Adieu les cons
Adieu les cons (dt.: „Auf Wiedersehen Idioten“, internationaler Titel: Bye Bye Morons) ist ein französischer Spielfilm von Albert Dupontel aus dem Jahr 2020. Die Tragikomödie mit schwarzem Humor und fantastischen Elementen erzählt von einer todkranken, alleinstehenden Frau (dargestellt von Virginie Efira), die sich auf die Suche nach ihrem vor Jahrzehnten verlassenen Kind macht. Dupontel, der auch die männliche Hauptrolle übernahm, orientierte sich beim Drehbuch an Terry Gilliams dystopischen Spielfilm Brazil aus dem Jahr 1985. Er widmete seine achte Regiearbeit dem verstorbenen Monty-Python-Komiker Terry Jones (1942–2020). Als titelgebende „Idioten“ sind einfältige Angestellte des öffentlichen Dienstes und Polizisten gemeint, die den Helden (Efira, Dupontel und Nicolas Marié) in einer düsteren, bürokratisierten und technisierten Welt Steine in den Weg legen.[1]
Film | |
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Originaltitel | Adieu les cons |
Produktionsland | Frankreich |
Originalsprache | Französisch |
Erscheinungsjahr | 2020 |
Länge | 87 Minuten |
Stab | |
Regie | Albert Dupontel |
Drehbuch | Albert Dupontel |
Produktion | Catherine Bozorgan |
Musik | Christophe Julien |
Kamera | Alexis Kavyrchine |
Schnitt | Christophe Pinel |
Besetzung | |
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Die Uraufführung des Films fand am 29. Juni 2020 in Lorient statt. Der reguläre Kinostart in Frankreich erfolgte am 21. Oktober 2020.[2] Die einflussreiche französische Tagespresse kritisierte überwiegend Adieu les cons, während dem Werk trotz einer coronabedingten Schließung der Kinos ein gewisser Erfolg beim Publikum beschieden war. Bei der César-Verleihung 2021 folgten mehrere Auszeichnungen, darunter der Preis für den Besten Film des Jahres.
Handlung
Die 43-jährige Friseurin Suze Trappet muss feststellen, dass sie schwer erkrankt ist.[3] Die übermäßige Inhalation von Haarspray hat bei ihr lebensbedrohliche Lungenschäden verursacht.[1] Den baldigen Tod vor Augen,[4] beschließt sie sich auf die Suche nach ihrem Sohn zu machen.[5] Suze war im Alter von 15 Jahren Mutter geworden, hatte das Baby aber kurz nach der Geburt auf Druck ihrer Eltern zur Adoption freigegeben.[6] Bei der Suche hilft ihr der 50-jährige Computerspezialist JB,[1] der unter Burn-out leidet[7] und einen Suizidversuch verpasst hat.[1] Ebenfalls Unterstützung erhält sie von dem blinden, aber begeisterungsfähigen Archivar Serge Blin. Er hat sein Augenlicht bei einem Polizeieinsatz durch ein Gummigeschoss verloren.[1] Gemeinsam begeben sich Suze, JB und Blin auf eine ebenso spektakuläre wie unwahrscheinliche Suche und stehen dabei gleichgültigen Behörden gegenüber.[7]
Entstehungsgeschichte
Drehbuchentwicklung und Besetzung
Adieu les cons ist der achte Spielfilm des Schauspielers und Filmemachers Albert Dupontel, für den er auch das Drehbuch verfasste. Er plante den Film als „burleske Tragödie“ und wollte verschiedene Filmgenres miteinander vermischen, wobei ihm der Schreibprozess eigenen Angaben zufolge Schwierigkeiten bereitet hätte. „Ich habe 18 Monate damit verbracht, die gleiche Geschichte 20 Jahre lang neu zu schreiben“, so Dupontel, der sich selbst als „narrativen Sisyphos“ begreift und sich u. a. für Filme von Charlie Chaplin, Terry Gilliam und Ken Loach begeistert. Großen Eindruck bei ihm hinterlassen hätte Gilliams dystopische Komödie Brazil (1985), die für Adieu les cons Pate stand. Dupontel verstand seinen Film als demütige Würdigung, indem er die gleichen kafkaesken Abweichungen von der Welt in die Gegenwart übertrug. Auch übernahm Dupontel die Figurennamen von Robert De Niro (Tuttle), Ian Holm (Kurtzmann) und Michael Palin (Lint) für seine Regiearbeit und ließ Gilliam einen Cameo-Auftritt als Waffenhändler zukommen. Der hatte das Drehbuch vorher gelesen und Dupontels Film als „so unwahrscheinlich wie die Realität“ gelobt.[8]
