Azteken
Die Azteken (von Nahuatl aztecatl, deutsch etwa „jemand, der aus Aztlán kommt“; Eigenbezeichnung: Mexica) waren Angehörige einer mesoamerikanischen Zivilisation, die eine Hochkultur schuf und zwischen dem 14. und dem frühen 16. Jahrhundert existierte. Seit dem 19. Jahrhundert ist die Bezeichnung „Azteken“ für die ethnisch heterogene, mehrheitlich Nahuatl sprechende Bevölkerung des Tals von Mexiko gebräuchlich; im engeren Sinne sind damit aber nur die Bewohner von Tenochtitlan und der beiden anderen Mitglieder des sogenannten „Aztekischen Dreibundes“, der Städte Texcoco und Tlacopán, gemeint.
Ab dem späten 14. Jahrhundert weiteten die Azteken im Laufe der Jahre ihren politischen und militärischen Einfluss auf die umliegenden Städte und Völker aus, die nicht direkt dem Reich angegliedert, sondern zur Zahlung von Tributen gezwungen wurden. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht kontrollierten sie weite Teile Zentralmexikos mit dem Tal von Mexiko als Zentrum. Zwischen 1519 und 1521 wurden die Azteken schließlich von den Spaniern unter Hernán Cortés unterworfen.
Geschichte
Benennung
Die Azteken bezeichneten sich selbst meist als „Mexi'ca'“ [meːˈʃiʔkaʔ] (deutsch: Mexikaner),[1] nach dem Namen des Ortes oder der Region Mexico, dem Ursprung des heutigen Ländernamens Mexiko, beziehungsweise nach ihren Siedlungsplätzen Tlatelolco und Tenochtitlán, auch Tlatelolca [tɬateˈloːlkaʔ] und Tenochca [teˈnoːtʃkaʔ]. In alten Quellen wird der Begriff „Azteken“ nur im Zusammenhang mit dem mythischen Herkunftsort Aztlán verwendet. Der erste, der ihn in moderner Zeit benutzte, war der Jesuit Francisco Javier Clavijero im 18. Jahrhundert; weithin etabliert wurde er jedoch erst durch Alexander von Humboldt im 19. Jahrhundert.
Gründungsmythos und Herkunft
Die aztekischen Mythen beschreiben vier große Zeitalter, die der bestehenden Welt vorangingen und in Katastrophen endeten. Das fünfte Zeitalter wurde eingeläutet durch das Opfer eines Helden, der sich in die Sonne verwandelte.
Nach der Legende wanderten die Azteken im 14. Jahrhundert von einem Ort im Norden namens Aztlán zum Texcoco-See in Zentralmexiko, angeführt von ihrem Gott Huitzilopochtli. Als sie bei einer Insel im See ankamen, konnten sie einen Adler beobachten, der, auf einem Feigenkaktus (spanisch Nopal) sitzend, eine Schlange fraß. Gemäß der Prophezeiung war dieses Ereignis dazu bestimmt, ihnen den Platz zu zeigen, an dem sie sich niederlassen sollten. Die Azteken erbauten ihre Stadt Tenochtitlán an dieser Stelle, an der sich das heutige Mexiko-Stadt befindet. Der Adler auf dem Kaktus mit der Schlange aus der Legende ist heute auf der mexikanischen Flagge abgebildet.
Aufstieg und Blütezeit
Historisch gesehen lässt sich die erste Niederlassung der Azteken im Gebiet von Tenochtitlán für den Zeitraum zwischen 1320 und 1350 nachweisen;[2] aus archäologischer Perspektive nach neueren Ausgrabungen (Stand: Dezember 2007) wird auch die Zeit zwischen 1100 und 1200 für möglich gehalten.[3] Die ersten Herrscher Acamapichtli, Huitzilíhuitl und Chimalpopoca waren Vasallen des Tepaneken-Herrschers Tezozómoc in der Zeit von 1372 bis 1427 und knüpften in dieser Zeit durch Heirat diplomatische Verbindungen zu den Nachbarstädten. Nach und nach erlangten die Azteken dadurch eine gewisse politische Gleichberechtigung mit den anderen Städten.
Als Tezozómoc starb, ermordete sein Sohn Maxtla Chimalpopoca. Dessen Onkel Itzcóatl verbündete sich nun mit dem ehemaligen Acolhua-Herrscher von Texcoco, Nezahualcoyotl, und belagerte Maxtlas Hauptstadt Azcapotzalco. Maxtla kapitulierte nach 100 Tagen und ging ins Exil. Tenochtitlán (Mexica), Texcoco (Acolhua) und Tlacopán (Tepaneken) festigten danach formell ihre Kriegsallianz, den aztekischen Dreibund, die das Tal von Mexiko dominierte und die Macht schließlich jenseits der Grenzen des Tals ausdehnte. Mit der Zeit wurde Tenochtitlán die beherrschende Kraft innerhalb der Allianz.
Itzcóatl bewirkte auch innenpolitisch weitreichende Veränderungen. Während ein neuer Aquädukt nach Tenochtitlán gebaut wurde, um die Trinkwasserversorgung der wachsenden Bevölkerung zu sichern, ließ er auch viele alte Bilderhandschriften vernichten. Die Gründe dafür sind noch nicht geklärt,[4] doch es ist wahrscheinlich, dass Itzcóatl für die Herrschaft seiner Familie eine Legitimationsgrundlage schaffen wollte.
Itzcóatls Neffe Moctezuma I. erbte 1440 den Thron und erweiterte das Herrschaftsgebiet nochmals. Allerdings wurde Tenochtitlán zwischen 1445 und 1450 durch eine Heuschreckenplage, eine Überschwemmung und eine Hungersnot schwer getroffen, was die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln als Schwachpunkt offenbarte und die Notwendigkeit von Tributen noch einmal bekräftigte. Vermutlich wurde während Moctezumas Herrschaft auch die Praxis der Blumenkriege eingeführt.[5] Sein Sohn Axayacatl, der 1469 (möglicherweise auch erst 1471) an die Macht kam, erweiterte den von den Azteken kontrollierten Bereich um einige Gebiete der Mixteken und Zapoteken, doch erlitt er gegen das mächtige Reich der Tarasken von Tzintzuntzan eine empfindliche Niederlage. Die Azteken führten bis zur Ankunft der Spanier gegen die Tarasken keine großangelegten militärischen Aktionen mehr durch.
