Ziegenproblem
Das Ziegenproblem, Drei-Türen-Problem, Monty-Hall-Problem oder Monty-Hall-Dilemma ist eine Aufgabe zur Wahrscheinlichkeitstheorie. Es geht dabei um die Frage, ob eine Wahl, die zunächst zufällig unter drei a priori gleich wahrscheinlichen Möglichkeiten getroffen wurde, geändert werden sollte, wenn zusätzliche Informationen gegeben werden.
Die Aufgabe ähnelt der von Monty Hall moderierten Spielshow Let’s Make a Deal, die im deutschen Sprachraum in der Variante Geh aufs Ganze! bekannt wurde. Zwei oben genannte Bezeichnungen beziehen sich auf die Problemformulierung, bei der den Entscheider Ziegen als Trostpreise hinter zwei von drei Türen erwarten, wenn er nicht jene Tür gewählt hat, die für den Hauptpreis steht, ein Auto.
Verschiedene Auffassungen des Ziegenproblems werden oft als Beispiel dafür herangezogen, dass der menschliche Verstand zu Trugschlüssen neigt, wenn es um das Bestimmen von Wahrscheinlichkeiten geht, und wurden Gegenstand lang anhaltender öffentlicher Diskussionen.
Die gestellte Aufgabe geht auf den Biostatistiker Steve Selvin zurück, der sie 1975 im American Statistician in einem Leserbrief vorstellte. Weiteren Kreisen bekannt und zum Gegenstand einer kontroversen Debatte wurde das Problem 1990 durch Publikation in Marilyn vos Savants Kolumne „Ask Marilyn“ im Magazin Parade. Diese Version beruhte auf einem Leserbrief, den vos Savant von Craig F. Whitaker aus Columbia, Maryland, erhalten hatte:[1]
„Nehmen Sie an, Sie wären in einer Spielshow und hätten die Wahl zwischen drei Toren. Hinter einem der Tore ist ein Auto, hinter den anderen sind Ziegen. Sie wählen ein Tor, sagen wir, Tor Nummer 1, und der Showmaster, der weiß, was hinter den Toren ist, öffnet ein anderes Tor, sagen wir, Nummer 3, hinter dem eine Ziege steht. Er fragt Sie nun: ‚Möchten Sie das Tor Nummer 2?‘ Ist es von Vorteil, die Wahl des Tores zu ändern?“[2]
Die Frage in dieser Form ist unterbestimmt; die richtige Antwort hängt davon ab, welche Zusatzannahmen getroffen werden. Vos Savant gab die Antwort: „Ja, Sie sollten wechseln. Das zuerst gewählte Tor hat die Gewinnchance von 1⁄3, aber das zweite Tor hat eine Gewinnchance von 2⁄3.“ Vos Savants Antwort ist richtig, allerdings nur unter der Zusatzannahme, dass der Showmaster unabhängig davon, ob hinter dem vom Kandidaten zunächst gewählten Tor das Auto oder eine Ziege steht, in jedem Fall ein nicht gewähltes Tor mit einer Ziege öffnen und den Wechsel anbieten muss. Auch unter dieser Zusatzannahme ist es für viele Menschen kontraintuitiv, dass sich die Gewinnchance tatsächlich auf 2⁄3 statt lediglich auf 1⁄2 erhöht. In der Folge erhielt vos Savant nach ihrer eigenen Schätzung rund zehntausend Briefe, die ganz überwiegend die Richtigkeit ihrer Antwort bezweifelten.[3]
Die erfahrungsbezogene Antwort
Wenn man die Frage Personen stellt, die sich noch nicht mit dem Problem beschäftigt hatten, vermuten diese häufig, dass die Gewinnchancen für die Tore 1 und 2 gleich hoch seien. Als Grund dafür wird oft angegeben, dass man ja nichts über die Motivation des Showmasters wisse, das Tor 3 mit einer Ziege dahinter zu öffnen und einen Wechsel anzubieten. Es greife daher das Indifferenzprinzip.
Die Intuition beim Verständnis des Leserbriefs geht davon aus, dass es sich bei der Problemstellung um die Beschreibung einer einmaligen Spielsituation handelt. Außerdem zeugt die Antwort von einer gewissen Vertrautheit mit Spielshows wie Geh aufs Ganze, in denen der Showmaster (Moderator) eine aktive und unberechenbare Rolle spielt. Im Gegensatz zu den Problemvarianten, in denen der Moderator auf einen an fixe Verhaltensregeln gebundenen „Handlanger“ reduziert wird, darf realistischerweise angenommen werden, dass er völlig frei in seinen Entscheidungen ist (Monty Hall: „Ich bin der Hausherr!“). Diese Freiheit kann anhand einiger Beispiele illustriert werden, wobei vor jedem Spiel Auto und Ziegen hinter den drei Toren zufällig neu verteilt wurden. Weil die Kandidaten diese Spielshow, für die sie sich als Teilnehmer beworben haben, kennen, ist ihnen die Unberechenbarkeit des Moderators natürlich bewusst.[3]
- Spiel 1
- Kandidat Alfred wählt Tor 1, der Moderator öffnet das Tor 1 mit einer Ziege dahinter; Alfred verliert.
- Spiel 2
- Kandidatin Berta wählt Tor 1, der Moderator öffnet Tor 2 mit einer Ziege dahinter und bietet Berta an, ihre Wahl zu ändern. Berta möchte wechseln, aber der Moderator öffnet kein Tor, sondern bietet 5000 Euro dafür, dass Berta bei ihrer ersten Wahl bleibt. Diese ändert ihre Wechsel-Entscheidung nicht, und der Moderator öffnet Tor 3 mit einer Ziege dahinter; Berta verliert.
- Spiel 3
- Kandidatin Conny wählt Tor 1, der Moderator öffnet kein Tor, sondern bietet der Kandidatin 1000 Euro dafür, dass sie auf das Öffnen des Tors verzichtet; Conny nimmt das Geld und gewinnt 1000 Euro.
- Spiel 4
- Kandidatin Doris wählt Tor 1, der Moderator öffnet daraufhin Tor 3 mit einer Ziege dahinter und bietet Doris an, ihre Wahl zu überdenken …
Angesichts der verschiedenen Verhaltensmöglichkeiten des Moderators sollte Doris ihre Gewinnchancen sorgfältig abwägen. Wenn sie glaubt, dass der Moderator nett zu ihr sei und sie von ihrer ersten falschen Wahl abbringen möchte, dann sollte sie wechseln. Wenn sie allerdings meint, dass ihr der Moderator nicht gut gesinnt sei und sie nur von ihrer ersten, richtigen Wahl ablenken möchte, dann sollte sie bei Tor 1 bleiben. Wenn Doris den Moderator nicht einschätzen kann – auch im Leserbrief werden keine entsprechenden Hinweise gegeben –, hat sie keine Möglichkeit, ihre Gewinnchance korrekt zu berechnen. Insbesondere kann sie sich nach dem Eingreifen des Moderators nicht mehr auf das Indifferenzprinzip berufen, und die Antwort auf die Frage „Ist es von Vorteil, die Wahl des Tores zu ändern?“ lautet in ihrem Fall also: „Nicht unbedingt.“
Obwohl die Frage des Leserbriefs damit bereits beantwortet ist, wurde der Vorschlag gemacht, Doris bei ihrer Entscheidung zu unterstützen und ihr eine echte 50:50-Chance auf den Gewinn zu verschaffen. Dazu wird angenommen, dass sie die Möglichkeit hat, sich nach dem Wurf einer fairen Münze für eines der beiden verbleibenden Tore zu entscheiden. Auf diese Weise kann sie sicherstellen, dass ihre Gewinnwahrscheinlichkeit unabhängig von den Absichten des Moderators genau 1⁄2 beträgt.[4]
Antwort von Marilyn vos Savant
Durch die Antwort von Marilyn vos Savant auf den Leserbrief erzielte das Problem international auch außerhalb der Fachwelt hohe Aufmerksamkeit und führte zu heftigen Kontroversen. Ihre Antwort lautete:
„Ja, Sie sollten wechseln. Das zuerst gewählte Tor hat die Gewinnchance von 1⁄3, aber das zweite Tor hat eine Gewinnchance von 2⁄3. Hier ist ein guter Weg, sich das Geschehen vorzustellen. Nehmen Sie an, es gäbe 1 Million Tore und Sie wählen Tor Nummer 1. Dann öffnet der Moderator, der weiß, was hinter den Toren ist, und der das eine Tor mit dem Preis immer vermeidet, alle Tore bis auf Tor Nummer 777777. Sie würden doch sofort zu diesem Tor wechseln, oder nicht?“[5]
Marilyn vos Savant berücksichtigt dabei nicht eine bestimmte Motivation des Moderators; es ist laut Leserbrief nicht ausgeschlossen, dass der Moderator nur deswegen ein Ziegentor öffnet, um den Kandidaten von seiner ersten, erfolgreichen Wahl abzulenken. Stattdessen fasst vos Savant den Leserbrief offensichtlich so auf, dass die Spielshow immer wieder nach demselben Muster abläuft:
- Verlauf der Spielshow: Der jeweilige Kandidat wählt ein Tor, der Moderator öffnet daraufhin immer ein anderes Tor mit einer Ziege dahinter und lässt danach dem Kandidaten noch einmal die Wahl zwischen den beiden noch geschlossenen Toren. Der Kandidat erhält das Auto, wenn es sich hinter dem von ihm zuletzt gewählten Tor befindet.