Dupontel begann mit der Grundidee um zwei gegensätzliche Figuren – eine die leben möchte, aber nicht kann (Suze) und eine, die leben könnte, aber nicht will (JB). Dabei griff Dupontel erneut auf die Themen Abstammung und Mutterschaft zurück, die auch in seinen vorangegangenen Regiearbeiten Bernie (1996), Le vilain (2009), 9 mois ferme (2013) und Au revoir là-haut (2017) auftauchen.[8] Während Suze und JB normale Menschen darstellen, mit denen sich die Zuschauer identifizieren können, ist es die schrullige Figur des Mr. Blin, die den Film ins Fantastische abdriften lässt. Die Zusammenarbeit mit Virginie Efira in der Rolle der Suze und mit Nicolas Marié als Blin sei es Dupontel leicht gefallen. Dadurch habe er neben Drehbuch und Regie auch als Schauspieler die männliche Hauptrolle übernehmen können. Marié, den er für seine zerbrechlichen Darstellungen lobte, war zuvor in fast allen seinen Regiearbeiten aufgetreten. Ebenso hatte Dupontel zuvor mit Michel Vuillermoz und Philippe Uchan zusammengearbeitet, die die Rolle des Kurtzman bzw. des Psychologen übernahmen.[9]
Verpflichtung von Virginie Efira und Nicolas Marié
Virginie Efira arbeitete das erste Mal mit Albert Dupontel zusammen und war das zweite Mal nach Mein ziemlich kleiner Freund (2016) in einer schwarzen Komödie zu sehen.[10] Sie kannte zuvor nur Dupontels zweite Regiearbeit Le créateur (1999) und sah sich als Vorbereitung alle seine Filme an, wenn auch nicht in chronologischer Reihenfolge. Vor allem habe ihr 9 moise ferme gefallen. Efira hatte beim Lesen des Drehbuchs zum Teil Probleme, sich die einzelnen Szenen vorzustellen. Vorbehalte lösten sich erst bei Testaufnahmen, in denen Dupontel in die Rolle der Suze schlüpfte und sie mit der Technik vertraut machte.[11] Dabei musste sie sich an seine überbordende Energie als Schauspieler und Regisseur erst gewöhnen. Efira bezeichnete Dupontel rückblickend als „echten Regisseur“, der nichts dem Zufall überlassen und alles durchdacht und vorweggenommen hätte.[12] Sie sah sich als eine Art „Werkzeug“, das sich in den Dienst des „anspruchsvollen, leidenschaftlichen und obsessiven“ Filmemachers stellte. Es habe ihr Spaß gemacht, an seiner Seite ihre beste Schauspielleistung abzurufen. Die Zerbrechlichkeit der Suze spiegele sich auch im Kostüm von Efira wieder. Ihre „Uniform der Weiblichkeit“, bestehend u. a. aus einem schwarzen Rock und flachen Absätzen, die sich im Laufe des Films nicht ändert, stehe für eine „typische Weiblichkeit“ und passe eigentlich nicht zum bevorstehenden Abenteuer. Suze wirke nicht verführerisch und ihre Garderobe verhindere, große Schritte zu machen.[13] Dupontel bewunderte Efira rückblickend für die Zärtlichkeit und Menschlichkeit, die sie der Figur zukommen ließ.[9]
Für Nicolas Marié war es die sechste Zusammenarbeit mit Dupontel, dem er eigenen Angaben zufolge blind vertraut. Beide kannten sich seit Beginn von Dupontels Schauspielkarriere fast 30 Jahre lang, als sie Adieu les cons drehten. Marié liebe Rollen, die weit von ihm entfernt sind. Die Szenen, die im fertigen Film wie improvisiert wirken, seien hart erarbeitet. Dupontel habe vor Beginn der Dreharbeiten sechswöchige Proben angesetzt und den Schauspielern Fotos vom Filmset gezeigt, damit sie sich auf die Dreharbeiten einstellen konnten.[14] Marié bemerkte neben Dupontels „fast klösterlicher Strenge“ ebenfalls eine „unerschöpfliche Lebensenergie“ bei ihm.[4]
