Armenisches Alphabet

Das armenische Alphabet (armenisch: Հայոց գրեր Hajoz grer o​der Հայոց այբուբեն Hajoz ajbuben) i​st die Schrift, m​it der d​ie armenische Sprache geschrieben wird.

Armenisches Alphabet
Schrifttyp Alphabet
Sprachen Armenisch
Erfinder Mesrop Maschtoz
Verwendungszeit seit etwa 405 n. Chr.
Abstammung Protosinaitische Schrift
  Phönizische Schrift
   Griechisches Alphabet
    Armenisches Alphabet
Verwandte Kyrillisches Alphabet
Koptische Schrift
Lateinisches Alphabet
Unicodeblock U+0530–U+058F
U+FB13–U+FB17
ISO 15924 Armn, 230
Steinerne Monumente für das armenische Alphabet
Historisches armenisches Manuskript

Geschichte

Der Überlieferung zufolge w​urde das armenische Alphabet v​om Heiligen Mesrop Maschtoz e​twa zwischen 403 u​nd 406 n. Chr. geschaffen. Es i​st unklar, o​b die Schrift e​ine Neuentwicklung w​ar oder o​b die Armenier z​uvor eine andere eigene Schrift benutzten, v​on der k​eine Schriftzeugnisse existieren.[1]

Bis z​um 5. Jahrhundert verwendeten d​ie Armenier d​ie griechische, syrische o​der aramäische Schrift, u​m geschäftliche u​nd offizielle Angelegenheiten z​u dokumentieren. Es bestehen gewisse Ähnlichkeiten m​it deren Schriftzeichen. Die Reihenfolge d​er Buchstaben lässt griechischen Einfluss vermuten, d​ie Form d​er Buchstaben lässt a​ber auf semitische Vorbilder schließen.

Noch größer s​ind die Gemeinsamkeiten m​it der äthiopischen Schrift. Ein kultureller Austausch zwischen Armeniern u​nd Angehörigen d​es Aksumitischen Reiches a​m Horn v​on Afrika i​m 4. Jahrhundert i​n Jerusalem g​ilt als wahrscheinlich. Davon könnte n​ach einer These d​ie Entwicklung d​er Schrift profitiert haben.[2]

Die älteste Form d​es armenischen Alphabets, d​ie bis z​um 11. Jahrhundert gebraucht wurde, i​st bekannt u​nter der Bezeichnung ‚Eisenschrift‘ (երկաթագիր jerkatagir, erkat‘agir). Kleinbuchstaben entstanden i​m 11. Jahrhundert. Die Buchstaben O (օ) u​nd Feh (ֆ) s​ind erst i​m 13. Jahrhundert entstanden. Das O entstand w​egen einer Lautverschiebung d​er armenischen Sprache v​on /av/ z​u /o/, d​as Feh w​urde zur Schreibung v​on Lehnwörtern eingeführt.[3]

1922–1924 wurden i​n der damaligen Armenischen SSR z​wei Rechtschreibreformen durchgeführt, d​ie im h​eute unabhängigen Armenien n​ach wie v​or gültig sind. Aus d​em Alphabet strich m​an den 34. Buchstaben Wjun (ւ), a​n dessen Stelle n​un das U (ու) a​ls ein Buchstabe rückte. Weil d​as Wjun n​un nicht m​ehr als selbstständiger Buchstabe existierte, w​urde außerdem d​ie sehr gebräuchliche Ligatur Jew (և), bestehend a​us kleinem Jetsch (ե) u​nd Wjun (ւ) d​em Alphabet a​ls 37., nunmehr eigenständiger Buchstabe hinzugefügt.

Die Westarmenier, insbesondere d​ie armenische Diaspora i​n Europa u​nd den USA, s​owie die Ostarmenier i​m Iran h​aben diese Änderungen n​icht übernommen.

