Bürgermeisterhof (Salzwedel)
Der Bürgermeisterhof Salzwedel ist ein Ensemble aus historischen Fachwerkhäusern in der Hansestadt Salzwedel, die zentral an der Burgstraße auf Höhe des ehemaligen Stadttors „Am Siel“ liegen und an der Rückseite an die Burg Salzwedel grenzen und wie diese zu den ältesten Gebäuden der Stadt zählen. Die Bebauung des Hofes spiegelt anschaulich die verschiedenen Bauepochen der altmärkischen Hansestadt – von der in die ältesten Speichergebäude integrierten ehemaligen Stadtmauer zwischen Salzwedeler Alt- und Neustadt samt Wehrturm aus dem 13. Jahrhundert, über historische Fachwerkhäuser aus dem 16., 18. und 19. Jahrhundert, bis hin zu neuzeitlichen Anbauten aus dem 20. Jahrhundert, die zu DDR-Zeiten als Produktionshallen genutzt wurden. Zwischen Mitte des 16. und Mitte des 19. Jahrhunderts bewohnten mindestens vier Bürgermeister der Stadt Salzwedel mit ihren Familien die Häuser, woher die Bezeichnung Bürgermeisterhof rührt. Zu DDR-Zeiten beherbergte der Gebäudekomplex die „Produktionsgenossenschaft des Handwerks Modewerkstätten Salzwedel“, einen volkseigenen Betrieb zur Textilverarbeitung.
Bürgermeisterhof Salzwedel | |
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Panoramabild des Bürgermeisterhofs Salzwedel (von links nach rechts: Steinhaus, Vorderhaus Burgstr. 18, Vorderhaus Burgstr. 20, Rosettenhaus, Hochständerhaus, Deelenhaus), 2021 | |
Daten | |
Ort | Salzwedel |
Baustil | Gotik, Renaissance, Barock, Historismus und Jugendstil |
Baujahr | 1310/1543/1567 n. Chr. |
Höhe | 19 m ü. NN m |
Grundfläche | 1.034 m² |
Koordinaten | 52° 51′ 7,4″ N, 11° 9′ 8,2″ O |
Geschichte
Die erste urkundliche Erwähnung der benachbarten Burg „Saltwiedele“, deren Bergfried noch erhalten ist, datiert auf das Jahr 1112. Das Grundstück des Bürgermeisterhofes grenzt ab Beginn des 14. Jahrhunderts zu zwei Seiten an die Stadtmauer, die die Salzwedeler Altstadt von der ab 1247 planmäßig angelegten Neustadt trennt.[1] An der südwestlichen Ecke des Bürgermeisterhofes wird in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein die Umgebung hoch überragender Wachturm errichtet, der noch heute zu erkennen ist. Das „Siel“, eines von zwei Stadttoren, die die Doppelstadt verbinden, befindet sich unmittelbar vor dem späteren Bürgermeisterhof an der heutigen Burgstraße.
Die Stadtmauer verlor bereits um 1520 ihre Wehrfunktion und diente nur noch als Schutz vor ungewollten Einreisenden und als Zollkontrollpunkt. Der Fachwerkspeicher mit vorkragendem Obergeschoss ist das älteste der insgesamt fünf Gebäude und wurde bis in die Gegenwart wenig verändert. Laut Hausinschriften am Spruchbalken wurde er 1543 errichtet. Wegen der besonders auffälligen Fächerrosetten und der Rankenfriese aus floralem Schnitzwerk auf der Stockschwelle wird das Gebäude auch als Rosettenhaus bezeichnet. Die parallel zum Burggarten verlaufende Stadtmauer wurde in die Rückseite des Gebäudes integriert. Beidseits des Eckturms wurden zwei Speicher in der altmodischen Geschoss- bzw. Hochständerbauweise errichtet, womit die Südflanke des Bürgermeisterhofs vollständig wurde.
Ein wappengeschmückter Balken im rückseitigen, sogenannten Deelenhaus trägt die Jahreszahl 1567 und die Initialbuchstaben JH und CB, die Jürgen Hanss, dem Sohn des Bürgermeisters Georg Hanss, und seiner Ehefrau Catharina Buch zuzuordnen sind, die im 16. Jahrhundert hier wohnten. Ab 1574 wohnte nachweislich auch Bürgermeister Georg Hanss in einem der beiden älteren Neustädter Häuser. Vom Ende des 17. Jahrhunderts bis Mitte des 18. Jahrhunderts bewohnten Johann Georg Muthe, Bürgermeister der Neustadt, und seine Frau den Bürgermeisterhof. 1743 kaufte der Arzt Detlef Friedrich Frese den Hof, in dessen Familienbesitz das Grundstück bis 1811 blieb, als es an den Färber Christian Löffler verkauft wurde.
