Basilica di San Lorenzo (Florenz)
Die Basilica di San Lorenzo ist eine der größten Kirchen in Florenz und steht im Zentrum des Marktviertels. Sie wurde 393 geweiht und ist eine der vielen Kirchen der Stadt, die für sich beanspruchen, die älteste zu sein. Dreihundert Jahre lang war sie die Kathedrale der Stadt, bevor sie diesen Status an Santa Reparata verlor, die heute durch den Dom Santa Maria del Fiore überbaut ist. Darüber hinaus war sie die Pfarrkirche der Medici, bei denen der Vorname Lorenzo deswegen häufig auftritt.
Baugeschichte
1419 bot Giovanni di Bicci de’ Medici, der Vater des Cosimo de’ Medici, an, eine neue Kirche anstelle des romanischen Baus zu finanzieren. Filippo Brunelleschi wurde mit dem Entwurf beauftragt. Er war bereits mit der Planung des Kuppelbaues des Domes beschäftigt und sein Ruhm hatte sich damit vermehrt. Zunächst bezog sich der Auftrag nur darauf, eine Sakristei als Erweiterungsbau der alten romanischen Kirche San Lorenzo zu bauen, die heutige „Alte Sakristei“. Damit erregte er Aufsehen und wurde nun auch mit der Planung eines neuen Langhauses beauftragt, das der erste Kirchenbau der Renaissance und damit der erste Kirchenbau der modernen Kunstgeschichte werden sollte. Der Auftrag erfolgte entweder um 1421 oder erst 1425. Bei Brunelleschis Tod 1446 war nur die Sakristei und das Transept fertig. Der Bau wurde von seinem Schüler Antonio Manetti fortgesetzt.
Die Medici brachten große Geldsummen auf, dennoch hat bis heute niemand den Bau der Fassade finanziert (obwohl Michelangelo eine entwarf, die heute noch als Holzmodell existiert). Der Campanile stammt aus dem Jahr 1740.
Architektur
Das der Renaissance entsprechende Innere der Kirche ist gewaltig, kalt und luftig, mit Kapellen in Reihe versehen. Der gesamte Kirchenbau ist gewestet.[1] Im südlichen Querschiff ist die gewölbte Sagrestia Vecchia (alte Sakristei), der älteste Teil der heutigen Kirche, die die Gräber einer Reihe von Familienmitgliedern der Medici enthält – der einzige Teil der Kirche, der zu Brunelleschis Lebzeiten fertig wurde.
Diese „alte Sakristei“ ist der erste überkuppelte Zentralbau der Renaissance, das Gründungswerk für den Zentralbau der modernen Kunstgeschichte. Vollendet wurde sie 1428. Die Tondi stammen von Donatello. Die zwölfgeteilte „Schirmkuppel“ stellt eine Sonderform dar, sie zeigt in ihrer Zahlensymbolik (Christus und die Apostel) bereits die Möglichkeit, die im Barock zur Kuppel als dem großen Himmelsbild führt.
Wir haben hier – wie dann später im Langhaus – einen geometrisch klar gegliederten Raum, der mit wenigen Gestaltungsmitteln auskommt: Rundbögen, kannelierte Pilaster und einem Gebälk, das die Wand in zwei Zonen einteilt. Teilweise ist die weiße Wandfläche ganz ungegliedert gelassen. Die wichtigen Bauglieder sind durch klare Bänder von grauem Stein („pietra serena“) nachgezeichnet, ein sehr eindrucksvolles, hier erstmals angewendetes Dekorationsprinzip.
Zu San Lorenzo gehören die Cappelle Medicee (Medici-Kapellen) hinter der Kirche: Am nördlichen Querschiff befindet sich die Sagrestia Nuova (Neue Sakristei), die 1520 von Michelangelo begonnen wurde, der auch die darin enthaltenen Medici-Gräber entwarf. Hinter dem Chor erhebt sich der riesige Kuppelbau der Cappella dei Principi (Fürstenkapelle), deren Bau 1604 begonnen wurde, ein großer, gewölbter, oktogonaler Zentralraum, in dem die Großherzöge begraben sind.
Der Innenraum – Brunelleschi und die Zentralperspektive
Die Medici hatten um 1418 noch einen gotischen Bau geplant, als Brunelleschi die Bauleitung übernahm. Brunelleschi änderte in diesem Plan bis 1421 praktisch alles. Er begann mit einem ganz neuen Plan, es war eine schlagartige Entscheidung für einen neuen Baustil.
