Clash (Kryptologie)
Clash (/klæʃ/; Plural: Clashes; deutsch Zusammenstoß, Geklirr, Widerstreit) ist ein spezieller Fachbegriff in der Kryptanalyse. Er wurde von britischen Codeknackern im englischen Bletchley Park (B.P.)[1] in Zusammenhang mit der Rotor-Schlüsselmaschine Enigma verwendet und bezeichnet das wiederholte Auftreten derselben Enigma-Walze an derselben Position im Walzensatz an zwei aufeinanderfolgenden Tagen innerhalb eines Monats.
Clash darf nicht mit Crash (einer Buchstabenkollision in Klar- und Geheimtext) verwechselt werden.
Hintergrund
Während des Zweiten Weltkriegs nutzte die Wehrmacht die Enigma, um ihre geheimzuhaltenden Funksprüche zu verschlüsseln. Kritisches Element dabei ist der Schlüssel, der den befugten Empfänger der Nachricht in die Lage versetzt, den vom Sender erzeugten und an ihn gesandten Geheimtext zu entschlüsseln und so den ursprünglichen Klartext zu erhalten. Dazu gab es (damals streng geheime) Schlüsseltafeln[2] (Bild), die den täglich wechselnden Schlüssel für einen kompletten Monat tabellarisch auflisteten, und vorab an Sender und Empfänger verteilt wurden. Für die bei Heer und Luftwaffe verwendete Enigma I standen fünf unterschiedliche Walzen zur Verfügung, die mit römischen Zahlen (I, II, III, IV und V) durchnummeriert waren. Der Benutzer wählte nach Vorgabe der Schlüsseltabelle drei der fünf Walzen aus und setzte diese nach der im Tagesschlüssel unter der Überschrift „Walzenlage“ vorgeschriebenen Anordnung ein.[3] Für die Aufstellung des Schlüssels gab es für die Walzenlage 5·4·3 = 60 Möglichkeiten, wie an der folgenden Tabelle zu sehen (der Übersichtlichkeit halber hier mit arabischen Ziffern bezeichnet).
123 124 125 132 134 135 142 143 145 152 153 154 213 214 215 231 234 235 241 243 245 251 253 254 312 314 315 321 324 325 341 342 345 351 352 354 412 413 415 421 423 425 431 432 435 451 452 453 512 513 514 521 523 524 531 532 534 541 542 543
Von den deutschen Stellen, wie der Gruppe III „Schlüsselversorgung“ der Chiffrierabteilung des OKW, wurden für die Aufstellung der Schlüsseltabellen spezielle Regeln erfunden, um vermeintlich die Gefahr des Erratens von Schlüsseln zu reduzieren.[4] Dazu gehörte, dass sich eine Walze an zwei aufeinanderfolgenden Monatstagen nicht an derselben Stelle im Walzensatz befinden durfte, im Jargon der britischen Codebreakers war das eine Vermeidung von Clashes.
Wenn an einem bestimmten Tag als Walzenanordnung beispielsweise „I IV III“ vorgeschrieben war, mit der Bedeutung, dass die Walze I links, die Walze IV in der Mitte und die Walze III rechts in die Enigma einzusetzen ist, dann wurde von der deutschen Stelle, die die geheimen Schlüsseltafeln erzeugte, bewusst vermieden, dass am Folgetag die Walze I wieder links, die Walze IV erneut in der Mitte oder die Walze III noch einmal rechts vorkam. Durch diese Selbstbeschränkung standen somit am folgenden Tag einige Walzenlagen nicht mehr zur Verfügung beziehungsweise wurden bewusst vermieden. Die entsprechenden Fälle sind zur Illustration in der folgenden Tabelle durchgestrichen.
123124125132134135142143145152153154213214 215 231 234 235241243245251253254 312 314 315 321 324 325341342345351 352 354 412413415 421423425 431 432 435 451 452453512513514 521523524 531 532 534541542543
Dies hat zur Folge, dass statt der ursprünglich 60 Walzenlagen nur noch 32 zur Verfügung stehen, also kaum mehr als die Hälfte. Durch die vermeintlich schlaue Idee, Clashes zu vermeiden, wird tatsächlich die kombinatorische Komplexität der Enigma unnötig geschwächt.[5][6]
Non-Clashing Rule
Den Codebreakers blieb diese Eigenart der deutschen Schlüssel nicht verborgen und sie nannten sie die non-clashing rule (deutsch „Nicht-Zusammenstoß-Regel“).
Rule or principle not permitting, or tending to avoid, the same position for the same wheel on consecutive days.
„Regel oder Richtlinie, die die Verwendung derselben Walze an derselben Position [im Walzensatz] an aufeinanderfolgenden Tagen nicht erlaubt, beziehungsweise darauf abzielt, dies zu vermeiden.“[7]
Dies führte zu einer Arbeitserleichterung für die Codeknacker, die aufgrund der genannten Regel eine Vielzahl von Schlüsselkombinationen ausschließen konnten.[6]
Literatur
- Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse. Methoden und Maximen der Kryptologie. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, ISBN 3-540-67931-6.
- Tony Sale: The Bletchley Park 1944 Cryptographic Dictionary. Publikation, Bletchley Park, 2001. PDF; 0,4 MB, abgerufen am 27. August 2018.
Weblinks
Einzelnachweise
- Gordon Welchman: The Hut Six Story – Breaking the Enigma Codes. Allen Lane, London 1982; Cleobury Mortimer M&M, Baldwin Shropshire 2000, ISBN 0-947712-34-8, S. 11.
- OKW: Schlüsselanleitung zur Schlüsselmaschine Enigma. H.Dv.g. 14, Reichsdruckerei, Berlin 1940. (Abschrift des Original-Handbuchs mit einigen kleinen Tippfehlern.) Abgerufen: 24. August 2018. PDF; 0,1 MB (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive)
- Louis Kruh: How to Use the German Enigma Cipher Machine -A Photographic Essay. Cryptologia, Rose-Hulman Institute of Technology. Taylor & Francis, Philadelphia PA 29.2005,3, S. 193–232.
- John Jackson: Solving Enigma’s Secrets – The Official History of Bletchley Park’s Hut 6. BookTower Publishing 2014, ISBN 978-0-9557164-3-0, S. 96–100.
- Derek Taunt: Hut Six in Francis Harry Hinsley, Alan Stripp: Codebreakers – The inside story of Bletchley Park. Oxford University Press, Reading, Berkshire 1993, ISBN 0-19-280132-5, S. 100.
- Hugh Sebag-Montefiore: Enigma – The battle for the code. Cassell Military Paperbacks, London 2004, ISBN 0-304-36662-5, S. 314.
- Tony Sale: The Bletchley Park 1944 Cryptographic Dictionary. Publikation, Bletchley Park, 2001, S. 57, abgerufen am 27. August 2018. PDF; 0,4 MB