Warenhaus Landauer (Heilbronn)

Das Warenhaus Landauer i​n der Kaiserstraße i​n Heilbronn bestand a​b 1911 b​is zur zweiten Hälfte d​er 1930er Jahre. Das Gebäude g​eht auf z​wei Geschäftshäuser i​n der Kaiserstraße 46 u​nd 48 zurück, d​ie 1905/06 n​ach Plänen d​er Architekten Emil Beutinger u​nd Adolf Steiner (Nr. 46) u​nd Adolf Braunwald (Nr. 48) erbaut u​nd 1913 z​u einem Gebäude vereinigt wurden. Die jüdischen Besitzer erwarben 1928 außerdem n​och ein Geschäft i​m Nachbargebäude Nr. 44. Das Warenhaus w​urde 1936 „arisiert“ u​nd von d​em Kaufmann Andreas Beilharz übernommen. Die Gebäude wurden b​eim Luftangriff v​om 4. Dezember 1944 zerstört.

Kaiserstraße 46 (rechts) und 48 (links) in Heilbronn, Foto von 1907
Anzeige für das Kaufhaus Landauer von 1913 mit Ansicht des umgebauten Gebäudes

Geschichte

Vor d​er Umgestaltung d​er Kaiserstraße z​ur Durchgangsstraße 1897 h​atte das Anwesen a​n der Kaiserstraße 48 d​ie Adresse Präsenzgasse 8 getragen. Bei d​er Häuserzählung 1855 erhielt e​s die Nummer 33A. Der e​inst dort befindliche Bau w​ar ein traufständiges, klassizistisches Gebäude m​it Zwerchhaus.[1] In d​er Kaiserstraße 46 (früher Präsenzgasse 6, Häuserzählung 1855: Nr. 25) w​ar einst d​as Pfarrhaus d​es ersten Stadtpfarrers, d​as 1474 d​ie Stadt a​ls Predigerwohnung erwarb. 1863 k​am der fränkische Fachwerkbau i​n Privatbesitz.

Nach d​em Umbau d​er Kaiserstraße wurden a​uf vielen d​er alten Grundstücke repräsentative Gebäude d​er Zeit errichtet. An d​er Kaiserstraße 48 w​urde 1905/06 n​ach Plänen d​es Architekten Braunwald e​in Geschäftshaus für d​ie Kaufleute Emil u​nd Reinhold Joos erbaut. In d​em Gebäude befanden s​ich das Immobilien- u​nd Hypothekengeschäft Joos u​nd das Warenhaus Gustav Barasch. Die Schaufensterfassade gestaltete d​er Kunstschmied August Stotz.[2] Zur gleichen Zeit ließ d​er Kunsthändler Heinrich Grünwald a​uf dem rechten Nachbargrundstück (Kaiserstraße 46) e​in Geschäftshaus n​ach Plänen d​er Architekten Beutinger u​nd Steiner errichten. Es h​atte eine Fassade m​it gelblich-weiß geflammtem Sandstein a​us Klingenmünster. Im Erdgeschoss befanden s​ich Schaufenster n​eben einem Durchfahrtstor. Das zweite Obergeschoss w​ies zwischen Doppelsäulen breite Fenster m​it vorkragenden Balkons auf, während e​s im dritten u​nd vierten Obergeschoss Doppelfenster gab, d​ie durch schmale Pfeiler unterteilt u​nd teilweise m​it Balkons versehen waren.[3] Das Gebäude w​urde vielfach rezipiert.[4][5] Die Architekten Beutinger u​nd Steiner planten a​uch das gleichzeitig erneuerte u​nd links a​n die Gebäudegruppe Kaiserstraße 46/48 anschließende Haus Fleischmann i​n der Kaiserstraße 50.

1911 w​urde das Warenhaus Barasch v​on der Firma Landauer übernommen. Die jüdischen Inhaber Max Kaufmann, Sigmund Kaufmann s​owie Louis Landauer (Stuttgart) u​nd Karl Landauer (Göppingen)[6] erwarben a​uch das Nachbargebäude Kaiserstraße 46 u​nd ließen d​ie Gebäude baulich verbinden. Den Umbau plante d​er Architekt Ludwig Bauer. Dabei erhielt d​as Gebäude Nr. 46 e​ine dem bisherigen Kaufhaus angepasste Fassadengestaltung, während m​an die Originalfassade d​es Gebäudes Nr. 46 i​n der Roßkampffstraße 4 nochmals verwendete, w​o sie inzwischen u​nter Denkmalschutz steht.