1482 übernahm Axayacatls älterer Bruder Tízoc kurz die Herrschaft, unter dem das Reich außenpolitisch an Ansehen verlor, bis er 1486 durch seinen jüngeren Bruder Auítzotl ersetzt wurde, der die Armee neu organisierte. Das Imperium erreichte während seiner Regentschaft das größte Ausdehnungsgebiet. Sein Nachfolger war Moctezuma II., der durch mehrere Feldzüge die Tlaxcalteken außenpolitisch isolierte und die Kontrolle über das Tal von Oaxaca endgültig sicherte. Moctezuma stärkte die Führungsposition Tenochtitláns innerhalb des Dreibunds, was sich unter anderem darin zeigt, dass er aktiv in die Thronfolgeregelung Texcocos eingriff und eigenmächtig den Nachfolger des 1515 gestorbenen Königs Nezahualpilli bestimmte.
Untergang
Aufgrund ihrer Aggressivität waren die Azteken bei ihren Nachbarn mehr verhasst als beliebt. Diese schafften es nicht auf diplomatischer Ebene und auch nicht durch Blutheiraten, den Machtdrang der Azteken zu bremsen. Die Ankunft der Spanier unter Führung von Hernán Cortés war für einige Stämme die einzige Chance, der Herrschaft der Azteken zu entkommen. Der aztekische Herrscher Moctezuma II. erfuhr bereits frühzeitig von der Ankunft der Spanier, doch verhielt er sich zu zögerlich. Nachdem die Spanier zusammen mit ihren Verbündeten, den Tlaxcalteken, im November 1519 nach Tenochtitlán gekommen waren, nahmen diese Moctezuma im Handstreich gefangen und kontrollierten über ihn die Geschicke des Reiches.
Als Cortés im Frühjahr 1520 wieder an die Atlantikküste zog, weil von Kuba aus ein Trupp mit der Aufgabe gelandet war, ihn festzunehmen, erhoben sich die Azteken gegen die in der Stadt verbliebenen Spanier. Nach seiner Rückkehr kam es zu Kämpfen zwischen Spaniern und Azteken, in deren Verlauf Moctezuma von seinen Landsleuten getötet wurde. Cortés sah daraufhin keine andere Möglichkeit als die Flucht aus der Stadt. Der Versuch, in der Nacht zum 1. Juli 1520 aus Tenochtitlán zu entkommen, kostete fast drei Viertel der spanischen Soldaten das Leben.
Während sich Cortés’ Truppe in den folgenden Wochen erholte, wütete in Tenochtitlán eine Pockenepidemie, durch die gut sechzig Prozent der Bewohner der Stadt starben, darunter auch der neue König Cuitláuac. Sein Nachfolger Cuauhtémoc schaffte es nicht, den Abfall des Königs von Texcoco zu verhindern. Zusammen mit den Tlaxcalteken, Kriegern aus Texcoco und Verstärkung aus Kuba begann Cortés mit der Belagerung der Stadt, die am 13. August 1521 endete.
Cuauhtémoc, der letzte aztekische Herrscher, wurde 1525 hingerichtet. Die meisten Gebäude Tenochtitláns waren während der Belagerung zerstört worden; auf ihren Ruinen wurde das neue Mexiko-Stadt errichtet. In den Jahren nach der Ausrufung des Vizekönigreichs Neuspanien 1535 wurde ein Großteil der einheimischen Bevölkerung zum Christentum bekehrt und die aztekische Kultur verschwand allmählich, ohne jedoch völlig zu erlöschen.
Quellen zur Geschichte und Kultur
Über die Geschichte und Kultur der Azteken existieren keine schriftlichen Quellen aus der Zeit vor der spanischen Eroberung. Der Grund ist sowohl das Fehlen eines leistungsfähigen Schriftsystems, mit dem Aufzeichnungen von Texten möglich gewesen wären, als auch die Zerstörung der bilderschriftlichen Manuskripte durch Eroberung und christliche Missionierung. Informationen über die Geschichte und Kultur vor der Eroberung beruhen deshalb zu einem wesentlichen Teil auf mündlichen Traditionen, die unter der spanischen Kolonialherrschaft, vor allem im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert aufgezeichnet wurden, sowie auf in dieser Zeit angefertigte Kopien und Bearbeitungen von Bilderhandschriften (Aztekencodices), die oft von Angehörigen der in Mexiko tätigen Bettelorden in Auftrag gegeben und kommentiert wurden. Ihren Inhalten nach sind historische Dokumente von religiösen zu unterscheiden.
Auf Veranlassung von Spaniern niedergeschrieben wurde unter anderem der Codex Mendoza von 1541, der die Eroberungen der aztekischen Herrscher und die Tributprovinzen auflistet und auch einen kurzen ethnographischen Überblick enthält. Zu den wichtigsten frühkolonialen Zeugnissen über die Kultur zählt daneben in erster Linie die zweisprachige (spanisch/nahuatl) „Historia General de las Cosas de la Nueva España“ (die letzte endgültige Fassung ist der „Codex Florentinus“) des Franziskaners Bernardino de Sahagún, der Aussagen von indianischen Gewährsleuten zu einer weitgespannten Thematik aufzeichnete und redigierte.[6] Dieses zwölfbändige Werk, zweisprachig verfasst in Spanisch und Nahuatl, wurde angesichts des Widerstandes von Inquisition und Indienrat jedoch – abgesehen von den wenigen von Bernardino de Sahagún handschriftlich erstellten Kopien – nicht veröffentlicht, um zu verhindern, dass Azteken sich auf die darin beschriebenen Mythen und Glaubensinhalte, Zeremonien und Gebräuche besinnen könnten. Weitere wichtige Quellen hauptsächlich historischen Inhalts sind in spanischer Sprache die „Historia de las Indias de Nueva España“ des Dominikaners Diego Durán, die „Crónica Mexicana“ des aus hohem indianischem Adel stammenden Hernando de Alvarado Tezozómoc, und die verschiedenen Geschichtsdarstellungen des aus dem Adel von Texcoco stammenden Fernando de Alva Ixtlilxóchitl. In Nahuatl sind die „Anales de Cuauhtitlan“ und die „Historia Tolteca-Chichimeca“ geschrieben, deren Verfasser anonym geblieben sind. Das umfangreichste Geschichtswerk bilden die verschiedenen ebenfalls in Nahuatl verfassten „Relaciones“ des Domingo Chimalpahin Quauhtlehuanitzin aus Chalco.
