Weltrundfunksender
Der Weltrundfunksender war der erste staatliche Kurzwellensender in Deutschland und damit ein Vorläufer des nationalsozialistischen Deutschen Kurzwellensenders sowie der bundesrepublikanischen Deutschen Welle und der Stimme der DDR. Er sendete vom 26. August 1929 bis 31. März 1933 aus Zeesen bei Königs Wusterhausen auf der Frequenz 9560 kHz (Wellenlänge 31,38 m) und erreichte fast alle Teile der Welt.
Geschichte
Technische Vorbereitungen
In den Anfängen um 1923 sendete der Rundfunk üblicherweise auf den Frequenzen der Mittel- und Langwelle. Für die innerdeutsche Überdeckung waren diese geeigneter als die Kurzwelle, denn die Kurzwelle ist in einem Umkreis von rund 1.000 km schlecht, darüber hinaus jedoch immer besser zu empfangen.[1] In den USA war deshalb das Interesse an Kurzwellenstationen größer als im viel kleinräumigeren Europa.
Im Jahre 1927 tauchten in der Telefunken-Zeitung sowie den Zeitschriften Telegraphen- und Fernsprechtechnik, Telegraphenpraxis, Deutsche Verkehrszeitung und den Blättern von Radiobastlern und Funkamateuren Meldungen auf, die für das Rundfunkwesen der Weimarer Republik zuständige Reichspost experimentiere ernsthaft mit der Idee eines Kurzwellensenders. 1928 wurde das konkret: Die Post erteilte dem führenden deutschen Rundfunkelektronikunternehmen Telefunken den Auftrag. Telefunken hatte bereits solche Sender im Ausland aufgebaut, unter anderem 1927 in Buenos Aires; dieser Sender diente primär als „Standleitung“ für den Austausch von Programmen zwischen Deutschland und Argentinien und funktionierte gut.
Telefunken experimentierte ab 1926 auf dem Funkerberg in Königs Wusterhausen mit einem einstufigen Kurzwellensender. 1927 war erstmals die Reichspost bei Versuchssendungen mit einem siebenstufigen Sender in Döberitz dabei. Im Sommer 1929 registrierte die ausländische Presse die Aktivitäten; die englische Wireless World mutmaßte „31,38 oder 25 m Wellenlänge“ – und lag damit nicht falsch.
Auf der Großen Deutschen Funkausstellung 1929 stellte Telefunken die Technik des ersten deutschen Kurzwellensenders vor: Kristallsteuerung in sieben Stufen, eine für die Leistungssteigerung optimierte Anordnung der Senderöhren. Die Messe zeigte auch erstmals in Deutschland kurzwellentaugliche Empfangsgeräte.[2]
Start 1929
Am Montag, dem 26. August 1929 ging der „Weltrundfunksender“ auf Sendung. In Übernahme von dem in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Deutschlandsender strahlte er über Kurzwelle 9560 kHz (31,38 m) und mit einer damals als üppig geltenden Leistung von 8 kW um 20.00 Uhr eine Operette aus: Die Feldprediger von Carl Millöcker, in einer Aufnahme von Bruno Seidler-Winkler. Es folgten Nachrichten und, in einer Übernahme von der Funk-Stunde Berlin, Tanzmusik mit Egon Kaiser. Um 0.30 Uhr war Sendeschluss.
So gelungen die Inbetriebnahme technisch war, so wenig Resonanz hatte sie innerhalb Deutschlands. Vor Ort waren nur Ingenieure und die Programmmacher des Deutschlandsenders. Selbst der „Vater des Rundfunks“ in Deutschland Hans Bredow nahm davon kaum Notiz. Deutsche im Exil fühlten sich dagegen plötzlich angebunden an die Heimat. So schrieb ein ehemaliger Leipziger aus der Stadt Utica nördlich von New York Weihnachten 1929: „Zum Anfang kam [die Musik] mit etwas Störung und was ich verzerrt nenne, herein. Wir hatten gerade ziemlich heftigen Schneefall.“ Und ein anderer aus Leadville, Colorado: „Die Musik war wunderbar klar und sehr laut. Zeit ¾ 11 bis ¼ 12 Uhr, Temperatur 7 °C Kälte.“ Von 1931 ist der Brief eines Hörers aus Peru erhalten, der neben einer Erhöhung der Sendeleistung eine Änderung der Frequenz anregt, „da Deutschland mit 31,38, Holland 31,4, Denver 31,48 und Shenectady auf 31,48 und noch neuerdings Pittsburgh auf 31,34 m oder weniger arbeitet.“[3]
Regulärer Sendebetrieb
Wenige Wochen nach dem Sendestart begann das Programm täglich um 14 Uhr mit einer ausführlichen Programmvorschau. Weil der Sender vor allem das Ausland bediente, insbesondere auch die USA mit ihren vielen deutschen Emigranten, bot sich dieser späte Start am Tag wegen der Zeitverschiebung an; Sendeschluss war ab November 1929 erst um 1.30 Uhr. In den internationalen Kurzwellen-Programmtafeln tauchte der Weltrundfunksender als „Königs Wusterhausen“ auf. Die Resonanz aus dem Ausland wurde innerhalb weniger Monate so erheblich, dass auch staatliche Stellen den Sender als Möglichkeit sahen, die Kurzwelle als Aushängeschild fürs Ausland zu betrachten und sie für diplomatische Zwecke zu nutzen. Neben dem regulären Sendebetrieb liefen über den Sendeturm des Weltrundfunksenders auch Originaltöne für befreundete Auslandssender. Weihnachten 1929 war die Sendequalität technisch so gut, dass 21 Stationen des amerikanischen Sendernetzwerks NBC eine deutsch-amerikanische Musiksendung übernahmen; im Gegenzug überspielten amerikanische Kurzwellensender ein Programm, das dann lokal in Deutschland über den Deutschlandsender zu empfangen war. Im August 1931 übernahmen zahlreiche Sender weltweit die Wagner-Oper Tristan und Isolde direkt aus dem Bayreuther Festspielhaus.