Dreharbeiten und Postproduktion
Im Vergleich zu seinem vorangegangenen Film, dem preisgekrönten Historiendrama Au revoir là-haut, empfand Dupontel die Dreharbeiten an Adieu les cons als einfacher, auch wenn Hitzewellen zu vermehrt körperlicher Anstrengung führten. Er konzentrierte sich auf das „emotionale Geschichtenerzählen“ und verzichtete weitgehend auf Außendrehs. Die Schauspieler agierten vor einem Bluescreen, während die Bildhintergründe durch visuelle Effekte (VX) nachträglich eingefügt wurden. Die unheimlich anmutenden, urbanen Hintergründe, mit denen Dupontel die städtische Umgebung für seine Geschichte zu poetisieren und vergrößern versuchte, wurden in achtmonatiger Arbeit vom Spezialeffekte-Supervisor Cédric Fayolle angepasst. Für die Kamera engagierte er erstmals Alexis Kavyrchine, mit dem er sich darauf verstand, mit Kontrasten zu arbeiten und das Licht am Filmset zu minimieren. Um die Bilder von der Realität zu distanzieren, wurden die Szenen in besonders warme Farben getaucht. Bei der Umsetzung halfen die Kamera- und Lichttechniker Stéphane Martin und François Comparot.[15] Sehr viel Zeit verwandte Dupontel in der Postproduktion vor allem für den Einsatz der Musik und für den Schnitt, für die Christophe Julien und Christophe Pinel zuständig waren.[16] Mit dem Komponisten und dem Editor hatte er bereits zuvor zusammengearbeitet.
Dupontel widmete Adieu les cons dem im Jahr 2020 verstorbenen Monty-Python-Komiker Terry Jones. Jones hatte sich von seinem ersten Spielfilm Bernie begeistert gezeigt und um eine VHS-Kopie gebeten, um sich den Film ansehen zu können. Später übernahm er auch einen Cameo-Auftritt als „Gott“ in Dupontels Le créateur (1999).[16] Die Produktionskosten betrugen 10 Millionen Euro.[1]
Rezeption
Auf der Website Allociné hält Adieu les cons derzeit eine Presse-Bewertung von 3,7 von 5 Sternen, basierend auf über 40 französischsprachigen Kritiken. Dagegen wurde der Film vom Publikum besser beurteilt.[17] Dupontels Regiearbeit gelangte Ende Oktober 2020 kurz vor der coronabedingten Schließung der Kultureinrichtungen regulär in die französischen Kinos. Dort erreichte Adieu les cons innerhalb von nur zehn Tagen im Verleih von Gaumont über 700.000 Zuschauer[6] und belegte Platz 1 der Kinocharts.[18] Es war der bis dahin beste Kinostart für einen Film von Dupontel.[19]
Durchweg negativ wurde der Film von den Kritikern der wichtigsten meinungsbildenden Tageszeitungen Frankreichs besprochen.[17] Eric Neuhoff (Le Figaro) überschrieb seine Kritik mit dem Titel „kafkaesk“ und empfand den Film als zu bunt, zwischen „Poesie und Cartoon“ wechselnd. Er verglich Adieu les cons mit einem Fotoroman sowie einem Kuchen, bei dem der Konditor nicht an Schlagsahne gespart hätte. Neuhoff nannte das Finale mit seiner selbstgefälligen Schwere „peinlich“.[5] Didier Péron (Libération) kritisierte die Schauspielleistung von Virginie Efira, während Dupontel als Regisseur nicht an Terry Gilliam heranreiche.[1] Die französische Tageszeitung konnte die späteren César-Auszeichnungen an den „düsteren“ Film nicht nachvollziehen. Dupontels „fälschlicherweise radikales Kino“ könne aber im Corona-Jahr als eines der seltenen Aushängeschilder des Mainstream- und Autorenkinos einen hohen Stellenwert einnehmen.[20] Véronique Cauhapé (Le Monde) empfand „keinen Spaß“ beim Ansehen des Films. Adieu les cons werde man vergessen, sobald man ihn zu Ende konsumiert hätte.[17]
Auszeichnungen
