Caodaismus
Caodaismus (vietnamesisch: Đạo Cao Đài, Chữ Nôm: 道高臺) ist eine offiziell am 7. September 1926 gegründete Religion im Süden Vietnams. Die Schätzungen der Zahl der Anhänger gehen stark auseinander, wobei die Mehrzahl zwei bis drei Millionen angibt, andere Quellen aber acht Millionen Gläubige in Vietnam. Nach Buddhismus und Katholizismus ist sie die drittgrößte Religion des Landes, knapp vor Hòa Hảo und Protestantismus.[1] Durch Auswanderung gibt es ungefähr 30.000 Caodaisten in den USA, Europa und Australien.
Die Offenbarung dieser Religion, durch spiritistische Sitzungen empfangen, beinhaltet einen umfassenden Synkretismus aus asiatischem und christlichem Glaubensgut.
Stifter
Als Religionsstifter gilt Ngô Văn Chiêu (1878–1932), der am 25. Dezember 1925 die Offenbarung des Gottes Cao Đài erfuhr. Als Anführer dieser neuen Religionsgemeinschaft sollte ein Mitglied des Kolonialrates, Lê Văn Trung (1876–1934), ein bekannter Lebemensch und Opiumraucher, betraut werden. Dieser änderte dadurch seinen Lebenswandel zur Askese.
Geschichte
In Cochinchina gab es bereits vor der Kolonisierung durch Frankreich eine Tradition buddhistischen Milleniarismus, welcher oft in Krisenzeiten die soziale Spannung zwischen städtisch lebenden Großgrundbesitzern und der oft landlosen Bauernschaft artikulierte. Dies äußerte sich in sozialen religiösen Bewegungen wie auch in Aufständen und dem Versuch ein religiöses Staatswesen entgegen der monarchischen Ordnung aufzurichten. Unter der französischen Kolonialherrschaft vermehrte sich die Bevölkerung in Cochinchina von 1,7 Millionen 1880 auf 4,4 Millionen 1930. Von 1911 bis 1913 führte der Mystiker Phan Xich Long eine religiöse Aufstandsbewegung gegen die französische Herrschaft an, welche von der Kolonialmacht niedergeschlagen wurde.[2]
Der Caodaismus entstand aus der Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und ordnete diesen den metaphysischen Sinn einer Bestrafung für die Vernachlässigung göttlicher Prinzipien zu. Die Organisationsstruktur wurde von Religionsführer Le Van Trung der katholischen Kirche nachempfunden. Die Caodaisten bildeten eine Kirche mit organisiertem, hierarchisch gegliedertem Klerus welcher von einem Papst mit Sitz in der Provinz Thay Ninh dirigiert wird. Die Caodaisten entwickelten eine Soziallehre, welche den buddhistischen Reformbewegungen der damaligen Zeit entsprach. Sie forderte eine Neuregelung der Beziehungen zwischen Bauern und Grundbesitzer sowie eine vermehrte Gleichberechtigung des weiblichen Bevölkerungsanteils. Die Religion breitete sich in Cochinchina kurz nach seiner Gründung schnell aus und umfasste rund 10 % der Bevölkerung dort.[2]
Personell übernahm nach Trungs Tod 1935 ein ehemaliger Beamter des Kolonialstaats Phạm Công Tắc die Führung der Bewegung. Nach der Niederlage Frankreichs im Westfeldzug 1940 und der Kollaboration mit den Japanern durch die vichy-treuen Kolonialbehörden in Cochinchine konnten die Caodaisten ihren Einfluss weiter ausbauen und bildeten mit japanischer Hilfe bewaffnete Milizen. Aus Angst vor einem Aufstand wurde Phạm Công Tắc von den Kolonialbehörden inhaftiert und nach Madagaskar ins Exil geschickt.[2]
Synkretismus
Im Laufe der Geschichte soll Gott, indirekt als Cao Đài („hoher Altar“) bezeichnet, mehrere Offenbarungen kundgetan haben wie zum Beispiel für das Christentum:
und für die asiatischen Religionen:
- der erhabene Laozi (Lão Tử) hatte den Verdienst, am Heil der Menschheit mitzuwirken,
- der weise Konfuzius (Khổng Tử) hat deutlich den Weg des rechten Mittelmaßes vorgezeichnet,
- der barmherzige Buddha (Phật) hat Demut und Nächstenliebe gepredigt,
um schließlich mit dem Caodaismus alles zu vollenden.
