Bahnstrecke Stuttgart-Untertürkheim–Kornwestheim
Die Bahnstrecke Stuttgart-Untertürkheim–Kornwestheim (regional auch als Schusterbahn bekannt) ist eine 11,495 Kilometer lange Güterumgehungsbahn. Die zweigleisige elektrifizierte Hauptbahn verbindet Stuttgart-Untertürkheim mit Kornwestheim und dient als Umgehungsbahn in erster Linie dem Güterverkehr zur Umfahrung des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Im Kursbuch führt sie die Nummer 790.11.
Geschichte
Die Bezeichnung „Schusterbahn“ kam durch die Salamanderwerke in Kornwestheim zustande. Die Personenzüge fuhren hauptsächlich für deren und Mitarbeiter der Bahn zwischen Untertürkheim und Kornwestheim, beides Wohnorte für viele Eisenbahner, und hielten früher in Kornwestheim nicht im Personenbahnhof, sondern im östlich davon liegenden alten Rangierbahnhof, dessen Reste erst nach Auflösung seiner Selbstständigkeit dem Personenbahnhof zugeschlagen wurden.
Die Strecke wurde am 30. September 1896 mit der Einweihung des Bahnhofs in Stuttgart-Münster eröffnet, um den Stuttgarter Hauptbahnhof zu umfahren. Zuvor mussten alle Güterzüge im Stuttgarter Centralbahnhof wenden, da der Vorgängerbau des Hauptbahnhofes ebenso wie dieser ein Kopfbahnhof war.
Bei ihrer Eröffnung am 1. Oktober 1896 war die Strecke eingleisig, wobei der Unterbau und die Ingenieurbauwerke bereits für ein zweites Gleis vorbereitet waren. Aufgrund steigender Verkehrsmengen brachte die Regierung am 23. Januar 1902 die Forderung ein, eine Million Mark für den Bau des zweiten Gleises bereitzustellen. Im Winter 1901/1902 verkehrten täglich rund 50 Güter- und fünf Personenzüge. Mit verschiedenen Gesetzen aus den Jahren 1902, 1903 und 1905 wurden insgesamt 1,8 Millionen Mark für das Vorhaben bewilligt. Am 23. September 1904 wurde das zweite Gleis in Betrieb genommen.[3] 1933 wurde die Strecke außerdem elektrifiziert und in den Stuttgarter Vorortverkehr integriert.
Ausblick
Die Strecke soll bis 2030 in den Digitalen Knoten Stuttgart integriert und dabei mit Digitalen Stellwerken, ETCS und automatisiertem Fahrbetrieb ausgerüstet werden.[4] Zunächst ist dabei geplant, bis 2025 den Abschnitt zwischen Münster und Untertürkheim mit ETCS Level 2 „mit Signalen“ auszurüsten.[5][6] Auf eine Ausrüstung „ohne Signale“ wurde aufgrund noch nicht mit ETCS ausgerüsteten Güterzügen verzichtet.[6]
Bis 2025 soll der Südabschnitt der Strecke zunächst in den Stellwerk- und RBC-Bereich Untertürkheim integriert werden, das von einem in Waiblingen entstehenden Bedien- und Technikstandort gesteuert werden soll.[7]
Streckenverlauf
In Untertürkheim zweigt die Bahnstrecke von der Filstalbahn (Stuttgart–Ulm) ab und durchquert den Untertürkheimer Güterbahnhof, wo sie die Bundesstraße 14 unterquert. Ein Verbindungsgleis ermöglicht einen direkten Wechsel zur Bahnstrecke Stuttgart-Bad Cannstatt–Nördlingen aus südlicher Richtung; aus nördlicher Richtung muss dazu im Güterbahnhof gewendet werden. In Bad Cannstatt führt die Strecke am Kurpark vorbei. Danach überquert sie in Richtung Münster auf dem Eisenbahnviadukt Stuttgart-Münster den Neckar.
Etwas nach anschließendem Passieren des Kraftwerks Stuttgart-Münster führt die Bahnstrecke in Richtung Rot im Schnarrenbergtunnel durch die westlich oberhalb des Neckartals befindliche Ostschulter des Schnarrenbergs (315,7 m), um kurz darauf in Richtung Zazenhausen das Tal des Neckar-Zuflusses Feuerbach auf dem Feuerbach-Viadukt zu überqueren. Danach münden die Gleise am südsüdwestlichen Stadtrand Kornwestheims, kurz nach Unterqueren der Bundesstraße 27, in die Frankenbahn, den Rangierbahnhof Kornwestheim und die Schnellfahrstrecke Mannheim–Stuttgart ein.
