WDR Big Band
Geschichte
Der Ursprung der heutigen WDR Big Band liegt bei dem im August 1946 beim damaligen NWDR Köln (dem Vorgänger des heutigen WDR) aktiven „Kölner Rundfunk-Tanzorchester“, das unter der Leitung von Otto Gerdes stand und im Wechsel mit dem Radio-Tanzorchester Hamburg unter Kurt Wege im einzigen Programm des NWDR auftrat.
Bereits im Herbst 1947 wechselte Otto Gerdes als Dirigent zu einem Orchester des Südwestfunks (SWF). An seine Stelle trat Adalbert Luczkowski, der in der Streichergruppe des im Krieg gegründeten „Deutschen Tanz- und Unterhaltungsorchesters“ tätig gewesen war und möglicherweise die Tradition dieser Band in Köln fortsetzen wollte. Man nannte jedenfalls das bestehende Orchester ab jetzt „Kölner Tanz- und Unterhaltungsorchester“ (KTUO). Zu den Solisten dieses Orchesters zählten Heinz Schachtner (Trompete), Erich Well (Posaune) und die Saxophonisten Eddie Reisner und Paul Peuker.
Ende der 1950er-Jahre entdeckte man beim WDR die Liebe zum Jazz. Da das bestehende KTUO dafür aber nicht konzipiert war, wurde Kurt Edelhagen mit dem Aufbau einer Jazz-Bigband beauftragt. 1957 wechselte Kurt Edelhagen vom SWF zum WDR und brachte drei Musiker seiner bisherigen Band mit nach Köln. Alle weiteren suchte er sich in ganz Europa zusammen, und mit Musikern aus acht Nationen war die Band vollzählig. Die Zusammensetzung änderte sich allerdings ständig, da Edelhagen für einen starken „Verschleiß“ von Musikern bekannt war. Das neue „Orchester Kurt Edelhagen“ blieb jedoch eine eigenständige Band unter dem Namen ihres Leiters und war kein „Rundfunkorchester“. Nur Edelhagen hatte einen Werkvertrag mit dem WDR, der jährlich erneuert werden musste. Insofern kann er nur im weiteren Sinne als Vorläufer der „WDR-Big Band“ gelten. Erst nach Auflösung seines Vertrages durch den WDR Ende 1972 und dem damit verbundenen Ende seiner eigenen Big Band hat Edelhagen zwischen 1976 und 1980 Aufnahmen mit dem „WDR-Tanzorchester“ eingespielt.[1]
Adalbert Luczkowski trat zum 1. Januar 1966 in den Ruhestand. Sein Nachfolger wurde 1967 der bisherige Chef der RIAS Tanzorchesters Berlin, Werner Müller. Das Kölner Tanz- und Unterhaltungsorchester unter Leitung von Adalbert Luczkowski und danach Werner Müller spielte zeitweilig parallel mit der Edelhagen-Band beim WDR. Werner Müller fasste zeitweise die Musiker seiner Band mit den Streichern des WDR-Rundfunkorchesters zum „Großen Unterhaltungsorchester des WDR“ zusammen. Mit ihm kam die Bezeichnung „WDR-Tanzorchester“ und später „WDR-Big Band“ auf. Im September 1987 wurde Wolfgang Hirschmann zum Ersten Tonmeister und Produzenten der WDR Big Band berufen; ab 1996 bis Januar 2002 war Hirschmann ihr Orchester-Manager, deren Repertoire er ständig erweiterte. Auf diesem Kurs folgte ihm Lucas Schmid.
Chefdirigent ist seit 2016 Bob Mintzer. Zeitgleich wurde Vince Mendoza als neuer „Composer in Residence“ der Band vorgestellt.
Seit 2004 ist mit Karolina Strassmayer (Altsaxophon) erstmals eine Frau Mitglied des Orchesters. Von 2014 bis 2019 verfügte das Orchester mit Shannon Barnett auch über eine Blechbläserin. Die WDR Big Band wurde mehrmals ausgezeichnet.
