Bärenhüter
Der Bärenhüter ist ein helles Sternbild nördlich des Himmelsäquators, nahe beim Großen Bären. Der gebräuchliche Name des Sternbildes ist Bootes [boˈoːteːs] (im Englischen wird das Trema manchmal verwendet, „Boötes“, um zu verhindern, dass der Sprecher das doppelte "o" mit dem Laut "u" ausspricht, was im Deutschen hingegen zu Verwechslungen mit einem Umlaut führen kann), und stammt über lateinisch bootes von altgriechisch βοώτης boōtēs ‚der mit Stieren pflügt‘.[1] Auch die Übersetzung Rinderhirte wird gelegentlich für das Bild verwendet.[2][3]
Sternbild Bärenhüter | |
---|---|
Lateinischer Name | Bootes |
Lateinischer Genitiv | Bootis |
Kürzel | Boo |
Rektaszension | 13h 35m 49s bis 15h 49m 28s |
Deklination | +7° 21′ 38″ bis +55° 02′ 42″ |
Fläche | 906,831 deg² Rang 13 |
Vollständig sichtbar | 90° N bis 35,3° S |
Beobachtungszeit für Mitteleuropa | November – September |
Anzahl der Sterne heller als 3 mag | 3 |
Hellster Stern (Größe) | Arktur (-0,04) |
Meteorströme | |
Nachbarsternbilder (von Norden im Uhrzeigersinn) |
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Quellen | IAU |
Stich aus dem Sternatlas von Johann Elert Bode |
Der Bärenhüter ist ungewöhnlich reich an Doppelsternen, von denen einige (z. B. δ, ι und µ Bootis) auch mit dem Feldstecher gut trennbar sind. Sternhaufen und -nebel enthält das Sternbild hingegen kaum.
Beschreibung
Der Bärenhüter ist ein auffälliges Sternbild am Frühlings- und Sommerhimmel. Seine Figur stellt eine etwas gekrümmte Mannesfigur dar, deren Hauptsterne 1. bis 3. Größe an einen Kinderdrachen oder eine große Eistüte erinnern.
Er steht zwischen dem Herkules und der Jungfrau. Um ihn zu finden, kann man sich am Großen Wagen (Großer Bär) orientieren. Durch Verlängerung des Bogens der Deichselsterne wird der auffällig rötliche Arktur erreicht, der nicht nur der hellste Stern des Bärenhüters, sondern des gesamten Nordhimmels ist.
Der nördliche Teil des Bärenhüters ist in den mittleren Breiten zirkumpolar.
Geschichte
Der Bärenhüter gehört zu den 48 Sternbildern der antiken griechischen Astronomie, die bereits von Ptolemäus beschrieben wurden.
Der Name „Bärenhüter“ (griechisch: Ἀρκτοφύλαξ Arktophýlax)[4] bezieht sich auf die Nähe zu den Sternbildern des Großen und Kleinen Bären und steht auch in Verbindung mit dem Sternbild Jagdhunde als mythologische Verkörperung der Begleithunde des Ochsentreibers oder Bärenhüters. Der Hauptstern des Sternbildes, Arcturus, scheint dabei am Himmel dem „Schwanz“ des Großen Bären zu folgen. Der Stern β Bootis (Falschübernahme aus dem Arabischen als „Nekkar“ statt richtig „baqqār“) trägt ebenfalls den Namen „Ochsentreiber“. Antike und mittelalterliche Autoren verwenden u. a. die Namen altgriechisch Βοώτης, Boōtēs / lat. Bootes (siehe z. B. Homer, Od. e, 272; Arat, 91/93 / fr. 16, 1–2 = Cicero, De natura deorum 2, 42, 109: Arctophylax, vulgo qui dicitur esse Bootes, / quod quasi temone