Dieser Innenraum ist ein hervorragendes Beispiel für die Architektur der Frührenaissance in einem traditionellen längsgerichteten Gebäude, das damit also außerhalb des Ideals vom reinen Zentralbau stand. Hier wurde zum ersten Mal Brunelleschis neuartige Konzeption von einem an der Linearperspektive orientierten Raum verwirklicht, der durch Fluchtlinien bestimmt ist, die alle in einem Punkt zusammenzulaufen scheinen – Brunelleschi war mit dem Mathematiker Manetti und anderen der Erfinder der wissenschaftlichen Zentralperspektive.
Vor Brunelleschi hatte man sich in solchen Fällen verschiedener Kunstgriffe bedient, um in Gemälden und Zeichnungen Entfernungen zu suggerieren. Brunelleschi aber erarbeitete ein System, mit dessen Hilfe Raum auf exakt messbare Weise darzustellen war. Er beobachtete, dass auf einen Betrachter parallel zulaufende Linien in der Ferne zu konvergieren scheinen. Ins Bild übertragen erzeugen solche Fluchtlinien (Orthogonale), die in der Tiefe des Bildes in einem Fluchtpunkt zusammenlaufen, eine stark räumliche Wirkung.[2]
Hier wird die Abkehr von der mittelalterlichen Architektur und die Opposition gegen die deutsch-französischen Einflüsse der Gotik besonders deutlich, die ein ekstatisches Streben nach Höhe und dramatischer Wirkung gezeigt hatten. Beim Bau der Domkuppel war Brunelleschi daran gehindert worden, solche Prinzipien zu verwirklichen, weil dort die Grundmaße und die Idee bereits vorgegebenen waren. In seiner Architektur wollte er aber eigentlich etwas anderes.
In Italien und besonders jetzt in der Renaissance war es kein Selbstzweck mehr, ein repräsentatives Bauwerk größer und höher errichten zu wollen. Man orientierte sich an dem, was in der Literatur gerne als das „menschliche Maß“ (misura dell'uomo) bezeichnet wird.
- „Die Renaissance konsolidiert endgültig das Primat der formalen Schönheit vor jedem anderen Aspekt […] Die Grundlage ihres Stils, in denen die Tugenden ihrer Seele auf die Architektur übertragen werden, heißen: Ordnung, Klarheit, Harmonie“.[3]
Als erstes fällt auf, dass Brunelleschi strenge, klare geometrische Formen bevorzugte, um die Linearperspektive zu betonen. Ein Gestaltungsmittel dazu war das Prinzip der Reihung gleicher Elemente. Da vor allem die Säulen Träger dieses Prinzips sind, stehen sie sehr frei und offen zwischen Haupt- und Seitenschiff, sind also als Einzelelemente deutlich hervorgehoben.
Parallel dazu verwendet die Wandgliederung der Seitenschiffe Pilaster. Die Kirchenschiffe sind durch regelmäßige, große Rundbögen voneinander getrennt, nicht wie in der Gotik mit den weniger harmonischen Spitzbögen. Das Hauptschiff wird von einer Kassettendecke abgeschlossen, nicht mehr von einem Rippengewölbe. Der ganze Raum verzichtet auf eine Steigerung nach oben, sondern bevorzugt eine ruhige, klassische Lagerung mit starker Betonung von waagerechten Elementen – wie dem sog. Gebälk, das als durchgehende Linie über den Arkaden des Mittelschiffes und über den Pilastern der Seitenschiffe liegt und in der Flachdecke eine Parallele hat.
Die senkrechten Bauglieder sind in exakt berechneter Proportion und Perspektive hintereinander gesetzt. Dieses rationale Ordnungsprinzip lässt die verbleibenden Wandflächen weiß und ungestaltet. Sie werden nicht mehr, wie im Mittelalter, für Malereien genutzt, das würde das Erleben der Perspektive nur stören. Außerdem wäre auch kaum mehr Platz dafür übrig. Das, was an Dekoration aufgetragen wird, ist kein eigenständiges Bildprogramm, sondern „gemalte Architektur“, unterstreicht also das Grundkonzept des Raumes zusätzlich.
Die Kirchenschiffe sind durch weite Bogenstellungen miteinander verbunden. Das waren sie in den italienischen gotischen Bauten auch vorher schon, beispielsweise beim Florentiner Dom. Aber in S. Lorenzo ist der Eindruck des Einheitsraumes noch stärker als im Dom 30 Jahre zuvor. Das Licht ist hell und klar und nicht schummrig-mystisch wie in der Zeit des Mittelalters davor.
