Zufahrtsicherungssignal
Ein Zufahrtsicherungssignal[1][2] (teils auch Zufahrtssicherungssignal[1] oder Streckenzufahrtssignal[3]) ist in Deutschland ein Hauptsignal am Beginn von Strecken, die mit ETCS Level 2 ohne Signale (L2oS) ausgerüstet sind. Zweck des Signals ist es, die Einfahrt von Zügen ohne entsprechende Fahrzeugausrüstung in Streckenabschnitte zu verhindern, die nur mit ETCS L2oS ohne zusätzliche PZB ausgerüstet sind. Es kommt in Deutschland nur als Ks-Hauptsignal vor.
Die Signale zeigen für signalgeführte Züge in Richtung der ETCS-L2oS-Strecke stets Hp 0 („Halt“) und werden bei der Annäherung von anzeigegeführten Zügen (ETCS Level 2) dunkelgeschaltet. Für signalgeführte Züge gilt es Kraft des Mastschildes auch dann als Haltgebot. Eine Fahrstraße für signalgeführte Züge ist in Richtung der ETCS-L2oS-Strecke nicht vorhanden. Folgt nach dem Zufahrtsicherungssignal keine weitere Fahrwegverzweigung mehr, kann das Signal nur den Haltbegriff Hp 0 zeigen oder dunkelgeschaltet sein.
Mit Zufahrtsicherungssignalen wird das Streckenzugangsverbot[4] von nicht mit ETCS-Fahrzeuggeräten ausgerüsteten Zügen auf reinen ETCS-Strecken umgesetzt. Entlang der momentan einzigen ETCS-L2oS-Strecken (VDE 8.1 und 8.2) sind Zufahrtsicherungssignale in folgenden Bereichen vorhanden: Gröbers, bei Halle (Saale), in Erfurt Hbf, den Coburger Verbindungskurven Niederfüllbach und Dörfles-Esbach sowie im Betriebsbahnhof Unterleiterbach. Weitere Zufahrtsicherungssignale entstehen für die im Dezember 2022 in Betrieb gehende Neubaustrecke Wendlingen–Ulm sowie für den ab 2025 in Betrieb gehenden Digitalen Knoten Stuttgart[5].
An den Signalen sowie in Abständen von mindestens 250 m und nochmals wenigstens 400 m dahinter befinden sich 2000-Hz-Gleismagnete, mit denen signalgeführte Züge per Zwangsbremsung zum Halten gebracht werden können. Der erste auf das Signal folgende Magnet soll dabei Züge aufhalten, bei denen ein Zwangsbremseingriff am Signal durch eine permanent betätigte PZB-Befehlstaste unterdrückt wird.[6] Da das Fahrzeuggerät die PZB/LZB-Bedienelemente ignoriert, wenn sie über eine Strecke von mehr als 225 m ständig betätigt werden (Grundstellungsüberwachung), würde ein 2000-Hz-Magnet 250 m hinter dem Signal auch einen Zug mit permanent betätigter Befehlstaste anhalten.[7] Der darauf folgende Magnet soll die Sicherheit erhöhen. Darüber hinaus wird an dem Ort, an dem eindeutig eine Einfahrt in einen L2oS-Bereich erfolgt, ein zusätzlicher Datenpunkt (Typ 35) vorgesehen, der bei Fahrzeugen ohne vorhandene und aktive Level-2-Ausrüstung eine Zwangsbremsung (Wechsel nach Betriebsart Trip) ausgelöst.[6] Der aus zwei Festdatenbalisen bestehende Datenpunkt enthält dazu das Paket 41 (Level Transition Order).[8][9]
Auf den beiden Coburger Verbindungskurven verursachen Zufahrtsicherungssignale Fahrzeitverlängerungen, da Züge Richtung Neubaustrecke erst am vorigen Hauptsignal in die ETCS-Führung aufgenommen werden und das Zufahrtsicherungssignal erst anschließend dunkelgeschaltet werden kann. Somit zeigt das vorige Signal als Fahrtbegriff systembedingt stets das Signalbild Ks 2 („Halt erwarten“), worauf eine Bremsung einzuleiten ist, die erst nach Dunkelschaltung des Zufahrtsicherungssignals wieder aufgehoben werden kann.