adiunctam prae se quatit Arctum. Ovid, Met. 10, 450; Ovid, Fasti 2, 1, 152–192 (153: Custodem protinus Ursae / Adspicies geminos exscruisse pedes (denn das Sternbild geht „liegend“ dergestalt auf, dass die Beine schnell hinterhereinander aufscheinen), bes. 191; 3, 403–406 (... sive est Arctophylax, sive est piger ille Bootes...); 5, 733 (Auferat ex oculis veniens aurora Booten); 6, 235f. Ovid, Phaenomena 91–95, 579–585, 721–723.)), weil als Führer des großen Wagens vorgestellt (gr. βοῦς bous, lat. bos = Ochse), er treibe die sieben Ziehochsen (die Sterne unseres Großen Wagens, nach Varro „septem triones“) alle 24 Stunden um den Himmelspol; gr. Ἀρκτοφύλαξ Arktophýlax / lat. Arctophylax, weil als Führer (φύλαξ phylax: Wächter) des großen Bären (gr. ἄρκτος = Bär; gr. Ἄρκτος / lat. Arctos, Arctus = (großer) Bär) vorgestellt, daher auch Custos (Ursae) (siehe z. B. Ovid, Trist. 1, 10, 15: Custos Ursae; Vitruv 9, 4: Custos; Seneca, Thy. 874: custos sui tardus plaustri.) Gelegentlich wurde auch lat. Arcturus (von gr. Ἀρκτοῦρος, von οὖρος ouros = Wächter) für das Sternbild gebraucht.[5]
Bei der Einführung der offiziellen Grenzen moderner Sternbilder durch die Internationale Astronomische Union (IAU) wurden zwei alte Sternbilder zu Gunsten des Bärenhüters aufgelöst. Im Nordteil des Sternbildes, an der Grenze zum Drachen, befand sich das Sternbild Mauerquadrant, nach dem auch der Meteorstrom der Quadrantiden benannt ist, und im Süden, an der Grenze zur Jungfrau, befand sich das Sternbild Berg Mänalus.
Meteorströme
Im Bärenhüter liegt der Radiant der Quadrantiden, eines Meteorstroms, der am 3. Januar eines jeden Jahres sein Maximum erreicht, zu dem stündlich 40 bis 200 Meteore beobachtet werden können.
Mythologie
Zum mythologischen Ursprung des Sternbildes gibt es mehrere Versionen.
Ein antiker Mythos sieht im Bärenhüter den Arkas (Ἀρκάς), den Sohn des Zeus und der Nymphe Kallisto. Um diese vor der Rache Heras zu retten, verwandelte er sie in eine Bärin. Als Arkas sie unwissend auf der Jagd erlegen wollte, versetzte Zeus beide an den Himmel.
Einer anderen Überlieferung nach ist der Bärenhüter Philomelos, der Sohn des Iasion und der Demeter, der den Wagen und den von Ochsen gezogenen Pflug erfand. Nach Catherine Tennant[6] stellt der Ochsentreiber den Übergang vom Nomadentum zum sesshaften antiken Landbau dar.
Eine dritte Version sieht im Bärenhüter Ikarios, den der Weingott Dionysos in die Kunst des Weinbaus einweihte. Ikarios zog eines Tages los, um den Rebensaft zu verkaufen. Als er einer Gruppe von Hirten das bisher unbekannte Getränk einschenkte, glaubten sie, Ikarios wolle sie vergiften, und erschlugen ihn. Erigone, die Tochter des Ikarios, erhängte sich daraufhin vor Trauer. Dionysus verewigte Ikarios und seine Tochter am Himmel, die als Jungfrau in der Nähe ihres Vaters zu sehen ist.
In der mesopotamischen Mythologie ist der Bärenhüter das Sternzeichen des Gottes Enlil[7].