Somit erhält sie als Lösung die durchschnittliche Gewinnwahrscheinlichkeit aller möglichen Kombinationen von Toren, die von den jeweiligen Kandidaten gewählt werden und vom Moderator daraufhin geöffnet werden können. Weil die erste Wahl eines Kandidaten als beliebig und die Verteilung von Auto und Ziegen hinter den Toren als zufällig angesehen wird, darf jede der neun Möglichkeiten als gleich wahrscheinlich betrachtet werden:
Tor 1 gewählt Tor 2 Tor 3 Moderator öffnet … Ergebnis beim Wechseln Ergebnis beim Behalten Auto Ziege Ziege Tor 2 oder Tor 3 Ziege Auto Ziege Auto Ziege Tor 3 Auto Ziege Ziege Ziege Auto Tor 2 Auto Ziege Tor 1 Tor 2 gewählt Tor 3 Auto Ziege Ziege Tor 3 Auto Ziege Ziege Auto Ziege Tor 1 oder Tor 3 Ziege Auto Ziege Ziege Auto Tor 1 Auto Ziege Tor 1 Tor 2 Tor 3 gewählt Auto Ziege Ziege Tor 2 Auto Ziege Ziege Auto Ziege Tor 1 Auto Ziege Ziege Ziege Auto Tor 1 oder Tor 2 Ziege Auto
Drei von neun Kandidaten gewinnen, wenn sie bei ihrer ersten Wahl bleiben, während sechs von neun Kandidaten durch Wechseln das Auto bekommen. Ein Kandidat hat durch Wechseln also eine durchschnittliche Gewinnchance von p = 2⁄3. Diese Chance entspricht also der, zwei Türen gewählt zu haben und leitet sich aus der folgenden Formel ab: p = 1 - p(Gewähltes Tor)
Diese Lösung kann auch grafisch veranschaulicht werden[6][7]. In den Bildern der folgenden Tabelle ist das gewählte Tor willkürlich als das linke Tor dargestellt:
Hinter dem zunächst gewählten Tor steht das Auto Hinter dem zunächst gewählten Tor steht eine Ziege Wahrscheinlichkeit 1⁄3 Wahrscheinlichkeit 2⁄3 Der Moderator öffnet eines der Tore mit einer Ziege (egal welches!) Der Moderator kann nur das andere Tor mit Ziege öffnen Wechseln führt zum Gewinn einer Ziege Wechseln führt zum Gewinn des Autos Wechseln ist mit einer Wahrscheinlichkeit von nur 1⁄3 nachteilig, doch in 2⁄3 vorteilhaft
Strategische Lösung
Im Ergebnis lässt sich die Auffassung des Spielablaufs von vos Savant auch auf folgende Weise reproduzieren:
- Der jeweilige Kandidat darf zwei frei gewählte Tore bestimmen, die der Moderator öffnen muss, und erhält das Auto, falls es sich hinter einem dieser beiden Tore befindet.
Vorgehensweise unter Berücksichtigung der von vos Savant vorgeschlagenen Wechselstrategie:
- Wenn sich ein Kandidat beispielsweise Tor 2 und Tor 3 öffnen lassen möchte, würde er zunächst Tor 1 auswählen, das verschlossen bleibt. Der Kandidat wechselt dann zu Tor 2, wenn der Moderator Tor 3 geöffnet hat, oder umgekehrt. Der Kandidat hat damit offensichtlich eine durchschnittliche Gewinnchance von p = 2⁄3. Demnach wäre es für einen Kandidaten immer von Vorteil, das Tor zu wechseln.
Kontroversen
Es sind vor allem die folgenden Hauptargumente, die zu Zweifeln an vos Savants Antwort führen. Während das erste Argument nicht stichhaltig ist und auf falsch angewandter Wahrscheinlichkeitstheorie basiert, verdeutlichen die weiteren Argumente, dass das Originalproblem eine Vielzahl von Interpretationen zulässt:
- Unter der Voraussetzung, dass der Showmaster den im nächsten Abschnitt ausgeführten Spielregeln folge, sei ein Wechsel des Tores nicht schlecht. Die Gewinnchance für das zweite Tor sei aber niemals 2⁄3, sondern generell nur 1⁄2, weil nach dem Öffnen eines Tores mit einer Ziege dahinter nur noch zwei geschlossene Tore zur Auswahl stünden. Die Chancen seien deshalb auf beide Tore immer gleichverteilt.
- Die Fragestellung im Leserbrief enthält keinerlei Hinweise darauf, dass der Showmaster einer bestimmten Verhaltensregel folgt. Solch eine Regel ließe sich nur unter der Annahme ableiten, dass das Spiel mehrmals unter den gleichen Bedingungen wiederholt würde: Sie wählen ein beliebiges Tor, der Showmaster öffnet ein anderes Tor, hinter dem eine Ziege steht, und Sie dürfen die Wahl Ihres Tores ändern. Von solch einer Wiederholung des Spiels ist aber im Leserbrief keine Rede. Also basiert vos Savants Antwort auf zusätzlichen Annahmen, die sich in dieser Form nicht zwingend aus dem Leserbrief ergeben.[8]
- Marilyn vos Savants Interpretation bezieht sich nicht auf die in der Fragestellung konkret benannten Tore, und damit lässt sie möglicherweise vorhandene Präferenzen des Moderators bzgl. einzelner Tore außer Acht. Deshalb erhält sie als Gewinnwahrscheinlichkeit 2⁄3 durch Wechseln, die nicht bei jedem Moderatorverhalten gültig ist. Dementsprechend bildet auch die obige Tabelle, welche nur Durchschnittswahrscheinlichkeiten veranschaulicht, solche Präferenzen nicht korrekt ab.
Das erste Argument wird durch den ausgeglichenen Moderator widerlegt, das zweite wird anhand der erfahrungsbezogenen Antwort und das dritte anhand des faulen Moderators ausgeführt.
Das Monty-Hall-Standard-Problem
Weil die im Leserbrief von Whitaker formulierte Aufgabe einigen Wissenschaftlern nicht eindeutig lösbar erschien, wurde von ihnen eine Neuformulierung des Ziegenproblems vorgeschlagen. Diese als Monty-Hall-Standard-Problem bezeichnete Umformulierung, die zur gleichen Lösung wie der von Marilyn vos Savant führen soll, stellt bestimmte Zusatzinformationen bereit, welche die erfahrungsbezogene Antwort ungültig machen, und berücksichtigt im Unterschied zur Interpretation von vos Savant auch die konkrete Spielsituation:[8]
„Angenommen, Sie befinden sich in einer Spielshow und haben die Wahl zwischen drei Toren. Hinter einem Tor ist ein Auto, hinter den anderen befindet sich jeweils eine Ziege. Das Auto und die Ziegen sind vor der Show zufällig auf die Tore verteilt worden, und Sie haben keine Information über die Position des Autos. Die Regeln lauten: Nachdem Sie ein Tor gewählt haben, bleibt dieses zunächst geschlossen. Der Showmaster Monty Hall, der weiß, was sich hinter den Toren befindet, muss nun eines der beiden verbleibenden Tore öffnen. Hinter dem von ihm geöffneten Tor muss sich eine Ziege befinden. Nachdem Monty Hall ein Tor mit einer Ziege geöffnet hat, fragt er Sie, ob Sie bei Ihrer ersten Wahl bleiben oder zum letzten verbliebenen Tor wechseln möchten. Nehmen Sie an, Sie wählen Tor 1, und der Showmaster öffnet Tor 3 mit einer Ziege. Er fragt Sie dann: ‚Möchten Sie zu Tor 2 wechseln?‘. Ist es vorteilhaft, Ihre Wahl zu ändern?“
Insbesondere hat der Moderator die Möglichkeit, frei darüber zu entscheiden, welches Tor er öffnet, wenn er die Auswahl zwischen zwei Ziegentoren hat (Sie haben also zuerst das Auto-Tor gewählt). Aufgeteilt in Einzelschritte, ergeben sich damit die folgenden Spielregeln, die dem Kandidaten, der ein Auto gewinnen kann, bekannt sind:[9]
- Ein Auto und zwei Ziegen werden zufällig auf drei Tore verteilt.
- Zu Beginn des Spiels sind alle Tore verschlossen, sodass Auto und Ziegen nicht sichtbar sind.