Es ist in der Fachliteratur umstritten, welche Vorbilder Brunelleschi hier im Innenraum von S. Lorenzo aufgegriffen hat. Es wird teilweise behauptet, er habe klassische antike Bauten vor Augen gehabt. Andererseits wird darauf verwiesen, dass der Einfluss von Bauten der toskanischen Romanik des 11. und 12. Jahrhunderts doch größer sei. Auch das gotische Raumgefühl, wie es sich in Italien entwickelt hatte, wird als denkbare Quelle genannt. Mithin werden in der Literatur für die Entstehung der Architektur Brunelleschis also alle Kunstepochen mit herangezogen, die es in Italien bis zu diesem Zeitpunkt 1420 überhaupt nur gab.
Es lassen sich für jede der angeführten Theorien Belege erbringen. Es ist unzweifelhaft, dass Brunelleschi alle Baustile gut gekannt hat und dass Elemente aus allen Bereichen irgendwie vertreten sind. Entscheidend ist bei Brunelleschi aber nicht das Zitieren älterer Kunst, sondern der Entwurf einer neuen Architektur, wie sie unter dem Stichwort der Zentralperspektive in ihren entscheidenden Formen beschrieben wurde.
- „Brunelleschi wählte aus toskanischen Bauten des 11. bis 14. Jahrhunderts alle Elemente seines Stiles und ordnete sie neu entsprechend den neuen Beziehungen, die durch die neuentdeckte perspektivische Sehweise gefordert wurden.“[4]
Gleichzeitig hatte er mit diesem Bau das Vorbild der frühchristlichen Basiliken wieder aufgegriffen. Durch diesen Innenraum weckte er das Verständnis der Künstler für die Perspektive. Ein Stil entstand, der die gesamte florentinische Architektur des Jahrhunderts lenkte und in dem „Lineal und Zirkel“ wieder ihren Platz einnahmen, um mit den Mitteln der Symmetrie und mit der gemessenen Regelmäßigkeit der Konstruktionen den Begriff geometrischer Schönheit durchzusetzen.[5] Das Langhaus bildet ein in sich funktionierendes System, die Raumteile sind klar aufeinander bezogen. Das Verhältnis von Mittelschiff zu Seitenschiff zu Kapellentiefe ist 4:2:1. Höhe der Schiffe ist zweimal die Breite. Mathematische Grundverhältnisse bestimmen also die Ausmaße des Baues.
Die Treppe der Biblioteca Laurenziana
Es gibt noch ein Werk von Michelangelo in dieser Kirche, nämlich die Treppenanlage zur Bibliothek, zur sog. Biblioteca Laurenziana. Hier sollte die wertvolle Handschriftensammlung der Medici aufbewahrt werden. Es stellte sich das Problem, wie die Treppe, die vom Vestibül aus auf das Bodenniveau dieser Bibliothek hinaufführt, gestaltet werden sollte. Clemens VII., der damalige Papst aus dem Hause Medici, hatte selber den Vorschlag gemacht, den ganzen Raum für diese Treppe zu nutzen. Aber Michelangelo verließ 1534 Florenz in Richtung Rom, und deshalb blieb das Vorhaben erstmal liegen.
Giorgio Vasari und Bartolomeo Ammanati haben dann über 20 Jahre später 1559–1568 mit der Hilfe Michelangelos den ursprünglichen Plan in die Realität umgesetzt. Entstanden ist eine grandiose Konstruktion auf kleinem Raum.
Treppenanlagen sollten in den späteren Jahrhunderten eine zunehmende Bedeutung in den Profanbauten erhalten, beispielsweise in der ungefähr zeitgleichen französischen Schlossanlage in Chambord an der Loire, die Leonardo da Vinci entworfen hat, oder – wesentlich später – in der Würzburger Residenz Balthasar Neumanns des 18. Jhs., also im Barock. Hier haben wir einen der frühesten Fälle, dass so etwas „Unwichtiges“ wie eine Treppenanlage zum Gegenstand der Überlegung führender Künstler wurde. Man hat damals diese breit gefächerte, dreigeteilte Konstruktion mit einer Kaskade, also einem Wasserfall verglichen, womit auch deutlich wird, dass im 16. Jahrhundert eine solche Treppenanlage absolut ungewöhnlich war.
