Battersea Power Station
Die Battersea Power Station ist ein ehemaliges Kohlekraftwerk in London, das von 1933 bis 1983 in Betrieb war. Sie ist eines der größten Ziegelgebäude Europas und steht am Südufer der Themse in der Nähe der Grosvenor Bridge.
Battersea Power Station | |||
---|---|---|---|
Lage | |||
| |||
Koordinaten | 51° 28′ 54″ N, 0° 8′ 39″ W | ||
Land | Vereinigtes Königreich | ||
Gewässer | Themse | ||
Daten | |||
Typ | Dampfkraftwerk | ||
Primärenergie | Fossile Energie | ||
Brennstoff | Kohle | ||
Leistung | 500 Megawatt | ||
Projektbeginn | 1929 (Baubeginn) | ||
Betriebsaufnahme | 1933 | ||
Stilllegung | 1983 | ||
Schornsteinhöhe | 112 m |
Geschichte
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts produzierten in London eine Vielzahl kleiner Elektrizitätswerke eine ebensogroße Vielfalt verschiedener Spannungen und Netzfrequenzen. Elektrische Maschinen waren daher in der Regel Spezialanfertigungen oder mussten an die jeweils verfügbare elektrische Versorgung angepasst werden. In den 1920er Jahren versuchte die private London Power Company, die Energieversorgung zu zentralisieren und zu standardisieren.
1929 begann der Bau der Battersea Power Station. Sie wurde von dem Architekten Giles Gilbert Scott entworfen, auf den auch die Waterloo Bridge, die Bankside Power Station (heute Tate Modern), die Kathedrale von Liverpool und die roten Telefonzellen zurückgehen. Das Gebäude hat ein Stahlskelett, das außen mit Ziegeln verkleidet ist. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs bestand die Battersea Power Station aus dem länglichen Block A mit zwei Schornsteinen. Das Innere war mit einem Kontrollzentrum im Art-déco-Stil, einer mit italienischem Marmor ausgekleideten Turbinenhalle und geschmiedeten Eisentreppen ausgestattet. Im Jahr 1933 ging der Block A in Betrieb. Die Generatoren hatten eine Leistung von 243 MW bei einer elektrischen Spannung von 11 kV.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Battersea Power Station um den (äußerlich mit dem Block A weitgehend identischen) Block B erweitert. Dieser wurde 1948 fertiggestellt, und das Kraftwerk erhielt sein vorerst endgültiges Erscheinungsbild mit vier mächtigen, weißen Schornsteinen, mehr als 110 Meter hoch. Insgesamt leisteten die beiden Blöcke nun 503 Megawatt, in den 1950er Jahren war die Battersea Power Station damit das drittgrößte Elektrizitätswerk Großbritanniens. Jedes Jahr wurden eine Million Tonnen Kohle im Kraftwerk verbrannt.
Block A wurde 1975 nach 42 Jahren Betrieb abgeschaltet, Block B ging 1983 nach 35 Betriebsjahren vom Netz. Im Jahre 1988 wurden die Turbinen und Dampfkessel entfernt. Hierfür wurde das Dach abgedeckt, das sich etwa dreißig Meter über dem Boden befand. Das Dach wurde nicht wiederhergestellt, sodass das Innere des Gebäudes seitdem der Witterung ausgesetzt ist.
Kultureller Einfluss
Die Battersea Power Station ist auf zahlreichen Musikalben britischer Pop- und Rockbands abgebildet. Am bekanntesten ist die Abbildung auf dem 1977 erschienenen Album Animals von Pink Floyd, die zwischen zwei Schornsteinen ein großes schwebendes Schwein zeigt. Weitere Beispiele sind das Album Quadrophenia von The Who (1973), Adventures Beyond The Ultraworld von The Orb, Live Frogs: Set 2 von Les Claypool's Frog Brigade (eine Coverversion von Animals) und Power Ballads von London Elektricity.
Das Kraftwerk war die Szenerie für den Film Sabotage von Alfred Hitchcock (1936, demnach nur mit Block A[1]) und ist auch im Film Der Sinn des Lebens von Monty Python zu sehen. Im Film 1984 beherbergte es das Ministerium für Wahrheit. Im Film Children of Men (2006) war das Gebäude Ausstellungsraum für aus aller Welt gerettete Kunstwerke. Auch das fliegende Schwein taucht im Film auf.[2] Die Battersea Power Station ist ein Schauplatz in Ein Skandal in Belgravia (2012), der vierten Episode der britischen Fernsehserie Sherlock.
Das Gebäude ist kurz im Musikvideo von The Moody Blues I Know You're Out There Somewhere als Bildhintergrund zu sehen.[3]
In letzter Zeit wurde das Kraftwerk für Aufführungen (Konzerte, Cirque du Soleil) genutzt. In Ian McKellens Verfilmung des Shakespeare-Theaterstücks Richard III. dient das Kraftwerk als Kulisse für eine surrealistische Interpretation der Schlacht von Bosworth. Für die „Chelsea Fringe“ 2013 wurde das Kraftwerk als Ausstellungsort genutzt.[4]
In den Computerspielen Command & Conquer: Alarmstufe Rot, SimCity 4 und DiRT 3 wird das ikonische Gebäude dargestellt.