- Der Kandidat, dem die Position des Autos völlig unbekannt ist, wählt ein Tor aus, das aber vorerst verschlossen bleibt.
- Fall A: Hat der Kandidat das Tor mit dem Auto gewählt, öffnet der Moderator eines der beiden anderen Tore, hinter dem sich immer eine Ziege befindet. Der Moderator hat dabei die freie Wahl. Bei den nachfolgenden Lösungen werden allerdings Zusatzannahmen über die Art des Auswahlprozesses, die der Moderator verwendet, gemacht.
- Fall B: Hat der Kandidat ein Tor mit einer Ziege gewählt, dann muss der Moderator dasjenige der beiden anderen Tore öffnen, hinter dem die zweite Ziege steht.
- Der Moderator bietet dem Kandidaten an, seine Entscheidung zu überdenken und das andere ungeöffnete Tor zu wählen.
- Das vom Kandidaten letztlich gewählte Tor wird geöffnet, und er erhält das Auto, falls es sich hinter diesem Tor befindet.
Bedeutung der Zusatzannahme zum Verhalten des Moderators:
- Für den Fall A, bei dem der Moderator zwischen zwei Toren mit Ziege wählen kann, sind zusätzliche Annahmen darüber möglich, wie der Moderator seine Entscheidung fällt: Beispielsweise kann sich der Moderator gleich wahrscheinlich zwischen den beiden Toren entscheiden. Oder er entscheidet sich für das Tor mit der höchsten Nummer.
Mit einer solchen Zusatzannahme entsteht jeweils ein anderes Problem, das zu unterschiedlichen Gewinnchancen bei der Torauswahl des Kandidaten führen kann. Dazu wird immer vorausgesetzt, dass der Kandidat die dem Moderator unterstellte Entscheidungsprozedur kennt.
Der ausgeglichene Moderator
Für diese Lösung wird die folgende Zusatzannahme gemacht:
- Fall A: Hat der Kandidat das Tor mit dem Auto gewählt, öffnet der Moderator zufällig ausgewählt mit der gleichen Wahrscheinlichkeit eines der beiden anderen Tore, hinter dem sich immer eine Ziege befindet.
Wie soll sich der Kandidat im vorletzten Schritt entscheiden, wenn er zunächst Tor 1 gewählt und der Moderator daraufhin Tor 3 mit einer Ziege dahinter geöffnet hat?[10]
Einfache Erklärung
Das Auto ist mit der Wahrscheinlichkeit 1⁄3 hinter dem vom Kandidaten zunächst gewählten Tor 1. Wegen der Symmetrie im Regelwerk, insbesondere wegen der Spielregeln 4 und 5, wird diese Wahrscheinlichkeit durch das Öffnen eines anderen Tors mit einer Ziege dahinter nicht beeinflusst.[11] Deshalb ist nach dem Öffnen des Tors 3 das Auto mit 2⁄3-Wahrscheinlichkeit hinter Tor 2, und ein Wechsel führt mit der Wahrscheinlichkeit 2⁄3 zum Erfolg.
Tabellarische Lösung
Für die Erklärung wird angenommen, dass der Kandidat zu Anfang Tor 1 gewählt hat und sich anschließend umentscheidet. Für die Situationen, in denen der Kandidat die Tore 2 oder 3 gewählt hat und der Moderator dementsprechend andere Tore öffnet, gilt eine analoge Erklärung. Es müssen sechs Fälle betrachtet werden, um die Gleichwahrscheinlichkeit des Öffnens der Tore 2 und 3 durch den Moderator gemäß Regel 4 modellieren zu können. Das entspricht einem Zufallsexperiment, bei dem die beiden Ziegen voneinander unterschieden werden können und jede Verteilung von Auto und Ziegen hinter den drei Toren gleich wahrscheinlich ist (Laplace-Experiment).
Kandidat wählt Tor 1 und wechselt, sobald der Moderator ein anderes Tor öffnet Moderator möchte Tor 2 öffnen Moderator möchte Tor 3 öffnen 1 Auto hinter Tor 1
Der Moderator öffnet Tor 2 mit einer Ziege (Regel 4).
Bei einem Wechsel verliert der Kandidat.4 Auto hinter Tor 1
Der Moderator öffnet Tor 3 mit einer Ziege (Regel 4).
Bei einem Wechsel verliert der Kandidat.2 Auto hinter Tor 2
Der Moderator öffnet Tor 3 mit einer Ziege (Regel 5).
Bei einem Wechsel gewinnt der Kandidat.5 Auto hinter Tor 2
Identisch mit Fall 2, da der Moderator Tor 2 nicht
öffnen kann.3 Auto hinter Tor 3
Der Moderator öffnet Tor 2 mit einer Ziege (Regel 5).
Bei einem Wechsel gewinnt der Kandidat.6 Auto hinter Tor 3
Identisch mit Fall 3, da der Moderator Tor 3 nicht
öffnen kann.
Zur Auswertung der Tabelle müssen nun die Fälle betrachtet werden, in denen der Moderator das Tor 3 öffnet (das ist die Bedingung). Das sind die Fälle 2, 4 und 5. Man sieht, dass in zwei dieser drei Fälle der Kandidat durch Wechseln gewinnt. Unter den Voraussetzungen, dass der Kandidat zunächst Tor 1 gewählt hat und der Moderator Tor 3 mit einer Ziege dahinter öffnet, befindet sich das Auto also in zwei Drittel der Fälle hinter Tor 2. Der Kandidat sollte also seine Wahl zugunsten von Tor 2 ändern. Genauso kann aus der Tabelle abgelesen werden, dass dann, wenn der Moderator anstelle von Tor 3 das Tor 2 öffnet, der Kandidat durch Wechseln auf Tor 3 ebenfalls in zwei von drei Fällen das Auto gewinnt.
Formelle mathematische Lösung
Es sind die Ereignisse definiert:
- : Der Gewinn ist hinter Tor ()
- : Der Moderator hat das Tor geöffnet ()
Es liegt folgende Situation vor: Der Kandidat hat Tor 1 gewählt, und der Moderator hat daraufhin das Tor 3 geöffnet. Lohnt es sich für den Kandidaten zu wechseln? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Auto hinter Tor 2 ist? Gesucht ist also die bedingte Wahrscheinlichkeit , dass das Auto hinter Tor 2 ist, wenn bekannt ist, dass es nicht hinter Tor 3 ist. Man kann diese Wahrscheinlichkeit mit dem Satz von Bayes ermitteln.
Auf Grund der Aufgabenstellung (Regeln 1, 4 und 5 und der Wahl des Kandidaten) gelten folgende Voraussetzungen:
Die Anwendung des Satzes von Bayes ergibt dann:
Der Kandidat sollte also wechseln, um seine Gewinnchancen von anfangs 1⁄3 auf nun 2⁄3 zu verdoppeln.
Der faule Moderator
Für diese Lösung wird die folgende Zusatzannahme gemacht:
- Fall A: Der Moderator, der nicht gerne große Wege zurücklegt, öffnet am liebsten Tor 3, weil er dort in der Nähe seinen Standort als Showmaster hat. Wenn also hinter dem vom Kandidaten gewählten Tor 1 das Auto stünde, dann würde er mit Sicherheit Tor 3 öffnen, auf keinen Fall aber Tor 2.[11]
Tabellarische Lösung
Für die folgende Erklärung wird angenommen, dass der Kandidat zu Anfang Tor 1 gewählt hat. Für die Situationen, in denen der Kandidat die Tore 2 bzw. 3 gewählt hat und der Moderator dementsprechend andere Tore öffnet, gilt eine analoge Erklärung. Obwohl es hier ausreichen würde, die drei ersten Spielsituationen zu betrachten, werden sechs Fälle unterschieden, um die Problemstellung vergleichbar mit der obigen tabellarischen Lösung beim ausgeglichenen Moderator modellieren zu können. Jede Spielsituation wird also zweimal betrachtet. Das entspricht einem Zufallsexperiment, bei dem die beiden Ziegen voneinander unterschieden werden können und jede Verteilung von Auto und Ziegen hinter den drei Toren gleich wahrscheinlich ist (Laplace-Experiment).
Kandidat wählt Tor 1 und wechselt, sobald der Moderator ein anderes Tor öffnet Moderator möchte Tor 3 öffnen Moderator möchte Tor 3 öffnen 1 Auto hinter Tor 1
Der Moderator öffnet Tor 3 mit einer Ziege.
Bei einem Wechsel verliert der Kandidat.4 Auto hinter Tor 1
Identisch mit Fall 1. Der Moderator hätte ja die Möglichkeit,
Tor 2 zu öffnen, vermeidet dies jedoch.2 Auto hinter Tor 2
Der Moderator öffnet Tor 3 mit einer Ziege.
Bei einem Wechsel gewinnt der Kandidat5 Auto hinter Tor 2
Identisch mit Fall 2. Der Moderator muss Tor 3 öffnen3 Auto hinter Tor 3
Der Moderator muss Tor 2 mit einer Ziege öffnen.
