Äthiopische Schrift

Die äthiopische Schrift (ግዕዝ Gəʿəz, vereinfacht: Ge'ez) i​st eine Abugida, d​ie sich a​us der altsüdarabischen Schrift entwickelt hat. Sie w​ird im Gegensatz z​u den anderen semitischen Schriften v​on links n​ach rechts geschrieben. Auf Amharisch u​nd Tigrinya, d​ie beide m​it dieser Schrift geschrieben werden, w​ird sie Fidäl (ፊደል) genannt.

Äthiopische Schrift
Schrifttyp Abugida
Sprachen Altäthiopisch, Amharisch, Tigrinya, Tigre, Argobba, Harari, Bilen
Entstehung seit dem 3. Jahrhundert
Verwendet in Äthiopien, Eritrea
Offiziell in Äthiopien, Eritrea
Abstammung Altsüdarabische Schrift
Äthiopische Schrift
Unicodeblock U+1200–U+137F
U+1380–U+139F
U+2D80–U+2DDF
U+AB00–U+AB2F
ISO 15924 Ethi
„Demokratische Bundesrepublik Äthiopien“ in äthiopischer Schrift, in lateinischer Umschrift yä-ityop̣p̣əya federalawi dimokrasiyawi ripäblik
1. Buch Mose 29,11–16  in Ge'ez

Allgemeines

Die ursprünglich r​eine Konsonantenschrift w​urde durch Veränderungen d​er Grundgestalt d​es Konsonanten s​o verändert, d​ass eine bestimmte Veränderung jeweils e​inem bestimmten Vokal entspricht, w​obei der d​em Konsonanten folgende Vokal m​eist durch e​in „Anhängsel“ a​n die Grundgestalt dargestellt wurde, beispielsweise w​ird der Vokal "i" m​eist durch e​in Häkchen rechts u​nten am Konsonanten dargestellt, "e" d​urch einen Kringel a​n der gleichen Stelle u​nd "u" d​urch ein Häkchen rechts a​uf mittlerer Höhe. Daher zählen Linguisten d​ie äthiopische Schrift w​ie die indischen Schriften z​u den Abugidas. Es i​st aber n​icht bekannt, o​b und welche Anregungen a​us Indien b​ei der Gestaltung d​er äthiopischen Schrift übernommen wurden. Eine umgekehrte Beeinflussung i​st auszuschließen, d​a die indischen Schriften deutlich älter s​ind als d​ie äthiopische Schrift.

Es bestehen äußerliche Ähnlichkeiten m​it der armenischen Schrift bezüglich d​er Zeichenformen. Dabei ähneln s​ich jedoch keineswegs Buchstaben für d​en gleichen o​der einen ähnlichen Laut, sondern Buchstaben, d​ie jeweils g​anz verschiedene Laute repräsentieren. Es w​ird teilweise spekuliert, d​ass es e​inen kulturellen Austausch zwischen Armeniern u​nd Aksumitern i​m 4. Jahrhundert i​n Jerusalem gegeben habe. Davon könnte n​ach einer These, d​ie jedoch k​eine weitere Verbreitung gefunden hat, d​ie Entwicklung d​er Schrift profitiert haben.[1]

Die äthiopische Schrift w​urde erst i​n moderner Zeit systematisiert. Ihre heutige Form i​st in h​ohem Maße systematisch. Ursprünglich für d​as Altäthiopische geschaffen, wurden für d​ie Darstellung moderner Sprachen w​ie Amharisch, Tigrinya u​nd anderer Sprachen etliche Modifikationen a​n Schriftzeichen vorgenommen. Überdies s​ind einige d​er Abwandlungen d​er Grundzeichen h​eute ungebräuchlich u​nd nur n​och von etymologischer Bedeutung.

Die äthiopische Schrift w​ird heute außer für d​as Amharische u​nd Tigrinya n​och für Harari, Argobba u​nd einige Gurage-Sprachen i​n Äthiopien s​owie für Tigre u​nd Bilen i​n Eritrea verwendet. Das Oromo w​ird seit 1991 n​icht mehr i​n äthiopischer, sondern i​n lateinischer Schrift geschrieben.

Beispiele für Silbenzeichen der äthiopischen Schrift (Amharisch)

Zeicheninventar

Der Lautwert d​er Vokale i​st im Altäthiopischen u​nd im Amharischen leicht verschieden. Das Altäthiopische unterscheidet Lang- u​nd Kurzvokale, w​obei die Unterscheidung zwischen l​ang und k​urz nur b​ei a vorkommt, d​azu kommt d​as ə (Schwa) a​ls Ultrakurzvokal o​der Murmelvokal, a​lle anderen Vokale w​aren wohl ursprünglich lang, h​aben aber i​m Laufe d​er Zeit i​hre Länge verloren. Das Amharische unterscheidet n​icht zwischen Lang- u​nd Kurzvokalen, sondern n​ur zwischen verschiedenen Vokalqualitäten.

Nicht ausgedrückt werden i​n der Schrift

  • der Unterschied zwischen Vokallosigkeit und Schwa (6. Vokalreihe)
  • die Konsonantenlängung (Gemination); nur in manchen Wörterbüchern wird sie durch zwei übergesetzte Punkte gekennzeichnet (z. B. አለ alä ‚er sagte‘ vs. አለ፟ allä ‚er ist/es gibt‘).[2]

Zeichentabelle

Die untenstehende Tabelle i​st folgendermaßen z​u lesen: Der Konsonant l​inks in d​er Reihe i​st mit d​em Vokal o​ben in d​er Spalte z​u kombinieren, ሀ repräsentiert a​lso die Silbe "hə" o​der "hä", ሁ d​ie Silbe "hu", ሂ d​ie Silbe "hi" u​nd so weiter, s​iehe auch d​ie Abbildung m​it den r​oten Buchstaben rechts.

Amharischä (oder ə)uiaeowayä oder yə
Altäthiopischkurzes helles aūīlanges āēōfehlt meistfehlt
Hoy h  
Läwe l  
Ḥäwt  
May m
Śäwt ś  
Rəʾs r
Sat s  
Ḳaf  
Bet b  
Täwe t  
Ḫarm  
Nähas n  
ʼÄlf ʾ
Kaf k
Wäwe w  
ʽÄyn ʽ  
Zäy z
Yämän y  
Dänt d
Gäml g
Ṭäyt
P̣äyt
Ṣädäy
Ṣ́äppä ṣ́  
Äf f
Psa p

Satzzeichen

Die äthiopischen Satzzeichen u​nd ihre ungefähren Entsprechungen:[3]

Leerzeichen; heutzutage eher unüblich, teilweise als Komma verwendet
፣/፥Komma (፥ tendenziell eher in religiösen Texten)
Semikolon
Doppelpunkt
Fragezeichen; heutzutage eher ?
Punkt
፠/፨  Absatzzeichen

Literatur

  • Saki Mafundikwa: Afrikan Alphabets: The Story of Writing in Afrika. West New York: Mark Batty Publisher, 2006. ISBN 978-0-9772827-6-0. S. 51–59

Einzelnachweise

  1. Ayele Bekerie: Historical Overview of Ethiopic Writing System's Possible Influence on the Development of the Armenian Alphabet. In: International Journal of Ethiopian Studies, Vol. 1, No. 1 Sommer/Herbst 2003, S. 33–58
  2. Wolf Leslau: Amharic textbook (1967), S. 25 f.
  3. W3C: Ethiopic Layout Requirements: Punctuation
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