Bauwerke
Das über den Neckar führende Eisenbahnviadukt Stuttgart-Münster ist 855 m lang und maximal 30 m hoch. Es wurde 1896 als „König-Wilhelm-Viadukt“ als Eisenfachwerkkonstruktion erbaut und 1985 durch einen Neubau in Stahlbeton-Konstruktion ersetzt.
Zwischen Stuttgart-Münster und Zazenhausen befindet sich der 272,2 Meter lange Schnarrenbergtunnel. Er wurde von 1999 bis 2000 grundsaniert und dabei das Ziegelmauerwerk durch eine Betonschale ersetzt.
Der 266 Meter lange Feuerbach-Viadukt über den Feuerbach wurde, wie der über den Neckar, um 1980 durch einen parallel befindlichen Beton-Neubau ersetzt. Die Zuführungsstrecken wurden verlegt. Deshalb musste der Halt am im Bereich der Zuführung gelegenen Bahnhof Zazenhausen zu einem südwestlich gelegenen neuen Haltepunkt verlegt werden, der direkt an der Kreuzung (Unterführung) mit der Linie U7 der Stadtbahn Stuttgart liegt. Der Umsteigeweg zur nächstliegenden Haltestelle Himmelsleiter ist etwa 200 bis 250 Meter lang.
Ende 2010 wurde die Haltestelle Ebitzweg der Stadtbahnlinie U13 in Betrieb genommen. Es besteht zwischen den beiden direkt nebeneinanderliegenden gleichnamigen Stationen auf kurzem Weg eine Fußgängerverbindung.
Verkehr
Auf der Strecke verkehren täglich bis zu 120 Güterzüge, im Personenverkehr wird sie von der Regionalbahnlinie RB11, bis Dezember 2019 R 11, werktags mit drei Zugpaaren am frühen Morgen und drei weiteren am Nachmittag bedient (Stand: Fahrplan 2020). Sie werden mit einem von DB Regio (S-Bahn Stuttgart) betriebenen Triebzug der Baureihe 426 gefahren, der 2017 modernisiert wurde.[8] Außerdem fahren Leerzüge der S-Bahn Stuttgart planmäßig auf der Schusterbahn. Zudem dient die Verbindung als Umleitungsstrecke bei Bauarbeiten oder Störungen im Stuttgarter Hauptbahnhof. Von 1992 bis 2006 fuhr planmäßig ein ICE-Sprinter-Zugpaar über die Strecke.
Im Jahr 2012 prüfte der Verband Region Stuttgart einen Stundentakt auf der Strecke.[9] Im Januar 2013 teilte der Verband mit, dass das Potenzial der Strecke erkennbar gering sei. Dies bewerteten die Gemeinderatsfraktionen unterschiedlich.[10] So kam es lediglich zu einem zusätzlichen Zugpaar morgens und abends[11].
Am 29. Januar 2018 beschloss der Verkehrsausschuss des Verbands Region Stuttgart eine Untersuchung zu einer durchgehenden Ausweitung des Viertelstundentakts auf S-Bahn-Außenästen. In diesem Rahmen wurde auch eine Angebotsausweitung auf der Schusterbahn untersucht. Geprüft wurden ein Halbstundentakt, eine Weiterführung Richtung Esslingen/Ludwigsburg/Markgröningen sowie, alternativ, eine Ausweitung Richtung Plochingen und Bietigheim-Bissingen.[12][13]
Ein progressives Szenario einer 2020 vorgelegten Verkehrsprognose für das Jahr 2030 sieht zwei Züge der Linie Kornwestheim – Untertürkheim – Esslingen – Plochingen pro Stunde vor.[14]
In einem gemeinsamen Antrag sprachen sich vier Fraktionen der Region Stuttgart im Mai 2020 dafür aus, eine halbstündliche S-Bahn-Linie „S11“ Bietigheim-Bissingen–Plochingen über die Schusterbahn zu führen.[15] Bis Ende 2020 soll eine Betriebsprogrammstudie vorgelegt werden, um zu klären, inwieweit das Zugangebot kurzfristig ausgedehnt werden kann.[16]
- Kornwestheim Pbf
- Stuttgart-Zazenhausen
- Stuttgart Ebitzweg
- Stuttgart-Untertürkheim Pbf
Literatur
- Andreas M. Räntzsch: Stuttgart und seine Eisenbahnen. Die Entwicklung des Eisenbahnwesens im Raum Stuttgart. Uwe Siedentop, Heidenheim 1987, ISBN 3-925887-03-2.