Sprache
Nahuatl wird noch heute von Teilen der indigenen Bevölkerung Mexikos, den Nahua, gesprochen. Es gibt auch eine Version der Wikipedia in Nahuatl.
Politische Organisation
Das Reich der Azteken war kein territorial geschlossenes Reich, wie es etwa die Imperien der europäischen Geschichte darstellten. Es war vielmehr ein Zusammenschluss der drei im Becken von Mexiko gelegenen Städte Tenochtitlán, Texcoco und Tlacopán, deren politische und rechtliche Systeme sich aufgrund alter Traditionen voneinander stark unterschieden und dementsprechend auch nicht vereinheitlicht waren. Die jeweiligen Herrscher regierten ihre Städte und die von ihnen abhängigen Gebiete unabhängig voneinander und agierten nur dann zusammen, wenn ein gemeinsames Interesse vorhanden war, etwa bei Eroberungen. Die drei Städte waren formell gleichberechtigt, was sich aber besonders in der Zeit von Moctezuma II. zugunsten Tenochtitláns änderte. Die von den Städten abhängigen Gebiete bildeten keine geschlossenen Territorien, sondern die Besitzungen waren entsprechend der Beteiligung an den jeweiligen Eroberungen miteinander eng verschränkt.
Die Azteken übten ihre Herrschaft hauptsächlich in Form von Tributforderungen aus. Ziel der Expansion war die wirtschaftliche Nutzung, nicht die Beherrschung der unterworfenen Gebiete. Direkte Ansiedlung auf dem Gebiet des unterworfenen Feindes fand kaum statt, auch wurde das aztekische Rechtssystem nicht aufgezwungen; die althergebrachten lokalen Strukturen blieben unangetastet. Nachteile ergaben sich jedoch dadurch, dass das von den Azteken unterworfene Gebiet ethnisch sehr differenziert war, was oft zu diplomatischen Verwicklungen führte, die die Spanier schließlich für sich ausnutzen konnten.
Oberhaupt der Stadt Tenochtitlán war der huey tlatoani „Großer Sprecher“, der in der Literatur oft als „König“ oder „Kaiser“ bezeichnet wird. Faktisch war der Tlatoani ein absoluter Monarch, der alleine über die Stadt regierte und dessen Nachfolge von männlichen Angehörigen seiner Familie gestellt wurde. Das Amt des Stellvertreters, des Cihuacóatl, wurde erst unter Itzcóatl eingerichtet und maßgeblich von seinem ersten Inhaber Tlacaélel geprägt. Seine Aufgaben waren vor allem innenpolitischer Art. Rangmäßig niedriger waren die Ämter des Tlacateccatl und des Tlacochcalcatl, die beide sowohl zivile als auch militärische Funktionen innehatten. Sie waren aber wichtige Durchgangsämter für den künftigen Herrscher. Für die Rechtsprechung war je ein separates Gericht für Adelige und Nicht-Adelige zuständig. Die Stadt Texcoco besaß außer ihrem Fürsten noch vier Ratsgremien, die für die Rechtsprechung, Krieg, Musik, Kunst und Wissenschaft und auch den Staatsschatz zuständig waren.
Gesellschaftsstruktur
Die aztekische Gesellschaft kannte vier hauptsächliche Klassen: Adel (pilli, pl. pipiltin), Bauern und Handwerker (macehualli, pl. macehualtin), Händler (pochteca) und Sklaven (tlatlacotin). Die Zugehörigkeit zu einer Klasse war weitgehend von Geburt vorgegeben, wenn auch die macehualtin durch herausragende Verdienste im Krieg in einen besonderen, nicht erblichen Adelsrang aufsteigen konnten. So jemand konnte sich, wie alle übrigen Krieger Teteuctin nennen, wenngleich sein mit diesem Titel einhergehendes Gewand sich von denen der Militärlogen leicht unterschied. Somit bestand nur eine geringe soziale Mobilität.
Adel
Die Adligen (pipiltin) standen sozial an der Spitze der Gesellschaft. Das Staatsoberhaupt (tlatoani, „Sprecher“) entstammte stets dem Adel.
Der wirtschaftliche Status der Adligen war keineswegs einheitlich. Die Angehörigen der obersten Adelsschicht lebten in Palästen mit ausgedehntem Landbesitz, der aber nicht notwendigerweise auch direkt in der Nähe des Palastes lag. Das Land wurde von abhängigen Bauern bearbeitet, die einen festgelegten Anteil am Ertrag abgeben mussten. Die Angehörigen niedriger Adelsschichten unterschieden sich oft nur wenig von den Bauern.
Die Söhne der Adligen erhielten in Tempelschulen (calmecac) eine militärische, religiöse und auch administrative Ausbildung, um sie auf ihre späteren Aufgaben vorzubereiten. Die Nachfolger der Familienoberhäupter konnten jedoch nur dann offiziell ihr Erbe antreten, wenn sie sich zuvor im Krieg ausgezeichnet hatten. Viele pipiltin wurden aber auch, oft nur für eine gewisse Zeit, Priester (tlamacazqui), die im Zölibat lebten und im Gegensatz zu vielen anderen mesoamerikanischen Kulturen keine weltliche Macht ausübten.
Adelige besaßen generell mehr Rechte als die Bauern, wurden aber auch strenger bestraft. Sie durften beispielsweise farbige Kleidung aus Baumwolle tragen und mehrstöckige Häuser bewohnen, dafür jedoch wurden sie bei einem Verbrechen, für das ein Bauer „nur“ versklavt worden wäre, zum Tode verurteilt.
Reisende Händler
Die reisenden Händler (pochteca, Einzahl pochtecatl) waren eine zahlenmäßig kleine, auf Grund ihrer Schlüsselposition für den Warenverkehr wie für die Verbreitung von Informationen jedoch wichtige Klasse. Viele dienten auch als Spione. Sie folgten eigenen Bräuchen, lebten in eigenen Stadtvierteln, gehorchten einem eigenen Verhaltenskodex und unterlagen sogar einer eigenen Gerichtsbarkeit. Besonders Fernhändler konnten oft einen Reichtum anhäufen, der dem von Adelsfamilien gleichkam.
