Baltischer Weg
Der Baltische Weg (litauisch Baltijos kelias, lettisch Baltijas ceļš, estnisch Balti kett, Letzteres wörtlich Baltische Kette) war eine 650 km (nach anderen Angaben: 595 km) lange Menschenkette im Baltikum am 23. August 1989.
Vorgeschichte
Am 23. August 1979 hatten sich anlässlich des Hitler-Stalin-Pakt baltische Dissidenten und Mitglieder der Helsinkigruppe im «Baltischen Appell» an die Öffentlichkeit gewandt, um eine Veröffentlichung und anschließende Annullierung des Paktes zu erreichen. Westliche Unterstützung blieb aus und die Unterzeichner wurden verfolgt. 1986 forderte die lettische Dissidentengruppe Helsinki-86 die Veröffentlichung und Aufhebung des Vertrages und regte für den Jahrestag 1987 gemeinsame baltische Proteste an.[1] Hatten Esten, Letten und Litauer zunächst während der Perestrojka vermeintlich unpolitische ökologische Themen wie den Phosphoritabbau in Nordestland, den Bau der Rigaer Metro oder des litauischen Kernkraftwerks Ignalina thematisiert, so entstand mit der Singenden Revolution und den baltischen Volksfrontbewegungen eine Unabhängigkeitsbewegung, die zu jedem Jahrestag des Paktes größere Demonstrationen organisierte.[2]
Anlass
Anlässlich des 50. Jahrestages des Hitler-Stalin-Pakt schlossen sich über eine Million Esten, Letten und Litauer in den drei Ländern zu einer Menschenkette zusammen, um ihre Einigkeit in dem Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit von der Sowjetunion zu demonstrieren.[3][4] Aufgerufen hatten die Volksfrontbewegungen Rahvarinne (Estland), Tautas Fronte (Lettland) und die litauische Sajudis. Allein in Litauen unterschrieben 1,2 Millionen Menschen den baltischen Appell an die Bundesrepublik, die DDR, die Sowjetunion und die UNO, das gesamte deutsch-sowjetische Vertragswerk zu annullieren.[5] Das Zentralkomitee der KPdSU verurteilte die Demonstration als extremistisch und schädlich für das Sowjetvolk und trieb damit die Menschen in die Arme der baltischen Unabhängigkeitsbefürworter.[6]
Nach dem Hitler-Stalin-Pakt, nach dessen Geheimem Zusatzprotokoll sowie dessen Deutsch-Sowjetischer Grenz- und Freundschaftsvertrag fielen Estland, Lettland und Litauen an die Sowjetunion. Nach der Liquidierung und Eingliederung der baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen in die Sowjetunion im Juni 1940 kam es zu Massendeportationen vor allem von Angehörigen der bürgerlichen Elite in die Zwangsarbeitslager des Gulag. In den Jahren 1945 und 1949 kam es zu neuen Massendeportationen im Baltikum sowie zur Ansiedlung Hunderttausender russischsprachiger Sowjetbürger mit dem Ziel, die neuen Teilrepubliken zu russifizieren.[7][8][9]
Die Menschenkette reichte von Vilnius in Litauen über Riga in Lettland bis nach Tallinn in Estland.[4] Sie ist die längste bekannte Menschenkette der Geschichte.
Andenken
Des Baltischen Weges wurde von Seiten der Staaten mit Monumenten und Gedenkmünzen gedacht. Des Weiteren wurden Dokumente zum Baltischen Weg 2009 in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen.[3] Auch das Straßenradrennen Baltic Chain Tour erinnert daran.
Literatur
- Karsten Brüggemann: Menschenkette durch das Baltikum. In: Horch und Guck. Zeitschrift der Gedenkstätte Museum in der Runden Ecke Leipzig, 25. Jg., Heft 82–83, 1–2/2016, S. 43–47.
- „Lietuva 1940–1990. Okupuotos Lietuvos istorija“. Lietuvos gyventojų genocido ir rezistencijos tyrimo centras. Vilnius 2005 m. p. 617–619.
- Visuotinė lietuvių enciklopedija. Mokslo ir enciklopedijų leidybos institutas. Vilnius 2002. T. II. „Baltijos kelias“.
- „Baltijos kelias“ – kelias į laisvę. Dešimtmetį minint. Lietuvos Sąjūdis, Romas Batūra. Vilnius 1999. p. 14–16, 24–27, 44–45.
Weblinks
Einzelnachweise
- Jan Lipinsky: Die Rezeptionsgeschichte des Hitler-Stalin-Pakts in Ostmitteleuropa. In: Der Hitler-Stalin-Pakt 1939 in den Erinnerungskulturen der Europäer. Wallstein, Göttingen 2011, S. 69 f.
- Karsten Brüggemann: Estland und das Ende der Sowjetunion. In: Der Hitler-Stalin-Pakt 1939 in den Erinnerungskulturen der Europäer. Wallstein, Göttingen 2011, S. 303 f.
- The Baltic Way - Human Chain Linking Three States in Their Drive for Freedom. In: UNESCO. Abgerufen am 19. August 2012.
- Deutsche Welle: Die „Singende Revolution“, 23. August 2009
- Jan Lipinsky: Das Geheime Zusatzprotokoll zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag vom 23. August 1939 und seine Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte von 1939 bis 1999. Peter Lang 2000, ISBN 3-631-52322-X, S. 458 f.
- Karsten Brüggemann: Estland und das Ende der Sowjetunion. S. 313.
- Boris Meissner: Die Sowjetunion, die baltischen Staaten und das Völkerrecht. Verlag für Politik u. Wirtschaft, Köln 1956, XI, 377.
- Mart Laar: Estland und der Kommunismus. In: Das Schwarzbuch des Kommunismus 2. München 2004, S. 261–323.
- BPB, Vor 30 Jahren: Menschenkette "Baltischer Weg", 19. August 2019