Bei einem Wechsel gewinnt der Kandidat.6 Auto hinter Tor 3
Identisch mit Fall 3. Der Moderator muss Tor 2 öffnen
Zur Auswertung der Tabelle müssen nun die Fälle betrachtet werden, in denen der Moderator das Tor 3 öffnet (das ist die Bedingung). Das sind die Fälle 1, 2, 4 und 5. Man sieht, dass nur in zwei von vier dieser Fälle der Kandidat durch Wechseln gewinnt. Seine Gewinnwahrscheinlichkeit ist demnach hier nur p = 1⁄2. Es kann ebenso leicht aus der Tabelle abgelesen werden, dass, wenn der Moderator Tor 2 öffnet, der Kandidat sicher gewinnt, wenn er zu Tor 3 wechselt.
Formelle mathematische Lösung
Es liegt die folgende Situation vor: Der Kandidat hat Tor 1 gewählt, und der Moderator hat daraufhin das Tor 3 geöffnet. Es gelten dann folgende mathematische Beziehungen unter Berücksichtigung der oben definierten Ereignismengen:
Die Anwendung des Satzes von Bayes ergibt dann für die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass sich das Auto hinter Tor 2 befindet:
Für die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass sich das Auto tatsächlich hinter Tor 1 befindet, gilt aber ebenfalls
Der Gewinn hinter Tor 2 ist genauso wahrscheinlich wie der Gewinn hinter Tor 1. Der Kandidat kann demnach in diesem Fall also ebenso gut bei Tor 1 bleiben wie zu Tor 2 wechseln. Hat der Moderator Tor 3 geöffnet, ist seine Gewinnchance also unabhängig von der Entscheidung 1⁄2.
Der unausgeglichene Moderator
Bei dieser Lösung wird von der folgenden Zusatzannahme ausgegangen:
- Fall A: Wenn der Moderator die Möglichkeit hat, aus zwei Toren mit jeweils einer Ziege dahinter ein Tor auszusuchen (der Kandidat hat also das Tor mit dem Auto dahinter ausgewählt), dann öffnet er das Tor mit der höchstmöglichen Nummer mit der Wahrscheinlichkeit und das Tor mit der niedrigeren Nummer mit der Wahrscheinlichkeit .
Dann gelten folgende mathematische Beziehungen unter Berücksichtigung der oben definierten Ereignismengen:
Die Anwendung des Satzes von Bayes ergibt dann für die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass sich das Auto hinter Tor 2 befindet:
Diese Berechnung beschreibt den allgemeinen Fall, aus dem sich der „ausgeglichene Moderator“ () und der „faule Moderator“ () als Spezialfälle ableiten lassen.[12]
Die allgemeine Lösung
Aus der Betrachtung des unausgeglichenen Moderators lässt sich ableiten, dass unabhängig von seiner jeweiligen Vorliebe für ein bestimmtes Ziegentor die Gewinnwahrscheinlichkeit durch Wechseln nach dem Öffnen eines Ziegentores immer mindestens 1⁄2, im Durchschnitt sogar 2⁄3 beträgt. Solange der Moderator gemäß den Spielregeln gezwungen ist, immer ein nichtgewähltes Ziegentor zu öffnen und daraufhin einen Wechsel anzubieten, sollte ein Kandidat also in jedem Fall seine Wahl des Tors ändern.
Klärungsversuch der New York Times im Jahr 1991
In einem Artikel auf der ersten Seite der Sonntagsausgabe der New York Times[3] im Jahr 1991 wurde über den Versuch der Klärung der damals schon seit 10 Monaten währenden Debatte zur Lösung des „Monty-Hall-Problems“ berichtet. Zu diesem Klärungsversuch waren die folgenden vier Personen um ihren Beitrag gebeten worden: Martin Gardner, Persi Diaconis, Monty Hall und Marilyn vos Savant. Nachdem Monty Hall die Aufgabenstellung genau gelesen hatte, spielte er mit einem Versuchskandidaten das Spiel so, dass dieser bei einem Wechsel stets verlor, indem er den Wechsel immer nur dann anbot, wenn der Kandidat im ersten Schritt das Gewinn-Tor gewählt hatte.
Gardner bestätigte diese Variante mit den Worten: „Das Problem ist nicht gut formuliert, wenn nicht klar gemacht wird, dass der Moderator immer eine Ziegentür öffnet und einen Wechsel anbietet.“ Sonst könnte der Moderator den Wechsel auch nur dann anbieten, wenn es zu seinem Vorteil wäre, den Kandidaten wechseln zu lassen, wodurch die Chancen bei einem Wechsel auf Null sinken würden. Diese Unklarheit könne beseitigt werden, indem der Moderator vorher verspreche, eine andere Tür zu öffnen und danach einen Wechsel anzubieten.
Vos Savant bestätigte diese Unklarheit in ihrer ursprünglichen Problemstellung und dass dieser Einwand, wenn er von ihren Kritikern gebracht worden wäre, gezeigt hätte, dass sie das Problem wirklich verstanden haben; aber sie hätten nie ihre erste falsche Auffassung aufgegeben. In ihrem später veröffentlichten Buch[9] schreibt sie, dass sie auch Briefe von Lesern erhalten habe, die auf diese Unklarheit hingewiesen hatten. Diese Briefe seien aber nicht veröffentlicht worden.
Diaconis sagte zur Aufgabenstellung: „Das strikte Argument lautet, dass die Frage nicht beantwortet werden kann, ohne die Motivation des Moderators zu kennen.“ Das stand ganz im Gegensatz zu den Veröffentlichungen, die ihre Lösung gerade auf exakte Mathematik im Gegensatz zur „Intuition“ gründeten.
Monty Hall selbst gab folgenden Rat: „Wenn der Moderator immer eine Tür öffnen und einen Wechsel anbieten muss, dann sollten Sie wechseln. Aber wenn er die Wahl hat, einen Wechsel anzubieten oder nicht, heißt es aufgepasst: Keine Gewähr! Alles hängt von seiner Laune ab.“
Paul Erdős und das Ziegenproblem
Andrew Vázsonyi[13] schildert, wie der berühmte Mathematiker Paul Erdős im Jahr 1995 auf das Ziegenproblem und die Behauptung der 2⁄3-Lösung reagiert hat. Nachdem Vázsonyi zunächst von einem Freund von dem Problem, direkt angelehnt an vos Savants Originalversion, gehört hatte, löste er es mit einem Entscheidungsbaum und konnte die 2⁄3-Lösung, die sich ergab, kaum glauben. Als er dann Problem und Lösung Erdős vorlegte, sagte „einer der größten Experten in Wahrscheinlichkeitstheorie“: Nein, das ist unmöglich. Da besteht kein Unterschied. Die Reaktion auf die Lösung mit dem Entscheidungsbaum beschreibt Vázsonyi so: Zu meiner Verblüffung überzeugte ihn das nicht. Er wollte eine einfache Lösung ohne Entscheidungsbäume. Ich gab an diesem Punkt auf, weil ich keine Erklärung auf der Basis des gesunden Menschenverstands habe. Es sei „hoffnungslos“ für jemanden, der sich in Entscheidungsbäumen und mit dem Satz von Bayes nicht auskenne, die Lösung zu verstehen. Als Vázsonyi von Erdős nach einer Stunde noch einmal gebeten wurde, ihm den Grund für den Wechsel zu nennen, führte er ihm schließlich eine Computersimulation vor. Laut Vázsonyi wandte Erdős ein, dass er den Grund immer noch nicht verstehe, er sei aber widerwillig überzeugt gewesen.
Einige Tage später teilte Erdős laut Vázsonyi mit, er habe die Lösung jetzt verstanden, nachdem ihm der Mathematiker Ronald Graham die Begründung für die Antwort gegeben habe. Vázsonyi schreibt jedoch, dass er selbst diese Begründung nicht verstand.
In seinem Buch über Paul Erdős gibt Paul Hoffmann Grahams Begründung wieder:[14] „Der Schlüssel zum Monty-Hall-Problem ist, dass man im Voraus weiß, dass der Moderator einem immer die Möglichkeit gibt, eine andere Tür zu wählen. Das gehört zu den Spielregeln und muss in die Betrachtungen einbezogen werden.“
Am Ende seines Artikels schreibt Vázsonyi im Abschnitt „Marilyn weiß es am besten“, dass er später durch einen Artikel zum Thema im Skeptical Inquirer aus dem Jahr 1991[15] einen tieferen Einblick in das Problem bekommen habe. In diesem Artikel, durch den auch Gero von Randow auf das Problem gestoßen war,[16] wird exakt die Originalaufgabe vos Savants aus dem Magazin Parade gestellt.