Bauern
Die einfachen Menschen (macehualtin, Einzahl macehualli) bildeten den Hauptteil der Bevölkerung. Sie waren grundsätzlich frei und hatten zumeist das Nutzungsrecht über ein Stück Land, das einem Adligen gehörte. Sie waren zum Kriegsdienst verpflichtet. Gegen Ende der Aztekenzeit lebte ein Großteil der Macehualtin in Tenochtitlán nicht mehr von der Landwirtschaft, sondern vom Handwerk oder Kleinhandel. [7][8]
Die Macehualtin waren nicht an das Land eines bestimmten Adeligen gebunden, sondern konnten fortziehen und auf dem Land eines anderen arbeiten. Es gab in bestimmten Regionen jedoch auch Verbände mehrerer Bauern, calpolli genannt, die gemeinsam Land besaßen, das in Parzellen aufgeteilt wurde und von den Bauern alleine bearbeitet werden konnte. Dennoch mussten auch sie Tribut leisten, jedoch nicht an Adelige, sondern direkt an den jeweiligen Herrscher. Die internen Angelegenheiten eines calpolli regelte ein Calpolli-Ältester.
Sklaven
Die Position der Sklaven (tlatlacotin, Einzahl tlacotli) ähnelte eher der Sklavenhaltergesellschaft der Antike in Europa als der Sklaverei durch die Europäer im selben Zeitalter. Der Status des Sklaven war nicht erblich, das heißt, die Kinder eines Sklaven waren frei. Ein Sklave durfte Dinge und selbst andere Sklaven besitzen, ebenso konnte er sich freikaufen. Im Falle von Misshandlungen oder bei gemeinsamen Kindern mit ihrem Herrn konnten Sklaven bzw. Sklavinnen für frei erklärt werden. Starb der Herr, wurden die Sklaven vererbt, doch kamen in der Regel diejenigen mit den größten Verdiensten frei.
Sklave wurde man oft durch eine Verurteilung für ein Verbrechen. Ein Mörder, der zum Tode verurteilt war, konnte auf Antrag der Witwe des Opfers deren Sklave werden. Ein Vater konnte seinen Sohn als Sklaven verkaufen, wenn dieser von einer Amtsperson als unerziehbar erklärt wurde. Häufig wurde man auch Sklave, wenn man seine Schulden nicht bezahlen konnte.
Wirtschaft
Landwirtschaft
Die Azteken waren Feldbauern. Das Becken von Mexiko bot eine Vielzahl von natürlichen Ressourcen. Mehrere Seen versorgten die Bewohner des Tals mit Fisch und über ihre Zuflüsse mit Trinkwasser. Der größte Teil der produzierten Nahrungsmittel kam aus der Landwirtschaft. Im tropischen Klima Mexikos konnten die Azteken Mais, Bohnen, Kürbisse, Amarant (eine getreideähnliche Pflanze), Chia (ein Kraut aus der Gattung der Salbei mit fettreichen Samen), Agaven und Kakteen anbauen; daneben wurden insbesondere Heilkräuter kultiviert. Viehzucht in großem Stil fand nicht statt, lediglich Truthühner und Hunde wurden gehalten.
Auf hügeligem Terrain praktizierten die Azteken eine Anbautechnik, die tlacolol genannt wurde. Dabei wurden die Felder zwei oder drei Jahre bewirtschaftet und lagen danach brach; manchmal wurden die Felder auch terrassiert. Auf flachem Land betrieb man dagegen Bewässerungsfeldbau, meist auf sogenannten Chinampas. Die Chinampas waren Anbauflächen, die aus dem sumpfigen Boden gewonnen wurden und aufgrund ihrer günstigen Bodenfeuchtigkeit häufig mehrere Ernten im Jahr ermöglichten. In Tenochtitlán besaß nahezu jedes Wohnhaus ein eigenes Chinampa, auf dem die Hausbewohner ihre eigenen Lebensmittel anbauten, doch mussten immer mehr Lebensmittel in die Stadt gebracht werden, je größer die Stadt wurde. Da die Azteken weder beräderte Fuhrwerke noch Lasttiere wie zum Beispiel Pferde kannten, konnten die Lebensmittel auch über große Entfernungen nur durch Menschen transportiert werden. Die flächenmäßig größten Chinampas befanden sich in Xochimilco am südlichen Ende des Texcoco-Sees, wo noch heute auf diese Weise Landwirtschaft betrieben wird.
Verarbeitendes Gewerbe
Besonders in den großen Städten lebten Handwerker, die sich in einem hohen Maße spezialisierten. Die wichtigsten und angesehensten Berufe waren die des Gold- bzw. Silberschmieds, der Maler und auch der federverarbeitenden Handwerker. Diese Hersteller von Luxusgütern produzierten vor allem für die adelige Oberschicht, wobei sie Arbeitsteilung betrieben. Sie waren in Vereinigungen organisiert, die stark den Gilden im mittelalterlichen Europa ähnelten. Damit besaßen sie auch einige Privilegien, etwa das Recht, ihre Nachkommen selbst zu erziehen und zu unterrichten.
In der Gesellschaftshierarchie unterhalb der Hersteller von Luxuswaren befanden sich Berufe wie Töpfer, Korbmacher oder auch die Weiterverarbeitung von Obsidian, das zum Beispiel für Waffen gebraucht wurde. Sie betrieben in der Regel kleine Familienbetriebe und waren nicht weiter organisiert. Ebenso betrieben sie keine Arbeitsteilung, sondern erledigten den gesamten Herstellungsprozess selbst. Ein weiterer Bereich war die Weberei, die ausschließlich von Frauen, gleich welcher Gesellschaftsschicht, betrieben wurde. Hergestellt wurde vor allem Kleidung, wobei es Frauen von niedrigerem Stand strengstens untersagt war, elegantere und wertvollere Kleidung zu tragen. Daneben dienten die Stoffe als Dekoration für Haushalte, Tempel, Plätze etc. sowie als Geschenke, Mitgiften oder ähnliches.