- Hans-Wolfgang Scharf: Die Eisenbahn im Kraichgau. Eisenbahngeschichte zwischen Rhein und Neckar. EK-Verlag, Freiburg (Breisgau) 2006, ISBN 3-88255-769-9.
Weblinks
- Streckenverlauf, Betriebsstellen, zulässige Geschwindigkeiten und einige Signale der Strecke auf der OpenRailwayMap
- Feuerbach-Viadukt
- Kursbuchauszug von 1944
Einzelnachweise
- DB Netze - Infrastrukturregister
- Eisenbahnatlas Deutschland. 9. Auflage. Schweers+Wall, Aachen 2014, ISBN 978-3-89494-145-1.
- Andreas M. Räntzsch: Die Einbeziehung Stuttgarts in das moderne Verkehrswesen durch den Bau der Eisenbahn. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2005, ISBN 3-8300-1958-0, S. 436 f.
- Jens Bergmann: Digitaler Knoten Stuttgart. (PDF) Erklärung der DB Netz AG zu Inhalt und Zielen. DB Netz, 21. April 2020, S. 3, 5, abgerufen am 24. April 2020.
- Michael Kümmling: ETCS-Ausrüstungsbereiche Stuttgart 21. (PDF) In: bieterportal.noncd.db.de. Deutsche Bahn, 10. Mai 2019, archiviert vom Original am 21. Oktober 2019; abgerufen am 21. Oktober 2019 (Anlage_03.1.10_-_Übersichtsskizze_ETCS-Ausrüstungsstand.pdf im ZIP-Archiv).
- Marc Behrens, Enrico Eckhardt, Michael Kümmling, Markus Loef, Peter Otrzonsek, Martin Schleede, Max-Leonhard von Schaper, Sven Wanstrath: Auf dem Weg zum Digitalen Knoten Stuttgart: ein Überblick. In: Der Eisenbahningenieur. Band 71, Nr. 4, April 2020, ISSN 0013-2810, S. 14–18 (PDF).
- Mladen Bojic, Hassan El-Hajj-Sleiman, Markus Flieger, Roman Lies, Jörg Osburg, Martin Retzmann, Thomas Vogel: ETCS in großen Bahnhöfen am Beispiel des Stuttgarter Hauptbahnhofs. In: Signal + Draht. Band 113, Nr. 4, April 2021, ISSN 0037-4997, S. 21–29 (PDF).
- Modernisierter Zug auf der Schusterbahn im Einsatz. (Nicht mehr online verfügbar.) In: deutschebahn.com. Deutsche Bahn, 16. März 2017, archiviert vom Original am 20. März 2017; abgerufen am 19. März 2017.
- Stundentakt auf der Schusterbahn?. Stuttgarter Nachrichten, 13. Januar 2012.
- http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.nahverkehr-stuttgart-kein-ausbau-der-schusterbahn.436c3ab0-be9b-47f1-9815-6b75b76e3b5e.html
- http://www.tagblatt.de/Nachrichten/Regionalversammlung-beschliesst-weitere-Abfahrzeiten-von-und-nach-Kornwestheim-107048.html
- Klimpel, Bopp: ERGEBNISPROTOKOLL über die 43. Sitzung des Verkehrsausschusses am 29. Januar 2018 im Sitzungssaal (5. OG) der Geschäftsstelle des Verbands Region Stuttgart, Kronenstr. 25. (PDF) Verband Region Stuttgart, 29. Januar 2018, S. 3, abgerufen am 3. Februar 2018.
- Festlegung des Leistungsbilds und weiteres Vorgehen bei den Untersuchungen zur Angebotserweiterung S-Bahn. (PDF) In: vrs.de. Verband Region Stuttgart, 14. Dezember 2017, abgerufen am 3. Februar 2018.
- Stefan Tritschler, Moritz Biechele: Fortschreibung des VRS-Verkehrsmodells. (PDF) Verkehrswissenschaftliches Institut Stuttgart, 20. Januar 2020, S. 9 f., abgerufen am 16. Januar 2020.
- Interfraktioneller Antrag zur Einbringung in den Verkehrsausschuss. (PDF) S11 Bietigheim-Plochingen – die neue schnelle Express-S-Bahn. In: gecms.region-stuttgart.org. 5. Mai 2020, abgerufen am 8. Juni 2020.
- Weitere Verbesserungen für die S-Bahn. In: region-stuttgart.org. Verband Region Stuttgart, 9. Juli 2020, abgerufen am 9. Juli 2020.