Internationales Programm
Am 1. Mai 1930 startete der Sender Deutsch-Sprachkurse in Form von übersetzten Volksliedern und verlesenen Tagebuchnotizen. Später im selben Jahr war die Infrastruktur reif, dass der Weltrundfunksender von Radiostationen im ganzen Reich Programm übernehmen und weltweit ausstrahlen konnte. Die Empfangsqualität international war auf dem Niveau der Kurzwellenpioniere aus Großbritannien und den Niederlanden. Ende 1931 und 1932 wurde die Technik aufgestockt: Es kamen zwei neue Rundstrahler für die Wellen 31,38 und 19,73 m und drei Richtstrahlantennen für Nordamerika hinzu, letztere vor allem zum Zweck des immer wichtigeren Programmaustauschs. Start des internationalen Programmaustauschs war der 25. Dezember 1929. 1932 entstand ein zweiter, etwas schwächerer Kurzwellensender, gebaut von der Firma C. Lorenz aus Berlin.
Inzwischen nutzte die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft den Weltrundfunksender in ihren Verhandlungen mit Sendern weltweit. Dadurch kam es zum Beispiel 1932 zur Verbreitung der renommierten Wissenschaftssendung Die Deutsche Stunde, alle zwei Wochen, über die ganze USA (via NBC). Hier sprachen deutsche Forscher in englischer Sprache, als erster der Direktor der Hochschule für Politik in Berlin Ernst Jäckh, dann der Leiter der Berliner Charité Ferdinand Sauerbruch, der Chemie-Nobelpreisträger Friedrich Bergius, die Großindustriellen Carl Friedrich von Siemens, Fritz Thyssen, Reichskanzler Heinrich Brüning und viele andere.
Am 1. April 1933 übernahmen die Nationalsozialisten die Senderstruktur, änderten den Namen in „Deutscher Kurzwellensender“ (ab 1943 Die Deutschen Überseesender) um, und das Reichspropagandaministerium unter Joseph Goebbels nutzte die Kurzwelle zur Auslandspropaganda.[4]
Literatur
- Mit 8 kW rund um die Welt. Deutscher Weltrundfunk in der Weimarer Zeit. Geschichte des Kurzwellenrundfunks in Deutschland 1929–1932. Deutsche Welle. Köln. Verlag Haude und Spener, Berlin 1969.
Weblinks
- Der „Weltrundfunksender“ Zeesen – von Gerhard Damm, DL1RWD
- Nazi-Propaganda auf Arabisch. Neue Untersuchungen zum Antisemitismus des NS-Auslandsrundfunks – von Jens Rosbach, Deutschlandradio Kultur, 8. Oktober 2010 (mit Bezugnahme auf den „Weltrundfunksender Zeesen“)
Einzelnachweise
- Zudem gab es unter Ingenieuren noch bis in die 1920er Jahre die verbreitete Auffassung, dass „die kurzen Wellen“ für die Übertragung von Funk unbrauchbar waren.
- Auf der Funkausstellung trat Werner Nestel erstmals in Erscheinung, ein junger Diplomingenieur, der wenig später eine zentrale Figur beim Bau von Großsendeanlagen und der Entwicklung des Volksempfängers war.
- Die Hörerbriefe erschienen in den Zeitschriften Der Deutsche Rundfunk und Bastelbriefe der Drahtlosen, zitiert nach Lubbers, Schwipps: Mit 8 kW rund um die Welt.
- Siehe dazu Geschichte des Hörfunks in Deutschland, Abschnitt Der Deutsche Kurzwellensender