Handel und Tributwesen
Die Azteken betrieben einen schwunghaften Handel bis weit über die Grenzen des von ihnen kontrollierten Gebiets hinaus. Als Zahlungsmittel dienten normalerweise Kakaobohnen oder Goldstaub in Federkielen. Die Händler stellten in der aztekischen Gesellschaft eine eigene Klasse mit Rechten und Pflichten dar. Während Produzenten kleinerer Mengen von Gütern ihre Waren, wie Nahrung oder handwerklich gefertigte Produkte, selbst auf den Märkten feilboten, gab es auch Großhändler, die auf professionelle Art und Weise größere Mengen vertrieben. Die Großhändler reisten zwischen den Orten hin- und her und besaßen für den Adel, der nach Luxusgütern aus fernen Gebieten verlangte, eine besondere Bedeutung. Jedoch handelten sie nicht nur mit Waren, sondern fungierten auch als Spione oder übernahmen diplomatische Aufgaben, etwa Gesandtschaften. Sie standen sozial zwischen dem Adel und dem gemeinen Volk, doch erlangten einige Händler so großen Reichtum, dass sie sich mit Prestigeobjekten schmücken konnten, die sich sonst nur der Adel leisten konnte. Mit der Zeit bildeten auch sie Gilden und schufen ein eigenes Rangsystem. Die Händler stellten einen wichtigen ökonomischen Faktor für die Azteken dar, doch mit der Eroberung der Stadt Tlatelolco im Jahr 1473, eines mächtigsten Wirtschaftszentrums auf einer Nachbarinsel Tenochtitláns, wurde die wirtschaftliche Macht der Azteken noch größer, als sie zuvor ohnehin schon gewesen war.
Mit zunehmender Expansion der Azteken vergrößerte sich der Strom von Tributlieferungen in die drei Städte des aztekischen Dreibundes. Die Tribute wurden eroberten Städten auferlegt und dienten einerseits der Versorgung der Grundbedürfnisse der Städte, andererseits aber auch zur Entlohnung von Arbeitskräften, zur rituellen Speisung bei bestimmten Festen und nicht zuletzt auch der Versorgung der Adeligen mit Luxuswaren. Als Ausgleich wurden den eroberten Orten der Schutz vor Angriffen und Hilfeleistungen in Zeiten der Not garantiert.
Die eroberten Gebiete wurden in zuletzt 38 Tributprovinzen eingeteilt, deren Verwaltungen für die Erhebung zuständig waren, welche ein aztekischer Tributverwalter (calpixqui) überwachte und koordinierte. Die am häufigsten geforderten Güter waren außer den Nahrungsmitteln, wie Mais oder Bohnen, Baumwolldecken und daneben je nach Gebiet Felle oder Vogelfedern, etwa des Quetzalvogels, des Weiteren auch Meeresschnecken, Kakaobohnen oder spezielle Kleidungsstücke. Eine andere Möglichkeit war die Anforderung von Arbeitskräften für Bauvorhaben. Die Tribute wurden üblicherweise zu je zwei Fünfteln an Tenochtitlán und Texcoco verteilt, das übrige Fünftel ging an Tlacopán; manche Orte lieferten aber auch nur an eine der drei Städte. Nach der Eroberung Mexikos durch die Spanier übernahmen diese die penibel geführten Listen über das Ausmaß und die Art der Tributlieferungen und setzten sie für ihre eigenen Zwecke ein.
Militärwesen
Bei den Azteken nahm die Kriegsführung einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert ein. Bereits bei der Geburt wurden Jungen der Schlacht „geweiht“; ebenso erhielten sie später eine stark militärische Erziehung. Die besondere Bedeutung des Militärwesens zeigte sich insbesondere im politischen Bereich, denn praktisch jeder, der ein hohes Amt übernahm, musste sich zuvor im Krieg ausgezeichnet haben. Dies galt auch für Angehörige des Adels und besonders für den tlatoani. Für alle Männer bestand eine Wehrpflicht auf Zeit, es gab aber auch Männer, die ihr Leben lang als Krieger dienten. Bewährte Krieger wurden in den Reihen der Adlerkrieger oder Jaguarkrieger aufgenommen, denen in Tenochtitlán eigene Tempel geweiht waren.
Die Kriegsführung diente vor allem zwei Zwecken. Einerseits gab es Kriege mit dem Ziel der Unterwerfung anderer Staaten, die danach Tributleistungen zu entrichten hatten. Da sich besonders Tenochtitlán mit zunehmender Größe nicht mehr selbst versorgen konnte, ergab sich die Notwendigkeit, die Versorgung der Stadt durch jene Tributzahlungen sicherzustellen. Bevor jedoch mit kriegerischen Handlungen begonnen wurde, wurden nacheinander Gesandte aus Tenochtitlán, Texcoco und Tlacopán geschickt, die offiziell die Unterwerfung forderten. Verweigerten sich die dortigen Herrscher, griffen die Azteken an. Nach der Niederlage der angegriffenen Stadt wurden ihr Tributzahlungen auferlegt.
Allerdings unterwarfen die Azteken gezielt einige Städte nicht, um so genannte Blumenkriege führen zu können. Dabei handelte es sich um Feldzüge, die vorrangig die Gefangennahme feindlicher Krieger zum Ziel hatte, die später den Göttern geopfert werden sollten. Krieger, die Feinde gefangen nahmen, wurden hoch geschätzt und erlangten höchste Ehren. Bei dieser Art von Krieg entfiel jedoch die Kriegserklärung durch Gesandte, vielmehr wurden die Blumenkriege im Voraus von beiden Seiten geplant und zu einem bestimmten Zeitraum in regelmäßigen Zeitabständen durchgeführt.
Religion
Götter
Die polytheistische Religion der Azteken beruhte auf der Religion der Tolteken. Hauptgott war Huitzilopochtli, der Gott der Sonne und des Krieges. Ein anderer besonders verehrter Gott war Quetzalcoatl, die gefiederte Schlange, der einst ein Herrscher der Tolteken gewesen war und auf einem Kanu aus der Welt fuhr. Er war als Quetzalcoatl-Ehecatl der Gott des Windes, des Himmels, des Krieges, der Erde und ein Schöpfergott, doch besonders an ihm war, dass alle Völker in der gesamten Umgebung der Azteken ihn verehrten. Neben ihm gab es auch einige Götter unterschiedlicher Wichtigkeit, z. B. den Regengott Tlaloc. Dabei ist eine Besonderheit, dass fast jeder Bereich durch mehrere Götter abgedeckt wird.
Die Azteken, die eines natürlichen Todes starben, kamen nach Mictlan, in die neunschichtige aztekische Unterwelt, regiert von dem Totengott und der Totengöttin. Gefallene Krieger hatten die Ehre, die Sonne auf ihrem Weg von dem Sonnenaufgang bis zum Zenit zu begleiten. Die Frauen, die im Kindbett gestorben waren (ihre Art des überlebenswichtigen Krieges), begleiteten die Sonne vom Zenit bis zum Sonnenuntergang. Menschen, die ertranken oder vom Blitz erschlagen wurden, kamen nach Tlalocan, ins Reich des Regengottes Tlaloc, auch bekannt als Paradies der Blumen.
