klausel den unbesicherten Gläubigern eine Besicherung ihrer Forderungen zusichert, sollte der Schuldner anderen Gläubigern Sicherheiten zur Verfügung stellen.
- Bei der Cross-Default-Klausel steht den Gläubigern ein Sonderkündigungsrecht zu, wenn der Schuldner zwar ihre Anleihe bedient, jedoch bezüglich einer anderen Zahlungsverpflichtung in Rückstand gerät. Hierdurch sollen alle Gläubiger gleichzeitig von den Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners betroffen werden.[1]
- Die Collective Action Clause macht eine Änderung einzelner Anleihe- und Kreditbedingungen von der Zustimmung der Mehrheit der Gläubiger abhängig und ist im Falle der mehrheitlichen Zustimmung für sämtliche Anleihegläubiger bindend. Hierdurch können Minderheiten überstimmt werden und sind etwa gezwungen, einem Schuldenerlass zuzustimmen.
Ferner gehören hierzu die Material Adverse Change-Klauseln, die anhand von einzeln aufgeführten Beispielen eine wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen und/oder rechtlichen Verhältnisse des Kreditnehmers definieren und bei deren Eintreffen Nachbesicherungspflichten oder gar eine Kreditkündigung auslösen. Bei Kreditgewährungen an Konzerntochtergesellschaften bedienen sich Kreditinstitute in Deutschland oft der Organschaftserklärung, um die Muttergesellschaft das gesamte Geschäftsjahr zum Verlustausgleich bei der kreditnehmenden Tochtergesellschaft zu verpflichten. Um Kredite künftig etwa im Rahmen des Kredithandels an andere Kreditgeber übertragen zu können, sind in den Kreditverträgen so genannte Abtretungsklauseln enthalten. Positiverklärungen sorgen dafür, dass der Kreditnehmer bestimmte Kreditsicherheiten zur Verfügung zu stellen hat, wenn die hierzu im Kreditvertrag beschriebenen Voraussetzungen oder Ereignisse eingetreten sind. Außerdem verpflichtet sich der Kreditnehmer, vertraglich genau festgelegte Informationen zu bestimmten Terminen dem Kreditgeber zur Verfügung zu stellen (z. B. Quartalsberichte, Bestätigungen über die Einhaltung zumindest der Financial covenants).
Corporate Financial Covenants
Diese umfassen z. B. das Verbot der Verfügung über wesentliche Vermögensgegenstände ("disposals"), Einschränkungen bei konzerninternen Umstrukturierungen sowie Beschränkungen bei der Dividendenpolitik des Unternehmens. In diesem Zusammenhang taucht auch häufig der Begriff der "Affirmative Covenants" auf, der uneinheitlich verwendet wird und häufig Non-Financial Covenants und Corporate Financial Covenants zusammenfasst. Affirmative Covenants vereinbaren jedenfalls bestimmte Handlungen oder das Unterlassen von Handlungen durch den Kreditnehmer. Beispiele sind:
- Konstanz in den Gesellschafterverhältnissen (englisch ownership clause);
- Beschränkung von Dividendenzahlungen oder Entnahmen (englisch dividend/withdrawal restrictions);
- Negativklauseln, die die Sicherheitenbestellung an andere Gläubiger verbieten, ohne dass der Kreditgeber diesen Gläubigern gleichgestellt wird;
- Verfügungsbeschränkungen über wesentliche Vermögensposten wie Beteiligungen (englisch disposals);
- ordnungsgemäßer Geschäftsgang (englisch ordinary conduct of business);
- Einhaltung aller Gesetze und Vorschriften (englisch representations and warranties).
Rechtsfolgen
Ein Abweichen von den vereinbarten Financial Covenants löst meist eine vorab vereinbarte Heilungsperiode (englisch remedy/grace period) aus. Diese Heilungsfrist soll dem Kreditnehmer die nachträgliche Erfüllung der vorgegebenen Kennzahlen oder Zusicherungen ermöglichen. Gelingt dies jedoch nicht, wird eine höhere Kreditmarge oder gar ein außerordentliches Kündigungsrecht durch den Vertragsbruch (englisch covenant breach) ausgelöst. Alternativ können Abweichungen von den vereinbarten Regelungen einen Anspruch auf Stellung von Kreditsicherheiten begründen (sog. Nachbesicherungsrecht). Der Kreditnehmer ist dann verpflichtet, erstmals oder weitere Kreditsicherheiten zu stellen. Kommt er diesem Verlangen nicht nach, werden automatisch Kündigungsrechte nach Ziff. 13 Abs. 3 in Verbindung mit Ziff. 19 Abs. 3 AGB-Banken bzw. Ziff. 26 Abs. 2b AGB-Sparkassen ausgelöst.
Bei der Vereinbarung von (Financial) Covenants besteht im deutschen Recht die Gefahr, dass die Klausel und damit gegebenenfalls der gesamte Kreditvertrag unwirksam ist. Durch sehr enge und umfassende Vereinbarungen können Kreditnehmer in nachteilige Situationen geraten, da die Gefahr besteht, dass sich Kreditgeber knebelungsartig in die Geschäftsführung des Kreditnehmers einmischen.[2] Wenn Banken in die Geschäftsführung ihrer Kreditnehmer eingreifen, indem sie die Leitung des Schuldnerunternehmens im finanziellen Bereich vollständig an sich ziehen und das Unternehmen etwa durch Kreditknebelung weitgehend entmachten,[3] so haften sie anderen Gläubigern für deren Schäden. Insbesondere bei Sanierungskrediten bewegen sich Kreditinstitute auf dem schmalen Grat zwischen einer unzulässigen Beeinflussung der Unternehmensleitung und der erforderlichen strengen Überwachung ihres erhöhten Kreditrisikos.[4]
Überwachungsnotwendigkeiten
Aus der Vereinbarung von Covenants resultieren im Kreditprozess bankaufsichtsrechtliche Pflichten des Kreditinstituts, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers regelmäßig – meist mindestens vierteljährlich – zu überprüfen.[5] Die Ergebnisse sind im Rating des Kreditengagements zu berücksichtigen.[6] Insbesondere Financial Covenants sind kein Selbstzweck. Sie führen zu einer Instrumentalisierung der Risikobeurteilung und werden damit für externe Stellen (Bankenaufsicht oder Wirtschaftsprüfer) objektiv nachvollziehbar. Sie bilden somit einen Teil des Risikomanagements bei Kreditinstituten, wie es von den Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft gefordert wird.