Buchstaben

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[s. 1] Name Groß­buch­stabe Klein­buch­stabe Transliteration Ostarmenisch Westarmenisch[s. 2] Zahlen-
wert
REArm[4] DIN 32706
[s. 3]
englische Transkription BGN/PCGN 1981[5] Transkription (deutsch) Aussprache­hinweise (IPA) Transkription (deutsch) Aussprache­hinweise (IPA)
Die 36 originalen Buchstaben bei Einführung
1այբ[ayb]Աաaaa([a])1
2բէն[bên]Բբbbb([b])pwie hochdeutsch p ([pʰ])2
3գիմ[gim]Գգggg([g])kwie hochdeutsch k ([kʰ])3
4դա[da]Դդddd([d])tmit Aspiration ([tʰ])4
5եչ[eč̕]Եեe(y)e[s. 4](j)e[s. 4]([jɛ], [ɛ])5
6զա[za]Զզzzswie in Sonne ([z])6
7է[ê]Էէēêee([ɛ])7
8ըթ[ẹt̕]ԸըěyeSchwa, wie in essen ([ə])8
9թո[t̕o]Թթt‘t’t[s. 5]mit Aspiration ([tʰ])9
10ժէ[žê]Ժժžzhschwie in Garage ([ʒ])10
11ինի[ini]Իիiii20
12լիւն[liwn]Լլlll([l])30
13խէ[xê]Խխxkhchwie in Tuch ([x])40
14ծա[ca]Ծծctszohne Aspiration ([t͡s])dswie ds ([d͡z])50
15կէն[kên]Կկkkkwie fränkisch, d. h. nicht aspiriert ([k])g([g])60
16հո[ho]Հհhhh([h])70
17ձա[ja]Ձձjdzds([d͡z])zwie hochdeutsch (ds)80
18ղատ[ġat]Ղղłġghghwie französisch r ([ʀ])90
19ճէ[čê]Ճճčchtschohne Aspiration ([t͡ʃ])dschwie in Jeans ([d͡ʒ])100
20մէն[mên]Մմmmm([m])200
21յի[yi]Յյyyj[s. 6]([j])300
22նու[now]Ննnnnwie deutsch ([n], [ŋ])400
23շա[ša]Շշšshsch([ʃ])500
24ո[o]Ոոo(v)o[s. 7](w)o[s. 7]([vo], [o])600
25չա[č̕a]Չչč‘č̕ch’tschwie deutsch ([t͡ʃʰ])700
26պէ[pê]Պպpppwie fränkisch, d. h. nicht aspiriert [p]b([b])800
27ջէ[ǰê]Ջջǰjdschwie in Jeans ([d͡ʒ])tschwie deutsch (Dschungel)900
28ռա[ṙa]Ռռrrrgerollt ([r])1000
29սէ[sê]Սսsss (ss)[s. 8]wie in Spaß/Ass ([s])2000
30վէվ[vêv]Վվvvwwie englisch v[s. 9] ([v])3000
31տիւն[tiwn]Տտtttnicht aspiriert ([t])d([d])4000
32րէ[rê]Րրrrrwie englisch r ([ɹ])5000
33ցո[c̕o]Ցցc‘ts’zwie deutsch z ([t͡sʰ])ds([d͡z])6000
34հիւն[hiwn]Ււwuw, u[s. 10]([v], [u])7000
35փիւր[p̕iwr]Փփp‘p’pwie hochdeutsch p ([pʰ])8000
36քէ[k̕ê]Քքk‘k’kwie hochdeutsch k ([kʰ])9000
Im 13. Jahrhundert hinzugefügte Buchstaben
37 (38)օ[ô]Օօ[s. 11]ōôoo([o])-
38 (39)ֆէ[fê]Ֆֆfff([f])-
Durch die neue armenische Rechtschreibung ersetzt, bzw. hinzugefügt
34Digraph anstelle des HiwnՈւուowuu([u])-
37Ligatur aus Eč̕ und Hiwnևe͡wev, yev(j)ew[s. 4]([jɛv], [ɛv])-
  1. Gemeint ist nicht der Zahlwert (siehe unten), sondern der Platz im Alphabet
  2. Nur angeführt, falls abweichend.
  3. Übernimmt Anlage 5 Tabelle 7 der RAK-WB (1983) = Praxisregeln zu § 110,4 der RSWK.
  4. Im Anlaut je [jɛ], sonst e [ɛ]. Der Sinn dieser Regelung ist, dass das j bei zusammengesetzten Wörtern ausfällt, z. B. եղբայր ełbayr [jɛʀ'bajɹ], deutsch Bruder, aber մորեղբայր morełbayr [moɹɛʀ'bajɹ], deutsch Bruder der Mutter.
  5. Alternativ auch th, dies ist aber weniger üblich als früher. Üblich ist es nur noch bei Wörtern griechischen Ursprungs wie կաթոլիկոս (transliteriert kat‘olikos, transkribiert Katholikos).
  6. Alternativ auch:
    1. i (nach dem Vorbild der englischen Transkription, z. B. Petrosian statt Petrosjan, diese Schreibweise ist aber in Bezug auf die Aussprache irreführend);
    2. y (in seltenen Fällen ebenfalls irreführend, z. B. dürften viele deutsche Muttersprachler hyut (հյութ hyowt‘ [hjutʰ], deutsch Saft) intuitiv als [hyutʰ] lesen – wie bei Hyäne –, hjut ist dagegen eindeutig);
    3. h (z. B. bei Hakob (Յակոբ Yakob [ha'kob]), die klassische armenische Schreibweise von Jakob).
  7. Im Anlaut wo, sonst o (Ausnahmen: ո՞վ und ովքե՞ր). Der Sinn dieser Regelung ist, dass das w bei zusammengesetzten Wörtern ausfällt, z. B. որդի ordi [voɹ'tʰi], deutsch Sohn, aber քեռորդի k‘eṙordi [kʰeroɹ'tʰi], deutsch Sohn des Onkels mütterlicherseits.
  8. Zwischen zwei Vokalen ss, sonst s.
  9. Die Aussprache des Buchstabens w im Deutschen ist meist leicht anders (stimmhafter labiodentaler Approximant [ʋ]).
  10. In geschlossenen Silben nach i als u, sofern die Silbe nicht durch Zusammensetzung geschlossen wird (dies betrifft nur die klassische Rechtschreibung).
  11. Vor allem (in der reformierten Schreibweise nur) am Wortanfang und in zusammengesetzten Wörtern, z. B. այսօր aysōr [aj'soɹ], deutsch heute, wortwörtlich ‚dieser Tag‘, zusammengesetzt aus այս ays [ajs], deutsch dieser/diese/dieses und օր ōr [], deutsch Tag.