Opferpraktiken
Die Bedeutung und der Umfang aztekischer Menschenopfer sind umstritten. Größtenteils stammen die Schilderungen verschiedener grausamer Opferrituale von spanischen Konquistadoren und Missionaren, welche ein Interesse daran hatten, die Praktiken des heidnischen Volkes negativ darzustellen. Auch zweifelte man daran, dass die von den Azteken selbst überlieferten Opferkulte in dieser Art auch in vollem Umfang ausgeführt wurden. Interpretiert wurden entsprechende bildliche Darstellungen der Opferungen als symbolisch, als bar jedes „physischen Realismus“, als bildhaft umschriebene Darstellung von Initiationsriten oder innerlichen spirituellen Läuterungs- und Erneuerungsprozessen.[9][10] Daher wurden die folgenden überlieferten Aussagen oft bestritten. Jedoch haben neuere Grabungsfunde die Opferrituale belegt.[11][12]
Die Azteken sind berüchtigt für ihre religiös motivierten Menschenopfer, die sie in großer Zahl ausführten. Dazu wurden gefangene Krieger, Sklaven, aber auch Kinder verwendet. Manchmal opferten sich auch aztekische Krieger selbst freiwillig, was als große Ehre angesehen wurde. Ein Verfahren der Opferung bestand darin, die Menschen einzeln auf der Spitze der Pyramiden auf einem Opferstein an ihren Armen und Beinen festzuhalten und ihnen mit einem Steinmesser das Herz herauszuschneiden. Der Priester bespritzte sich selber und die Götterstatuen mit dem frischen Menschenblut. Die Leiche wurde anschließend die steilen Steinstufen hinabgeworfen. Bei besonders hochstehenden Opfern wurden Teile gebraten und gegessen. Kinder wurden in Käfigen zugunsten des Regengottes Tlaloc zum Weinen gebracht und man ließ sie verhungern. Die Azteken führten sog. Blumenkriege mit ihren verfeindeten Völkern in beiderseitigem Einverständnis. Bei diesen Blumenkriegen wurde im Kampf möglichst nicht getötet; das Ziel bestand darin, Gefangene zu machen, die dann als neue Opfergaben dienten. Diese Opferungen nannten sie nextlaualli „Schuldzahlungen an die Götter“. Sie sollten sicherstellen, dass die Sonne jeden Morgen erneut aufgehen konnte.
Neuesten Erkenntnissen zufolge haben aber auch die „Könige“ selbst Blutopfer von sich gegeben (Schnitt in Hand/Arm/Bein/Ohr), um die Gottheiten zu besänftigen oder zu bemühen; eine ähnliche Praxis ist auch von den Maya bekannt. Es ist auch bekannt, dass die Priester des jeweiligen Tempels sich in das Ohr schnitten, um Blut zu gewinnen, das für Rituale nötig war. Es wurden nur sehr wenige von den damals bekannten 1600 Gottheiten angebetet, da nicht alle so wichtig waren. Die Azteken hatten diese Masse an Göttern, da sie die Gottheiten eroberter Völker „adoptierten“. Durch diesen ständigen Zulauf neuer Götter war nicht jedem jeder Gott bekannt. Es gab verschiedene Stämme unter den Azteken, von denen jeder „seine“ Gottheit bevorzugte.
Die Menschenopfer waren in diesem Maße vermutlich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eingeführt worden und hatten sich erst unter den Herrschern Axayacatl oder Auítzotl richtig behauptet. Einige Wissenschaftler sehen in dieser Entwicklung bereits ein Zeichen der Dekadenz und eines angekündigten Untergangs des Aztekenreiches, unabhängig von den Spaniern.
Die Spanier sahen die Opferrituale, die Religion und sogar die ganze Kultur der Azteken als Werk des Teufels. Charles C. Mann macht in seinem Buch 1491. New revelations of the Americas before Columbus den Leser zwar darauf aufmerksam, dass – obgleich die siegreichen Spanier in ihren Berichten wenig Bereitschaft zeigten, die Azteken wohlwollend oder neutral zu beschreiben – in der Öffentlichkeit vorgebrachte Zweifel an den beobachteten Opferpraktiken vollkommen substanzlos seien, schon weil sie auch in erhaltenen aztekischen Quellen auftauchten. Insofern seien die spanischen Aussagen glaubwürdig. Jedoch führt er an, dass zeitgleich in Europa und auch in Spanien gleichfalls eine blutige Kultur ritualisierter und grausamer Tötungen existierte – in der Gerichtsbarkeit. Hinrichtungen seien regelmäßige öffentliche Spektakel gewesen, die zahlreiche Zuschauer angezogen hätten, und religiöse Abweichler seien auf den Scheiterhaufen in Toledo lebendig verbrannt worden. Hier bestünde wohl kein moralischer Vorteil des erobernden Europas gegenüber den Mexika – möglicherweise nicht einmal in der Anzahl der Tötungen.[13]
Wissenschaft
Kalender
Der aztekische Kalender kombinierte einen für den täglichen Gebrauch und für die Wahrsagerei dienenden Zyklus von 260 Tagen, der tonalpohualli genannt wurde. In ihm wurden die Zahlen von 1 bis 13 mit 20 Zeichen verschränkt, so dass 260 verschiedene Kombinationen entstanden. Die einzelnen Abschnitte von 13 Tagen begannen demnach mit je einem der 20 Zeichen und wurden nach ihm benannt. Das Sonnenjahr xihuitl dauerte 365 Tage, eine Anpassung an die tatsächliche Länge des Sonnenjahres durch Schaltung wurde nicht vorgenommen. Das Jahr bestand aus 18 Abschnitten zu 20 Tagen, die jeweils mit einem großen Fest endeten. Am Ende des Jahres folgen noch 5 unnütze Tage (nemontemi), die als unglücklich angesehen und in denen größere Aktivitäten vermieden wurden.
Schrift
Die Azteken besaßen kein Schriftsystem, mit dem vollständige Texte wiedergegeben werden konnten. Für ihre Aufzeichnungen und Monumente verwendeten sie eine erzählende (narrative) Bilderschrift, in denen die Sachverhalte so gut wie möglich abgebildet wurden. Durch konventionalisierte Darstellungsweisen wurde die Präzision erhöht. Ergänzend wurde für Namen von Personen und Orten und zur Kennzeichnung von Waren, Maßen und ähnlichem hieroglyphenartige Zeichen verwendet. Mit ihnen wurden Inhalte (Ideogramme) dargestellt oder Worte oder deren Teile durch feststehende Zeichen (Logogramme) niedergeschrieben. In einer Reihe von Handschriften aus der Region von Texcoco wurden statt der Logogramme oder ergänzend zu ihnen Silbenzeichen verwendet, die aus Logogrammen entstanden sind. Fast alle vorspanischen Dokumente (Códices) wurden von den spanischen Eroberern zerstört, da man meinte, sie beinhalten nur Lügen des Teufels.
