Dunkelschaltung
Dunkelschaltung wird im Bahnbetrieb in Deutschland zur Signalisierung von Zugfolgeabschnitten verwendet, um Widersprüche zwischen ortsfester und Führerraumsignalisierung zu vermeiden.[1] Da ein (über Linienzugbeeinflussung oder ETCS Level 2) anzeigegeführter Zug in der Regel keine Licht-Hauptsignale benötigt, können diese Signale für derartige Züge dunkelgeschaltet werden.
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Eine solcher Signalisierungswiderspruch kann insbesondere entstehen, wenn
- ein Zugfolgeabschnitt (Fahrstraße, Ganzblock) bis zum nächsten Licht-Hauptsignal noch belegt oder aus anderen Gründen für signalgeführte Züge noch nicht befahrbar, jedoch bereits ein Teilblock bzw. eine Teilfahrstraße für anzeigegeführte Züge befahren werden darf. Damit dürfte ein anzeigegeführter Zug an einem (mit rotem Licht) „Halt“ gebietenden Lichtsignal vorbeifahren, da die Führerraumanzeige Vorrang vor dem Signal genießt.
- ein Geschwindigkeitsanzeiger an einem Hauptsignal für den gesamten folgenden Abschnitt (bis zum nächsten Hauptsignal bzw. Geschwindigkeitsanzeiger) gilt, ein anzeigegeführter Zug jedoch am Signal noch schneller vorbeifahren darf (z. B. aufgrund erst weit hinter dem Signal liegender Weichen oder eines kurzen Durchrutschwegs)
- die an einem Ausfahrsignal zugelassene Geschwindigkeit per se bis zum Ende des anschließenden Weichenbereichs eingehalten werden muss, während ein anzeigegeführter Zug bereits beschleunigen darf, wenn die Lage der weiteren Weichenlagen dies zulassen.
Dunkelgeschaltet werden neben Hauptsignalen auch zugehörige Vorsignale, Vorsignalwiederholer und Zusatzanzeiger (z. B. Geschwindigkeitsanzeiger). Die Dunkelschaltung wird signalspezifisch[2] im Stellwerk projektiert und im späteren Betrieb durch die LZB-Zentrale bzw. das Radio Block Centre (für ETCS-Level-2-Betrieb) über eine Schnittstelle beim Stellwerk angestoßen.
Während im LZB-Betrieb die Dunkelschaltung zumeist nur wenn zur Vermeidung von Signalisierungswidersprüchen erforderlich und erst bei Annäherung des Zuges erfolgt, werden im ETCS-Betrieb in der Regel alle Signale unmittelbar dunkelgeschaltet.
Ein dunkelgeschaltetes Signal zeigt, ähnlich wie erloschene, betrieblich abgeschaltete und ungültige Signale, kein positives Signalbild. Während der Triebfahrzeugführer in solch einem Fall mit einem signalgeführten Zug den restriktivsten Signalbegriff annehmen muss, genießt bei einem anzeigegeführten Zug die Führerraumanzeige Vorrang.[1]
Die Dunkelschaltung kann durch einen Dunkelschaltanstoß ausgelöst werden, der etwa eine Sekunde in Anspruch nimmt.[2] Der mit der Dunkelschaltung einher gehenden zusätzlichen Systemlaufzeit führt zu einer verminderten Leistungsfähigkeit der Infrastruktur.[3]
Geschichte
Das entsprechende Betriebsverfahren LZB-Führung mit Vorrang der Führerraumsignale vor den Signalen am Fahrweg und dem Fahrplan[4] wurde zur Inbetriebnahme des Abschnitts Fulda–Würzburg der Schnellfahrstrecke Hannover–Würzburg im Mai 1988 eingeführt.[5] Anzeigegeführte Züge brauchten damit Lichtsignale in der Regel nicht mehr zu beachten.
Weitere Verbreitung fand Dunkelschaltung mit der Vollinbetriebnahme der Neubaustrecken Hannover–Würzburg und Mannheim–Stuttgart 1991. Da die auf diesen Strecken verkehrenden Züge in der Regel mit LZB ausgerüstet sind, wurden in der Regel nur noch Zugmeldestellen (Betriebsstellen mit Weichen: Bahnhöfe, Überleit- und Abzweigstellen) mit Lichtsignalen ausgerüstet, dazwischen wurde Blockkennzeichen an Stelle von Blocksignalen aufgebaut.
Zur Leistungssteigerung im Zuge mit CIR-ELKE-Programm wurden ab der 2. Hälfte der 1990er Jahre die Rheintalbahn mit LZB ausgerüstet. An vielen Abschnitte zwischen bestehenden Licht-Hauptsignalen wurde Dunkelschaltung projektiert, um u. a. in den Ein- und Ausfahrbereichen der Bahnhöfe durch Blockkennzeichen eine dichtere Zugfolge mit LZB zu ermöglichen.
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Mit der erstmaligen breiteren Nutzung von ETCS Level 2, zur Inbetriebnahme der Neubaustrecke Erfurt–Leipzig/Halle im Jahr 2015, wurde mit den Zufahrtsicherungssignalen eine neue Form dunkelschaltbarer Hauptsignale eingeführt. Diese Signale können nur „Halt“ zeigen oder dunkelgeschaltet werden und verhindern so die Einfahrt von nicht in ETCS geführten Zügen in Bereiche, in denen ETCS als einziges Zugbeeinflussungssystem verwendet wird.
Weblinks
- Dunkelschaltung eines Ks-Hauptsignals mit Vorsignalfunktion in Fahrtstellung (Ks 1) Video einer Dunkelschaltung auf der S-Bahn-Stammstrecke München
- Karte dunkelschaltbarer Signale mit Overpass Turbo API anhand von OpenStreetMap-Daten (unvollständig)
Einzelnachweise
- Ulrich Maschek: Sicherung des Schienenverkehrs. 4. Auflage. Springer Vieweg, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-658-22877-4, S. 105, 203, 213.
- Untersuchung zur Einführung von ETCS im Kernnetz der S-Bahn Stuttgart. (PDF) Abschlussbericht. WSP Infrastructure Engineering, NEXTRAIL, quattron management consulting, VIA Consulting & Development GmbH, Railistics, 30. Januar 2019, S. 255, 285, 386, abgerufen am 22. April 2019.
- Marc Behrens, Mirko Caspar, Andreas Distler, Nikolaus Fries, Sascha Hardel, Jan Kreßner, Ka-Yan Lau, Rolf Pensold: Schnelle Leit- und Sicherungstechnik für mehr Fahrwegkapazität. In: Der Eisenbahningenieur. Band 72, Nr. 6, Juni 2021, ISSN 0013-2810, S. 50–55 (PDF).
- Bernhard Buszinsky: Steuerung des Zugverkehrs auf Schnellfahrstrecken. In: Die Bundesbahn. Band 67, Nr. 6, 1991, ISSN 0007-5876, S. 689–694.
- Karl-Heinz Suwe: „Führerraumsignalisierung mit der LZB“. In: Eisenbahntechnische Rundschau. 38, Heft 7/8, 1989, S. 445–451.