Adieu les cons wurde im Frühjahr 2021 für über ein Dutzend Auszeichnungen nominiert und gewann den französischen Filmpreis César in sechs Kategorien, darunter als Bester Film sowie einen Sonderpreis (César des lycéens). Dupontel selbst blieb der Verleihung fern, da ihn der intellektuelle Vergleich von Kunstwerken eigenen Angaben zufolge „perplex“ mache.[6] An seiner Stelle nahm die Produzentin des Films, Catherine Bozorgan, die für ihn bestimmten Preise entgegen.[20]
Filmpreis | Kategorie | Preisträger/ Nominierte |
Resultat |
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César 2021 | Bester Film | Catherine Bozorgan | Gewonnen |
Beste Regie | Albert Dupontel | Gewonnen | |
Beste Hauptdarstellerin | Virginie Efira | Nominiert | |
Bester Hauptdarsteller | Albert Dupontel | Nominiert | |
Bester Nebendarsteller | Nicolas Marié | Gewonnen | |
Bestes Originaldrehbuch | Albert Dupontel | Gewonnen | |
Bestes Szenenbild | Carlos Conti | Gewonnen | |
Beste Kostüme | Mimi Lempicka | Nominiert | |
Beste Kamera | Alexis Kavyrchine | Gewonnen | |
Bester Schnitt | Christophe Pinel | Nominiert | |
Bester Ton | Jean Monondo, Gurwal Coïc-Galles, Cyril Holtz |
Nominiert | |
Beste Filmmusik | Christophe Julien | Nominiert | |
César des lycéens | Albert Dupontel | Gewonnen | |
Prix Lumières 2021 | Bester Film | Catherine Bozorgan, Albert Dupontel |
Nominiert |
Beste Regie | Albert Dupontel | Nominiert | |
Beste Darstellerin | Virginie Efira | Nominiert | |
Bester Darsteller | Albert Dupontel | Nominiert |
Weblinks
- Offizielle Website (französisch)
- Profil bei allocine.fr (französisch)
- Adieu les cons in der Internet Movie Database (englisch)
Einzelnachweise
- Didier Péron: «Adieu les cons», nanar laqué. In: Libération, 21. Oktober 2021 (abgerufen via Pressedatenbank Nexis Uni).
- Adieu les cons (2020) – Release Info. In: imdb.com (abgerufen am 18. März 2021).
- Französisches/niederländisches Presskit zum Film bei cineart.be, S. 3 (PDF-Datei, 11 MB).
- Französisches/niederländisches Presskit zum Film bei cineart.be, S. 12 (PDF-Datei, 11 MB).
- Eric Neuhoff: « Adieu les cons » : kafkaïen. In: Le Figaro, 21. Oktober 2020, Nr. 23694, S. 30.
- Coronaprotest beim Filmpreis. In: spiegel.de, 13. März 2021 (abgerufen am 18. März 2021).
- Französisches/niederländisches Presskit zum Film bei cineart.be, S. 3, 5 (PDF-Datei, 11 MB).
- Französisches/niederländisches Presskit zum Film bei cineart.be, S. 4–5 (PDF-Datei, 11 MB).
- Französisches/niederländisches Presskit zum Film bei cineart.be, S. 5 (PDF-Datei, 11 MB).
- Matt Finance: Albert Dupontel est de retour avec les premières images d'Adieu les cons. In: lefigaro.fr, 28. Juni 2020 (abgerufen am 18. März 2021).
- Französisches/niederländisches Presskit zum Film bei cineart.be, S. 8 (PDF-Datei, 11 MB).
- Französisches/niederländisches Presskit zum Film bei cineart.be, S. 8–9 (PDF-Datei, 11 MB).
- Französisches/niederländisches Presskit zum Film bei cineart.be, S. 9 (PDF-Datei, 11 MB).
- Französisches/niederländisches Presskit zum Film bei cineart.be, S. 11–12 (PDF-Datei, 11 MB).
- Französisches/niederländisches Presskit zum Film bei cineart.be, S. 5–6 (PDF-Datei, 11 MB).
- Französisches/niederländisches Presskit zum Film bei cineart.be, S. 6 (PDF-Datei, 11 MB).
- Adieu les cons – Critiques Presse. In: allocine.fr (abgerufen am 18. März 2021).
- Heike Angermaier: "Adieu les Cons" gewinnt sieben Césars. In: beta.blickpunktfilm.de, 15. März 2021 (abgerufen am 19. März 2021).
- Didier Péron, Guillaume Tion, Ève Beauvallet, Jérémy Piette,Sandra Onana: Reconfinement : l'art comprimé. In: Libération, 30. Oktober 2020 (abgerufen via Pressedatenbank Nexis Uni).
- Julien Gester, Didier Péron, Sandra Onana: Césars 2021 : «Adieu les cons» et bonjour l’angoisse. In: liberation.fr, 13. März 2021 (abgerufen am 18. März 2021).