Um dies zu verhindern, wird empfohlen, das Vorsignal des Zufahrtsicherungssignals nicht mit dem vorhergehenden ETCS-Grenzsignal zu kombinieren.[10][11] Dies ist auf den beiden Coburger Kurven jedoch aus Platzgründen nicht möglich. Während die Verbindungskurven vom ETCS-fähigen elektronischen Stellwerk der Neubaustrecke gesteuert werden, werden die anschließenden Bestandsstrecken aus nicht ETCS-fähigen Bestandsstellwerken gesteuert. Ein früherer Wechsel in die ETCS-Führung ist damit nicht möglich.
Auf der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm wird derselbe Effekt beim ETCS-Einstieg in Ulm auftreten, wo das ETCS-Grenzsignal gleichzeitig das Vorsignal für das Zufahrtsicherungssignal ist.[12] Im Digitalen Knoten Stuttgart erfolgt der ETCS-Einstieg grundsätzlich zwei Hauptsignale vor dem Zufahrtsicherungssignal, in Sonderfällen drei.[13] Damit wird ein ETCS-Einstieg unter hohen Leistungsanforderungen gewährleistet.[5]
Wenn möglich, sollen Zufahrtsicherungssignale so geplant werden, dass ein vor dem Signal gestellter Zug umfahren werden kann. Im Digitalen Knoten Stuttgart soll erstmals auch eine „dispositive Zufahrtsicherung“[14] im Zulauf auf Zufahrtsicherungssignale zum Einsatz kommen, um Züge mit (zum Beispiel aufgrund starker Messfehler der Odometrie) voraussichtlich nicht ordnungsgemäß funktionsfähiger ETCS-Fahrzeugausrüstung bereits frühzeitig stellen zu können, bevor ein Zufahrtsicherungssignal erreicht wird. Dazu wird der Funkaufbau bereits etwa 10 bis 15 Minuten[5] vor dem Bahnhof Stuttgart Hbf kommandiert, um gestörte Fahrzeuggeräte rechtzeitig zu erkennen und dispositive Maßnahmen ergreifen zu können.
Die Dunkelschaltung von Zufahrtsicherungssignalen ist mit zusätzlichen technischen Laufzeiten verbunden, die sich zu einer verminderten Leistungsfähigkeit der Infrastruktur führen.[15]
Im Westkopf des Hauptbahnhofs Erfurt wird über einzelne Zufahrtsicherungssignale mittels Sperrsignal rangiert.
Der Begriff des Zufahrtsicherungssignals wurde mit Wirkung ab Dezember 2015 in die Fahrdienstvorschrift (Richtlinie 408) aufgenommen.[2]
- Zufahrtsicherungssignal Dörfles-Esbach, haltzeigend
- Dunkelgeschaltet vor Zugfahrt
- Dunkelgeschaltet während der Zugfahrt
- Wieder in Haltstellung
Im Großbritannien werden Zufahrtsicherungssignale als transition protecting signal bezeichnet.[16]
Weblinks
- Standorte von Zufahrtsicherungssignalen per Overpass API anhand von OpenStreetMap-Daten (unvollständig)
- ETCS für Hobbyisten: Levelwechsel zwischen PZB und Level 2. Video-Erläuterung des Zufahrtsicherungssignals und dessen weiterer Absicherung.
Einzelnachweise
- Streckenprospekt: Neubaustrecke VDE 8.1 Breitengüßbach - Erfurt. (PDF) DB Netz AG, 1. Juni 2017, S. 23, 47 (PDF), abgerufen am 31. Dezember 2020.
- Neuherausgabe Richtlinie 408 – Fahrdienstvorschrift – sowie Aktualisierung der damit in Bezug stehenden Richtlinien. (PDF) DB Netz AG, 20. Oktober 2014, archiviert vom Original am 26. Dezember 2017; abgerufen am 25. Dezember 2017.
