Abschiebehafteinrichtung
Abschiebehafteinrichtungen (AHE) oder auch Abschiebehaftanstalten sind Behörden, in denen in Deutschland für vollziehbar Ausreisepflichtige hauptsächlich Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam vollzogen wird. In der Schweiz werden diese Einrichtungen zur dortigen Vollziehung der ausländerrechtlichen Administrationshaft Ausschaffungshaftanstalten genannt.[1] Das österreichische Pendant ist ein Polizeianhaltezentrum.
Situation in Deutschland
Rechtliche Grundlagen
Die Abschiebehaft ist eine ordnungsrechtliche Maßnahme, die die Abschiebung des Betroffenen sichern soll. Gemäß § 62a Abs. 1 AufenthG werden Abschiebungsgefangene getrennt von Strafgefangenen untergebracht. Dies erfolgt in den sogenannten Abschiebehafteinrichtungen. Für Ausreisegewahrsam gilt das gemäß § 62b Abs. 2 und Abs. 3 und § 62a AufenthG entsprechend. Das Aufenthaltsgesetz realisiert hier Regelungen der EU-Richtlinie 2008/115/EG. Gem. Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie hat die Inhaftierung in speziellen Hafteinrichtungen zu erfolgen.[2] Ist das nicht möglich, oder sind solche in dem betreffenden Mitgliedsstaat nicht vorhanden, so sind in Haft genommene Drittstaatsangehörige bei der Unterbringung in einer gewöhnlichen Haftanstalt von Strafgefangenen zu separieren.
Einrichtungen
In Deutschland gab es laut einem Medienbericht im Jahr 2019 zehn solcher Einrichtungen in neun Bundesländern, mit insgesamt 469 Plätzen.[3] Nicht mitgezählt war dabei die 2018 in Betrieb genommene Abschiebungshafteinrichtung München am Flughafen München.[4] Hinzu kamen im Jahr 2021 eine Abschiebehafteinrichtung in Hof[5] und eine gemeinsame Abschiebehafteinrichtung der drei Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern in Glückstadt.[6][7]
Geschlossene Abschiebehafteinrichtungen
Im Jahr 2014 wurde die Abschiebehafteinrichtung Rendsburg gemäß Beschluss der Landesregierung geschlossen.[8][9] Im Jahr 2017 wurde die zu dieser Zeit einzige Abschiebehafteinrichtung Ostdeutschlands in Eisenhüttenstadt wegen gravierender Mängel beim Brandschutz und bei der Sicherheit geschlossen.[10] Seit 2017 bestehende Pläne für eine Abschiebehafteinrichtung in Dessau wurden 2021 aus Kostengründen aufgegeben.[11] Für einige Tage wurde im Februar 2020 ein Trakt des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main als Ausreisegewahrsam genutzt. Dessen Geschäftsführer Timmo Scherenberg erklärte, er halte trotz angepasster Gesetzeslage Haftanstalten „nach dem Pop-up-Store-Prinzip“ für „sehr fragwürdig“.[12]
Einrichtung für Kriminelle und Gefährder
In einem ehemaligen Gebäude der Jugendarrestanstalt Berlin-Brandenburg in Berlin-Lichtenrade wurde 2018 ein Abschiebegefängnis für Kriminelle und für islamistische Gefährder eingerichtet,[13][14] das im Juli 2021 temporär geschlossen wurde.[15] Am 2. Juli 2020 entschied der Europäische Gerichtshof, dass eine Unterbringung von Gefährdern vor ihrer Abschiebung in regulären Gefängnissen ausnahmsweise zulässig ist, wenn die Sicherheit dies erfordert und sie getrennt von Strafgefangenen untergebracht werden.[16]
Abgrenzung zu anderen Einrichtungen
Die Abschiebehafteinrichtung ist abzugrenzen von einer Ausreiseeinrichtung (auch Ausreisezentrum genannt). In der Letztgenannten sollen gem. § 61 Abs. 2 AufenthG Ausreisepflichtige betreut und beraten werden mit dem Ziel, die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise zu fördern.
Weblinks
- Für fast 80 Millionen Euro: Abschiebegefängnis in Hof ist fertig (Bericht über den Bau einer neuen AHE in Hof)
Referenzen
- Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts in dem es u. a. um Ausschaffungshaftanstalten geht. Abgerufen am 30. Dezember 2021.
- Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger. OJ L, 32008L0115, 24. Dezember 2008 (europa.eu [abgerufen am 31. Dezember 2021]).
- FOCUS Online: Übersicht zeigt, welche Bundesländer die meisten Abschiebehaftplätze haben. Abgerufen am 30. Dezember 2021.
- Markus Schwarzkugler: Bund der Steuerzahler kreidet an: Teurer Fehler durch Abschiebehaft am Flughafen München. In: merkur.de. 30. Oktober 2019, abgerufen am 31. Dezember 2021.
- Thorsten Gütling, Ulla Küffner: Für fast 80 Millionen Euro: Abschiebegefängnis in Hof ist fertig. In: BR24, br.de. 5. Mai 2021, abgerufen am 31. Dezember 2021.
- Christine Reimers: Land zeigt umgebaute Kaserne: Abschiebehaft mit Kickertisch in Glückstadt – Start am 16. August. In: Norddeutsche Rundschau, shz.de. 5. August 2021, abgerufen am 31. Dezember 2021.
- Christine Reimers: Abschiebehaftanstalt in Glückstadt nun in Betrieb. In: Zeit online, zeit.de. 16. August 2021, abgerufen am 31. Dezember 2021.
- Abschiebehafteinrichtung Rendsburg wird zum 1. November geschlossen. In: schleswig-holstein.de. 1. Oktober 2014, abgerufen am 3. Januar 2022.
- Abschiebungsgefängnis in Rendsburg geschlossen – Kritik der CDU. In: welt.de. 3. November 2014, abgerufen am 3. Januar 2022.
- Alexander Fröhlich: Mängel bei Abschiebehaftanstalt in Eisenhüttenstadt: Abschiebehaft fällt beim Sicherheitstest durch. In: Postdamer Neueste Nachrichten, pnn.de. 24. März 2017, abgerufen am 31. Dezember 2021.
- Sachsen-Anhalt/Politik – Kostenexplosion: Sachsen-Anhalt beerdigt Pläne für neue Abschiebehaftanstalt in Dessau. In: Mitteldeutsche Zeitung, presseportal.de. 16. Januar 2021, abgerufen am 31. Dezember 2021.
- Sachsen-Anhalt/Politik – Kostenexplosion: Sachsen-Anhalt beerdigt Pläne für neue Abschiebehaftanstalt in Dessau. In: Mitteldeutsche Zeitung, presseportal.de. 16. Januar 2021, abgerufen am 31. Dezember 2021.
- A. Dinger, G. Mallwitz: Hochsicherheitstrakt: Islamisten kommen nach Lichtenrade. In: morgenpost.de. 19. März 2018, abgerufen am 31. Dezember 2021.
- Neues Abschiebegefängnis für Kriminelle und Gefährder. In: berlin.de. 21. September 2018, abgerufen am 31. Dezember 2021.
- Philipp Siebert: Abschiebegewahrsam in Lichtenrade erneut geschlossen. In: morgenpost.de. 9. Juli 2021, abgerufen am 31. Dezember 2021.
- Abschiebehaft EuGH gestattet Unterbringung von „Gefährdern“ im Gefängnis. In: spiegel.de. 2. Juli 2020, abgerufen am 31. Dezember 2021.