Medizin
Die aztekische Medizin bzw. „altmexikanische Heilkunde“[14] beruhte auf übernatürlichen Vorstellungen, besaß jedoch auch empirisch-rationale Anteile. Ihren höchsten Entwicklungsstand hatte sie zwischen 1200 und 1500 erreicht. Eine frühe neuzeitliche Quelle zur aztekischen Heilkunde sind die Historia general de las cosas de Nueva Espana von Bernardino de Sahagún und der Codex Badianus.[15][16] Ein Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart[17] stellen die mexikanischen curanderos[18] dar, die als Heiler erste medizinische Ansprechpartner vor Ort sein können.[19] Als Heilpflanzen kommen sowohl europäische als auch mexikanische Pflanzen zur Anwendung.[20] Auf die Verwendung psychedelischer Pilze für Heilrituale und rituell-feierlichen Anlässe in Mesoamerika deuten sowohl sogenannte Pilzsteine, die auf 1000 v. Chr. – 500 n. Chr. datiert werden, als auch schriftliche Zeugnisse im Buch Historia general de las cosas de Nueva España aus dem 16. Jahrhundert.[6][21][22] Darin wird an mehreren Stellen der Gebrauch und die Wirkung des von den Azteken so bezeichneten „Teōnanācatl“ (meist übersetzt als Fleisch der Götter oder göttliche Pilze) dargestellt. So beschreibt Sahagún etwa eine Feier von Geschäftsleuten:
„Bei der festlichen Zusammenkunft […] aßen sie Pilze. Sie nahmen keine andere Nahrung ein; sie tranken die ganze Nacht nur Schokolade. Sie aßen die Pilze zusammen mit Honig. Als die Pilze zu wirken begannen, wurde getanzt und geweint […] Einige sahen in ihren Visionen, wie sie im Tod die Ruhe fanden […] Als die Wirkung der Pilze nachließ, saßen sie zusammen und erzählten einander, was sie in ihren Visionen gesehen hatten.“[6]
Kunst
Bekannt und über Eroberungen und Expeditionen auch nach Europa und in dortige Museen gelangt sind Werke z. B. der aztekischen Federkunst. Federn wurden in eine enge Beziehung mit den aztekischen Göttern gebracht und waren mit einer umfangreichen symbolischen Bedeutung verbunden und für das indigene Volk weitaus wertvoller als Gold.[23]
Literatur
Deutschsprachig
- Nigel Davies: Die Azteken: Meister der Staatskunst – Schöpfer hoher Kultur. Econ, Düsseldorf 1979, ISBN 3-499-16950-9.
- Serge Gruzinski: Die Azteken: kurze Blüte einer Hochkultur. Maier, Ravensburg 1992, ISBN 3-473-51028-9.
- Peter Hassler: Menschenopfer bei den Azteken? – Eine quellen- und ideologiekritische Studie. Europäische Hochschulschriften; Reihe XIX Volkskunde/Ethnologie, Abt. B: Ethnologie, Vol. 30. Peter Lang AG, Europäischer Verlag der Wissenschaften, Bern 1992, ISBN 3-261-04587-6.
- Doris Heyden: Gartenkünstler in der neuen Welt. In: Spektrum der Wissenschaft. Oktober 2003, S. 70–75, ISSN 0170-2971 (Artikel über den Gartenbau der Azteken)
- Felix Hinz: „Hispanisierung“ in Neu-Spanien 1519–1568. Transformation kollektiver Identitäten von Mexica, Tlaxkalteken und Spaniern. 3 Bände, Kovač, Hamburg 2005, ISBN 3-8300-2070-8.
- Ulrich Köhler (Hrsg.): Altamerikanistik. Eine Einführung in die Hochkulturen Mittel- und Südamerikas. Reimer, Berlin 1990, ISBN 3-496-00936-5.
- Doris Kurella u. a. (Hrsg.): Azteken. Große Landesausstellung Baden-Württemberg '19. Hirmer, München 2019, ISBN 978-3-7774-3377-6.
- Hanns J. Prem: Die Azteken. Geschichte – Kultur – Religion. 5. Aufl. C. H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-45835-4.
- Hanns J. Prem: Geschichte Altamerikas. 2. überarbeitete Auflage. Oldenbourg, München 2008, ISBN 978-3-486-53032-2.
- Hanns J. Prem, Ursula Dyckerhoff: Das alte Mexico. Geschichte und Kultur der Völker Mesoamerikas. Bertelsmann, München 1986.
- Berthold Riese: Das Reich der Azteken: Geschichte und Kultur. C. H. Beck, München 2011, ISBN 978-3406614002.
- Jacques Soustelle: Das Leben der Azteken: Mexiko am Vorabend der spanischen Eroberung. Manesse-Verlag, Zürich 1993, ISBN 3-7175-8086-8.
- Tzvetan Todorov: Die Eroberung Amerikas. Das Problem des Anderen. 8. Auflage. Suhrkamp Edition, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-518-11213-9.
Englischsprachig
- Nigel Davies: The Toltec heritage: From the fall of Tula to the rise of Tenochtitlan. University of Oklahoma Press, Norman 1980.
- Nigel Davies: The Aztec Empire. University of Oklahoma Press, Norman 1987. ISBN 0-8061-2098-3
- Frances F. Berdan: The Aztecs of Central America. An Imperial Society. CBS College Publishing, New York 1982. ISBN 0-03-055736-4.
- Elizabeth P. Boone: The Aztec World. Washington, DC: Smithsonian Books 1994.
- Alfonso Caso: The Aztecs: People of the Sun. University of Oklahoma Press, ohne Ort 1988. ISBN 0-8061-2161-0.
- Pedro Carrasco: The Tenochca Empire of Ancient Mexico. University of Oklahoma Press, Norman 1999. ISBN 0-8061-3144-6.
- Royal Academy of Arts London (Hrsg.): Azteken. DuMont-Literatur-und-Kunst-Verlag, Köln 2003. ISBN 3-8321-7219-X.