Das ältere Monty-Hall-Problem
Im Februar 1975 veröffentlichte die akademische Zeitschrift The American Statistician einen Brief von Steve Selvin, damals Assistenzprofessor für Biostatistik an der Universität von Kalifornien in Berkeley, an den Editor. In diesem Brief, überschrieben mit „A Problem in Probability“, schlug er eine Textaufgabe als Übung in Wahrscheinlichkeitsrechnung vor.[17] Die von ihm gegebene Lösung ähnelt der Tabelle, wie sie im Abschnitt zu vos Savants Antwort dargestellt ist. Im August desselben Jahres erschien ein weiterer Brief vom selben Autor mit dem Titel „On the Monty Hall Problem“, in dem er sich auf seinen ersten Brief bezog und auf Einwände seitens der Leser bezüglich seines Lösungsvorschlags reagierte. Zu diesem Zeitpunkt tauchte also zum ersten Mal der Begriff „Monty Hall Problem“ im medialen Raum auf.[18]
In seinem zweiten Brief präsentierte Selvin weitere Argumente zugunsten seiner Lösung, einschließlich einer formalen mathematischen Berechnung mithilfe bedingter Wahrscheinlichkeiten. Er fügte hinzu, dass seine Berechnungen auf bestimmten, nicht expliziten, Annahmen bzgl. des Verhaltens des Moderators Monty Hall beruhten. Außerdem zitierte er einen Leser, der darauf hinwies, dass die kritischen Annahmen bzgl. des Moderatorverhaltens notwendig seien, um das Problem überhaupt lösen zu können, und dass die Anfangsverteilung nur ein Teil des Problems darstellte, während es sich hier doch um ein subjektives Entscheidungsproblem handelte.
Es liegt nahe, dieses frühe Monty-Hall-Problem als einen Vorläufer der heute als Ziegenproblem bekannten Fragestellung anzusehen, einschließlich des Disputs über die damals schon umstrittenen zusätzlichen Annahmen bzgl. der Verhaltensregeln des Moderators.
Übersicht über die Fachliteratur zu „dem“ Ziegenproblem
Hinweise zur Literatur
In den Publikationen zum Ziegenproblem (Monty-Hall-Problem) werden, manchmal sogar innerhalb einer Publikation, unterschiedliche Fragestellungen und Modelle untersucht.[19][20]
Autoren wie Gill[20] und Krauss & Wang[10] sowie Krauss & Atmaca[21] legen ihrer Lösung vos Savants Originaltext zugrunde und machen ihre Zusatzannahmen erst im Laufe ihrer Analyse explizit. Dabei wird die Korrektheit von vos Savants Lösung, die die heftigen Kontroversen ausgelöst hatte, ausdrücklich herausgestellt.
Im Anhang von vos Savants Buch[9] schreibt Donald Granberg, es sei Konsens, dass vos Savants Antwort im Wesentlichen korrekt sei, vorausgesetzt, man mache sieben „hoch plausible“ Annahmen. Darunter befindet sich die Annahme, dass der Moderator verpflichtet ist, nach der ersten Wahl eine nichtgewählte Ziegentür zu öffnen, sowie die Annahme, dass der Moderator ehrlich ist.
Krauss & Wang[10] fügen der Aufgabe vos Savants, die sie als „Standardversion“ bezeichnen, mehrere Annahmen hinzu, damit sich die Lösung vos Savants präzise herleiten lässt. Auch in Krauss & Atmaca[21] wird mit dem Originalproblem vos Savants begonnen, wobei der Moderator, bevor er die Ziegentür öffnet, entsprechend der Formulierung Gero von Randows[16] noch sagt Ich zeige Ihnen mal was. Nach Steinbach[4] sind diese Worte des Moderators aus der Sicht des Kandidaten „unsinnig“, wenn er auf Grund der Spielregeln sowieso erwartet, eine Ziege gezeigt zu bekommen. Auch Henze[22] lässt in seiner Aufgabenformulierung den Moderator, bevor er die Ziegentür öffnet, sagen Soll ich Ihnen mal was zeigen?, und schreibt, nachdem er die Lösung vos Savants als korrekt dargestellt hat: Bei allen diesen Betrachtungen ist natürlich entscheidend, dass der Moderator die Autotür geheimhalten muss, aber auch verpflichtet ist, eine Ziegentür zu öffnen. In einer Vorlesung im Sommersemester 2014[23] schreibt er diesen Zusatz zu Beginn in die Aufgabenstellung und stellt ausführlich heraus, dass vos Savant recht hatte.
Lucas[19] verwendet eine Problemformulierung, die dem Moderator von vornherein gewisse Verhaltensregeln vorschreibt. Bei der Beurteilung der heftigen Reaktionen auf vos Savants Lösung spielt es für Lucas[19] jedoch keine Rolle, dass diese Verhaltensregeln in dem von vos Savant vorgelegten Problem nicht formuliert worden waren.
Morgan et al.[12] sowie Gill[20] wiederum thematisieren nicht, dass in vos Savants Originalfragestellung die Regel fehlte, dass der Moderator verpflichtet ist, nach der ersten Wahl eine nicht gewählte Ziegentür zu öffnen und einen Wechsel anzubieten. Den einzigen Fehler in vos Savants Lösung sehen Morgan et al. darin, dass sie nicht explizit angenommen hat, dass der Moderator dann, wenn der Kandidat die Autotür gewählt hat, beide möglichen Ziegentüren mit gleicher Wahrscheinlichkeit öffnet. Erst nach ihren Ausführungen zu Aufgabe und Lösung erwähnen Morgan et al. und Gill andere Möglichkeiten des Spielablaufs. Morgan et al. gehen nun sogar davon aus, dass der Moderator, ohne den Spieler zu informieren, auch die Autotür öffnen darf, was bei einem „plausiblen Szenario“ zur „populären Antwort 1⁄2“ für den Fall führe, dass er eine nicht gewählte Ziegentür öffnet. Sie schreiben sogar, dass es die Perspektive des Moderators verlangt, das „vos-Savant-Szenario“ nicht zu befolgen, um Spieler davon abzuhalten, immer zu wechseln. Dem Moderator zu erlauben, sofort auch die vom Kandidaten gewählte Tür zu öffnen, nennen sie eine „Verallgemeinerung“, die an den Betrachtungen der bedingten Wahrscheinlichkeiten nichts ändere.
Götz (2006)[24] sieht „das berühmte ‚Ziegenproblem‘“ als „hinreichend diskutiert“ an. In seiner Beschreibung der Problemstellung heißt es: Jetzt kommt der entscheidende Punkt. Der Spielleiter fragt die Kandidatin, ob sie bei ihrer ursprünglichen Wahl der Türe bleiben möchte oder auf die andere, noch geschlossene Türe wechseln möchte. Zur Lösung schreibt er, dass die Strategie „Wechseln“ mit Wahrscheinlichkeit 2⁄3 zum Auto führt. Nach verschiedenen Lösungsansätzen erwähnt er, dass „R. Grothmann (2005)“ darauf hingewiesen habe, dass es klar sein muss, ob der Spielleiter eine nicht gewählte Tür öffnen muss oder auch die gewählte öffnen kann.
„Das aus den Medien bekannte umstrittene Ziegenproblem“ wird von Steinbach[4] „vollständig analysiert und gelöst“. Dabei geht er von Gero von Randows[16] Problemformulierung aus. Steinbach vermutet, dass die unterschiedlichen Antworten auf die Originalfrage darauf zurückzuführen sind, dass die Befürworter der 2⁄3-Lösung die Perspektive des „Denksportlers“, die Befürworter der Lösung 1⁄2 die des Kandidaten einnehmen: Allein aus den Worten des Moderators und dem Anblick der Ziege kann der Kandidat nämlich nicht erkennen, ob irgendeine Spielregel gilt – und schon gar nicht, welche. […] Es bleibt nur der Münzwurf: so erwischt der Kandidat – unabhängig vom Verhalten des Moderators! – mit Wahrscheinlichkeit 1⁄2 die richtige Tür.
Gigerenzer und Grams stellen heraus, dass ein Großteil der Debatte zum Ziegenproblem darauf zurückgeht, dass von den Autoren nicht ausreichend zwischen „Entscheidung bei Risiko“ und „Entscheidung bei Ungewissheit“ unterschieden wird: „Unter den Tausenden von Artikeln, die über das Monty-Hall-Problem veröffentlicht wurden, blieb der Unterschied zwischen Risiko und Ungewissheit praktisch unbeachtet“ (Gigerenzer).