Lehre und Kult
Der Caodaismus lehrt die Seelenwanderung und hält die moralischen Grundsätze wie Vegetarismus, Alkoholverbot, Selbstlosigkeit, Nächstenliebe und Armut als moralische Pflicht. Der Kult wird in reich ausgestatteten Tempeln mit Weihrauch, Geisterbeschwörungen und Gebeten vollzogen. Unter den „hohen Geistern“ des Caodaismus befinden sich u. a. Sun Yat-sen, Isaac Newton, die Jungfrau von Orleans und Victor Hugo[3], um deren Wichtigkeit für die Menschheit aufzuzeigen.
Hierarchie
Die Hierarchie ist nach dem Vorbild der katholischen Kirche aufgebaut mit den folgenden Ämtern bzw. Graden: Ðạo hữu (Gläubiger), Chuc viec (Unterwürdenträger), Lễ Sanh (Priesterschüler), Giáo Hữu (Priester), Giáo Sư (Bischof), Phối Sư (Erzbischof), Ðầu Sư (Kardinal), Chưởng Pháp (Zensor-Kardinal) und Giáo Tông (Hán nôm: 敎宗, „Papst“).
Es gibt je drei Zensor- und einfache Kardinäle, 36 Erzbischöfe und 72 Bischöfe. Ngô Văn Chiêu war der bislang einzige Cao Đài-Papst, seit 1932 ist der Posten vakant. Aufgrund von Restriktionen seitens der vietnamesischen Regierung ist es den Cao-Đài-Anhängern nicht erlaubt, einen neuen Papst einzusetzen oder spiritistische Sitzungen durchzuführen.
Literatur
- Phan-Long Nguyên: Der Caodaismus: der Mystizismus von Gott Cao-Dài (Memento vom 5. Juli 2010 im Internet Archive). Verein der CaoDaisten in der Bundesrepublik Deutschland, München 1991 (PDF; 362 kB)
- Victor L. Oliver: Caodai spiritism: A study of religion in Vietnamese society. Vorwort von Pierre Rondot. Brill, Leiden: 1976, ISBN 90-04-04547-3
- Jayne Susan Werner: Peasant Politics and Religious Sectarianism: Peasant and Priest in the Cao Dai in Viet Nam. Southeast Asian Studies. Yale University, New Haven 1981, ISBN 978-0-938692-07-2
Weblinks
- caodai.org (English/Tiếng Việt)
- Sydney Centre for Studies in Caodaism
- caodai-europe.info (Cao-Dai-Texte, französisch)
Einzelnachweise
- Religionsverteilung gemäß OHCHR (Press Statement on the visit to the Socialist Republic of Viet Nam by the Special Rapporteur on freedom of religion or belief): 11 million Buddhists, 6.2 million Catholics, 1.4 million Protestants, 4.4 million Cao Dai followers, 1.3 million Hoa Hao Buddhists (31. Juli 2014).
Hingegen abweichend CIA World Factbook: Vietnam: Buddhist 7.9%, Catholic 6.6%, Hoa Hao 1.7%, Cao Dai 0.9%, Protestant 0.9% (Schätzung 2009) - Christopher Goscha : Vietnam – A New History. New York, 2016 S. 174f
- Michael Leifer: Dictionary of the modern politics of South-East Asia. Routledge, London 1996, ISBN 0-415-13821-3. Artikel „Cao Dai (Vietnam)“