- Michael E. Smith: The Aztecs. Blackwell, Malden 1996 / Oxford 2. Aufl. 2005. ISBN 0-631-23016-5
- Felipe Solis: The Aztec Empire. Guggenheim Museum, New York 2004. ISBN 0-89207-321-7
- Richard F. Townsend: The Aztecs. Thames and Hudson, London 2000. ISBN 0-500-27720-6
Französischsprachig
- Christian Duverger: L’Origine des Aztèques. Seuil „points essais“. 2003.
- Christian Duverger: La Fleur létale. Seuil „Recherches anthropologiques“. 1979.
- Miguel León-Portilla: La pensée aztèque. Seuil „Recherches anthropologiques“. 1985.
- Miguel León-Portilla: Anthologie Nahuatl: Témoignages littéraires du Mexique indigène. L’Harmattan „UNESCO“, 1997.
- Jacques Soustelle: L’Univers des Aztèques. Hermann „Savoir“, 1997.
- Eric Roulet, Jacqueline Durand-Forest, Daniele Dehouve: Parlons Nahuatl – La langue des aztèques. L’Harmattan, Parlons 2000.
- Tzvetan Todorov, Georges Baudot: Récits aztèques de la conquête. Textes choisis et présentés par Georges Baudot et Tzvetan Todorov; trad. du náhuatl par Georges Baudot et de l'espagnol par Pierre Cordoba; annotés par Georges Baudot. Éd. du Seuil, Paris 1983, ISBN 2-02-006628-9.
Weblinks
- Literatur über die Azteken im Katalog des Ibero-Amerikanischen Instituts in Berlin
- James Maffie: Aztec Philosophy. In: J. Fieser, B. Dowden (Hrsg.): Internet Encyclopedia of Philosophy.
- Das Linden-Museum Stuttgart zeigt von 12. Oktober 2019 bis 3. Mai 2020 die Große Landesausstellung „Azteken“, lindenmuseum.de, abgerufen am 24. Oktober 2019
Einzelnachweise
- Hanns J. Prem: Die Azteken. Geschichte – Kultur – Religion. (= Beck'sche Reihe. Band 2035: C. H. Beck Wissen). Verlag C. H. Beck, 4., durchgesehene Auflage, München 2006, ISBN 978-3-406-45835-4, S. 9–10.
- Hanns J. Prem: Die Azteken. Geschichte – Kultur – Religion. (= Beck'sche Reihe. Band 2035: C. H. Beck Wissen). Verlag C. H. Beck, 4., durchgesehene Auflage, München 2006, ISBN 978-3-406-45835-4, S. 76.
- Azteken-Pyramide in Mexiko-Stadt | News | www.spektrum.de
- Hanns J. Prem: Die Azteken. Geschichte – Kultur – Religion. 4. Auflage. Verlag C. H. Beck, München 2006, S. 86
- Hanns J. Prem: Die Azteken. Geschichte – Kultur – Religion. 4. Auflage. Verlag C. H. Beck, München 2006, S. 92
- Bernardino de Sahagún: General History of the Things of New Spain - The Florentine Codex. In: World Digital Library. Abgerufen am 5. Januar 2021.
- Annals of Anthropology, UNAM, Vol. xi, 1974, S. 56.
- William T. Sanders: Settlement Patterns in Central Mexico. Handbook of Middle American Indians, 1971, vol. 3, S. 3–44.
- so 1992 der Schweizer Ethnologe Peter Hassler: Die Lüge des Hernán Cortes
- vgl. insgesamt: Peter Hassler, Menschenopfer bei den Azteken?: Eine quellen- und ideologiekritische Studie (Europäische Hochschulschriften / European University Studies / Publications Universitaires Européennes), Verlag Peter Lang, Bern 1992
- Totenkult am Feuerberg. Warum haben die Azteken Menschen gehäutet und Kinder geopfert? Archäologen legen in Mexico City den größten Kultplatz des rätselhaften Volkes frei und stoßen auf Spuren grausamer Rituale, in: Der Spiegel vom 26. Mai 2003 Ausgabe 22/2003
- ZDF.de – Der Opferkult der Azteken (Memento vom 3. Dezember 2016 im Internet Archive)
- vgl. Charles C. Mann, New Revelations of the Americas before Columbus, Vintage Books (Random House), New York 2011, S. 136 f.
- Hans Schadewaldt: Altmexikanische Heilkunde. In: Die Medizinische Welt. Band 26, 1962, S. 1455–1464.
- Doris Schwarzmann-Schafhauser: Aztekische Medizin. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 124 f.
- Vgl. auch Bernard Ortiz de Montellano: Aztec sources of some Mexican folk medicine. In: Richard P. Steiner (Hrsg.): Folk medicine. The art and the sciences (American Chemical Society), Washington D.C. 1986, S. 1–22.
- B. Ortiz de Montellano: Aztec sources of some mexican folk medicine. In: R. P. Steiner: Folk medicine. The art and the science. Washington, D. C., 1986, S. 1–22.
- Xavier Lozoya: An overview of the system of traditional medicine currently practised in Mexico. In: H. Wagner, Norman R. Farnsworth (Hrsg.): Plants and traditional medicine. London/ San Diego 1990 (= Economic and medicinal plant research. Band 4), S. 81.
- Christina Becela-Deller: Ruta graveolens L. Eine Heilpflanze in kunst- und kulturhistorischer Bedeutung. (Mathematisch-naturwissenschaftliche Dissertation Würzburg 1994) Königshausen & Neumann, Würzburg 1998 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 65). ISBN 3-8260-1667-X, S. 225 f.
- Stephanie Suhr: Arzneipflanzen Mexikos: Kulturgeschichte, Austausch mit der Alten Welt und indigene Konzepte. Teil 1–2. Wissenschaftliche Arbeit für das Staatsexamen im Fach Biologie. Freiburg im Breisgau (Januar) 1993.
- R. Gordon Wasson: The Wondrous Mushroom: Mycolatry in Mesoamerica. City Lights Publishers, 2014, ISBN 978-0-87286-592-1 (google.de [abgerufen am 5. Januar 2021]).
- Hallucinogenic drugs in pre-Columbian Mesoamerican cultures. In: Neurología (English Edition). Band 30, Nr. 1, 1. Januar 2015, ISSN 2173-5808, S. 42–49, doi:10.1016/j.nrleng.2011.07.010 (sciencedirect.com [abgerufen am 6. Januar 2021]).
- badische-zeitung.de, 12. März 2015, Andreas Volz: Weitaus wertvoller als Gold