Umnutzungspläne seit 1988
Nach 1988 war man sich prinzipiell einig, dass die Battersea Power Station erhalten und genutzt werden sollte; man fand jedoch kein schlüssiges Konzept. Die Idee, einen Freizeit- oder Themenpark einzurichten, wurde verworfen, weil die Umgebung dem erwarteten Verkehrsaufkommen nicht gewachsen gewesen wäre. Pläne, ein Veranstaltungszentrum mit Hotels und Konferenzräumen zu schaffen, scheiterten ebenfalls. Während die Planungen ins Leere liefen, verfiel das Gebäude mehr und mehr.
Zwischenzeitlich erwarb das Unternehmen Parkview International die Gebäude nebst Grundstücken und begann mit der Planung eines 750 Millionen Pfund teuren Umgestaltungsprojekts. Geplant waren zwei Hotels, ein Theater, ein Kino, Wohnungen und Restaurants.
Im Oktober 2005 ließen Parkview, English Heritage und London Borough of Wandsworth verlautbaren, dass die Schornsteine des Kraftwerks irreparabel seien und entfernt werden müssten. Obwohl Parkview betonte, man wolle die Schornsteine wiedererrichten, gab es Widerstand von lokalen Bürgergruppen.
REO ab 2006
Im November 2006 teilte das Unternehmen Real Estate Opportunities (REO) mit, dass es die Battersea Power Station und das umgebende Grundstück für 595 Millionen Euro erworben habe.[5] REO ließ ferner verlautbaren, dass alle Parkview-Pläne verworfen worden seien und der New Yorker Architekt Rafael Viñoly mit der Neuplanung betraut sei.[6] Im Jahr 2008 stellte REO Umbaupläne mit einem Volumen von 4 Milliarden Pfund vor. Diese Pläne sind Teil eines größeren Plans zur Umgestaltung des Londoner Stadtviertels Nine Elms. Das Kraftwerksgebäude sollte renoviert und teilweise wieder als Kraftwerk genutzt werden, mit Biomasse und Müll als Brennstoffen. Die vier Schornsteine sollten zur Ableitung von Dampf dienen. Die frühere Turbinenhalle sollte in ein Einkaufszentrum umgewandelt werden; aus dem dachlosen Kesselhaus sollte ein Park werden.[6] Das alte Gebäude sollte ferner ein Museum der Energie aufnehmen. Allein die Renovierung der Gebäudestruktur wurde mit 150 Millionen Pfund veranschlagt.[7] Östlich des Kraftwerks sollte ein großes Gebäude mit transparenter Fassade namens „Eco-Dome“ entstehen.[6] Das Gebäude sollte einen 300 Meter hohen und 30 Meter durchmessenden transparenten Ventilationsturm haben; dies wurde dann zugunsten einer Reihe kleinerer Türme verworfen.[7] Diese Türme sollten (verglichen mit konventionellen Bauten) den Energiebedarf des Gebäudes um 67 % reduzieren, indem sie kühle Luft durch das Gebäude zirkulieren lassen. Der Eco-Dome sollte Büros sowie 3200 Wohnungen für 7000 Menschen aufnehmen.[6]
Ein essenzieller Bestandteil des Plans war die Erweiterung der Londoner U-Bahn. Die geplante Erweiterung der Northern Line nach Nine Elms und Battersea sollte 350 Millionen Pfund kosten und von REO und anderen wichtigen Grundstücksbesitzern in Nine Elms getragen werden und wäre damit die erste privat bezahlte Erweiterung des Londoner U-Bahn-Netzes überhaupt gewesen.[7] 2008 stimmten bei einer Meinungsumfrage 66 Prozent der Bevölkerung den neuen Plänen zu. Im Rahmen einer Veranstaltung beim Kraftwerk am 23. März 2009 wurde bekannt gegeben, dass REO die Planungen als Vorschlag an das Wandsworth Council eingereicht habe.[7] Das Council gab seine Zustimmung am 11. November.[8] REO hoffte auf einen Beginn der Bauarbeiten im Jahr 2011; diese mussten aber auf 2012 verschoben werden.[9] Es wurde erwartet, dass die alte Gebäudestruktur bis 2016 gesichert und repariert werden könne und dass das gesamte Projekt 2020 abgeschlossen sei.[6][7][8] Die Pläne sahen 3400 Wohnungen und 3.500.000 Quadratmeter Bürofläche[9] für schätzungsweise 28.000 Anwohner und 25.000 Arbeitskräfte vor.[10] Im Dezember 2011 meldete REO Insolvenz an. Der Architekt Terry Farrell schlug einen Teilabriss des Gebäudes vor, bei dem nur die Giebelwände und Schornsteine renoviert, die Langhauswände aber abgerissen und durch gleich hohe Kolonnadenstrukturen ersetzt werden sollten, wodurch die Anmutung des Gebäudes im Wesentlichen erhalten geblieben wäre.[11]