Die Fragestellung ist qualitativ, nicht quantitativ
In Bezug auf die verschiedenen Lösungen, wie sie auch oben wiedergegeben wurden, resümiert Götz „WECHSELN IST NIE SCHLECHTER ALS BLEIBEN!“ (Versalien gemäß Referenz).[24] Auf diesen Sachverhalt hatten bereits 1991 Morgan et al., die „Entdecker“ der auf Zusatzannahmen über das Moderatorverhalten basierenden Lösungen, aufmerksam gemacht.[12] Trotz dieser qualitativen Übereinstimmung und der Tatsache, dass die Problemstellung „Ist es von Vorteil, die Wahl des Tores zu ändern?“ nach einer Aktion und nicht nach einer Wahrscheinlichkeit fragt,[20] sind die Annahmen, die zu unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitswerten führen, immer wieder Gegenstand heftiger Diskussionen. So enthält allein die Bibliografie des 2009 erschienenen Buchs The Monty Hall Problem von Rosenhouse über hundert Veröffentlichungen.[25]
Frequentistische Sicht
Georgii[26] kommt zunächst unter der Annahme, dass der Moderator nach der ersten Wahl des Kandidaten zum Öffnen einer nicht gewählten Ziegentür verpflichtet ist, unmittelbar zur Gewinnwahrscheinlichkeit 2⁄3 bei einem Türwechsel. Die „Trivialität“ dieser Lösung, die genau der Antwort vos Savants entspricht, liegt nach Georgii daran, dass wir den Moderator auf eine feste Verhaltensweise festgelegt haben, dass er also das Spiel immer so durchführt wie beschrieben. Den „tieferen Grund“ für diese Festlegung sieht er darin, dass wir implizit von einer frequentistischen Interpretation der bedingten Wahrscheinlichkeiten ausgegangen sind, welche die Wiederholbarkeit des Vorgangs und also feste Regeln voraussetzt. Entsprechend der Bemerkung von Morgan et al.[12] die Perspektive des Moderators verlange es, das „vos-Savant-Szenario“ nicht zu befolgen, schreibt auch Georgii: Nun wird der Moderator das Spiel aber nicht regelmäßig durchführen. Unter diesem Gesichtspunkt sei die „subjektive Interpretation“ angemessener. Als Beispiel nennt er dann die Variante mit Gewinnwahrscheinlichkeit 1⁄2, bei der der Moderator vor dem Wechselangebot mit gleicher Wahrscheinlichkeit eine der beiden Ziegentüren öffnet, unabhängig davon, welche Tür der Spieler gewählt hat. (Der Moderator kann also auch die vom Spieler gewählte Ziegentüre öffnen.) Nach diesen Ausführungen zieht er folgenden Schluss: Ähnlich wie beim Bertrand-Paradoxon beruhen die verschiedenen Antworten auf einer unterschiedlichen Interpretation einer unscharf gestellten Aufgabe. […] Die philosophische Unsicherheit über die Bedeutung bedingter Wahrscheinlichkeiten kommt dabei erschwerend hinzu.
Einfluss des Moderatorverhaltens bei Wahl der Autotür
Die Bemerkung Georgiis,[26] dass es darauf ankomme, „wie der Spieler das Verhalten des Moderators einschätzt“, lässt sich auch anwenden auf die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Moderator eine bestimmte Ziegentür öffnet, wenn der Kandidat die Autotür gewählt hat. Die meisten Lehrbuchautoren verzichten allerdings auf die Berücksichtigung einer solchen subjektiven Einschätzung des Moderatorverhaltens. Konkret gehen sie davon aus, dass der Moderator ausgeglichen agiere, das heißt, dass er die Auswahl des Tors gemäß einer Gleichverteilung vornimmt. Dadurch wird dieser Ansatz zur häufigsten in der Fachliteratur vertretenen Erklärung dafür, dass ein Torwechsel mit der Wahrscheinlichkeit von 2⁄3 zum Gewinn führt.[7][22][27][28][29] Diese Gewinnwahrscheinlichkeit von 2⁄3 bei einem Torwechsel bezieht sich explizit auf den Zeitpunkt nach dem Öffnen eines Tores durch den Moderator.
Untersuchungen, bei denen der Kandidat den Moderator auch dahingehend einschätzt, seine Torauswahl nicht gleichwahrscheinlich vorzunehmen, wurden erstmals 1991 von Morgan et al.[12] und unabhängig davon 1992 von Gillmann[30] veröffentlicht. Dabei haben Morgan et al.[12] vos Savants Aufgabe so abgeändert, dass sich die Fragestellung genau auf die genannten Türnummern bezog, die bei vos Savant nur als erläuternde Beispiele vorkamen. Die Variante vos Savants mit einer Million Türen bezeichneten Morgan et al.[12] als „dubiose Analogie“. Die Anwendung des Verfahrens von Morgan et al.[12] auf diese Variante liefert ohne Zusatzannahmen dasselbe Ergebnis wie bei nur drei Türen, nämlich einen Wert zwischen 1⁄2 und 1 – gegenüber 99,9999 % bei vos Savant.
In ihrer Erwiderung[31] auf Morgan et al. weist vos Savant auf die verkürzte Wiedergabe sowohl ihrer Fragestellung als auch ihrer Antwort hin, deren vollständige Version sie in ihrem Antwortbrief wiedergibt. Morgan et al.[31] wiederum antworten darauf, dass in dieser Darstellung der Hinweis fehle, dass die Fragestellung von einem „Leser in Columbia, Maryland“ stamme. Das sei deshalb wichtig, weil die Einschränkung, „dass der Moderator eine Ziege zeigen muss“, von vos Savant selbst hinzugefügt worden sei. Vos Savant selbst hat darauf hingewiesen, dass sie den Eindruck hatte, dass diese „bedeutendste“ einschränkende Bedingung in der ursprünglichen Leserfrage nicht genügend hervorgehoben worden war und dass sie sie deshalb in ihrer Antwort hinzugefügt habe.[9]
Bei den anderen in ihrer ursprünglichen Fragestellung nicht formulierten Voraussetzungen bleibt sie bei ihrer Auffassung, dass sie ihr für ein allgemeines Verständnis des Problems nicht wichtig erscheinen, da Ereignisse standardmäßig als „zufällig“ betrachtet werden.[31] Diese Auffassung teilt auch Steinbach,[4] der diese Annahmen, bevor er sie unter der Überschrift „Haarspaltereien“ mathematisch untersucht, als „stillschweigend, aber unstrittig und irrelevant“ bezeichnet.
Bayessche Sicht
Nach Georgii reduzieren sich die unterschiedlichen Standpunkte zu der „unscharf gestellten Aufgabe“ auf die Frage, ob es Bestandteil einer festen Spielregel ist, dass der Moderator eine nicht gewählte Ziegentür öffnen und einen Wechsel anbieten muss.[26]
Während bei Georgii die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Moderator eine bestimmte Ziegentür öffnet, wenn der Kandidat die Autotür gewählt hat, nicht thematisiert wird und für seine Lösung keine Rolle spielt, verweist Götz dazu auf zwei „unterschiedliche Wahrscheinlichkeitsbegriffe, die den jeweiligen Betrachtungsweisen zugrunde liegen.“ Die „klassische Lösung“ ohne die Betrachtung dieses Moderatorverhaltens sei „frequentistisch“ zu deuten und empirisch zu überprüfen. Demgegenüber liefere eine „Bayesianische Lösung […] die Bewertungsgrundlage einer Einzelsituation. Wie soll sich die Kandidatin hic et nunc verhalten, nachdem der Spielleiter eine Tür geöffnet hat? […] Man fragt also nach Zustandswahrscheinlichkeiten oder Erkenntniswahrscheinlichkeiten (und nicht nach Wahrscheinlichkeiten zukünftiger Zufallsereignisse).“[24] Mit anderen Worten: Die Kandidatin macht nach der Toröffnung durch den Moderator die Bewertung seiner beiden Handlungsoptionen davon abhängig, welches grundsätzliche Verhalten sie dem Moderator unterstellt. Dabei wird der Extremfall eines faulen Moderators durch die Antwort auf die folgende Frage charakterisiert: „Hätte der Moderator, nachdem er meine Entscheidung für ein Tor gesehen hat, das von ihm gerade geöffnete Tor auch unter allen anderen Umständen ausgewählt, sofern es ihm nur möglich – kein Auto dahinter – gewesen wäre?“
Wenn die Kandidatin nichts über die Vorlieben des Moderators weiß, „bringt Wechseln“ laut Götz „eine Erfolgschance von 2⁄3“. Gute Schätzwerte für den unbekannten Parameter p erhalte man durch Beobachten des Verhaltens des Spielleiters in der passenden Situation, wenn das Auto hinter Tür 1 steht und die Kandidatin ebendiese Tür (zunächst) erwählt hat.
Bayessche Untersuchungen wurden erstmals von Morgan et al.[12] durchgeführt, und zwar auf Basis ihrer Ergebnisse, bei denen der Moderator das zu öffnende Tor zufällig gemäß dafür angenommener A-priori-Wahrscheinlichkeiten auswählt.