Am 1. Mai 2020 wurde die WDR Big Band Play Along App für Android und iOS veröffentlicht, mit der Musiker virtuell mit der Big Band spielen können.[2] Die Idee zur App kam u. A. von John Goldsby, entwickelt wurde sie von der DOTW GmbH mit Sitz in Köln. Die App erhielt im Januar 2021 den Preis Innovation 2020 der dt. Orchesterstiftung.
Bandleader
Bisher haben folgende Bandleader die Band geführt:
- Otto Gerdes (1946–1947)
- Adalbert Luczkowski (1947–1967) / Johannes Fehring (1963 – 1965)
- Werner Müller (1967–1985)
- Jerry van Rooyen (1985–1995)
- Bill Dobbins (1995–2002)
- Michael Abene (2003–2014)
- Richard DeRosa (2014–2016)
- Bob Mintzer (seit Sommer 2016)[3]
Aktuelle Besetzung
Die aktuelle Besetzung (2019) besteht aus:[4]
- Saxophon: Karolina Strassmayer (as), Olivier Peters (ts), Johan Hörlén (as), Paul Heller (ts), Jens Neufang (bs)
- Trompete: Andy Haderer, Rob Bruynen, Wim Both, Ruud Breuls
- Posaune: Ludwig Nuss, Mattis Cederberg, Raphael Klemm, Andy Hunter
- Rhythmusgruppe: Billy Test (Keys), Hans Dekker (Drums), John Goldsby (Bass), Paul Shigihara (Gitarre)
Auszeichnungen
2007 erhielt die WDR Big Band einen Grammy: Das Album „Some Skunk Funk“, auf den Leverkusener Jazztagen 2003 zusammen mit Will Lee, Randy und Michael Brecker aufgenommen, wurde als bestes Album eines Jazz-Großensembles ausgezeichnet. Michael Brecker erhielt zudem posthum den Grammy für das beste Jazz-Instrumentalsolo für das Stück „Some Skunk Funk“.
Auch bei der 50. Grammy-Verleihung im Jahr 2008 war die WDR Big Band erfolgreich: Die Gemeinschaftsproduktion zwischen der WDR Big Band und der Sängerin Patti Austin, „Avant Gershwin“, wurde zum besten „Jazz Vocal Album“ des Jahres gekürt. Den zweiten Grammy gewann die WDR Big Band gemeinsam mit Vince Mendoza in der Kategorie „Best Instrumental Arrangement“ für das Arrangement „In a Silent Way“, komponiert von dem 2007 verstorbenen Joe Zawinul. Die Aufnahme entstand im Oktober 2005 in Wien, das Stück ist ein Teil der Live-Aufnahmen, die auf dem Doppelalbum Brown Street im Jahr 2006 veröffentlicht wurden.
Im Januar 2021 erhielt die WDR Big Band den "Preis Innovation 2020" der Deutschen Orchester-Stiftung für die "WDR Big Band Play Along App"[5].