Bei der Vereinbarung von Covenants sind die Kosten für den Überwachungsaufwand aus der unterjährigen Offenlegung wirtschaftlicher Verhältnisse in Beziehung zur Risikoentlastung zu setzen. Covenants sind grundsätzlich bei allen, auch vermeintlich zunächst risikolosen, Krediten zu verwenden. Es ist nämlich nicht absehbar, ob sich die Bonitätsverhältnisse während der Kreditlaufzeit verschlechtern werden (so genannte Ratingmigration); eine Nachbesserung ist dann meist schwer durchsetzbar, wenn detailliertere Covenants nicht vereinbart worden sind. Dann können nur noch die weniger konkreten und deshalb unverbindlicheren AGB helfen.
Zweck
Covenants sollen insgesamt den bei Beginn des Kreditvertrages oder Emission der Anleihe bestehenden Status quo in den wirtschaftlichen/rechtlichen Verhältnissen des Schuldners während der Laufzeit zementieren. Dieser Status bildet die Geschäftsgrundlage, auf deren Basis die Kreditgewährung überhaupt für die Bank vertretbar gewesen ist. Ändert sich hieran etwas zum Nachteil der Bank, bilden die Covenants eine Art Frühwarnsystem, auf das mit Hilfe der vertraglich vorgesehenen Optionen (Margenerhöhung, Nachbesicherung, Kreditkündigung) angemessen reagiert werden kann.
Bedeutung und Auswirkung
Der Ratingagentur Moody’s zufolge hatten 45 % der europäischen Unternehmen im Jahre 2008 mit einem niedrigen Kreditausfallrisiko („Investment Grade“) und 75 % der Firmen mit einem hohen Ausfallrisiko („Non-Investment Grade“) Kreditvereinbarungen, die Covenants enthielten.[7] Demnach steigt der Anteil der Kreditnehmer mit Covenants mit höherem Risikograd an, obwohl es sinnvoll erscheint, Covenants bereits in Zeiten mit günstigen Ratings zu vereinbaren. Offensichtlich tendieren Covenants in Kreditverträgen zu schärferen Regelungen als in Anleihen.[8] Bei einem Covenant breach droht eine Kreditkündigung, durch die wiederum eine Kündigungswelle bei anderen Gläubigern (über die Cross-Default-Klausel) ausgelöst werden kann.[9] Um Financial Covenants jederzeit erfüllen zu können, müssen Schuldner unternehmerische Maßnahmen ergreifen, die letztlich auch zur Eigensanierung beitragen.
Abkürzungen
Übliche Abkürzungen z. B. in Zusammenfassungen von neuen Emissionen von Anleihen sind:
- NP: Negativerklärung (Negative-pledge-Klausel)
- PP: Pari-passu-Klausel
- XD: Cross-Default-Klausel
- CoC: Change of Control-Klausel
Siehe auch
Dynamische Covenants:
Statische Covenants:
Kreditbedingung:
Literatur
- Christian Lützenrath, Marcus Schröer: Financial Covenants – Klare Zielvorgaben für Kreditnehmer, in: Kredit & Rating Praxis, Jahrgang 2001, Heft 5, Seite 19ff
- Wolfgang Servatius: Gläubigereinfluss durch Covenants, Hybride Finanzierungsinstrumente im Spannungsfeld von Fremd- und Eigenfinanzierung, Mohr Siebeck 2008
- Maik W. Fettes: Zur Verwendung von Covenants gegenüber Kapitalgesellschaften, Duncker & Humblot 2014
- Markus Walchshofer: Die Bedeutung von Covenants von Mittelstandsanleihen aus Sicht institutioneller Investoren, in Mittelstandsanleihen – Ein Leitfaden für die Praxis, Springer Gabler, 2012, S. 55–66.
Einzelnachweise
- Alexander Szodruch, Staateninsolvenz und private Gläubiger, 2008, S. 168 f.
- - Christian Lützenrath/Marcus Schröer, "Klare Zielvorgaben für Kreditnehmer", 2001 (Memento des Originals vom 7. Februar 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- BGH NJW 1989, 1800 (sog. TBB-Urteil)
- Folker Bittmann, Insolvenzstrafrecht: Handbuch für die Praxis, 2004, S. 662
- Konvergenzrichtlinie zu Basel II; hier Ziffer 518 (Memento des Originals vom 17. Oktober 2006 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Basel II The Internal Ratings-Based Approach; hier Ziffer 516 (Memento des Originals vom 18. Oktober 2006 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Frank M. Hülsberg, Sorgfaltspflichten bei Unternehmenserwerben, 2010, S. 48
- Joshua D. Rauh/Amir Sufi, The Composition and Priority of Corporate Debt: Evidence from Fallen Angels, September 2007, p. 23 (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 215 kB)
- Handelsblatt vom 8. Dezember 2008, Wenn die Bank den Kredit kündigt