Ab 2012
Im April 2012 wurde das Kraftwerk für 600 Millionen Euro zum Verkauf angeboten.[12]
Am 4. Mai 2012 gab der Fußballverein FC Chelsea bekannt, dass er ein Kaufangebot für das Gelände abgegeben habe. Chelsea plante einen Stadion-Neubau; die vier Schornsteine sollten erhalten bleiben.[13] Am 6. Juni 2012 erhielten zwei Unternehmen aus Malaysia den Zuschlag, welche mehr als 1,7 Milliarden Euro in das 15,8 Hektar große Gelände investieren wollten. Es sollte ein neues Stadtviertel mit Wohnungen, Büros, Geschäften und einer 1400 m2 großen Bibliothek entstehen.[14] In der Mitte des Gebäudes soll eine Einkaufsstraße entstehen, die auf beiden Seiten von Wohnungen umgeben ist. Die Planung übernahm wieder Rafael Viñoly. Die Detailplanung für den Umbau geschah durch WilkinsonEyre. Frank Gehry wird den östlichen, Norman Foster den westlichen Teil der Anlage gestalten (Phase 3).[15]
Apple 2021
Apple kündigte 2016 an, 2021 in die Büroeinheiten des Kraftwerks zu ziehen, und wird damit der größte gewerbliche Mieter der Battersea Power Station. 1.400 Apple-Mitarbeiter werden in der Power Station untergebracht.[16][17]
Die U-Bahn-Verlängerung mit der Station Battersea Power Station ging im 20. September 2021 in Betrieb.[18]
Weblinks
- Battersea Power Station - A New Energy for London Webseite von Real Estate Opportunities zur Vergangenheit und Zukunft des Kraftwerksgebäudes (englisch)
- Webseite der Battersea Power Station Community Group (englisch)
- Bildgalerie der BBC (englisch)
- Webseite eines Fans (englisch)
- Battersea and Bankside Power Station (now Tate Modern) compared, 10. Mai 2010 (englisch)
- Foto von einem Modell des „Eco-Domes“ in der ursprünglichen Fassung (mit 300-Meter-Turm) neben dem renovierten Kraftwerk bei flickr.com, zuletzt abgerufen 24. Juli 2011
- Liste von Filmen, die in der Battersea Power Station gedreht worden sind.
Einzelnachweise
- Sabotage (1936) [Klassiker[ | ganzer Film (deutsch). In: YouTube.com. Abgerufen am 21. Dezember 2021 (deutsch).
- Fliegendes Schwein in „Children of Men“. Interview mit Alfonso Cuaron, abgerufen am 9. Februar 2013
- The Moody Blues - I Know You're Out There Somewhere. Abgerufen am 21. Dezember 2021.
- The English Garden May 2013, 74
- REO buys London’s Battersea power station. Abgerufen am 3. August 2008.
- Robert Booth: Latest plans for Battersea power station revealed. The Guardian. 20. Juni 2008. Abgerufen am 24. Juli 2011.
- Nick Whitten: Battersea Power Station regeneration to go to planning (kostenpflichtig). 24. März 2009. Abgerufen am 24. Juli 2011.
- David Hatcher: REO's Battersea Power Station granted consent by Wandsworth (kostenpflichtig). In: propertyweek.com. 12. November 2010. Abgerufen am 24. Juli 2011.
- New Battersea Power Station plans include office space (Memento vom 4. Dezember 2011 im Internet Archive)
- Clare Hudson: What will become of Battersea Power Station?. 30. März 2011. Abgerufen am 24. Juli 2011.
- Battersea-Investor ist pleite. 14. Dezember 2011. Abgerufen am 14. Dezember 2011.
- E-Werk – ohne Schwein – für 600 Millionen Euro. 27. April 2012. Archiviert vom Original am 2. Mai 2012. Abgerufen am 8. Juni 2012.
- Chelsea plant Stadion-Neubau. 4. Mai 2012. Abgerufen am 4. Mai 2012.
- Battersea Power Station: Malaysian company beats Chelsea bid. bbc.co.uk (englisch), Zugriff am 8. Juni 2012
- Evening Standard, 23/10/2013, S. 10
- Battersea Power Station: Apple zieht in altes Kraftwerk. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 21. Dezember 2021]).
- WilkinsonEyre: New Apple campus at Battersea Power Station. 20. Dezember 2021, abgerufen am 21. Dezember 2021 (englisch).
- Gwyn Topham: London Underground’s Northern line extension comes into service. The Guardian, 20. September 2021, abgerufen am 20. September 2021 (englisch).