- Christian Beckmann, Stefan Röver: ETCS für die Digitale Schiene Deutschland. In: DB Netz AG (Hrsg.): Infrastrukturprojekte 2018. Bauen bei der Deutschen Bahn. PMC Media House, Hamburg 2018, ISBN 978-3-96245-163-9, S. 114–119.
- Reiner Behnsch, Jens Reißaus: Konzeption der Leit- und Sicherungstechnik auf den Neubaustrecken der VDE 8. In: ETR Spezial. 2017, ISBN 978-3-87154-620-4, ISSN 0013-2845, S. 53–55 (eurailpress.de [PDF]).
- Mladen Bojic, Hassan El-Hajj-Sleiman, Markus Flieger, Roman Lies, Jörg Osburg, Martin Retzmann, Thomas Vogel: ETCS in großen Bahnhöfen am Beispiel des Stuttgarter Hauptbahnhofs. In: Signal + Draht. Band 113, Nr. 4, April 2021, ISSN 0037-4997, S. 21–29 (PDF).
- Richard Kahl: Besonderheiten ETCS Level 2 ohne Signale. In: Jochen Trinckauf, Ulrich Maschek, Richard Kahl, Claudia Krahl (Hrsg.): ETCS in Deutschland. 1. Auflage. Eurailpress, Hamburg 2020, ISBN 978-3-96245-219-3, S. 229 f.
- ohne Quelle
- Markus Suiter: Grundsätze zur Erstellung der Ausführungsplanung PT1 für ETCS Level 2. Hrsg.: DB Netz. Version 1.0 Auflage. 4. September 2019, S. 71.
- ETCS-Spezifikation, Subset 026, Version 3.6.0, Abschnitt 7.4.2.9.
- Jörn Pachl: Systemtechnik des Schienenverkehrs. 8. Auflage. Springer Vieweg Wiesbaden, 2016, ISBN 978-3-658-12985-9, S. 90.
- Benedikt Wenzel, Sebastian Pechtold: Planung von ETCS – Neue Aspekte und Erfahrungen am Beispiel VDE 8. In: Der Eisenbahningenieur. Nr. 3, März 2015, ISSN 0013-2810, S. 36–39 (eurailpress.de [PDF]).
- Siehe Der Messzug fährt – Die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm in voller Länge auf YouTube, abgerufen am 26. Dezember 2021.. Ulm Hauptbahnhof wird nicht mit ETCS ausgerüstet. Auf das Ausfahrsignal in Ulm Hauptbahnhof folgt im Albabstiegstunnel ein Vorsignal bei km 87,4 (Zeitindex 6:30 im Video), Ks-Mehrabschnittssignal als ETCS-Einstiegssignal (mit ETCS-Halttafel) bei km 86,1 (Zeitindex 10:25), Ks-Hauptsignal als letztes Hauptsignal (damit Zufahrtsicherungssignal) bei km 84,9 (Zeitindex 13:55)
- Michael Kümmling: Mehr Leistungsfähigkeit mit Digitaler LST – aber wie? (PDF) In: tu-dresden.de. DB Projekt Stuttgart–Ulm, 17. Dezember 2020, S. 40–46, abgerufen am 17. Dezember 2020.
- Martin Retzmann: Digitaler Knoten Stuttgart (DKS): Besondere Ansätze bei der ETCS-Ausrüstung. (PDF) In: tu-dresden.de. DB Projekt Stuttgart-Ulm, 6. Mai 2021, S. 30–32, abgerufen am 7. Mai 2021.
- Marc Behrens, Mirko Caspar, Andreas Distler, Nikolaus Fries, Sascha Hardel, Jan Kreßner, Ka-Yan Lau, Rolf Pensold: Schnelle Leit- und Sicherungstechnik für mehr Fahrwegkapazität. In: Der Eisenbahningenieur. Band 72, Nr. 6, Juni 2021, ISSN 0013-2810, S. 50–55 (PDF).
- Manual of Signalling Principles Standards. In: rssb.co.uk. Rail Safety and Standards Board, 4. April 1996, abgerufen am 16. Januar 2021 (englisch, hinter Anmeldeschranke frei zugänglich).