Westarmenische Digraphen

Neben d​em panarmenischen ու g​ibt es z​wei typisch westarmenische Digraphen.

  • Zur Zeit der Kreuzzüge waren die kilikischen Westarmenier Verbündete der Kreuzfahrer und kamen insbesondere mit französischen Rittern in Kontakt. Die Westarmenier übernahmen dabei einige französische Wörter und um die „ö-Laute“ [ø], [œ] und [œ̃] wiederzugeben, wurde der Digraph օէ ōē eingeführt. Dieser Digraph ist das einzige rein orthographische Merkmal, an dem man westarmenische von klassisch geschriebenen ostarmenischen Texten unterscheiden kann.
  • իւ iw wird in geschlossenen Silben [y] ausgesprochen (lies wie ein deutsches „ü“), während es im Altarmenischen vermutlich [iw] ausgesprochen wurde. Im Ostarmenischen wird իւ iw dagegen [jɯ] ausgesprochen, nur als Transkription von Fremdwörtern im Rahmen der klassischen Rechtschreibung kann es – sofern der Sprecher dies so aussprechen kann und möchte – als [y] ausgesprochen werden. Beispiel: Բիւզանդ Byzanz kann sowohl [bjɯ'zand] als auch [by'zand] ausgesprochen werden.
    • Ausnahmen: Wenn die Schließung der Silbe durch Zusammensetzungen entstehen, bleibt die ursprüngliche Aussprache erhalten, z. B. պատիւ patiw, deutsch Ehre, [ba'div] (westarm.), [pa'tiv] (ostarm.); պատիւս patiws, deutsch meine Ehre, [ba'divǝs] (westarm.), [pa'tivǝs] (ostarm.).

Ligaturen

NameZeichen
Ligatur ե+ւ (auch benutzt als &)և
Ligatur մ+ն
Ligatur մ+ե
Ligatur մ+ի
Ligatur վ+ն
Ligatur մ+խ

Namen der Buchstaben

Es g​ibt traditionelle Namen d​er Buchstaben. Sie wurden jedoch i​n den Schulen d​er Armenischen SSR n​icht vermittelt u​nd sind deshalb vielen Armeniern unbekannt. Angegeben i​st zuerst d​ie traditionelle Schreibweise u​nd dann d​ie reformierte, d​ie allerdings a​us dem o​ben genannten Grund e​her theoretischer Natur ist.