Himmelsobjekte
Sterne
B | F | Namen o. andere Bezeichnungen | Scheinbare Helligkeit (mag) | Absolute Helligkeit (Mag) | Lj | Spektralklasse |
---|---|---|---|---|---|---|
α | 16 | Arktur, Arcturus, Haris el sema | −0,04 | −0,31 | 36,7 | K2 III |
ε | 36 | Izar, Mirak, Pulcherrima | 2,35 | −1,69 | 210 | K0 II + A2 V |
η | 8 | Mufrid | 2,68 | 2,41 | 37 | G0 IV |
γ | 27 | Seginus, Ceginus, Haris | 3,03 | 0,96 | 85 | A7 III |
δ | 49 | Delta Bootis | 3,46 | 0,69 | 117 | G8 III |
β | 42 | Nekkar, Nakkar, Meres | 3,49 | −0,64 | 148 | G8 III |
ρ | 25 | 3,57 | 0,27 | 149 | K3 III | |
ζ | 30 | 3,78 | ||||
θ | 23 | Asellus Primus | 4,04 | 47 | F7 V | |
υ | 4 | 4,05 | ||||
λ | 19 | 4,18 | 97 | A0p | ||
μ | 51 | Alkalurops, Inkalunis, Clava, Venabulum | 4,31 | 120 | ||
σ | 28 | 4,47 | ||||
π1 | 29 | 4,49 | ||||
τ | 49 | Tau Bootis A | 4,50 | 3,53 | 50,8 | F6 IV |
ψ | 43 | 4,52 | ||||
κ1 | 17 | Asellus Tertius | 4,51 | 155 | A8 IV + A5 | |
ξ | 37 | Xi Bootis | 4,59 | 22 | G7 Ve + K5 Ve | |
ο | 35 | 4,60 | ||||
ι | 21 | Asellus Secundus | 4,75 | 97 | A9 V + A2 | |
ω | 41 | 4,80 | ||||
A | HR 5361 | 4,80 | 234 | K0III | ||
d | 12 | 4,82 | ||||
i | 44 | 4,83 | ||||
e | 6 | 4,92 | ||||
c | 45 | 4,93 | ||||
ν2 | 53 | 4,98 | ||||
ν1 | 53 | 5,04 | ||||
φ | 54 | Ceginus | 5,25 | |||
χ | 48 | Chi Bootes | 5,27 | 250 | A2V | |
f | 22 | 5,39 | 320 | F0m | ||
k | 47 | 47 Bootis | 5,58 | 130 | A0Vs C | |
g | 24 | 5,59 | 315 | G3IV | ||
b | 46 | 5,67 | 480 | gK2 | ||
h | 38 | Merga, Marrha, Falx Italica | 5,7 | 160 | F6 IVs |
Arktur (α Bootis) ist der hellste Stern des Nordhimmels und überhaupt der dritthellste Stern am Himmel. Er ist ein Roter Riese der Spektralklasse K2 mit dem 30-fachen Durchmesser unserer Sonne. Mit einer Entfernung von 36,7 Lichtjahren ist er der nächstgelegene Riesenstern. Seine hohe Eigenbewegung von 2,28 Bogensekunden pro Jahr wurde von Edmond Halley entdeckt.
Der Name Arktur leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet so viel wie „Jäger, der die Bärin im Auge behält“. Der arabische Name Haris el sema bedeutet „Herrscher des Himmels“.
Die Sterne θ ι und κ Bootis tragen die lateinischen Namen Asellus Primus, Secundus und Tertius, was erster, zweiter bzw. dritter Esel heißt.
λ Bootis (Lambda Bootis, HR 5351) ist der Prototyp einer Klasse von Sternen, den Lambda-Bootis-Sternen, mit einer speziellen chemischen Zusammensetzung ihrer Oberfläche, und wurde bereits 1943 von William W. Morgan, Philip C. Keenan und Edith Kellman in ihrem „Atlas of Stellar Spectra“ beschrieben. Diese ist sehr arm an manchen Metallen und weist die gleiche Elementhäufigkeit auf wie das sie umgebende interstellare Gas. Als Grund dafür wird angesehen, dass der Stern beim Durchqueren staubreicher Gebiete durch seinen Strahlungsdruck interstellaren Staub vor sich herschiebt und interstellares Gas aufsammelt.[8]
Doppelsterne
System | Scheinbare Helligkeit (mag) | Abstand |
---|---|---|
ε | 2,5 / 4,9 | 2,8" |
δ | 3,5 / 7,8 | 105" |
η | 4,3 / 7,1 / 7,8 | 108" |
ζ | 4,5 / 4,6 | 0,7" |
κ2 | 4,5 / 6,7 | 13,6" |
τ | 4,5 / 11,0 | 14,4" |
ξ | 4,7 / 7,0 | 6,0" |
ι | 4,8 / 7,7 | 38,5" |
π | 4,9 / 5,8 | 5,5" |
ξ | 4,8 / 6,9 | 6,6" |
ν | 4,98 / 5,04 | 14’ |
44 | 5,1 / 7,0 | 2,2" |
39 | 6,2 / 6,8 | 2,8" |
Im Bärenhüter findet sich eine ganze Reihe von Mehrfachsternen.
Epsilon Bootis ist ein Doppelstern in 150 Lichtjahren Entfernung. Im Teleskop lässt sich ein tiefgelber, heller Stern erkennen, der von einem bläulichen Stern begleitet wird. Dieses Doppelsternsystem wird oft als eines der schönsten bezeichnet. Der arabische Name Izar bedeutet „Gürtel“, der lateinische Name Pulcherrima die „Wunderschöne“.