Diskografie (Auswahl)
- 2021
- Ich frag die Maus, Mark Forster und die WDR Big Band
- 2020
- Blue Soul, Dave Stryker mit Bob Mintzer und die WDR Big Band
- Storytellers, Luciana Souza und die WDR Big Band Köln
- 2019
- Live at the Philharmonie, Cologne, Bill Laurance und die WDR Big Band (Deutscher Jazzpreis 2021 als „Rundfunkproduktion des Jahres“)[6]
- 2018
- Always Forward, Marshall Gilkes und die WDR Big Band
- 2017
- Homecoming, Vince Mendoza und die WDR Big Band
- 2015
- Köln, Marshall Gilkes und die WDR Big Band Köln
- My Personal Songbook, Ron Carter und die WDR Big Band Köln
- Big Band Boom, Metro und die WDR Big Band Köln
- 2013
- Reineke Fuchs, Hörspiel mit Theo Bleckmann, Ulrich Noethen und der WDR Big Band (Live in Köln)
- 2012
- Soul Classics, Maceo Parker und die WDR Big Band
- 2011
- Mit großem Besteck, Pe Werner und die WDR Big Band
- 2009:
- Vans Joint, Bill Evans, Dave Weckl, Mark Egan und die WDR Big Band Köln (Live)
- Plays the Music of Jimi Hendrix, Hiram Bullock, Billy Cobham, und die WDR Big Band Köln (Live)
- 2007:
- Avant Gershwin, Patti Austin und die WDR Big Band Köln
- Roots & Grooves, Maceo Parker und die WDR Big Band Köln
- 2006:
- Brown Street, Joe Zawinul und die WDR Big Band Köln (Live in Wien)
- Winterwunderwelt, Götz Alsmann und die WDR Big Band Köln
- 2004:
- NiedeckenKoeln, Wolfgang Niedecken und die WDR Big Band Köln
- Voices of Concord Jazz, live in Montreux
- 2003:
- tango y postango, Nestor Marconi, Ernst Reijseger, Mark Walker und die WDR Big Band Köln
- 2002:
- Paquito D'Rivera, Latin Rhythms with Paquito D’Rivera
- For Ella, Patti Austin/ Patrick Williams
- Dedalo, Gianluigi Trovesi
- Colours of Siam, Thorsten Wollmann
- 2000:
- WDR Bigband Jan Klare/Eckard Koltermann
- Mannix Soundtracks, Lalo Schifrin
- Jazz Goes to Hollywood, Lalo Schifrin
- Kurt Weill – American Songs, Caterina Valente
- 1999:
- Get Hit in Your Soul, Miles Griffith / Jack Walrath
- Latin Jazz Suite, Lalo Schifrin
- 1998:
- Prism, Bill Dobbins / Peter Erskine
- Gillespiana, Lalo Schifrin
- Jazz Mass In Concert, Lalo Schifrin
- The Escape, Jens Winther
- Your Song, Jerry van Rooyen
- 1997:
- Behind Closed Doors, Peter Erskine
- The Last Concert, Eddie Harris
- 1996:
- Flame
- Jubilee, Markus & Simon Stockhausen
- Soul to Jazz, Bernard Purdie
- Swing & Balladen, Jerry van Rooyen
- 1994:
- Electricity, Bob Brookmeyer
- Sketches, Vince Mendoza
- 1993:
- Cosmopolitan Greetings, George Gruntz
- Jazzpana, Vince Mendoza / Arif
- 1992:
- Carambolage, Joachim Kühn
- Traces of Trane, Peter Herborn
- 1990:
- Tribute to Thad Jones, Mel Lewis
- 1989:
- Dream of Life, Carmen McRae
- East Coast Blowout, Jim McNeely
- The Third Stone, Jiggs Whigham
- 1984:
- Harlem Story, Peter Herbolzheimer
Weblinks
Einzelnachweise
- Vgl. die Audio-CD: Kurt Edelhagen & das WDR Tanzorchester. Recordings 1976-1980. WDR 4, 2 CDs. (2007)
- WDR Big Band Play Along App. 29. März 2021, abgerufen am 23. August 2021.
- WDR (Westdeutscher Rundfunk) Kulturnachrichten vom 11. Dezember 2015: Jazzmusiker Bob Mintzer wird Chefdirigent der WDR Bigband, abgerufen am 13. Dezember 2015
- Gemeinsam und solistisch. 15. Dezember 2018, abgerufen am 14. Dezember 2018.
- Preis Innovation der dt. Orchester-Stiftung. 20. Januar 2021, abgerufen am 23. August 2021.
- Deutscher Jazzpreis. Initiative Musik, abgerufen am 4. Juni 2021.