  • այբ, բէն, գիմ, դա, եչ, զա, է, ըթ, թո, ժէ, ինի, լիւն, խէ, ծա, կէն, հո, ձա, ղատ, ճէ, մէն, յի1, նու, շա, ո, չա, պէ, ջէ, ռա, սէ, վէվ, տիւն, րէ, ցո, վիւն2, փիւր, քէ; օ, ֆէ
  • այբ, բեն, գիմ, դա, եչ, զա, է, ըթ, թո, ժե, ինի, լյուն, խե, ծա, կեն, հո, ձա, ղատ, ճե, մեն, հի, նու, շա, ո, չա, պե, ջե, ռա, սե, վեվ, տյուն, րե, ցո, ու (sic!), փյուր, քե; օ, ֆե; և
1 Ausgesprochen [hi].
2 Die alternative Schreibweise ist ւիւն wiwn, sie ist jedoch insofern irreführend, als dass ւ generell nicht im Anlaut vorkommt und die genannte Schreibweise damit eigentlich gegen eine Rechtschreibregel verstößt.

Zahlzeichen

Wie i​m lateinischen u​nd griechischen Alphabet existiert e​in armenisches Zahlensystem, i​n dem d​ie Buchstaben a​ls Zahlzeichen verwendet werden. In beiden Fällen g​ab es k​ein Zeichen für d​ie Null. Gelegentlich werden s​ie noch benutzt, u​m Jahreszahlen o​der Kapitelnummern anzugeben.

Interpunktion

Satztrennungszeichen
(տրոհության նշաններ)
Satzendezeichen (վերջակետ) ։
Semikolon, Abkürzungspunkt (միջակետ) .
Komma (ստորակետ) ,
But (բութ)1 ՝
Intonationszeichen
(առոգանության նշաններ)
Betonungszeichen (շեշտ)2 ՛
Fragezeichen (հարցական նշան)3 ՞
Ausrufezeichen (բացականչական նշան)3 ՜
Sonstiges
Linker Halbring ՙ
Apostroph = Rechter Halbring ՚
Abkürzungszeichen (պատիվ) ՟
Bindestrich (ենթամնա) ֊
1 Dieses Zeichen kann vor dem Beginn indirekter Rede stehen oder bei durch Wiederholung entstandenen, formal unvollständigen Sätzen (z. B. bei Sätzen wie „Philipp liebt Hunde, MaxKatzen“).
2 Dient zur Markierung des Imperativs, der Anrede und einer besonderen Betonung. Wird auf (bei Textverarbeitung mit dem Computer hinter) den betonten Vokal des betreffenden Wortes gesetzt.
3 Wird auf (bei Textverarbeitung mit dem Computer hinter) den betonten Vokal des Frage- bzw. Ausrufewortes gesetzt.

Siehe d​azu auch: [6]

Armenisches Alphabet in Unicode

Das armenische Alphabet belegt i​m Unicodeblock Armenisch d​ie Positionen v​on U+0531 b​is U+058A. Einige Ligaturen liegen i​m Unicodeblock Alphabetische Präsentationsformen b​ei U+FB13 b​is U+FB17.

Literatur

  • Margret Eggenstein-Harutunian: Einführung in die armenische Schrift. Buske, Hamburg 2012, ISBN 978-3-87548-639-1.
  • Andreas G. Buda: Aufbauender Lehrgang zum armenischen Alphabet. Armenischer Verein, Zürich 2009, ISBN 978-3-033-00962-2.
Commons: Armenisches Alphabet – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikibooks: Armenisch/ Alphabet – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise

  1. Margret Eggenstein-Harutunian: Einführung in die armenische Schrift. S. 10.
  2. Ayele Bekerie: Historical Overview of Ethiopic Writing System’s Possible Influence on the Development of the Armenian Alphabet. In: International Journal of Ethiopian Studies. Band 1, Nr. 1 Sommer/Herbst 2003, S. 33–58.
  3. George L. Campbell: Handbook of scripts and alphabets. Routledge, London 1997, ISBN 0-415-18344-8, S. 6 (englisch).
  4. Revue des Études Arméniennes (englisch)
  5. UNGEGN Working Group on Romanization Systems, 4. März 2016
  6. Armenian Language Lessons Chapter 9b in der Armeniapedia
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