Erst 1844 wohnte wieder einer Salzwedeler Bürgermeister in dem repräsentativen Anwesen, als Emil Albrecht Carl von Bennigsen-Förder die Tochter des Lüchower Bürgermeister Carl Friedrich Gottlieb Thorwirth heiratete, die den Bürgermeisterhof als Mitgift in die Ehe brachte. Seine Tochter heiratete 1852 Heinrich Carl Conrad von Holleuffer, der ein Jahr zuvor zum Bürgermeister von Salzwedel gewählt worden war. Über der Tür, die zum Hof führt, sind die Wappen der Geschlechter von Bennigsen-Förder und von Holleuffer in Buntglas erhalten. Von Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der Weimarer Republik sind die Familien Krause und Gutbier als Eigentümer in den Grundbüchern verzeichnet. Die in Blei gefassten Butzenscheibenfenster am Hochständerhaus sind der Glaserfamilie Krause zuzuschreiben und stammen wie die Schützenkronprinzenscheiben am Hochständerhaus aus der Zeit um 1900.
Ebenfalls wenige Jahre vor der Wende zum 20. Jahrhundert wurde das Stadttor Siel zwischen Alt- und Neustadt, unmittelbar vor dem Bürgermeisterhof gelegen, abgebrochen und die Fassade des angrenzenden Hauses Burgstraße 2, heute Nr. 20, wurde im neobarocken Stil gestaltet. Die hofseitige Fachwerkfassade und das massive Treppenhaus mit Merkmalen des Jugendstils weisen auf eine Neuerrichtung vor 1910. Sie begrenzen hier den Bürgermeisterhof. Seit 1939 stehen die Hofgebäude unter Denkmalschutz und im letzten Jahr des Zweite Weltkriegs wurde 1945 im Steinhaus ein Luftschutzkeller errichtet, der später zum Heizraum umfunktioniert wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik kaufte die textilverarbeitende Produktionsgenossenschaft (PGH) Modewerkstätten Salzwedel die beiden Grundstücke Burgstraße 18 und 20 und nahm die wohl größten baulichen Veränderungen seit Jahrhunderten vor. Das Vorhaben, die „alten, baufälligen Lagergebäude“ abzureißen und durch eine Produktionsstätte zu ersetzen, scheiterte zwar am Widerstand der Denkmalpflege, es wurden jedoch umfangreiche Umbauten umgesetzt. Im Erdgeschoss wurden die Fachwerkaußenwände durch massive Wände ersetzt und durch einen Durchbruch durch das 1567 erbaute Deelenhaus und die Stadtmauer entstand ein Durchgang zum Burggarten. Hier wurde nun ein einfacher Anbau errichtet, der als Produktionshalle benutzt wurde. Ein zweites Produktionsgebäude, das aber nicht mit den Hauptgebäuden verbunden war, wurde in den 1970er Jahren ebenfalls an der Westflanke errichtet.
Nach der Wende 1990 zogen ein Glas- und Porzellanwaren- und ein Bekleidungsgeschäft in die Ladenflächen an der Burgstraße 20 und 18, während die Räumlichkeiten im Obergeschoss des Vorderhauses kurzzeitig von der Sparkasse bezogen wurden. Das Rosettenhaus, der älteste Speicher des Ensembles, brannte 2007, nahm aber keinen großen Schaden. Im Hochständerhaus und dem Anbau hinter der Stadtmauer wurde ein Café eingerichtet, das unter wechselnden Eigentümern bis 2016 betrieben wurde. Bis auf das Vorderhaus, in das in den 1990er Jahren eine Parfümerie anstelle des Kleidungsgeschäfts gezogen war, standen alle Hofgebäude leer. 2020 kündigte auch die Parfümerie den Mietvertrag. Für 80.000 € wurde der Bürgermeisterhof in überwiegend stark baufälligem Zustand an den neu gegründeten Verein Bürgermeisterhof e.V. verkauft.[2] Er hat das Ziel hat, die historischen Gebäude denkmalgerecht und mit ökologischen Ansprüchen zu restaurieren und für Kultur, Handwerk, Bildung, Soziales und Kunst zur Verfügung zu stellen. Trotz der COVID-19-Pandemie ab 2020 wurde der Bürgermeisterhof im selben Jahr zentraler Veranstaltungsort des altmärkischen Kunstfestivals Wagen und Winnen. Im Frühjahr 2021 zog ein Gemeinschaftsladen für regionales Kunsthandwerk in das Vorderhaus.[3] Im August 2021 wurde mit einem Streichkonzert des iranischen Duos Duet der Veranstaltungsbetrieb im Hof wieder aufgenommen.