Kunstwerke
- In der Alten Sakristei zeigt das Gewölbe über dem Altar eine der ersten naturgetreuen Darstellungen des Sternenhimmels. Die Positionen von Sonne, Mondsichel und Planeten auf der skalierten Ekliptik sind derart genau wiedergegeben, dass sich das von Toscanelli dargestellte Datum, der 4. Juli 1442 um 10:40 Uhr, rekonstruieren lässt.
- Bronzino (Fresko Das Martyrium des hl. Laurentius im Nordflügel)
- Desiderio da Settignano (Pala del Sacramento, Tabernakel im Südflügel)
- Donatello (zwei Bronzekanzeln, seine letzten Werke; Friese, Reliefs, Tondi und Bronzetüren in der Sagrestia Vecchia)
- Antonio del Pollaiuolo (hölzernes Kruzifix in der Kapelle des südlichen Querschiffs)
- Filippo Lippi (Altarbild der Verkündigung in der Kapelle des nördlichen Querschiffs)
- Rosso Fiorentino (Hochzeit der Jungfrau in einer der Kapellen des Südflügels)
- Andrea del Verrocchio (Grab von Giovanni und Piero di Lorenzo de’ Medici in der Sagrestia Vecchia)
Orgeln
In der Basilika gibt es drei Orgeln. Die Hauptorgel wurde 1864–1865 von den Orgelbauern Fratelli Serassi (Bergamo) erbaut. Das Instrument hat 35 Register auf drei Manualen und Pedal. Die Trakturen sind mechanisch.[6]
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Grabmonumente
- Bernardo Cennini (Goldschmied und Drucker) (südliches Querschiff)
- Donatello (nördliches Querschiff)
- Francesco Landini (Südflügel)
- Niccolò Martelli (nördliches Querschiff)
- Cosimo de’ Medici (vor dem Hochaltar)
- Cosimo I. (Cappella dei Principi)
- Cosimo II. (Cappella dei Principi)
- Cosimo III. (Cappella dei Principi)
- Ferdinando I. (Cappella dei Principi)
- Ferdinando II. (Cappella dei Principi)
- Ferdinando III. (Krypta)
- Anna Maria Luisa de’ Medici (Krypta)[7]
- Francesco I. (Cappella dei Principi)
- Giovanni di Bicci de’ Medici (Sagrestia Vecchia)
- Giovanni di Cosimo de’ Medici (Sagrestia Vecchia)
- Giovanni de' Medici (Papst Leo X.) (Sagrestia Vecchia)
- Giuliano di Piero de’ Medici (Sagrestia Nuova)
- Giuliano di Lorenzo de’ Medici (Sagrestia Nuova)
- Lorenzo il Magnifico (Sagrestia Nuova)
- Lorenzo di Piero de’ Medici (Sagrestia Nuova)
- Piero di Cosimo de’ Medici (Sagrestia Vecchia)
- Piero di Lorenzo de’ Medici (Sagrestia Vecchia)
- Niels Stensen
Anmerkungen
- Volker Herzner: »How much Brunelleschi?« Matthew Cohen und sein Phantom-Architekt von San Lorenzo in Florenz. Auf: Kunstgeschichte. Open Peer Reviewed Journal (13. Mai 2013), online auf www.kunstgeschichte-ejournal.net.
- Hugh Honour, John Fleming: Weltgeschichte der Kunst. Jubiläumsausgabe, 5. Auflage. Prestel, München 1999, ISBN 3-7913-2094-7, S. 332.
- Bertrand Jestaz: Die Kunst der Renaissance (= Große Epochen der Weltkunst. Serie 3, Bd. 4). Herder, Freiburg (Breisgau) u. a. 1985, ISBN 3-451-19404-X, S. 25.
- André Corboz, Henri Stierlin (Hrsg.): Frühes Mittelalter (= Architektur der Welt. Bd. 14). Taschen, Köln 1994, ISBN 3-8228-9534-2, S. 127.
- Alain J. Lemaître: Florenz und seine Kunst im 15. Jahrhundert. Photogrien von Erich Lessing. Terrail, Paris 1993, ISBN 2-87939-067-2, S. 70.
- Informationen zur Orgel
- Letzte Vertreterin der Medici-Dynastie wird im Herbst exhumiert. Forscher wollen sterbliche Überreste von Maria Luisa de' Medici untersuchen. In: Die Welt, 2. Juli 2012.