Eta Bootis ist ein Dreifachsystem in 55 Lichtjahren Entfernung. Zwei der Sterne lassen sich bereits mit einem Prismenfernglas trennen. Im Teleskop erkennt man bei der lichtschwächeren Komponente noch einen weiteren Begleiter. Die Herkunft des Namens Muphrid ist nicht geklärt.
Iota Bootis ist ein Dreifachsystem in einer Entfernung von 100 Lichtjahren. Die beiden hellsten Sterne können ebenfalls mit einem Fernglas in Einzelsterne aufgelöst werden. Der lichtschwächere Begleiter ist dabei zudem ein veränderlicher Stern (s. u.).
Die Sterne ν1 und ν2 Bootis stehen mit 14 Bogenminuten so weit auseinander, dass sie bereits mit bloßem Auge getrennt werden können.
Veränderliche Sterne
Objekt | Scheinbare Helligkeit (mag) | Periode | Typ |
---|---|---|---|
W | 4,7 bis 5,4 | 30 bis 450 Tage | halbregelmäßig |
ι | 6,5 bis 7,1 | 0,2678 Tage | Bedeckungsveränderlicher |
W Bootis ist ein halbregelmäßig veränderlicher Stern in 400 Lichtjahren Entfernung. Seine Helligkeit schwankt in einem Zeitraum von 30 bis 450 Tagen zwischen 4,7 und 5,4m.
Iota Bootis ist ein bedeckungsveränderlicher Stern vom Typ Beta Lyrae. Dies sind enge Doppelsternsysteme in einer Frühphase ihrer Entwicklung, bei denen das Gas eines aufgeblähten Hauptsterns auf die Akkretionsscheibe eines Begleitsterns strömt und diesen periodisch verdunkelt.
NGC-Objekte
NGC | Scheinbare Helligkeit (mag) | Typ |
---|---|---|
5248 | 10,1 | Galaxie |
5466 | 8,0 | Kugelsternhaufen |
5966 | 12,2 | Galaxie |
Obwohl der Bärenhüter sehr ausgedehnt ist, enthält er nur wenige auffällige Sternhaufen, Gasnebel oder Galaxien.
NGC 5466 ist ein Kugelsternhaufen in 50.000 Lichtjahren Entfernung. Zum Zwecke seiner Beobachtung ist ein lichtstarkes Fernglas oder Teleskop vonnöten.
Planetensysteme
Bislang wurden in diesem Sternbild vier Planetensysteme identifiziert:
- BD+36°2593 mit dem Planeten HAT-P-4b (Umlaufperiode 3,06 d)
- Tau Bootis mit dem Planeten Tau Bootis A b (Umlaufperiode 3,31 d)
- HD 128311 mit 2 Planeten (459 bzw. 928 d)
- HD 132406 mit dem Planeten HD 132406 b (Umlaufperiode 974 d)
Siehe auch
Weblinks
- Kreuzreferenz für 61 Sterne des Sternbilds.
Einzelnachweise
- Wilhelm Pape, Max Sengebusch (Bearb.): Handwörterbuch der griechischen Sprache. 3. Auflage, 6. Abdruck, Vieweg & Sohn, Braunschweig 1914. 1914, abgerufen am 3. Januar 2018.
- Drehbare Sternenkarte, KOSMOS
- Artikel im DLF http://www.deutschlandfunk.de/bootes-der-rinderhirte.732.de.html?dram:article_id=106606
- Wilhelm Pape, Max Sengebusch (Bearb.): Handwörterbuch der griechischen Sprache. 3. Auflage, 6. Abdruck, Vieweg & Sohn, Braunschweig 1914. 1914, abgerufen am 3. Januar 2018.
- (Gebräuchlicher, insb. später, ist die Verwendung (nur) für den Namen des hellsten Sterns (im linken „Knie“ des Sternbilds). Bei Hesiod, Erg. 566, 610 ist die Referenz (Stern oder Sternbild) unklar.)
- Catherine Tennant: Sternstunden. Ein praktischer Führer durch den Nachthimmel und seine Mythen, Wunderlich/Rowohlt 1994
- Michael v. Streck (Hrsg.): Reallexikon der Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie. Band 2, S. 382 ff.
- Sterne und Weltraum, April 2006: Lambda-Bootis-Sterne - Staubsauger des interstellaren Mediums