Nummerierung der Tore
Die im letzten Abschnitt vorgenommene Charakterisierung des Verhaltens eines faulen Moderators zeigt, dass eine diesbezügliche Lösung nicht an eine Nummerierung der Tore gebunden ist (üblicherweise „Kandidat wählt Tor 1. Moderator öffnet Tor 3, wenn immer es möglich ist“).[20]
Empirische Überprüfung einer auf das Moderatorverhalten bezogenen Lösung
Soll beispielsweise die für die Variante eines faulen Moderators gefundene 50:50-Lösung empirisch geprüft werden, so ist dabei zu berücksichtigen, dass sich die auf dieser Basis hergeleitete Aussage auf ein bedingtes Ereignis bezieht. Bei einer Versuchsreihe von 300 Spielshows, die gemäß der Zusatzannahme fauler Moderator durchgeführt werden, durchlaufen damit ungefähr 100 Shows nicht das Ereignis, das Gegenstand der Untersuchung ist. Konkrete Ursache dafür ist, dass bei einem hinter Tor 3 verborgenen Auto der Moderator gezwungen ist, Tor 2 zu öffnen. Solche Spielverläufe liegen aber außerhalb des Untersuchungsbereichs, so dass die nach einem Torwechsel stets erzielten Gewinne bei der Versuchsreihenauswertung unberücksichtigt bleiben müssen.[12]
Entscheidungssituationen mit unterschiedlichen Gewinnchancen
Die „global“ für alle denkbaren Entscheidungssituationen festgelegte Torwechsel-Strategie bringt insgesamt einen 2:1-Vorteil. Allerdings können durch einen asymmetrischen Spielverlauf Entscheidungssituationen entstehen, bei denen ein Torwechsel gegenüber dem Durchschnitt aussichtsreicher beziehungsweise weniger aussichtsreich ist. Solche Effekte sind im Hinblick auf eine asymmetrische Wahrscheinlichkeitsverteilung bei der Auslosung des Gewinntors offensichtlich,[32] aber sie können, wie die Ergebnisse für den faulen Moderator zeigen, auch durch ein asymmetrisches Moderatorverhalten verursacht werden. Beim Moderatorverhalten sind allerdings die möglichen Abweichungen für die Gewinnwahrscheinlichkeit beim Torwechsel vom A-priori-Wert 2⁄3 nach unten begrenzt, da der Wert 1⁄2 nicht unterschritten werden kann, denn „Wechseln ist nie schlechter als Bleiben“ – siehe oben.
Die beiden einen 2:1-Vorteil prognostizierenden Lösungen
Auch wenn die „klassische“ vos-Savant-Lösung übereinstimmend mit der Lösung für den ausgeglichenen Moderator für einen Torwechsel einen 2:1-Vorteil vorhersagt, sind ihre Betrachtungswinkel und Argumente doch sehr unterschiedlich: Einmal wird eine A-priori-Wahrscheinlichkeit für die Situation unmittelbar vor der Entscheidung des Moderators für ein zu öffnendes Tor angegeben. Das andere Mal bezieht sich die Wahrscheinlichkeit auf den Zeitpunkt, wenn der Moderator „sein“ Tor bereits geöffnet hat, wobei allerdings die Zusatzannahme gemacht wird, dass der Moderator seine Auswahl gleichwahrscheinlich getroffen hat. Der Umstand, dass beide Ansätze die gleiche Gewinnwahrscheinlichkeit liefern, folgt aus einer Symmetriebetrachtung, die den A-posteriori-Wert aus dem A-priori-Wert herleitet.[20]
Spieltheoretischer Ansatz
Mit unterschiedlichen Annahmen über die Wahrscheinlichkeit, mit der der Moderator eine bestimmte Ziegentür öffnet, wenn der Kandidat die Autotür gewählt hat, lassen sich für den jeweiligen Einzelfall auch unterschiedliche Gewinnwahrscheinlichkeiten errechnen. Dieser Aspekt wurde von einigen Autoren als Ausgangspunkt spieltheoretischer Untersuchungen des Ziegenproblems genommen. Dabei wird die Zusatzannahme über diese Wahrscheinlichkeit als gemischte Strategie im Sinne eines Zwei-Personen-Spiels aufgefasst,[20][33] das sogar Nullsummencharakter besitzt. Einbezogen in den sequentiellen Spielablauf wird auch das Verstecken des Autos, das als erster Zug des Moderators gewertet wird. Mit einem einfachen Argument, das für beide Spieler naheliegende, in Bezug auf die Tore symmetrische Strategien verwendet, konnte Gill zeigen, dass der Minimax-Wert 2⁄3 beträgt.[20]
Die Menge der Minimax-Strategien für beide Spieler wurde von Gnedin bestimmt.[34] Dabei besitzt der Kandidat nur eine einzige Minimax-Strategie, bei der er sein zuerst gewähltes Tor gemäß einer Gleichverteilung auslost und anschließend immer das Tor wechselt. Die Aussage ist insofern bemerkenswert, da sie ohne A-priori-Annahme über das Verhalten des Moderators auskommt und trotzdem Aussagen für jede einzelne im Spiel auftauchende Entscheidungssituation macht. Ein noch stärkeres Argument für den Kandidaten, nie das anfangs gewählte Tor beizubehalten, ergibt sich aus Gnedins Dominanz-Analysen für Strategien.
Weitere mathematisch untersuchte Varianten
Neben den oben dargestellten Interpretationen „des“ Ziegenproblems gibt es noch weitere Varianten, die in der Fachliteratur untersucht wurden. Generell ist dazu anzumerken, dass bei den Autoren – wie schon im Hinblick auf die oben dargestellten Interpretationen – kein Konsens darüber besteht, welches mathematische Modell „dem“ Ziegenproblem und seiner Fragestellung entspricht. Teilweise dienen die Modelle auch nur dem Zweck eines erläuternden Vergleichs:
Moderator kann auch das Tor mit dem Auto öffnen
Lucus, Rosenhouse, Madison und Schepler[19] sowie Morgan et al.[12] analysieren unter anderem auch die Variante, bei der der Moderator sein Tor zufällig unter den beiden verbliebenen Toren wählt und dabei gegebenenfalls auch das Tor mit dem Auto öffnet. Eine kurze Berechnung bestätigt die auch intuitiv naheliegende Vermutung, dass für diese Variante in dem Fall, dass ein Tor mit Ziege geöffnet wird, die Gewinnwahrscheinlichkeit beim Wechseln 1⁄2 beträgt.
Moderator kann auch das zuerst gewählte Tor öffnen
Georgii lässt in einer der zwei von ihm untersuchten Varianten auch zu, dass der Moderator das zuerst vom Spieler gewählte Tor mit einer Ziege öffnet. Wenn der Moderator dabei zufällig mit gleicher Wahrscheinlichkeit zwischen den beiden Ziegentoren auswählt, beträgt die Gewinnwahrscheinlichkeit bei einem Wechsel entsprechend der „Antwort der Kritiker“ auch dann 1⁄2, wenn er ein nicht gewähltes Ziegentor öffnet.[26]
Das Ziegenproblem in den Medien
Das US-amerikanische Filmdrama 21 (2008) thematisiert das Ziegenproblem als Aufreißer für eine von zwei mathematischen Strategien, mit denen im Verlauf des Films große Geldsummen beim Black-Jack-Spielen erbeutet werden.
Jamie Hyneman und Adam Savage untersuchen in Episode 177 Mythen ohne Ende ihrer Dokumentarserie Mythbusters das Ziegenproblem. Dabei wurden die beiden Behauptungen, dass (1) Personen dazu neigen, bei ihrer ersten Wahl zu bleiben und (2) dass das Ändern der ursprünglichen Entscheidung die Gewinnchance signifikant erhöht, bestätigt.[35]
Einfluss von Wikipedia
Im Rahmen ihrer Mitarbeit bei Wikipedia fanden W. Nijdam und Martin Hogbin 2010 einen Fehler in der damals knapp 20 Jahre alten Arbeit von Morgan et al.[20][12][36] Demnach ist, wenn eine nicht-informative A-priori-Verteilung für das Moderatorverhalten zugrunde gelegt wird, die Gewinnwahrscheinlichkeit beim Torwechsel 2⁄3 und nicht , wie Morgan et al. berechnet hatten. Die Bestätigung dieses Sachverhalts nutzten Morgan et al., um erstmals die originale Fragestellung aus Craig F. Whitakers Leserbrief an Marilyn vos Savant zu veröffentlichen.
Literatur
Bücher
- Gero von Randow: Das Ziegenproblem – Denken in Wahrscheinlichkeiten. Rowohlt, Reinbek 1992, ISBN 3-499-19337-X, Neuauflage: Rowohlt, Reinbek 2004, ISBN 3-499-61905-9.
- Jason Rosenhouse: The Monty Hall Problem. Oxford University Press 2009, ISBN 978-0-19-536789-8.
Buchkapitel
- Jörg Bewersdoff: Glück, Logik und Bluff: Mathematik im Spiel – Methoden, Ergebnisse und Grenzen. Springer Spektrum, 7. Auflage 2018, ISBN 978-3-658-21764-8, doi:10.1007/978-3-658-21765-5, S. 34–38, 334–345.