Kurz nach der Vereinsgründung zu Beginn 2020 verlieh das Wirtschaftsmarketing Sachsen-Anhalts dem Bürgermeisterhof das Prädikat Kreativort im Grünen[4] als „kreatives und zukunftsweisendes Wohn- und Arbeitsprojekt“ im ländlichen Raum. Im November 2021 wurde der Bürgermeisterhof mit dem mit 1.500 Euro dotierten Demografiepreis des Landes Sachsen-Anhalt ausgezeichnet. In der Begründung wurden unter anderem hervorgehoben, dass der zu dem Zeitpunkt etwa 30-köpfige Verein „Aktivitäten zur Belebung der Innenstadt unterhält und die Stadtentwicklung fördert.“[5][6]
Gebäude
Die folgenden Gebäude gehören zum Bürgermeisterhof:
- Das Rosettenhaus von 1543 (Südseite), in das die Stadtmauer zwischen Altstadt und Neustadt (I) aus dem 14. Jahrhundert integriert ist.
- Das Hochständerhaus, das Mitte des 16. Jahrhunderts erbaut wurde (Süd- und Westseite), mit dem Wehrturm (2a) der Stadtmauer von 1370 (südwestliche Ecke) und dem neuzeitlichen Anbau (2b) von 1957 (Südseite).
- Das Deelenhaus von 1567 (Westseite) mit dem Durchgang (II) zur Hofrückseite und zum Garten, die an die Burganlage grenzen. Im Garten die Produktionshalle von 1973 (Westseite), die nicht zu dem Grundstück des Bürgermeisterhofs gehört.
- Das Steinhaus aus dem 18. Jahrhundert (Nordseite) mit dem 1945 erbauten Heizungskeller (IV).
- Das Vorderhaus an der Burgstraße 18, in heutiger Form aus dem 19. Jahrhundert (Ostseite) mit der Ladenfläche im Erdgeschoss und dem gusseisernen Tor (III), durch das man in den Hof gelangt.
- Das Vorderhaus an der Burgstraße 20 (südöstliche Ecke) gehört als einziges an den Hof grenzendes Gebäude nicht zum Grundstück des Bürgermeisterhofs.
Bildergalerie
- Bürgermeisterhof Salzwedel (Blick auf Rosettenhaus, Hochständerhaus und Deelenhaus), 1907, aus der Sammlung des J.-F.-Danneil-Museums
- Geschnitzte Jahreszahl ANNO DOMINI 1543 am Spruchbalken des Rosettenhauses im Bürgermeisterhof Salzwedel, Juli 2021.
- Blick auf die Rückseite des Bürgermeisterhofs Salzwedel mit dem gut erkennbaren Wehrturm der Stadtmauer von 1370 im Vordergrund und dem neuzeitlichen Anbau in der rechten Bildhälfte, Juli 2021
- Das Salzwedeler Stadttor am Siel wurde 1893 abgebrochen.
Weblinks
Einzelnachweise
- Salzwedel: Ausführliche Stadtgeschichte. Abgerufen am 15. Dezember 2021.
- https://www.volksstimme.de/amp/lokal/salzwedel/salzwedeler-burgermeisterhof-in-aufweckphase-1074728
- https://www.youtube.com/watch?v=OIGODkatlPQ
- Kreativorte Sachsen-Anhalt - Bürgermeisterhof Salzwedel. Abgerufen am 19. Dezember 2021.
- https://demografie.sachsen-anhalt.de/veranstaltungen-und-termine/demografiepreis-sachsen-anhalt/preistraeger-2021/
- Demografiepreis 2021 – Kategorie „Anpacken“. In: Youtube-Account des Ministeriums für Infrastruktur und Digitales. 17. November 2021, abgerufen am 15. Dezember 2021.