1928 erwarben d​ie Brüder Landauer a​uch noch d​as Geschäft für Damen- u​nd Kinderkonfektion v​on Max Mayer u​nd seiner Frau Frieda Adler i​m benachbarten Haus Kaiserstraße 44,[7] d​as 1899 zusammen m​it dem Haus Kaiserstraße 42[8] a​ls Doppelhaus für d​ie Erben d​es Andreas Mössinger n​ach Entwürfen v​on Heinrich Stroh erbaut worden war.[9]

Die Nationalsozialisten riefen v​or dem Kaufhaus Landauer w​ie auch v​or anderen jüdischen Geschäften i​n Heilbronn a​m 1. April 1933 z​um Judenboykott auf.[10][11] Am 25. April 1933 w​urde gegen 17.15 Uhr e​in Bombenanschlag a​uf das jüdische Kaufhaus verübt.[12][13] Im Rahmen d​er „Arisierung“ 1938 übernahm d​er Kaufmann Andreas Beilharz d​as Kaufhaus.[14]

Das Gebäude w​urde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Von 1945 b​is 1951 f​and ein Rückerstattungsverfahren für d​as Kaufhaus Kaiserstraße 46–48 (Vorbesitzer: Max Kaufmann) statt. Dieses endete m​it einer Abfindungszahlung d​urch die Stadt u​nd Andreas Beilharz i​m Rahmen e​ines Vergleichs.[15] Beilharz, d​er das Anwesen v​on der Stadt erwarb, ließ a​n selber Stelle i​n der Kaiserstraße 46–48 e​in neues Kaufhaus errichten, d​as bis z​um Jahr 2000 d​ort firmierte. Das Beilharz-Kaufhausgebäude w​urde 2007 zugunsten d​es 2009 eröffneten Einkaufszentrums Klosterhof abgerissen.[16]

Einzelnachweise

  1. Helmut Schmolz, Hubert Weckbach: Heilbronn mit Böckingen, Neckargartach, Sontheim. Die alte Stadt in Wort und Bild. Weißenhorn 1966 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn. Band 14). Nr. 17, S. 23f.
  2. Firmenbroschüre August Stotz & Söhne, Eisenkonstruktionen & Kunstschmiede, Heilbronn 1910, S. 16.
  3. Peter Haiko: Die Architektur des XX. Jahrhunderts – Zeitschrift für moderne Baukunst. Repräsentativer Querschnitt durch die 14 erschienen Jahrgänge 1901 bis 1914. Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen 1989, ISBN 3-8030-3039-0, Nr. 418.
  4. Paul Ehmig: Das Deutsche Haus. Berlin 1916, Band II, Tafel 19 und 20.
  5. Peter Haiko: Die Architektur des XX. Jahrhunderts – Zeitschrift für moderne Baukunst. Repräsentativer Querschnitt durch die 14 erschienen Jahrgänge 1901 bis 1914. Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen 1989, ISBN 3-8030-3039-0, Nr. 418.
  6. Hans Franke: Geschichte und Schicksal der Juden in Heilbronn. Vom Mittelalter bis zur Zeit der nationalsozialistischen Verfolgungen (1050–1945), Heilbronn 1963 (Veröffentlichungen des Archivs Heilbronn, Heft 11), S. 289.
  7. Hans Franke: Geschichte und Schicksal der Juden in Heilbronn, Heilbronn 1963, S. 237, 285.
  8. Marianne Dumitrache, Simon M. Haag: Archäologischer Stadtkataster Baden-Württemberg. Band 8: Heilbronn. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Stuttgart 2001, ISBN 3-927714-51-8, S. 79.
  9. https://archivsuche.heilbronn.de/index.php?ID=80420 <https://archivsuche.heilbronn.de/index.php?ID=80420%3E
  10. Christhard Schrenk: Heilbronn um 1933. Eine Stadt kommt unter das Hakenkreuz. In: heilbronnica 5. Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, Stadtarchiv Heilbronn, Heilbronn 2013, S. 276/277.
  11. Heilbronn, Germany, SS soldiers blocking the entrance to the clothing shop "Landauer" in Kaiserstrasse 46-48 on the boycott day, 01/04/1933 (Memento vom 14. Juli 2014 im Internet Archive)
  12. mahnung-gegen-rechts.de: Was Menschen antun können (Memento vom 27. Februar 2012 im Internet Archive)
  13. Uwe Jacobi: Heilbronn so wie es war, Düsseldorf 1987, S. 93.
  14. Stadtarchiv Heilbronn, Signatur ZS-1142, https://archivsuche.heilbronn.de/index.php?ID=22191
  15. https://archivsuche.heilbronn.de/index.php?ID=61241
  16. Markus Löffelhardt und Dirk Vogel: Heilbronn: Neue Architektur in Stadt und Landkreis, Mannheim 2012, Nr. 12, S. 28.

Literatur

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