- Hans-Otto Georgii: Stochastik, Einführung in Wahrscheinlichkeitstheorie und Stochastik. de Gruyter 2004, 5. Auflage 2015, ISBN 978-3-11-035970-1, doi:10.1515/9783110359701, S. 61–64 (Auszug (Google))
- Gerd Gigerenzer: Das Einmaleins der Skepsis – Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken. Berlin-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-8270-0079-3.
- Gerd Gigerenzer: Risiko. Wie man die richtigen Entscheidungen trifft. C. Bertelsmann, München 2013, ISBN 978-3-570-10103-2.
- Timm Grams: Klüger irren – Denkfallen vermeiden mit System. Springer, Berlin / Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-50279-2, doi:10.1007/978-3-662-50280-8, S. 186–197.
- Charles M. Grinstead, J. Laurie Snell: Grinstead and Snell’s Introduction to Probability. 4. Juli 2006, S. 136–139 (englisch, math.dartmouth.edu [PDF; abgerufen am 2. April 2008] Online version of Introduction to Probability, 2nd edition, American Mathematical Society, Copyright (C) 2003 Charles M. Grinstead and J. Laurie Snell).
- Norbert Henze: Stochastik für Einsteiger. 12. Auflage, Springer Spektrum 2018, ISBN 978-3-658-22044-0, doi:10.1007/978-3-658-22044-0, S. 48, 100–106. (Auszug (Google) der 8. Aufl.)
- Henk Tijms: Understanding Probability, Chance Rules in Everyday Life. University Press, 2nd edition, Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-70172-3, doi:10.1017/CBO9780511619052. S. 15 f., 206–220.
Artikel
- Christoph Drösser: Der maliziöse Moderator. Die Zeit, 22. Juli 2010
- Christoph Drösser: Und ewig meckert die Ziege. Die Zeit, 19. August 2011
- Sasha Gnedin: The Mondee Gills Game. In: The Mathematical Intelligencer, 2011, doi:10.1007/s00283-011-9253-0 (OpenAccess).
- Jochen Paulus: Das Rätsel der drei Türen. Die Zeit, 18. November 2004
- Marc C. Steinbach: Autos, Ziegen und Streithähne. Mathematische Semesterberichte (2000) 47/1, doi:10.1007/s005910070014, S. 107–117, Preprint.
Weblinks
- Matheprisma der Uni Wuppertal: Ziegenproblem: Online Simulation, bedingte und totale Wahrscheinlichkeit, Bayes-Formel
- Gerhard Keller: Ein Auto und zwei Ziegen Kritische Analyse der Rezeptionsgeschichte des Ziegenproblems
- DorFuchs: Ziegenproblem (Mathesong auf YouTube)
Einzelnachweise
- Jason Rosenhouse: The Monty Hall Problem. Oxford University Press 2009, ISBN 978-0-19-536789-8, S. IX, 20–26.
- Craig F. Whitaker: Ask Marilyn. In: Parade Magazine. 9. September 1990, S. 16.
- John Tierney: Behind Monty Hall’s Doors: Puzzle, Debate and Answer? In: The New York Times. 21. Juli 1991.
- Marc C. Steinbach: Von Autos, Ziegen und Streithähnen. (PDF; 228 KB) Kapitel 4.2
- Game-Show-Problem (Memento vom 10. März 2010 im Internet Archive) – gesammelte Leserbriefe und Antworten innerhalb des Webauftritts von Marilyn vos Savant
- Jörg Bewersdorff: Glück, Logik und Bluff: Mathematik im Spiel – Methoden, Ergebnisse und Grenzen. Springer Spektrum, 6. Auflage 2012, ISBN 978-3-8348-1923-9, doi:10.1007/978-3-8348-2319-9, S. 34–38.
- Ehrhard Behrends: Fünf Minuten Mathematik, Vieweg, 1. Auflage 2006, ISBN 978-3-8348-0082-4, doi:10.1007/978-3-8348-9013-9, S. 32–39
- Peter R. Mueser, Donald Granberg: The Monty Hall Dilemma Revisited: Understanding the Interaction of Problem Definition and Decision Making. (Memento vom 22. Juli 2012 im Internet Archive) In: University of Missouri Working Paper. 1999-06.
- Marilyn vos Savant: Brainpower – Die Kraft des logischen Denkens. Rowohlt Verlag GmbH, 2001, ISBN 3-499-61165-1
- Stefan Krauss, X. T. Wang: The Psychology of the Monty Hall Problem: Discovering Psychological Mechanisms for Solving a Tenacious Brain Teaser. (Memento vom 30. Mai 2009 im Internet Archive) In: Journal of Experimental Psychology: General. 132 (1)2003.
- Jeffrey S. Rosenthal: Monty Hall, Monty Fall, Monty Crawl. (PDF; 70 kB) In: Math Horizons. September 2008, S. 5–7.
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- Paul Hoffman: The Man Who Loved Only Numbers: The Story of Paul Erdős and the Search for Mathematical Truth. Hyperion, 1998.
- Skeptical Inquirer, Vol. 15, Summer 1991, S. 342–345; gpposner.com
- Gero von Randow: Das Ziegenproblem – Denken in Wahrscheinlichkeiten. Rowohlt, Reinbek 1992, ISBN 3-499-19337-X, Neuauflage: Rowohlt, Reinbek 2004, ISBN 3-499-61905-9.
- Steve Selvin: 1. Leserbrief. The American Statistician (Februar 1975) (JSTOR)
- Steve Selvin: 2. Leserbrief. Excerpted from The American Statistician (August 1975)
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- S. Krauss, S. Atmaca: Wie man Schülern Einsicht in schwierige stochastische Probleme vermitteln kann. Eine Fallstudie über das „Drei-Türen-Problem“. In: Unterrichtswissenschaft, 2004, 1, S. 38–57
- Norbert Henze: Stochastik für Einsteiger: Eine Einführung in die faszinierende Welt des Zufalls. Vieweg+Teubner Verlag, 2010, ISBN 978-3-8348-0815-8, doi:10.1007/978-3-8348-9351-2, S. 51–52, 98, 104–106
- Norbert Henze: Einführung in die Stochastik für Studierende des gymnasialen Lehramts Mathematik. Vorlesung, Lektion 5, 2. Mai 2014 (SS2014);
- Stefan Götz: Ziegen, Auto und Bayes – eine never-ending story. In: Stochastik in der Schule, Band 26, Heft 1, 2006, S. 10–15, math.uni-paderborn.de (PDF)
- Jason Rosenhouse: The Monty Hall Problem. Oxford University Press, 2009, ISBN 978-0-19-536789-8
- Hans-Otto Georgii: Stochastik, 4. Auflage, de Gruyter, 2009, ISBN 978-3-11-021526-7, doi:10.1515/9783110215274, S. 56–58, Auszug Google Books
- Jörg Rothe, Dorothea Baumeister, Claudia Lindner, Irene Rothe: Einführung in Computational Social Choice: Individuelle Strategien und kollektive Entscheidungen beim Spielen, Wählen und Teilen. Spektrum Akademischer Verlag, 2012, ISBN 978-3-8274-2570-6, doi:10.1007/978-3-8274-2571-3, S. 65–69
- Rick Durett: Elementary Probability for Applications. 2009, ISBN 978-0-521-86756-6, S. 84–85
- Charles M. Grinstead, J. Laurie Snell: Introduction to probability. 2nd edition. American Mathematical Society, 2003, dartmouth.edu (PDF), S. 136–139.
- Leonard Gillman: The Car and the Goats. The American Mathematical Monthly, Band 99, Heft 1, 1992, S. 3–7 (JSTOR 2324540)
- The American Statistician, November 1991, Vol. 45, No. 4, S. 347; doi:10.1080/00031305.1991.10475834.
- Jason Rosenhouse: The Monty Hall Problem. Oxford University Press, 2009, ISBN 978-0-19-536789-8, S. 78–80
- Richard D. Gill: Monty Hall problem: solution. In: International Encyclopedia of Statistical Science, S. 858–863, Springer, 2011, ISBN 978-3-642-04897-5, doi:10.1007/978-3-642-04898-2, arxiv:1002.3878v2.
- Sasha Gnedin: The Mondee Gills Game. The Mathematical Intelligencer, Band 34, Heft 1, S. 34–41, doi:10.1007/s00283-011-9253-0
- „Mythen ohne Ende“ (orig. „Wheel of Mythfortune“), Jamie Hyneman und Adam Savage, „Mythbusters“, Staffel 9, Episode 21, zuerst ausgestrahlt am 23. November 2011
- J. P. Morgan, N. R. Chaganty, R. C. Dahiya, M. J. Doviak: Let’s Make a Deal: The Player’s Dilemma. In: The American Statistician, 1991, 45 (4), S. 284–287. Comment by Hogbin and Nijdam and Response. In: The American Statistician, Band 64, Heft 2, 2010, S. 193–194, doi:10.1198/tast.2010.09227